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Autor Thema: [Background] Wege zur Erkenntnis, Wege zur Erlösung  (Gelesen 85881 mal)
Beschreibung: Remy le Duc: Charakterbogen, Präludium und Tagebuch
Wuschel
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« Antworten #75 am: Februar 15, 2009, 16:26:23 »

Remy machte sich auf den Rückweg, doch ganz erreichte er das Gotteshaus nicht. Die Anderen kamen ihm entgegen, die Köpfe noch demütig gesenkt. Er konnte sich beinahe unbemerkt einreihen und schnell war Gauillaume, der als einziger aufgesehen hatte, neben ihm.
"Nicht hier, später..." raunte er Remy zu, und senkte mit einem alamierenden Seitenblick auf die anderen Brüder das Haupt.
Sie verschwanden förmlich zwischen den Mönchen, überstanden unauffällig das Abendessen und verabredeten sich leise an der Wasserstelle, wo sie sich schon zuvor bei Remys Ausflug getroffen hatten.

--- Zwei Stunden später ---

Remy fand am Ende des langen dunklen Ganges, der wie er wußte noch weiter fürte, einen besorgten Guillaume vor.
"Remy, alles in Ordnung? Was ist passiert?" fagte er leise und kam ein paar Schritte auf ihn zu, nicht ohne noch einmal zu sehen, ob auch niemend gefolgt war.
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Aphiel
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« Antworten #76 am: Februar 17, 2009, 14:48:25 »

"Ich weiss es nicht. Ich glaube, ich habe etwas Schlechtes getan." Remy konnte die knappen Antworten in ihrer gemeinsamen Muttersprache seinem Mentor nur ins Ohr flüstern. "Es ging um die Kutsche. Sie haben mich befragt. Die Männer in Purpur und Gold. Einer von ihnen war ein Großinquisitor! Guillaume, ich brauche deinen Rat. Und den von Jonathan. Ich habe vielleicht einen großen Fehler begangen."

Remy hatte nur kurze Sätze von sich gegeben und zwischendurch immer wieder den Gang hinab gespäht. Es durfte offensichtlich sein, dass er sich hier nicht sicher fühlte. Er kam sich so entblößt vor, als säße er geradewegs auf dem Präsentierteller. Er wollte hier weg, irgendwohin wo es sicher war.
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Remy le Duc (Vampir)
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« Antworten #77 am: Februar 22, 2009, 17:46:50 »

"Ganz ruhig, Remy. Du bist gewiß bei der Wahrheit geblieben. Wir haben richtig und ehrenvoll gehandelt. Du bist doch sogar geehrt worden!"
Gaulliaumes Worte machten ihm Hoffnung. Doch er hatte die unterschwellige Bedrohung in der engen Zelle nicht gespürt.
"Stell dich weiter dumm. Ich werde das auch tun, denn niemand weiß von unserem Gespräch mit unserem Freund. Denk daran, wir sind einfache Menschen und fromm."
Er sah zu Boden. "Remy, ich fürchte, sie werden mich auch befragen... Ich befürchte, sie werden uns auf die ein oder andere Art zum Schweigen bringen, wenn ich uns verraten sollte. Sprich bald mit Jonathan, ich muß offensichtlich bleiben, damit sie keinen Vardacht schöpfen. Diese Herren legen wissen, das sie nicht haben gern als Ketzerei aus. Und die Anwesenheit eines Großinquisitors sagt nur eines aus: Es wird Tote geben..."
Jetzt sah Remy die nackte Angst vor sich stehen. Warum hatte Guillaime nur solche förmlich spürbare Todesangst?
« Letzte Änderung: Juni 21, 2009, 23:47:19 von Wuschel » Gespeichert
Aphiel
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« Antworten #78 am: Februar 22, 2009, 19:11:03 »

"Ja, die Wahrheit habe ich gesagt." Der junge Franzose fuhr sich mit den langen dünnen Fingern über das frisch rasierte Haupt. "Vielleicht habe ich sogar zu viel gesagt. Das mit der Asche zum Beispiel. Sie sagten, der Passagier war ein Dieb und ein Verräter. Und dass der Teufel ihn geschickt hätte. Und dass sie hier wären, um diese Gegend von solchen wie ihn zu säubern."

