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Autor Thema: Interview mit einem Vampir - Anne Rice  (Gelesen 5425 mal)
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Loewe


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« am: Januar 16, 2008, 19:43:55 »

Anne Rice - Interview mit einem Vampir

Anne Rice
Gespräch mit einem Vampir
Veröffentlicht im Ullstein Verlag GmbH, Frankfurt am Main - Berlin
Erschienen im Goldmann Verlag, München
287 Seiten
ISBN 3-442-41015-0

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Louis de Pointe du Lac, ein junger Plantagenbesitzer aus New Orleans verliert aufgrund eines Unglücks seinen Bruder und ebenso die Freude am Leben. Voller Selbstzerstörungswut wird er nur zu bald das Opfer des Vampirs Lestat de Lioncourt. Aus eigennützigen Gründen verwandelt Lestat Louis in einen Vampir und wird zu dessen ungeliebtem Lehrmeister. Um Louis vollends an sich zu binden, verführt Lestat ihn dazu, die 5jährige Claudia ebenfalls in einen Vampir zu verwandeln. Zunächst glücklich, wird Claudia mit den Jahren jedoch bewusst dass sie in einem Kindskörper gefangen ist und nicht erwachsen werden kann. Voller Wut auf Lestat benutzt sie Louis um ihn zu töten, und beide versenken seine Überreste im Sumpf .Jedoch zeigt sich dass Lestat nicht so leicht loszuwerden ist und Claudia und Louis müssen überstürzt aus New Orleans fliehen. Die beiden beschließen nach Europa zu reisen um dort andere Vampire zu finden. Anfangs ist ihrer Suche wenig Glück beschieden bis die beiden nach Paris kommen und dort im Théâtre des Vampirs andere Artgenossen, wie den mysteriösen Armand oder den groben Santiago kennen lernen. Schließlich kommt es dort auch zum abermaligen Auftauchen Lestats und endlich finalen Showdown...


Bei dem Buch "Gespräch mit einem Vampir" handelt es sich um eine Icherzählung aus der Sicht von Louis. Der Titel ist insofern zutreffend, da es sich tatsächlich um ein Interview handelt, welches ein junger Reporter mit dem mittlerweile über Hunderte von Jahren alten Louis führt.
Das Buch hat einen höchst philosophischen Hintergrund da hinter der ganzen Geschichte die Frage nach Gut und Böse sowie dem Sinn der Existenz steht, somit wird der Leser, der eine blutrünstige Actiongeschichte erwartet, enttäuscht werden. Louis' Überlegungen, Emotionen und Erkenntnisse werden recht ausführlich beschrieben, und die eigentliche Handlung tritt dahinter zurück, was den Text auch zumindest zum Teil recht anspruchsvoll macht, andererseits kann man sich sehr gut in den Vampir hineinversetzen und seine Situation nachvollziehen.
Das Buch wirft ein recht neues Licht auf die "Schauergestalt" Vampir und zeigt, das sie nicht nur blutrünstigen Monster sind, wie so oft dargestellt - zumindest nicht alle von ihnen. Auch wird der Zwiespalt zwischen dem erbarmungslosen Killer und den zum Teil recht feinsinnigen und sensiblen Wesen dargestellt, der besonders bei Louis sehr stark hervortritt und die Komplikationen, die ein ewiges Leben mit sich bringt.
Meiner Meinung handelt es sich bei "Interview mit einem Vampir" um ein sehr gutes und in jedem Fall lesenswertes Buch. Wie bereits erwähnt sollten Leser, die eine hintergrundslose, blutrünstige Horrorgeschichte suchen, das Buch besser aus der Hand legen, doch wer mehr Interesse an der mystischen Figur Vampir hat, anspruchsvollere Bücher nicht scheut und den die lediglich sekundäre Handlung nicht stört, dem kann ich "Interview mit einem Vampir" nur wärmstens empfehlen.

