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World of Darkness => Dreizehn => Thema gestartet von: Aphiel am Juni 03, 2008, 03:06:50



Titel: [Background] Wege zur Erkenntnis, Wege zur Erlösung
Beitrag von: Aphiel am Juni 03, 2008, 03:06:50
Remy le Duc

Zitat: "Wo der Herr wandelt, da bleiben Spuren; und wo Er spricht, da schweigt alle Welt still."

Dies ist der Mensch Remy le Duc. Der Charakterbogen des Vampirs Remy le Duc befindet sich HIER (http://www.pen-paper.at/community/index/topic,647.msg44311.html#msg44311)

Geschlecht: männlich
Alter: 18 Jahre
Sieht aus wie: 18 Jahre
Geburtsdatum: 17.7.1185
Todestag: -
Haarfarbe: schwarz
Augenfarbe: grau-braun
Hautfarbe: weiss
Nationalität: Königreich Frankreich
Größe: 1,70 m
Gewicht: 53 kg

Äußerliche Beschreibung / Erster Eindruck:
Remy hat augenscheinlich sein Leben dem Glauben gewidmet: er trägt die Kutte eines Benediktinermönches und ebenso die Tonsur. Er ist von großem Wuchs, hat aber einen eher hageren Körperbau und wirkt dadurch schwächlicher als die meisten seiner Mitbrüder. Sein Gesicht ist glatt rasiert, seine Nase ist schmal und gerade, sein Kinn kantig und seine Augenbrauen dünn. Er wirkt eher verschlossen und in sich gekehrt und kneift des öfteren die erstaunlich lebhaften Augen zusammen. Sollte man aber das richtige Thema ansprechen, kann Frère Remy in einer Diskussion durchaus argumentativ und verbal mithalten; er kann dies fliessend in mehr als nur einer Sprache.


Wesen: Wissenschaftler
Verhalten: Konformist
Clan: -
Schwäche: -
Generation:   -
XP: 0


ATTRIBUTE
KörperlichGesellschaftlichGeistig
Körperkraft: **              Charisma: **               Wahrnehmung: **** (sorgsam)
Geschick: **              Manipulation: ***            Intelligenz: ***            
Widerstandskraft:     ***             Erscheinungsbild:     *               Geistesschärfe:       ***            


FÄHIGKEITEN
TalenteFertigkeitenKenntnisse
Aufmerksamkeit:         **               Heimlichkeit:           **               Akademisches Wissen - Trivium:       *            
Ausflüchte:     *               Kräuterkunde:   *              Akademisches Wissen - Quadrivium:     *            
Ausweichen:     *               Reiten:         *               Folklore:       *              
Empathie:       **              Überleben:       *               Linguistik:     ***            
Handgemenge:     *                                               Medizin:         *              
                                                                Nachforschungen: **              
                                                                Okkultismus:     *              
                                                                Theologie:     **              
                                                                Kalligraphie:     *              
                                                                Kryptologie:     **              


VORTEILE
DisziplinenHintergrundTugenden
                                                Mentor: **                Gewissen: ***            
                  Kontakte: **            Selbstbeherrschung:   ***            
                     Ressourcen:             *             Mut ****            


Andere Eigenschaften:
Muttersprache: Französisch
Fremdsprachen: Latein, Altgriechisch, Germanisch, Englisch
Vorzüge: Eidetisches Gedächtnis, Konzentration, Einklang mit dem Himmel
Schwächen: Fluch, Geistesstörung



Pfad der Erleuchtung: Via Caeli ***** *
Aura (Mod): Gläubiger (+- 0)

Willenskraft: *****

Blutvorrat: 10





Ausrüstung:
die Kutte der Benediktiner, wärmeres Schuhwerk für den Winter, Sandalen für den Sommer, sein Wanderstab, eine Umhängetasche, beinhaltend: eine Schreibfeder, ein gut verschlossenes Tintenfäßchen, eine Kerze, eine lederne Dokumentenröhre mit einigen Bögen Pergament darin, sein Tagebuch und eine Wasserflasche



Persönliche Geschichte:
Remy le Duc ist der erstgeborene Sohn des Chevalier Antoine le Duc, ein niederer Adliger und Landbesitzer aus der Gegend von Orleans. Der Chevalier ist Geschäftsmann im Bereich des überregionalen Handels, wodurch er auf einer seiner Reisen ins Elsass kam, wo er auch seine zukünftige Frau Madeleine, die Tochter eines Geschäftspartners, kennenlernte. Nach der Hochzeit zogen Antoine und Madeleine auf ihren kleine Hof nahe Orleans und schon bald kamen die ersten Kinder. Remy hat einen Zwillingsbruder, Henri, und eine um sechs Jahre jüngere Schwester, Clarisse.