Remy schwieg, währen Guillaume seine Befürchtungen äußerte. "Was meinst du mit 'verraten'? Wir haben doch nichts Unrechtmäßiges getan! Oder war unser Gespräch mit Jonathan etwa schon zu viel? Wen sollten sie denn umbringen? Mich? Dich? Dazu haben sie doch gar keinen Grund..."

Urplötzlich schwieg Remy wieder, weil einerseits sein Tonfall immer hitziger und damit lauter geworden war, aber auch, weil er dachte, etwas gehört zu haben. Erneut sah er den Gang hinab. Erst dann flüsterte er "Ich werde versuchen, Jonathan so bald wie möglich zu sehen und ihm alles berichten."

Er betrachtete seinen Mentor eingehend, konnte sich aber nicht daran erinnern, ihn jemals so ängstlich gesehen zu haben. Ging es hier um etwas, was sie gemeinsam erlebt hatten, oder um etwas ganz anderes, das nur Guillaume wusste? Remy war sich nicht sicher, aber er erkannte die Furcht im Blick des älteren Bibliothekars, hatte er sie doch selbst nur wenige Stunden zuvor verspürt. Er versuchte an das anzuknüpfen, was Guillaume gesagt hatte, dass sie auch ihn befragen würden.

"Bitte, Guillaume, sei vorsichtig, wenn sie dich holen. Und achte auf den Spanier. Ich glaube, er spürt es, wenn man nicht die ganze Wahrheit sagt." Remy wartete noch ab, ob Guillaume ihm noch etwas sagen wollte. Ansonsten war es wohl klüger, sich nicht zu lange beieinander aufzuhalten.
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« Antworten #79 am: März 02, 2009, 12:14:45 »

Guiliaume nickte nur stumm. Er griff nach dem Eimer, den er zuvor schon mit Wasser gefüllt hatte, und drehte sich noch einmal um, bevor er ihn verließ.
"Ich gehe schon mal vor. Du suchst Jonathan auf. Sei vorsichtig. Gott schütze dich, Remy."
Nach wenigen Augenblicken war er allein. Er hörte einen Windzug durch den Brunnenschacht hinter ihm pfeifen. Die schwankenden Schritte Guillaumes und das Schwappen seines Holzeimers entfernten sich.
In der ferne wurde die Glocke geschlagen und die neunte Abendstunde verkündet.
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Aphiel
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« Antworten #80 am: März 03, 2009, 22:33:41 »

Remy sah seinem Mentor einen Augenblick lang nach, während er den Glockenschlag hörte. Bald war es Zeit für die Komplet, das letzte der täglichen monastischen Stundengebete. Danach wurde üblicherweise im Kloster bis zum Morgen geschwiegen.

Er ging zurück in seine Zelle, setzte sich auf die Kante seines Lagers und überlegte, was er bis dahin tun würde. Jonathan erwartete ihn erst um Mitternacht, das Gebet aber war vorher und doch war der Zeitpunkt für beides nicht gekommen.

Die Hand mit den langen dünnen Fingern suchte sich wie von selbst ihren Weg unter die Matratze, wo sie sein privates Notizbuch ergriff und langsam hervorzog. Zunächst starrte der junge Mönch nur auf den Einband, dann aber stand er auf und ging zu seinem Tischchen, wo er sich setzte und eine leere Seite aufschlug. Dort hinein schrieb er sorgfältig die beiden Worte, die er vom Großinquisitor gehört hatte: Camilla und Vampyr. Nachdem er sie einige Augenblicke lang angesehen hatte, klappte er das Büchlein plötzlich zu, verbarg es sicher in seiner Kutte und räumte die Schreibsachen in die Umhängetasche, die er sich dann um den Hals legte. Er hatte sich entscheiden, die Bibliothek jetzt gleich aufzusuchen. Vielleicht konnte er auch ohne die Anwesenheit von Jonathan und Guillaume dort etwas lernen, nicht nur über diese neue Worte, sondern eventuell auch über die Weiße Frau, seine Himmelsbotin.