Leseprobe

"Aber hätte er sie jemals gehen lassen?", fragte der Junge. "Unter allen Umständen?"
"Ich weiß es nicht. So wie ich Lestat jetzt kenne, würde ich sagen, er hätte mich eher umgebracht als mich gehen lassen. Aber das wollte ich ja gerade, verstehst du. Es spielte keine Rolle. Nein, das war, was ich dachte, dass ich wollte.... Als wir das Haus erreichten, stieg ich aus und schritt willenlos zu der Steintreppe, über die mein Bruder gestürzt war. Das Haus war seit Monaten unbewohnt, da der Aufseher seine eigene Hütte gehabt hatte, und die Feuchtigkeit und Hitze Louisianas hatten schon ihr Werk getan. In jeder Spalte spross Gras und Unkraut. Ich erinnerte mich an die feuchte Luft, die sich in der Nacht abgekühlt hatte, als ich auf der untersten Stufe saß, meinen Kopf auf die Steine legte und die Wildblumen berührte und ein paar von ihnen pflückte. ‚Ich möchte sterben, töte mich!', sagte ich zu dem Vampir. ‚Jetzt bin ich ein Mörder. Ich kann nicht weiterleben.' Er lächelte höhnisch und ungeduldig, wie jemand lächelt, wenn der andere offensichtlich lügt. Und dann warf er sich plötzlich, wie er sich auf meinen Aufseher geworfen hatte. Ich setzte mich wie im Fieber zur Wehr, schlug um mich und trat ihm vor die Brust; doch er grub die Zähne in meine Kehle. Dann ließ er mich mit einer unglaublich schnellen Bewegung los und stand vor mir am Fuße der Treppe. ‚Ich dachte, du wolltest sterben, Louis', sagte er verächtlich."
Der Junge blickte überrascht auf, als der Vampir seinen Namen nannte. Doch dieser sagte nur kurz: "Ja, das ist mein Name", und fuhr in seiner Erzählung fort.
"Nun, da lag ich also da, hilflos vor meiner eigenen Feigheit und Dummheit", sagte er. "Vielleicht hätte ich allmählich den Mut gefunden, mir selber das Leben zu nehmen und nicht andere anzujammern, es für mich zu tun. Ich sah mich im Geiste ein Messer ergreifen und mir in die Brust stoßen oder mich die Treppe hinabzustürzen und mir das Genick zu brechen, so wie es meinem Bruder widerfahren war.
Doch es war keine zeit mehr, Mut zu fassen. Oder besser gesagt, Lestats Pläne ließen mir keine Zeit. ‚Hör mir zu, Louis', sagte er und streckte sich neben mir auf den Stufen aus, mit so anmutigen Bewegungen, dass ich an einen Liebhaber denken musste. Ich wich zurück, doch er umfing mich mit dem rechten Arm und zog mich an seine Brust. Nie zuvor war ich ihm so nahe gewesen, und ich konnte im Halbdunkel seine Augen leuchten sehen und sein Gesicht, das wie eine unnatürliche Maske war.
Als ich mich rühren wollte, legte er mir den Finger auf die Lippen und sagte: ‚Sei still. Ich werde dir jetzt das Blut aussaugen, bis du an die Schwelle des Todes gelangst; und du musst ruhig sein, so ruhig, dass du glaubst, das Blut durch deine Adern fließen zu hören, so ruhig, dass du hören kannst, wie dein eigenes Blut auch durch meine Adern fließt. Du brauchst deinen Willen, dein ganzes Bewusstsein, um dich am Leben zu erhalten.' Ich wollte mich wehren, doch er drückte mich so fest und hielt meinen Körper umfangen, und sobald ich meinen nutzlosen Widerstand aufgab, grub er seine Zähne in meinen Hals."
Der Junge macht große Augen. Er war mehr und mehr in seinem Stuhl zurückgewichen, während der Vampir erzählte, und jetzt war sein Gesicht angespannt, und er kniff die Augen zusammen, als erwartete er einen Schlag.
