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Autor Thema: [Background] Wege zur Erkenntnis, Wege zur Erlösung  (Gelesen 85905 mal)
Beschreibung: Remy le Duc: Charakterbogen, Präludium und Tagebuch
Wuschel
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« Antworten #45 am: September 13, 2008, 19:12:41 »

Nirgends konnte er Jonathan zischen den Mönchen entdecken.
Die Menge teilten sich in zwei Gruppen. Remy wurde in Richtung der seitlichen Bankreihen gezogen, die anderen liefen auf den Chor zu. Irgendwie saß Remy neben Gaulliaume ganz außen auf der Bank. Ihnen gegenüber lag die Bank des Landesfürsten, doch war sie gefüllt mit den ernsten in Gold und Purpur gekleideten Rittern.
In ihrer Mitte trohnte er. Ein Mann mit scharfen aristokratischen Gesichtszügen. Er trug einen schwarzen Kinnbart. Seinen Augen waren blau wie Stahl und sein Blick nicht weicher. Die Robe, die er trug, konnte über seinen muskulösen Körper nicht hinwegtäuschen... und hätte einem Ganzen Dorf über den Winter helfen können.
Dann traten die Gläubigen ein, erst die Adeligen, dann die Kaufleute und zuletzt die einfachen Menschen. Noch während sie sich setzten begann die Orgel zu spielen. Die Musik wirkte fremdartig auf Remy doch erfüllten ihn die Klänge ganz und hallten wunderschön wider.

Dann betrat der Bischof die Szene. Zur gleichen zeit begann der Chor zu singen, allen voran Bruder Herold der mit seinen mädchengleichen Alt, die Lobpreisung leitete.
Der Weihrauch benebelte ihn mehr als er es gewohnt war.
Nach dem Ende des Gesanges war der Bischof vor den Altar getreten. Reich geschmückt und irgendwie Fremdartig war seine Kleidung.
Der schon in die Jahre gekommene Mann richtete das Wort an die Gemeinde:

"Wir sind heute hier zusammengekommen um den Herrn zu Ehren. Groß ist Seine Güte, denn Er hat uns in Seiner Wahrhaftigkeit eine Ehre zuteil werden lassen. Bruder Guillaume und Remy le Duc brachten eine kostbare Reliquie in unsere Stadt: Die verloren geglaubte Schädeldecke des Bartholomäus!"

Ein Raunen ging durch die Menge, selbst durch die Mönche. Nur ihre Gegenüber blieben still und diszipliert.

"Remy, tritt vor," fuhr der Bischof fort, "du sollst den Segen erhalten."
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Aphiel
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Stier


« Antworten #46 am: September 14, 2008, 03:17:41 »

Remy kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Er hatte mit einem kleinen Morgengebet gerechnet, so wie es es aus Fleury kannte. Stattdessen schien hier aber eine Freudenmesse anberaumt worden zu sein, an der die ganze Stadt teilnahm. Das weltliche Oberhaupt schien allerdings nicht wirklich begeistert zu sein, so wie er da mit kaltem Blick zwischen den Kirchendienern in Purpur und Gold sass. Keiner von ihnen.

Müssten sie sich nicht eigentlich freuen? Schliesslich war die Reliquie in einer ihrer Kutschen unterwegs, bevor sie fast verloren gegangen wäre. Aber ihre Gesichter sind alles andere als fröhlich. Vielleicht steckt ja wirklich mehr dahinter, als ich hier und jetzt ergründen kann...

Als die Reihen sich gefüllt und die Messe begonnen hatte, wurde Remy ein weiteres Mal überrascht, als ihn der Bischof mit vollem Namen erwähnte. Er war doch bereits ein ordinierter Bruder der Benediktiner, also hätte ein 'Bruder Remy' völlig genügt. Die Tatsache, dass man seinen ganzen Namen erwähnte, musste also von Bedeutung sein. Nur was sollte hier verdeutlicht werden? Dass seine Familie von adligem Blut war? Oder dass er Untertan der französischen Krone war? Vielleicht einfach nur die Tatsache, dass ich ein Auswärtiger bin, kein Deutscher und kein Pole? Aber warum diesen Fakt betonen, wenn nicht... aus politischen Motiven?