Im Stehen ging Remy vor seinem geistigen Auge den Weg durch, den die kleine Karte beschrieben hatte, wiederholte jede Abzweigung im Kopf und tat es zur Sicherheit gleich noch einmal. Dann, leise die Tür zu seiner Zelle öffnend, spähte er auf den Gang hinaus. Als er sich sicher war, dass niemand da war um ihn zu sehen, ging er hinaus; zügig, aber nicht hastig legte er den Weg zum Brunnen zurück, wo er noch vor nicht einmal einer halben Stunde mit Guillaume gestanden hatte. Erneut prüfte er, ob niemand da war, dann schlüpfte er in den Brunnenschacht, mit den Füßen Halt in den Sprossen suchend. Dann kletterte er zum waagerechten Seitenschacht hinab und begann seinen Weg, immer der Karte in seinem Kopf folgend.
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« Letzte Änderung: März 03, 2009, 22:35:34 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #81 am: März 15, 2009, 19:01:30 »

Remy konnte in den Schacht spähen. Kleine Salzkristalle glitzerten in dem engen Durchgang. Es roch feucht, aber nicht abgestanden.
Er mußte auf den Knien und Händen Vorwätrs bewegen. Zuerst fürchtete er, er müßte den Schacht in völliger Dunkelheit durchqueren, doch kroch er überraschend nach ein paar Herzschlägen um eine scharfe Kurve. Der Fels war scharfkantig, und wohl grob behauen worden, denn bald hatte er sich die Knie und Hände aufgeschürft, doch wenigstens sah er nun ein Licht am Ende des Tunnels: Tanzendes Fackellicht. Es fiehl ihm so leichter, sich durch den Tunnel zu zwängen, und das Gefühl der Enge von sich abprallen zu lassen, denn es wurde immer enger.
Als das Licht unmittelbar vor ihm war, hatte sich der Durchmesser des Schachtes so reduziert, daß er sich mit den Armen voran auf dem Bauch liegend and er Kante es plötzlich endenden Tunnels voranziehen mußte. Geräusche hörte er nicht, bis auf das knistern der Fackel natürlich.
Erst als Remy den Kopf frei hatte, konnte er überprüfen, wo er gelandet war:
Sein Kopf ragte seitlich in einen größeren, senkrechten Schacht. Die Fackel steckte in einer Halterung, eine Elle recjts von ihn. Er spürte die Wäme. Zumindest mußte es ein Schacht sein, das verriet die Wendeltreppe, die ihm die Sicht nach oben und unten nahm. Er mußte nach oben, soweit er sich an die Zeichnung erinnerte, und dann nach rechts. Hoffentlich war die Treppe nicht von solchen Schächten gespickt und er verlor nicht die Orientierung.
Von unten pfiff ein kalter Luftzug herauf. Es roch süßlich. Eisengeschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.
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« Antworten #82 am: März 15, 2009, 19:19:49 »

Remy bemühte sich, aus dem engen Schacht auf die Treppe zu gelangen, ohne sich dabei noch mehr zu verletzen oder zu beschmutzen. Wieder auf den Füßen inspizierte er sein Aussehen im Licht der Fackel. Zunächst klopfte er sich den Staub aus der Kutte, dann betrachtete er die Abschürfungen an seinen Händen. Letztendlich aber wollte er sich nicht zu lange an diesem Ort aufhalten, sondern zur Bibliothek gelangen. Den Geruch im Luftzug nahm er wahr und versuchte sich zu erinnern, woher er ihn kennen mochte. Einen Augenblick lang dachte er noch darüber nach, die Fackel einfach mitzunehmen, dann aber entschied er sich dagegen. Falls er sie brauchen würde, konnte er immer noch zurückkommen.

