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Autor Thema: Claire und Sophie - Franziska Groszer  (Gelesen 7202 mal)
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« am: Januar 12, 2008, 23:41:02 »

Autor: Franziska Groszer
Titel: Claire und Sophie
Verlag: Dressler
Seitenanzahl: 208
ISBN: 3791507796
Bestellen bei: Amazon


Claire und Sophie suchen im Haus ihrer Kindheit nach den Wurzeln und nach ihrer Zukunft: zwei Schwestern, ganz auf sich allein gestellt, vor dem Hintergrund einer Familiengeschichte voller Verluste und Brüche. Dass jede für sich den eigenen Weg findet, steht am Ende eines abenteuerlichen Ausbruchs aus der dörflichen Enge und den Fesseln der Vergangenheit.

Ihren Anfang nimmt die Geschichte in einer WG in Berlin.
Nach dem Tod ihrer Mutter zog Sophie aus ihrem Heimatdorf weg nach Berlin um zu studieren. Da der Vater sich nicht um seine Töchter kümmern wollte, blieb der jüngeren Schwester Claire nicht anderes übrig, als mit Sophie nach Berlin zu gehen.
Sie lebt aber nicht gerne in Berlin. Sie will zurück in jenes Haus, in dem sie mit der ganzen Familie einmal glücklich lebte - und doch hat sie Angst davor.
Nach vielen Auseinandersetzungen mit sich selber, den WG Mitbewohnerinnen, der Psychologin Barbara und der jeweiligen Schwester ringen sich die beiden dazu durch, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Am Anfang der Sommerferien verlassen sie Berlin. Mit ihrem Eintreffen im Dorf ihrer Kindheit beginnen die beiden, ihr Leben - vor allem den Zerfall der Familie und den Tod der Mutter - zu verarbeiten.
In einem mehr oder weniger dramatisch Auffassbahren Finale entscheidet sich schlussendlich jede von ihnen für ihren zukünftigen Lebensweg.

"Claire und Sophie" ist ein sehr schön und gut lesbar geschriebenes, leicht melancholisches Buch. Etwas verwirrend sind die Sprünge im Buch, die zwischen dem Dorf und Berlin vollzogen werden. Andererseits sind sie eine Bereicherung, also nicht weiter störend.
Eigentlich besteht das Buch aus Claires - und teilweise auch Sophies - Gedanken, also weniger aus konkreter Handlung, die dann nicht der Hauptteil des Buches ist. Und obwohl es ein nachdenkliches, fast deprimierendes Buch ist, veranlasst es auch hin und wieder zum Schmunzeln. Denn Claire ist keine perfekte Romanheldin und somit nicht vor starrköpfigem Trotz und zickigen Anfällen gefeit - und genau das macht erstens Claire sympathisch und zweitens das Buch lesenswert.

Leseprobe:
Der Himmel fehlte.
Häuserblocks verbargen ihn vor Claire, die aus dem Fenster in den trüben Alltag Berlins hinaus starrte. Sie hatte keine Lust, die WG zu verlassen, aber genau so wenig wollte sie sich mit den WG - Bewohnern abgeben.
Eine Wiese tauchte vor ihren Augen auf, übersäht mit bunten Blumen. Dahinter Wald, gefärbt in tausend verschiedenen Grüntönen - und über allem wölbte sich der Himmel endlos und blau.
"Ich will nach Hause."
Dieser Satz brachte endlich Bewegung in Claires Leben und in das ihrer älteren Schwester Sophie. Mit diesem Satz brachte Claire sich selber ihren Undenkbaren näher, als es ihr lieb war. Sie wollte ihnen nicht begegnen - und trotzdem fuhr sie, zusammen mit ihrer Schwester - in den Sommerferien nach Hause. In das winzige Dorf irgendwo weit weg von allem. In jenes Haus, in dem so viele Erinnerungen, so viele Undenkbare auf sie warteten. Der Garten mit seinen Bäumen und Blumen, die Tenne, die Zimmer und Möbel.
Und an allem hing Paulas Leben. Alles erinnerte sie an ihre Mutter, obwohl der Garten verwildert, die Tenne verstaubt und die Zimmer verwaist waren.
Sie konnte sich nicht vor den Undenkbaren verstecken, weder tags noch nachts, und auch der Nebel, der im Herbst das Dorf von der Aussenwelt abschnitt, hielt sie nicht von ihr fern.
Und obwohl es schmerzte, stellte sie sich den Undenkbaren, die sie solange von sich fernzuhalten versucht hatte. Dem Unkraut, das den Garten ihrer Mutter überwucherte. Den Blicken der Dorfbewohner, die sie mitleidig und auch neugierig trafen - und immer versteckt blieben. Ihren Freundinnen, die sie nie vergassen und die auch sie nie vergessen hatte. Dem Jungen, in dessen Gegenwart sie damals immer Schmetterlinge im Bauch verspürt hatte. Und dann auch dem Grab ihrer Mutter.
Sie merkte, dass sie langsam frei wurde von Erinnerungen, die sie an einen Ort banden, an dem sie nicht mehr sein wollte. Zusammen mit ihrer Schwester bracht sie auf. Hinaus aus dem Nebel und den Erinnerungen, die sie wie ein Seil fest an das Dorf gebunden hatten - und die sie aber trotzdem gebraucht hatte, um genau dieses Seil zu kappen.


Rezension erstellt von meri
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