Remy bemerkte wohl, wie ruhig und gefaßt die Leute in Purpur und Gold bei dieser Verkündung blieben. Das muste einfach etwas zu bedeuten haben. Er nahm sich vor, Guillaume und Jonathan so bald wie möglich diesbezüglich zu fragen. Falls er hier mitten in eine Intrige oder einen Machtkampf geraten war, mochte das leicht das Ende seines Lebens bedeuten, insofern er der falschen Person nur einen passenden Vorwand lieferte. Doch wer intrigierte hier gegen wen? Er würde vorsichtig sein müssen und genau darauf achten, mit wem er von nun an sprach. Zunächst würde er nur Guillaume und Jonathan trauen können.

Die eindeutig größte Überraschung dieses Tages jedoch war es für den jungen Mönch, als er vom Bischof gebeten wurde, vorzutreten. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Eine öffentliche Segnung durch den örtlichen Bischof für einen Fremdländer, und das vor den Augen der weltlichen Macht dieser Stadt... oh, Remy, wo bist du hier nur hinein geraten? Er wünschte sich in diesem Augenblick zurück in die Bibliothek, in irgendeine Bibliothek, zurück zwischen Bücher und Schriften. Inmitten von gesammeltem Wissen auf Papier und Pergament fühlte er sich zehnmal wohler als in diesem Augenblick in der Kirche des Wawel.

Mit weichen Knien erhob sich Remy, demütig den Blick zu Boden gerichtet, wohlweislich jeglichen Blickkontakt mit den ernst blickenden Männern in Purpur und Gold vermeidend. So trat er den Weg zum Altar an, wo der Bischof ihn erwartete. Dort kniete er mit gefalteten Händen nieder, bereit, den Segen zu empfangen und bat stumm in Gedanken den Allmächtigen um seinen Beistand. Dies mochte eine Freudenfeier sein, doch Remy fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl in seiner Haut.

Er konnte jetzt nur noch darauf vertrauen, dass dies Teil von Gottes großem Plan war und dass der Herr an diesem Tag gnädig auf sie herabsah, so wie er es durch den schönen sonnigen Morgen angekündigt hatte. Der Gedanke gab ihm einen Funken des Mutes wieder. Ja, Gott hatte einen Plan und er, Remy, war Teil davon. Das war die Wahrheit und Erkenntnis dieses Tages und an sie knüpfte er seine ganze Hoffnung.
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« Letzte Änderung: September 14, 2008, 03:19:49 von Aphiel » Gespeichert

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Remy le Duc (Vampir)
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« Antworten #47 am: Oktober 05, 2008, 11:50:04 »

Remy kniete dort, vor der versammelten Gemeinde. Der Bischof, dessen Namen er nicht einmal kannte, trat mit gewichtigen Schritten auf ihn zu. Seine Robe schliff auf dem Boden entlang und enthüllte schrittweise goldbestickte Schuhe. Die Weihrauchschale wurde drei Mal in seine Richtung geschwenkt, dann sprach der Bischoff:

   " Der HERR segne dich und behüte dich;
    der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
    der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
"

Dann zeichnete er das Kreuz über Remy, und er antwortete automatisch im Chor mit der Gemeinde:

    "Amen."

Remy hatte ein Gefühl des göttlichen Beistandes erwartet, doch er fühlte sich eher wie ein abgehakter Punkt auf der Liste. Die Gemeinde war voller Euphorie, doch die hohen Weltlichen und Geistlichen waren kalt wie Eis. Ihm blieb nichts, als zurückzutrotten und wieder neben Guillaume Platz zunehmen. Der Gottesdienst lief für ihn nur noch mechanisch ab. Die Predigt handelte vor allem von den Taten des Bartholomäus. Zwischen den Worten des Bischoffs wurde immer wieder Gesungen.
Wie im Flug verging die Zeit, und schon bald war es zu Ende.