Dann fiel ihm der Kerzenstummel in seiner Umhängetasche ein. Schnell holte er ihn heraus und entzündete ihn. Dann begann er, die kleine Flamme mit der Hand so gut er konnte vor dem Luftzug schützend, seinen Weg die Treppenstufen hinauf. Er war gespannt, wohin sie ihn führen würden.
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« Antworten #83 am: März 29, 2009, 19:29:02 »

Der monotone Aufstieg ließ die Anpannung noch wachsen. Der Baumeister dieser Treppe war wohl kein Mann seines Faches gewesen. Manchmal mußte Remy sich ducken, um nicht an die über ihm liegenden Stufen zu stoßen. Er hatte gut daran getan die Kerze zu entzünden, das hatte ihm einige Kopfschmerzen erspart.
Als seine Glieder schon zu schmerzen begonnen hatten, endete die Treppe aprupt. Sie führte einfach zur Decke und endete dann. Er konnte jedoch im schwachen Schein der Kerze eine Luke erkennen. Sie war hölzern und hatte keinen Riegel - sie war sogar leicht geöffnet. Ein Klotz hielt sie einen Spalt offen, durch den entfernt Licht hineindrang.
Remy konnte hinausspähen.
Viel erkannte er nicht, denn ein braunes Stück Stoff - wohl ein Teppich zur Verdeckung der Luke - versperrte ihm das Sichtfeld. Vor ihm breitete sich Holzfußboden aus. Das Licht drang durch einen Türspalt, der nur wenige Armlängen von ihm entfernt lag.
Mehr konnte er nicht erkennen. Laut der Karte vor seinen Inneren Auge trennte ihn nur noch ein Gang von seinem Ziel.
Da er nichts hörte, konnte er gefahrlos die Luke, die sehr leise Aufschwang, nach oben drücken.
Remy befand sich in einer Abstellkammer. Ein paar Eimer und Lappen waren darin zu finden und ein paar Blöcke Kernseife.
Der jung Mönch konnte nicht viel tun, außer dem Weg zu folgen. Er konnte die Tür beinahe Geräuschlos öffnen und sah auf einen Flur, wie er die ganze Burganlage durchzog. Die Wände waren mit Gobelins geschmückt, die die Geschichte des Ritters Krag erzählten, der einst den Drachen erschlug, der im Herzen des Felsens, auf dem die Burg nun stand, gehaust hatte. Kerzen erhellten die Szenerie. Mehrere Türen unterbrachen die Lange Wand, doch Remy wußte, es war die Tür am anderen Ende die ihn zum Ziel führte. Nichts und Niemand war zu sehen oder zu hören, und so konnte er es wagen, mutig voranzuschreiten.
Schnell stand er vor der richtigen Tür und wischte lautlos hinein.
Die Anspannung hatte den Höhepunkt erreicht.
schnell schloß er die Tür und kaum hatte er das getan, erklang eine Stimme hinter ihm.
"Wer stört mich? Ich hatte doch ausdrücklich..."
Remy erkannte die Stimme von Jonathan.
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« Antworten #84 am: März 29, 2009, 23:41:12 »

Sofort sah Remy sich um. Er war zu früh, keine Frage, und eigentlich hatte er die Zeit ja nutzen wollen, um in der Bibliothek seinen eigenen Spuren nachzugehen. Doch Jonathan so schnell zu finden kam einem Glücksfall gleich, denn nun musste er nicht erst warten, um von den Ereignissen des Abends zu berichten und die Warnung vor den Inquisitoren weiterzugeben.

"Bruder Jonathan," flüsterte Remy fragend in den Raum hinein, während er sich nach dem alten Mann umsehend langsam vorwärts schritt und dabei den Raum genauer in Augenschein nahm. Vielleicht fand ja ja jetzt schon irgendwo einen zufälligen Hinweis auf für ihn interessante Texte in Form einer herumliegenden Schriftrolle oder einem aufgeschlagenen Buch. Immerhin hatte Jonathans Brief ihn hierher in die Bibliothek bestellt, und in einer Bibliothek liest man doch für gewöhnlich. Schon wieder war er da, der Sog des Wissens um ihn herum, den Remy ganz natürlich mit einem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit verband. Selbst die Angst, die er bei der Befragung durch den Großinquisitor verspürt hatte, kam ihm nun weniger wirklich vor, mehr wie eine Erinnerung.