"Hast du jemals eine große Menge Blut verloren?", fragte der Vampir. "Kennst du das Gefühl?"
Die Lippen des Jungen formten sich zu einem Nein, doch es kam kein Ton heraus. Er räusperte sich. "Nein", sagte er schließlich.
"Oben in dem Zimmer, wo wir den Tod des Aufsehers geplant hatten, brannten Kerzen. Auf der Terrasse schwankte eine Öllampe im Nachtwind. Und all dies Licht verschmolz und schimmerte, als ob eine goldene Erscheinung über mir schwebte, und durchdrang das Treppenhaus wie ein feiner Rauch. ‚Hör zu und halte deine Augen auf', flüsterte Lestat, die Lippen an meinem Hals. Ich erinnere mich, dass sich mir bei der Bewegung seiner Lippen die Haare am ganzen Körper sträubten und mich eine Empfindung durchfuhr, die den Freuden der Lust nicht unähnlich war..."
Er grübelte, zwei Finger unter das Kinn gelegt. "In wenigen Minuten war ich wie gelähmt. Entsetzt merkte ich, dass ich mich nicht einmal zwingen konnte zu sprechen. Noch immer hielt mich Lestat umfangen, und sein Arm war wie eine Eisenklammer. Er zog seine zähne so heftig zurück, dass die beiden schmerzenden Einstiche mir ungeheuer groß erschienen. Und dann beugte er sich über meinen willenlosen Kopf, nahm die rechte Hand von mir und biss sich selbst ins Handgelenk. Das Blut schoss heraus und floss mir über Hemd und Rock, und er sah es mit gespannten, leuchtenden Augen fließen. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, und der Lichtschimmer hing jetzt wie ein Heiligenschein hinter seinem Kopf. Ich glaube, ich wusste, was er tun wollte, noch ehe er es tat, und ich wartete in meiner Hilflosigkeit, als hätte ich seit Jahren gewartet. Er drückte sein blutendes Handgelenk an meinen Mund und sagte eindringlich, ein wenig ungeduldig: ‚Trink, Louis.' Und ich gehorchte. ‚Weiter, Louis' und ‚Schneller' flüsterte er mir mehrmals zu. Ich trank das Blut und erlebte zum ersten Mal wieder seit meiner frühesten Kindheit das Vergnügen, Nahrung einzusaugen, Körper und Geist auf nichts als auf die einzige Lebensquelle zu konzentrieren. Dann geschah etwas." Der Vampir lehnte sich zurück, mit einem leichten Stirnrunzeln.
"Wie jämmerlich, etwas beschreiben zu wollen, was man gar nicht beschreiben kann", sagte er, fast flüsternd. Der Junge saß wie erstarrt da.
"Ich sah nichts als das Licht, während ich das Blut saugte. Und dann - dann kam... ein Ton. Ein dumpfes Dröhnen zuerst, und dann wie das Schlagen einer Trommel, lauter und lauter, wie wenn eine riesenhafte Kreatur langsam durch einen dunklen und fremden Wald auf dich zukommt und dabei eine ungeheure Trommel schlägt. Und dann eine zweite Trommel, als ob ein zweiter Riese hinter dem ersten schritte und jeder seine eigene Trommel schlüge und nicht auf den anderen achtete.
Das Dröhnen wurde lauter und lauter, bis es nicht nur mein Gehör, sondern alle meine Sinne zu erfüllen schien, und es bebte in meinen Lippen und Fingern, in meinen Schläfen und Adern. Vor allem in den Adern, Trommel gegen Trommel, und dann zog Lestat plötzlich sein Handgelenk weg, und ich öffnete die Augen und ertappte mich dabei, wie ich nach seinem Handgelenk griff und es mit aller Kraft wieder an meinen Mund führte. Und dann wusste ich, dass die erste Trommel mein Herz war und die zweite Trommel sein Herz." Der Vampir seufzte. "Verstehst du?"



Rezension erstellt von Ninchen
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