Alle strömten hinaus in die warme Frühlingssonne. Zwischen den Mönchen und ihren knurrenden Mägen fühlte er sich wieder besser. Neugierige und ehrfürchtige Bicke wurden ihm zugeworfen, aber kein Neid und keine Mißgunst war zu spüren. Bruder Herold steckte Remy schweigend ein kleines Briefchen zu, das er eilig in den Falten seines Gewandes verschwinden lies.

In der nun von Sonnenlicht durchfluteten Küche des Klosters erhellte sich die Stimmung zusehens, doch auch hier war kein Bruder Jonathan zu sehen. Er und Guillaume sahen - gebeten zu sitzen - zu, wie die heimischen Mönche in Windeseile ein großzügiges Frühstück auftaten. Es gab Brot, Eier, Milch und Käse, sogar kaltes gebratenes Fleisch gab es.
Während des Esses baten die Mönche immer wieder darum, daß die Geschichte ihrer Reise erzählt werde. Guillaume fasste sich ein Herz und begann zu erzählen. Remy spürte, wie sich die neugierigen Blicke von ihm lösten, als sein Mentor sprach.
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« Antworten #48 am: Oktober 05, 2008, 13:44:31 »

Er war froh, als er sich wieder auf seinem Platz einfinden konnte, und glücklicher noch, als die Messe zu Ende war. Draußen im Sonnenschein fühlte er sich gleich wohler. Den Brief von Herold nahm er, verwundert aber diskret, und verbarg ihn ohne Weiteres in seiner Kutte. Mit seinen langen dünnen Fingern schaffte er es sogar, das Schreiben dabei noch einmal zu falten und so die Größe weiter zu reduzieren.

Endlich gab es etwas zu essen. Und was für ein Festmahl das war! Ob die Brüder hier jeden Tag so gute Mahlzeiten bekamen? Hungrig machte Remy sich über sein Gedeck her. Er lauschte ebenfalls, als Guillaume von der Reise zu erzählen begann. Aufgegessen hatte er seine Portion da bereits, aber zu gehen, bevor alle den Tisch verließen, wäre aufgefallen. Stattdessen schob er wie gewohnt die Hände in die weiten Ärmel des jeweils anderen Arms. In einer Hand verbarg er dabei das gefaltete Briefchen, das Herold ihm gegeben hatte. Während Guillaume berichtete, fühlten Remys Finger über das Papier, so als wünschten sie sich, selbständig lesen zu können, ohne Licht und ohne den Brief zu entfalten. Remy fühlte, wie die Neugier in ihm immer stärker wurde. Guillaumes Geschichte würde noch eine Weile andauern und im Moment lagen alle Blicke auf ihm. Der Augenblick wäre günstig...

Der junge Mönch zögerte nur einen Herzschlag lang, dann griff er mit einer Hand einen der leeren Krüge auf dem Tisch und erhob sich vorsichtig, um nicht die Geschichte zu stören. Unter dem Vorwand, Wasser holen zu wollen, würde er sicher einen Moment unbemerkt den Raum verlassen können. Vielleicht würde die Zeit ausreichen, um draußen kurz einen Blick in den Brief zu werfen. Und er konnte immer noch behaupten, dass er den Brunnen nicht gefunden hatte, wenn er mit dem leeren Krug zurückkehrte.
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Remy le Duc (Vampir)
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« Antworten #49 am: Oktober 18, 2008, 14:20:20 »

Remy stahl sich fort und lehnte sich auf dem Gang in eine Nische. als er sicher war, keine Schritte zu hören, entfaltete er das grobe Papier. In kleiner krakeliger Schrift las er mühsam:

Remy,

Verzeiht, daß ich Eurer ehrenvollen und schweren Zeremonie nicht beiwohnen konnte.
Derzeit fühle ich mich sehr erschöpft.
Ich bitte euch, mir alles zu berichten, und lade Euch ein mit mir in der Bibliothek nach Antworten auf die vergangen Ereignisse zu suchen.
Wenn es Euch genehm ist, erscheint zur Geisterstunde wie ein Geist in der Bibliothek.