"Bruder Jonathan?" Die zweite Frage war nun schon ein wenig lauter, nicht mehr nur geflüstert, sondern leise gesprochen. Und je schneller er die Botschaft überbracht hatte, desto eher kam er vielleicht dazu, diese Bibliothek allein zu durchstöbern. Eventuell würde Jonathan ihn sogar anweisen, zu bleiben, dass der den Inquisitoren kein zweites Mal begegnete? Das wäre ihm gerade recht, denn sich in einem Raum voller Schriften selbst zu beschäftigen wäre wohl das kleinste Problem für den wissbegierigen Franzosen. Und vielleicht würde er hier endlich einen Hinweis darauf finden, warum seine Lippen nach jedem Besuch der weißen Frau versiegelt blieben. So lange sie nur jetzt nicht auftauchte und ihn an der Berichterstattung hinderte!

Erneut drängte sich das Bild seines besorgten Mentors Guillaume in seinen Kopf; er erinnerte sich an die Angst in seinen Augen und schon meldete sich auch Remys schlechtes Gewissen. Wie selbstsüchtig von dir jetzt an deine Belange zu denken! schalt er sich selbst innerlich, und die Scham kroch in ihm hoch. Nein, er musste jetzt sofort mit Jonathan reden, auch wenn er für ihre eigentliche Verabredung zu früh war.
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« Letzte Änderung: März 29, 2009, 23:43:15 von Aphiel » Gespeichert

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Remy le Duc (Vampir)
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« Antworten #85 am: April 16, 2009, 19:10:55 »

"Remy?"
Jonathans überraschte Stimme kam schnell näher. Es wurde plötzlich hell, als er die Verdeckung von der Blendlaterne abnahm und sich seine Gesicht gespenstisch wie ein Totenschädel auf einer schwarzen Robe erschien.
"Was... was macht ihr denn schon hier? Ist etwas geschehn?" Der Todenschädel schwebte auf ihn zu und verwandelte sich in der Nähe wieder in den einfachen Mönch. Wieder beschlich ihn dieses seltsame Gefühl, daß er in der Nähe der weißen Botin verspürte, auch wenn er nicht wußte weshalb.
Schnell entzündete Bruder Jonathan ein paar Funzeln, daß Remy seine Situation besser wahrnehmen konnte.
Es war zu seiner Überraschung nicht die Bibliothek, die er einst besucht hatte, sondern, was er am einfachen Strohlger am Boden erkennen konnte, wohl auch das Gemach des geistlichen. Es war vollgestopft mit Papieren, Büchern und kleinen Dingen aus aller Welt. Sie wirkten wie... Utensilien. Hastig schob Jonathan ein paar Schubladen zu, bevor er sich wieder an Remy wandte.
"Euch hat doch niemand gesehen, oder gar verfolgt?" er war Remy einen scharfen, gehetzten Blick zu.
« Letzte Änderung: April 26, 2009, 16:20:17 von Wuschel » Gespeichert
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« Antworten #86 am: April 16, 2009, 20:16:25 »

Im ersten Moment schrak Remy zurück, mehr überrascht als geängstigt von der plötzlichen unheimlichen Erscheinung, die sich aber glücklicherweise als Bruder Jonathan entpuppte.