Remy und Henri wurden in die Klosterschule in Orleans geschickt, denn sie sollten eines Tages das Geschäft des Vaters übernehmen. An den Wochenenden spielten sie auf dem kleinen Hof des Vaters, wo die Jungen auch die Grundzüge der Jagd, des Überlebens in der Wildnis und das Reiten lernten und sich natürlich auch öfter mal schlugen, wie Jungen das in diesem Alter nun einmal tun.

Kurz nach seinem 8. Geburtstag veränderte sich Remy plötzlich. Er sprach oft mehrere Tage kein einziges Wort, begann sich weniger für das Leben in der Natur, dafür um so mehr für Bücher und Sprachen zu interessieren. Von der Mutter lernte er die Grundlagen des Deutschen und in der Klosterschule erhielt er Lateinunterricht. Allerdings kam es auch dort vor, dass er einfach mitten im Satz zu sprechen aufhörte und über Stunden kein einziges Wort hervorbrachte. Dafür lauschte Remy nun mit wachsender Begeisterung und einer gehörigen Gänsehaut den grusligen Schauergeschichten der Mägde und Hausangestellten. Einmal wurde er wurde sogar vom Vater erwischt, als er sich nachts zurück in sein Zimmer schleichen wollte. Remy war in der Nacht auf dem Friedhof gewesen, aber das erfuhr niemand, denn er sprach abermals kein einziges Wort, trotzdem der Vater seinen Gürtel auf dem Hinterteil des Jungen tanzen liess.

An ihrem 13. Geburtstag hatte der Chevalier ein langes Gespräch mit seinen Söhnen über ihre Zukunft. Er teilte ihnen mit, dass Remy eines Tages das Geschäftshaus in Orleans erben und Henri ein zweites Handelshaus im Elsass bei den Großeltern eröffnen sollte. Antoine erklärte Remy aber, dass ein Geschäftsmann ein gebürliches Betragen an den Tag legen müsse und die Zeit für die kindlichen Schweigespiele endgültig vorbei seien. Da Remy aber immer wieder ins Schweigen verfiel und selbst durch Hungerstrafe oder Schläge nicht dazu gebracht werden konnte, auch nur einen Laut von sich zu geben, traf der Chevalier schliesslich die Entscheidung, dass Henri der alleinige Erbe werden sollte. Remy würde nie ein ordentlicher Handelspartner sein können, davon war der Vater überzeugt.

Remy entschied sich dafür, ins Kloster zu gehen, was dem Vater nur recht war: dort schwieg man ohnehin die meiste Zeit und der Junge kam ihm nicht mehr so oft unter die Augen. Remy freute sich ebenfalls, gab es dort doch jede Menge Bücher, die er lesen konnte. So wurde der Junge ein Ordensbruder der Benediktinermönche und kam ins Kloster nach Fleury, wo sich eine der größten Bibliotheken des Ordens befand. In Fleury, oder Saint-Benoît-sur-Loire wie der Ort auch genannt wurde, lernte Remy den älteren Bibliothekar Guillaume kennen. Frère Guillaume war ganz angetan vom Eifer und von der Neugier des jungen Novizen auf jedes geschriebene Wort. Er nahm ihn in seine Obhut und gab ihm schon bald besondere Aufgaben und zusätzliche Bücher zu lesen. So lernte Remy schon bald neue Sprachen zu sprechen und perfektionierte die Sprachen, die er bis dahin bereits beherrschte. Darüber hinaus wurde er in der Kalligrafie unterrichtet, wofür er eine Begabung zeigte.

Frère Guillaume machte Remy zu seinem Assistenten, Schreiber und Übersetzer. Zu seinen Aufgaben gehörten nun auch Besuche in der großen Abtei von Cluny, dem Verwaltungssitz der Benediktiner, ebenso wie der recht häufige Schriftverkehr mit verschiedenen benediktinischen Klosterschulen, wie beispielsweise in Oxford im fernen England, wo einige der Schulen zu den ersten Colleges einer neuen Lehranstalt umgestaltet werden sollten.
Remys Aufgabenbereich beinhaltete aber auch, dass er den älteren Guillaume begleitete, wenn er zu anderen Bibliotheken reiste, um dort ein Schriftstück abzuholen oder zu überbringen, einen Text zu untersuchen oder etwas zu übersetzen. Häufig war es Remy, der eine Abschrift oder Übersetzung des fremden Textes machte, um diese dann mit ins heimatliche Fleury zu nehmen, als Zusatz für die eigene Bibliothek. Bei solchen Gelegenheiten machte er sich oft eigene Abschriften von verschiedenen Texten oder er las die ganze Nacht beim Licht seiner Kerze. Allerdings waren einige dieser Texte weniger nach dem Geschmack des Bibliothekars Guillaume, da sie nicht im Einklang mit den offiziellen Lehren der Kirche standen. Seitdem versteckt Remy sein Tagebuch und all die kostbaren Schätze, die er dort hineingeschrieben hat.