Jonathan


Darunter war eine kleine Skizze, die Remy zuerst für ein gekritzeltes Siegel hielt. Seine natürliche Neugier zwang ihn jedoch ganz genau hinzusehen. Nach wenigen Sekunden, in denen mehere Bilder vor seinem geistigen Auge vorbeihuschten erkannte er es: Es war eine Karte!
Sie mußte eine Abkürzung zeigen.
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« Antworten #50 am: Oktober 18, 2008, 14:59:32 »

Remy las die Nachricht zweimal, insbesondere die Karte. Dann faltete er hastig den Brief wieder zusammen und schob ihn in seinen Ärmel zurück, bevor er sich mit dem leeren Krug auf den Weg zurück zu den anderen Brüdern machte. Mit einem gespielt verlegenen Gesichtausdruck stand er schliesslich in der Tür. Dem ersten Mönch, der ihn so sah würde er kurzerhand auf deutsch erklären: "Ich habe keinen Brunnen gefunden." Sicher bot er damit Fläche für einigen Spott, doch damit würde er umgehen können, schliesslich ging es hier um Größeres als sein Ansehen unter den anderen Brüdern. Falls seine Vermutung stimmte und er tatsächlich ins Kreuzfeuer einer politischen Intrige geraten war, konnte sein Leben davon abhängen.

Dann könnte der Brief mich verraten ... und auch Jonathan gefährden! Ich muss das Papier schnellstmöglich vernichten! Remys Hand schloss sich noch fester um das gefaltete Briefchen und er nahm sich vor, dies so bald wie möglich zu erledigen. Vielleicht würde es mit Hilfe der Kerze in seiner Kammer gehen. Dort würde er sich die Karte auch noch einmal genau einprägen können.

Für den Augenblick würde der junge Franzose sich wieder an den Tisch zu Guillaume und den anderen setzen und sich, sofern verlangt, an ihrem Gespräch beteiligen. Innerlich erwartete er aber die nächstbeste Möglichkeit, sich einige Minuten in seine Kammer zurückziehen zu können.

Und ein weiterer kleiner Gedanke blieb ganz hinten in seinem Kopf präsent, seitdem er Jonathans Zeilen gelesen hatte. Es war ein einfacher, bescheidener, ja fast schon kindlicher Wunsch, der angesichts des wunderbaren Wetters schon beinahe eine Sünde an diesem wunderbaren, sonnendurchfluteten und der Welt von Gott geschenkten Tag war.

Oh, wenn es doch nur schon Abend wäre...
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« Letzte Änderung: Oktober 18, 2008, 15:02:08 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #51 am: Oktober 19, 2008, 17:32:12 »

Der Tag zog sich hin.
Beinahe hätte Remy die Gebete des Tages und vor allem die Führung durch das Innere der Burg mit gelangweiltem Desinteresse abgetan. Alle Wege prägte er sich ein, ohne daß er es selbst bemerkte . Er sah Gebäudetrakt um Gebäudetrakt.
Man war sehr stolz auf die Burg.
Überall wimmelte es nur so von Prunk und zur Schau gestellten Kostbarkeiten.
Die Abtei war zwar karger eingerichtet, aber sobalt man das Integrierte Gebäude verlies, war man an einem reichen Adelshof.
Eine unabhängige kleine Welt, die uneinnehmbar schien. Natürlich war es wieder bruder Herold der mit seiner schönen Stimme alles erklärte. Remy blieb einfach hinter Guillaume, der begirig alle Worte aufsog.
An nichts anderes konnte er denken. Der junge Mönch mußte sehr an sich halen, nicht an dem verhängnisvollen Papier zu nesteln.

Als sie endlich zur Abtei zurückkehrten, stand schon das essen auf dem Langezogenen Tisch im Versammlungsraum. Es gab eine Suppe aus Kohl, die kräftig roch. Er wurde zu Tisch gezogen. Alle saßen gespannt vor ihrem Essen.