"Ich kam allein, und auf dem Weg, den ich laut eures Schriftstücks hatte nehmen sollen. Ich habe sonst niemanden bemerkt, und ich war vorsichtig. Ich denke nicht, dass mir jemand gefolgt ist." Er beantwortete die letzte Frage des Alten zuerst, während er mit staunendem Blick den sich langsam erhellenden Raum musterte. Dies waren Bücherregale, aber es war nicht die Bibliothek der letzen Nacht.
Jonathan hat eine eigene Sammlung! erkannte der junge Mönch und sofort stiegen sowohl Bewunderung als auch Neid in ihm auf. Was für Schätze diese Schriften enthalten müssen! Und erst die vielen Artefakte...
Die Art und Weise, wie Jonathan sie vor seinem Blick verbergen wollte, vertiefte das zweispältige Gefühl noch; diese Dinge mussten wirklich wertvoll sein, zumindest für Jonathan. Und in gewisser Weise konnte Remy das sogar nachvollziehen, hütete er doch sein eigenes kleines Notizbuch ebenso eifersüchtig.

Es war Jonathans fragender, nein, schon fordernder Blick, der Remy an den Grund seines verfrühten Hierseins erinnerte. Schnell kam er auf den Punkt. "Es ist tatsächlich etwas geschehen. Die Männer in Purpur und Gold sind von der Inquisition. Sie haben mich in meiner Zelle besucht und mich sehr genau über die Kutsche, die Reliquie und den Passagier befragt. Ich wollte bei der Wahrheit bleiben und nur wenig sagen, aber dann verdächtigte mich ihr Großinquisitor, dass ich dem Passagier geholfen hätte, aus der Kutsche zu entfliehen. Er sagte, ich solle mein Leben nicht verspielen, wenn ich nicht einmal begreife wofür. Ich hatte Angst ... ich musste ihm das mit der Asche erzählen.
Daraufhin nannten sie den Passagier einen Verräter und Dieb, und noch schlimmeres, einen Abgesandten des Teufels und einen ... einen Vampyr... was auch immer das genau sein mag..."
An dieser Stelle tastete er nach seinem Notizbuch, in dem er die Worte niedergeschrieben hatte. Er würde die Bedeutung herausfinden, das nahm er sich erneut fest vor. Schnell berichtete er weiter.

"Sie wollen diese Gegend von solchen wie ihm säubern, sagten sie. Und Guillaume denkt, dass es sicher Tote geben wird, und dass man uns zum Schweigen bringt, wenn er etwas verrät. Er befürchtet, dass sie auch ihn befragen werden, und dass sie alles, was sie nicht verstehen, als Ketzerei auslegen werden. Er hat nicht gesagt, was er verraten könnte, aber er hatte wirklich Angst um sein Leben! Er sagte, ich sollte zu Euch kommen und alles berichten."

Länger konnte Remy dem Blick von Jonathan nicht standhalten, er wandte den Kopf ab. Die dünnen Finger des Franzosen schlossen sich um sein Notizbuch, während seine Gedanken um die Rolle des Passagiers kreisten. War er nun ein reuiger Sünder gewesen, oder hatte er vielleicht die Pläne eines größeren Übels, eines Gefallenen womöglich, mit Hilfe der Reliquie vereiteln wollen? Und hatte das Eingreifen von Guillaume und ihm selbst dies nun für immer unmöglich gemacht? Oder hatten doch die Inquisitoren recht? Zitternd presste Remy die Lippen aufeinander, bevor dann die eigentliche Frage aus ihm herausbrach.
"Bruder Jonathan, dieser Großinquisitor, de la Champagne, er hat angedeutet, dass ich vielleicht die Mission des Heiligen Stuhls gefährdet habe. Ist das wahr? Bin ich schuld daran, dass es Tote geben wird? Habe ich meine Seele mit Sünde befleckt?"

Vorsichtig blickte er wieder zu dem alten Mönch auf.
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« Letzte Änderung: April 16, 2009, 20:20:55 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #87 am: Mai 06, 2009, 17:50:15 »

Jonathan legte eine Hand auf Remys Schulter.
"Der Allmächtige entscheidet, ob ihr ein Sünder seid, Bruder. Denkt daran. Schaut in Euer Herz."
Der Alte legte den Kopf schief und sah beim weitersprechen mit gerunzelter Stirn an Remy vorbei.
"Macht Euch um Guillaume keine Sorgen. Er ist gewitzter, als ihr vielleicht denkt. Die Herren werden bald das Intersse an Euch beiden verlieren. Für sie seid Ihr dumm, unwissend und nicht fähig irgendetwas zu begreifen. Ihre Arroganz wird ihnen eines Tages das Genick brechen."
Bitterkeit trat bei den letzten Worten auf Jonathans Gesicht, doch er schüttelte sie ab.
"Natürlich solltet ihr beide euch weiterhin auch so geben wie sie euch sehen wollen," fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
Der Alte suchte etwas in einer schlecht beleuchteten Ecke und kramte einen niedrigen Schemel hervor, den er mit erstaunlicher Behendigkeit vor Remy aufstellte. "Setzt euch doch erst einmal."
Er selbst setzte sich auf die einzige Sitzgelegenheit und gleichzeitig einzigen Luxus, den Remy in all dem Chos aus Sammelsorien erkennen konnte: Einen fast mannshohen Ohrensessel. Er lehnte sich zurück.
"Ich hatte Euch jedoch aus einem anderen Grund hergebeten... Darf ich Euch eine intime Frage stellen? Seid Ihr häufiger das Opfer von seltsamen Begebenheiten? Dinge, die Ihr Euch nicht erklären könnt?"
Gespannt zog Jonathan die Augenbrauhen hoch.
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« Antworten #88 am: Mai 06, 2009, 21:40:00 »

'Woher wisst ihr davon?' wollte Remy im ersten Augenblick überrascht fragen, doch gab er sich die Antwort sogleich selbst: Guillaume. Es war unmöglich, dass sein Freund und Mentor die seltsamen Zeiten seines Schweigens nicht bemerkt hatte. Mochten sie für andere lediglich ein Ausdruck von Remys Gottesfürchtigkeit sein, so war doch Guillaume ein intelligenter und aufmerksamer Mann, genug, um mehr dahinter zu vermuten. Zudem hatte er Remys kleines Tagebuch mindestens einmal gesehen und wusste mit Sicherheit um das Interesse seines Schülers, was Texte und Schriften anging, die nicht unbedingt im Einklang mit der Lehre der Kirche standen. Mehr als einmal war Remy von ihm in einer fremden Bibliothek geweckt worden, in der sie nur zu Gast waren, wo er über einem Text eingeschlafen war, den er noch nachts heimlich hatte lesen wollen. Nie hatte der ältere Mönch ihn daraufhin angesprochen, sein tadelnder Blick war stets genug Ermahnung gewesen ... bis zum nächsten Mal jedenfalls.

Diese Fragen nun so direkt von Bruder Jonathan zu hören konnte nur bedeuten, dass Guillaume etwas erwähnt hatte. Aber Remy dachte genauer über die Fragestellung nach und kam zu dem Schluss, dass es nichts Unerklärliches oder dergleichen widerfahren war. Natürlich war es keineswegs gewöhnlich, dass ihn seit seiner Kindheit eine himmlische weiße Frau besuchte und dass er nach ihrem Besuch nicht zu sprechen vermochte, doch für Remy war dies nicht unerklärlich. Er hatte mehr als sein halbes Leben mit diesen Ereignissen zu tun gehabt und seine Erklärung dafür war so einfach wie einleuchtend: die himmlische Gesandte hatte eine Botschaft für ihn und er schwieg nach ihren Besuchen nur, weil die Gegenwart des Herrn ihm die Zunge lähmte.

Dennoch waren dies aber keinesfalls Vorkommnisse, wie sie jeder andere Christenmensch erlebte, und das war Remy bewusst. Jonathan musste aber einen Grund haben, diese Fragen zu stellen, und angesichts seiner eigenen privaten Sammlung wusste er gewiss auch weitaus mehr als ein gewöhnlicher Bibliothekar. Nur ... wieviel wusste er wirklich? Remy beschloss sich vorsichtig heranzutasten.