Bruder Herold richtete das Wort an ihn:"Bruder Remy, Erweist uns die Ehre und sprecht das Tischgebet."
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« Antworten #52 am: Oktober 23, 2008, 21:52:34 »

Remy war verwirrt, sein Gesicht spiegelte es deutlich wider, als er sich langsam erhob. Er atmete tief durch, während sich in seinem Kopf die Gedanken zu dem anordneten, was er gleich sagen würde. Das Gebet wurde kurz, kürzer als ursprünglich beabsichtigt, was aber daran lag, dass Remy das einfache Tischgebet direkt aus seiner Muttersprache ins Deutsche übersetzte, während er sprach. Es verlor dadurch einiges an der melodischen Ausdruckskraft, die es im Original gehabt hätte, doch der Sinn würde erhalten bleiben. Guillaume würde es erkennen, da es in Fleury des öfteren bei Tisch gesprochen wurde.

"Vater, du gabst uns deinen Segen, dafür danken wir dir.
Herr, du gibst uns unser tägliches Brot, darum leben wir.
Gott, segne dieses Mahl, dass wir dir auch morgen dienen und deinen Namen preisen."

Er zögerte nur einen Augenblick, bevor er einen halben Vers aus dem 2. Buch des Propheten Samuel folgen lies; doch diesen sprach er der Einfachheit halber direkt auf Latein aus. "Du aber hast deinen Knecht gesetzt unter die, die an deinem Tisch essen."

Erneut jene winzige Pause, bevor er das Gebet mit einem "Amen" beendete. Er setzte sich sich wieder und sah kurz zu Guillaume. Er würde gemeinsam mit den anderen Brüdern die Mahlzeit beginnen und der Dinge harren, die ihn noch erwarteten, bis er dann (endlich!, wie die leise Stimme in seinem Kopf flüsterte) zu Jonathan in die Bibliothek schleichen konnte.
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« Antworten #53 am: Oktober 25, 2008, 16:05:33 »

"Amen,"
stimmten die anderen ein. Herold warf ihm kurz einen erstaunten Blick zu, und Guillaume tat das ebenfalls, doch seiner war mit Stolz gefüllt.
Beim Essen wurde geschwiegen. Die Kohlsuppe tat gut. Sie schmeckte zwar ungewohnt, aber besänftigte seine Ungeduld etwas. 

Nach dem Essen (und abräumen) hatte er kurz Zeit zu seiner Zelle zu gehen, um sich frisch zu machen - und zum Abort zu gehen. Arbeiten würden sie während ihrer Zeit hier wohl nicht müssen, denn keiner hatte ihn nur auch in die nähe eines Lappens gelassen.
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« Antworten #54 am: November 09, 2008, 01:11:40 »

Für Remy hätte Arbeit ja auch bedeuten können, dass er mit Guillaume in die Bibliothek gehen konnte - und dort wollte er ja auch hin. Sein Status als Gast verzögerte dies nur, doch gab ihm der Aufenthalt in seiner Zelle die Gelegenheit sich zu erleichtern. Und Remy entledigte sich wirklich einer verräterischen Bürde. Mit der Kerze in seiner Zelle verbrannte er Jonathans Briefchen, nachdem er den Inhalt und die Karte auswendig gelernt hatte. In seinem Kopf war das Wissen sicherer aufgehoben, als auf dem Pergament, wo alle Augen es sehen konnten.

Doch bis zur Mitternacht war es noch so lange hin!

...zur Geisterstunde, wie ein Geist... ging ihm die Anweisung Jonathans durchs Hirn, und unwillkürlich fuhr Remy sich über den Schädel. Ein leichter Flaum hatte sich während ihrer Reise auf seinem Kopf gebildet, wo nun das zuvor rasierte Haupthaar neu spross. Er würde sich dort bald wieder kahl rasieren lassen müssen und die Tonsur ordnungsgemäß erneuern. Aber nun galt es, sich auf seinen nächtlichen Ausflug vorbereiten.

Dank der Karte in seinem Kopf und den Eindrücken des Tages hatte Remy eine recht gute Vorstellung, wie er in die Bibliothek gelangen konnte. Ob er es aber auch unbemerkt schaffen würde ... aber welchen anderen Sinn sollten Jonathans Worte sonst haben, wenn nicht die eindringliche Warnung, ungesehn zu kommen?

Erfrischt wartete Remy also auf seiner Liege, mit dem Gebetbuch in der Hand, ob Guillaume sich noch einmal zeigen würde. Vielleicht würde es eine erneute Führung geben, diesmal nur durch die Klosteranlagen. Das wäre eine weitere Gelegenheit für ihn, nach möglichen unbeleuchteten Passagen und schattigen Schlupfwinkeln Ausschau zu halten, die ihm den Weg zum Treffpunkt erleichtern würden.

So harrte der junge Franzose denn der Dinge, die ihn an diesem Abend noch erwarten mochten. Und er lauschte auf die Glockenschläge, die das Voranschreiten der Zeit vermerkten.
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« Antworten #55 am: November 14, 2008, 13:09:59 »

--- eine Stunde später ---

Immernoch niemand hatte ihn behelligt.
Er hatte auch gesehen, daß es viel zu tun gab. Die seltsamen Kirchenritter hielten die Bediensteten gut auf trab, und die Mönche hatten nicht weniger zu tun. Guillaume schien sich gut miit ihnen zu verstehen, wogegen er sich wie ein Fremdkörper fühlte.
Diese eine Stunde zog sich hin wie ein ganzer Tag. Anscheinend hatte er nun mehr als genug Zeit für sich. Die Glocke hatte erst zwei Mal geschlagen.

Noch zehn Stunden...
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« Antworten #56 am: November 22, 2008, 14:19:00 »

Als Remy merkte, dass niemand kommen würde, beschloss er, seiner Idee von vorhin nachzugehen. Er verließ seine Kammer und machte sich auf den Weg in die Küche. Er war es gewohnt, dass immer einer der Mönche in der Küche tätig war, also würde er dort erfragen können, wo er seine Tonsur erneuern lassen konnte. Einer der Brüder würde schon dafür verantwortlich sein, nur galt es, diesen jetzt auch zu finden. Mit etwas Glück war es sogar einer der Brüder aus dem Küchenbereich.

Auf seinem Weg durch das Kloster probierte Remy gleich seine durch die Karte erworbenen Kenntnisse des Klosters aus. Zumindest bemühte er sich, sich nicht zu verlaufen oder nach dem Weg fragen zu müssen. Außerdem hatte er so die bereits erhoffte Gelegenheit, sich nach schattigen und dunklen Ecken umzusehen, die ihm seinen nächtlichen Ausflug erleichtern würden.
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« Letzte Änderung: November 22, 2008, 14:20:37 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #57 am: Januar 11, 2009, 15:46:33 »

Remy verlies fast ein wenig zu verstohlen seine Zelle und ging der Karte, die immer wieder vor seinem geistigen Auge erschien, nach.
Ihr Anfangspunkt war sein Quartier.
Der Weg führte ihn an den Türen der anderen Zellen entlang. Der gang war lang und unebenmäßig, schließlich befanden sie sich sozusagen unterirdisch. Die Grauen Steine spendeten hier in einsamkeit bestimmt keinen Trost. Sie waren kalt, und an manchen Stellen bildeten sich Salzkristalle, die im Schein der wenigen Fackeln glitzerten und so die Lichtkreise in kurzem Abstand weit von einander entfernt wirken ließen.
Schließlich hörte die Reihe der Zellen auf - er hatte 23 inklusive seiner eigenen gezählt -und er reichte nach acht Schritten das Ende des Ganges.
Die einzelne Fackel in ihrem Halter verwandelte den Brunnen, der nichts als ein schmaler Schacht im Boden war, in einen leuchtenden Punkt der Hoffnung für einen Durstenden. Und durstig war Remy, jedoch nicht nach Wasser.
Er spähte in den Schacht und erkannte zunächst ein paar Sprossen, die in den Stein gehauen waren und dann, nur eine Körperlänge unter seinen Füßen einen engen waagrecht abzweigenden Schacht. So wie er die Karte interpretiert hatte, hatte er auf eine Leiter in einen verborgenen Stollen gehofft, aber das? Zum Glück hatte er auf der langen Reise nicht ausgiebig gespeist und war sogar schlanker als sonst in seinem bescheidenen Leben. Sollte er es wagen? Wer weiß wo der Schacht endete und er stecken blieb.
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« Antworten #58 am: Januar 11, 2009, 16:16:06 »