"Nun, das wohl außergewöhnlichste Ereignis meines Lebens war die Sache mit der Kutsche, mit dem Insassen, der sich in Asche auflöste und mit der heiligen Reliquie," begann Remy zögerlich, "und es war grausam, so voller Schmerz und Blut und drohendem Unheil. Aber der Allmächtige weiß doch, was er uns zumuten kann und woran er uns Menschenkinder teilhaben läßt. Letztlich hat er doch einen Platz für jeden von uns in seinem großen Plan, nicht wahr?"

Gewiss hatte Jonathan schon von Guillaume erfahren, dass Remy auch in der Zeit nach dem Ereignis schwieg. Darum wagte Remy jetzt einen Vorstoß, einen Versuch zu sehen, ob Jonathan darauf eingehen würde. "Wo der Herr wandelt, da bleiben Spuren; und wo Er spricht, da schweigt alle Welt still. Ich denke, Gott war ebenfalls dort, an jedem Ort, als es passierte."

Und das war keine Lüge, denn er war dort gewesen, in Gestalt der weißen Botin. Hmm, nun gut, ihr Erscheinungsbild, oder vielmehr die Korruption des Himmelswesens ... das war durchaus eine Erwähnung wert. Falls denn Jonathan etwas über diese Dinge wusste. Remy hakte nach.

"Gestattet ihr mir auch eine direkte Frage? Was wisst ihr über Engel, oder eher darüber, was einen Engel ... zu töten in der Lage wäre?"
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« Letzte Änderung: Mai 06, 2009, 21:46:54 von Aphiel » Gespeichert

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« Antworten #89 am: Mai 14, 2009, 17:11:27 »

Jonathan machte ein verdutztes Gesicht.
"Engel sterben nicht, Remy. Das solltest ihr doch genauestens wissen. Die Seele ist unsterblich - Was hat euch zu dieser Fragestellung bewogen?"

Nach seiner schnellen Antwort ließ er seine Blick ins Leere schweifen und schien nachzudenken. Er lächelte zufrieden. "Ich denke, ihr stellt nicht die richtige Frage. Die Anwort, die euer Herz begeht, ist eine andere. Ich beantworte sie Euch. Doch die Frage müßt ihr euch selbst stellen."
Ohne, daß Remy Zeit gehabt hätte mit seinen Lippen Worte zu formen, sprach Jonathan weiter:
"Nachdem jemand stirbt, durchquert seine Seele das Leichentuch, in eurer Sprache `Le Linceul´. Was genau auf der Anderen Seite wartet, ist ein Rätsel. Sicher ist jedoch, daß manche weiter Kontakt zur Welt der Lebenden halten können, besonders wenn sie noch etwas zu erledigen haben. Die Zeugen solcher Begegnungen werden in der heutigen Zeit als Lügner, Wahnsinnige oder schlimmer als blasphemisch bezeichnet.
Das bedeutet nicht, daß die Todesalben, wie wir sie nennen wollen, nur Gutes oder Gottgefälliges im Schilde führen...Auch nach dem Ende unseres Körpers wird Gott unsere Seelen hüten. Warum Er ihnen den Eintritt ins Paradies verwehrt, können wir wohl nicht beantworten... Noch nicht, vielleicht auch niemals.
Und nun könnt ihr euch die Frage selbst beantworten, Remy. Die Seele eines Engels hat, laut der Heiligen Schrift, nur zwei Möglichkeiten zu existieren. Entweder an der Seite Gottes, oder von Ihm abgewandt, an der Seite des Lichtbringers.
Der Mensch jedoch,... er hat den freien Willen. Das Ausmaß dieser Wahrheit, von der ich überzeugt bin, birgt eine eigene Wissenschaft, mein Freund."

Jonathan streifte die Ärmel seier Kutte zurück, und Remy konnte sehen, daß auch sie ausgezehrt und dünn wirkten, beinahe spinnenartig. In Geheimnisvollen Ton fuhr er fort: "Ich spüre die Gegenwart, Remy. Um Euch liegt der Schatten der Entropie und des Todes. Fühlt ihr nicht etwas ähnliches? Ich halte euch für sehr sensibel was solche Dinge angeht, noch tiefgreifender sensibel, als Guillaume es ist."
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