Die Neugier und die Vernunft lieferten sich einen Zweikampf in Remys Kopf. Während erstere ihn anstachelte, sofort und ohne Verzögerung zu untersuchen, wohin die Sprossen und der darunterligende Abzweig führen würden, ermahnte ihn die letztere, dass Jonathan nicht ohne Grund auf die Geisterstunde verwiesen hatte, und dass er ungesehen erscheinen sollte. Zu groß war die Gefahr, dass man ihn jetzt, zur Tageszeit, hier entdeckte. Und wenn Remy durch die heutige Heilige Messe eines deutlich geworden war, dann dass in den Mauern des Wawels kaum etwas so war, wie es zu sein schien.

Er hatte noch nicht erkannt, welches die Fronten waren und woher genau die Gefahr drohte, aber er wusste, dass er vorsichtig sein musste. Und dass er Jonathan und Guillaume nicht gefährden durfte. Zu zeigen, dass er mehr wusste, als ein einfacher Besucher aus dem fernen Frankreich, mochte schon zu viel sein.

Sein Entschluss stand fest. Er musste seine Neugier zügeln, so schwer es ihm auch fallen mochte. Schnell erhob er sich wieder und strich seine Kutte glatt, während er sich umsah, ob ihn auch niemand gesehen hatte. Zumindest wusste er nun, worauf er sich heute Nacht noch einlassen würde: eine Kletterpartie. Mit einem letzten schon fast wehmütigen und von Neugier fast berstenden Blick zurück, riss sich Bruder Remy von Fleury endgültig vom Brunnen los und machte sich auf den Weg zum Küchentrakt, wo er nun die Rasur seines Haupthaars erneuern lassen wollte.

Und vielleicht ergab sich ja hinterher sogar noch die Gelegenheit, das gute Wetter zu genießen? Der Tag versprach sonnig und warm zu werden. Gegen eine Stunde des stummen Gebets im wärmenden Sonnenschein würde doch sicher niemand etwas einwenden können.
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« Letzte Änderung: Januar 11, 2009, 16:19:04 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #59 am: Januar 11, 2009, 18:54:58 »

Auf dem Weg zurück kam ihm jemand entgegen.
Mit Erleichterung stellte Remy fest, daß es Guillaume war. Er trug zwei hölzerne Eimer, die an ihren leinernen Bügeln hin und her pendelten.
"Remy, bist du das?" fragte er in den Gang hinein, "Sei so gut und hilf mir. Ich suche den Brunnen, denn in der Küche lassen sie gerade ein Bad ein."
Das kam wie gerufen.

Kurze Zeit später fand er sich mit Gulliaume im Badezuber sitzend wieder. Sein Geheimnis war vorerst sicher, er und seine Kleidung waren sauber und sein Haarschnitt wieder eines Mönches würdig. Die Sonne schien durch das Fenster hinein und brachte ihn auf andere, weniger düstere Gedanken.
Für den Nachmittag hatte man ihm leichte Gartenarbeit aufgetragen.  Er sollte die Beete jäten, doch bereits aus dem Fenster hinter der Küche sah er, daß kaum etwas zu tun war. Er würde seinen Gedanken nächhängen können. Zwischen den gerade aufblühenden Setzlingen, die in exatkt quadratischen Beeten angeordnet und reichlich mit kleinen Schildern bezeichnet waren, hindurchzuwandeln würde ihm die Zeit bis zur Abendandacht sicher vertreiben.
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