Gegenwärtig befinden sich die Frères Guillaume und Remy auf dem Weg ins ferne Krakau, womit Guillaume der Einladung eines hiesigen Bibliothekars folgt. Es wird für Remy die längste Reise, die er je in seinem Leben unternommen hat und er schreitet zum ersten Mal über die Grenzen Frankreichs hinaus.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 11, 2008, 20:51:42
Eigentlich fühlte sich das Land garnicht so anders an, als er die Grenze seines Heimatlandes überschritt. Mit dem betreten des kleinen Bootes, das sie über den Rhein bringen sollte, würde er ein neues Land betreten.. wie Fremd würde es sein?, fragte er sich insgeheim. Dennoch fühlte es sich richtig an. Frère Guillaume gab dem zögernden Remy einen freundlichen Stoß um ihn anzutreiben.
Der Fährmann nickte den beiden ehrfürchtig zu, und steuerte das kleine Boot über den Fluß... weit hatten sie noch zu gehen. Hier und da sprach Frère Guillaume einen Bauern an, sie auf seinem Karren mitzunehmen. Meist wurde es ihnen sogar angeboten. Sie schonten ihre Füße und konnten die Landschaft betrachten.
Das Klima war an diesem 4. Marz 1204 anno domini recht mild. Die Luft roch nach dem Wald, den sie durchquerten. Die Bäume schienen da zu stehen seit dem anbeginn der zeit, und doch war noch so viel Leben hier:  Die kleinen Waldtiere die beim Geräusch des Ochsenkarrens die Flucht ergriffen, die Insekten die das einfach nicht zu interessieren schien, und die Vögel, die lautstark die Nachricht des fremden Besuches weiter durch den Wald zu tragen schienen. Doch noch etwas anderes schien im Wald unterwegs zu sein... Nach einigen Minuten wurde klar, es war eine Kutsche.. eine schnelle Kutsche. Der Bauer, der sich als Franz vorgestellt hatte, lenkte seinen Wagen an die Seite, um die eventuell wichtigen Persönlichkeiten vorbeizulassen.
Er tat auch gut daran, denn eine schnelle Kutsche fegte von hinten an ihnen vorbei... Den weißen Pferden stand der Schaum vor  dem Maul, sie hatten eine goldbeschlage Kutsche zu ziehen. Das auffälligste daran, war das Wappen: Goldenes Kreuz auf purpurnem Grund. Dies mußten Männer der Kriche sein... als Remy noch überlegte, was das zu bedeuten hatte, bog die Kutsche um eine Kurve und...
Es krachte.. die Pferde wieherten vor Schmerz.
Alle drei sprangen von dem Karren und liefen um die Kurve um zu sehen, was geschen war...
Die Kutsche lag auf der Seite. eine Achse war gebrochen. Die Pferde richteten sich grade wieder auf...


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 12, 2008, 01:32:48
"Mon Dieu!" entfuhr es Remy unwillkürlich beim Anblick des Unglücks und sofort meldete sich das kleine Stimmchen im Hinterkopf, ob dies wohl auch schon dazu zählen mochte, den Namen des Herrn zu missbrauchen. Doch nun waren andere Dinge wichtiger, er würde helfen müssen, irgendwie. Ob es den Insassen der Kutsche wohl gut ging? Was war mit den Pferden?

Remy sah zu den Tieren, ob diese Anstalten machten, panisch zu werden und weiter zu laufen. Sie würden gewiss nicht schnell laufen können mit der umgestürzten Kutsche im Schlepptau, doch wenn es darin Verletzte gab, konnte eine ungewollte Bewegung des Gefährts es nur noch schlimmer machen. Der junge Ordensbruder tat bereits einen Schritt auf das Gespann zu, ohne einen Plan davon, wie er die Tiere beruhigen wollte, ausser auf sie einzureden. Dann jedoch stoppte er in der Bewegung und sein Blick ging zu Guillaume. Der ältere Bibliothekar war immer noch der Höhergestellte der beiden Mönche und damit hatte er das Sagen. Remy zögerte aber keine Sekunde und wagte es, im Eifer des Gefechtes dem Bruder einen Vorschlag zu machen, den dieser nur noch abzunicken brauchte, um der Ordnung Genüge zu tun.

Obgleich er sich in der Gegenwart mindestens eines Fremden (Franz) befand, tat Remy dies ohne nachzudenken in seiner Muttersprache: "Guillaume... les chevaux..." ("Guillaume ... die Pferde...")

Noch während er auf die bejahende oder verneinende Antwort des anderen wartete, kam Remy der nächste schreckliche Gedanke.
Wo ist der Kutscher? Doch nicht etwa... unter dem Wagen? Gnädiger Herr im Himmel!
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 06, 2008, 17:17:59
Die Wagenräder drehten sich hilflos in der Luft wie ein absurdes heidnisches Schicksalsrad. 
Auf Remys Ruf hin eilte Fanz zu den Pferden und begann sie mit einem Messer loszuschneiden.
Gulliaume wies auf das nahegelegene Unterholz: "Ici!" (hier) und eilte selbst auf den Korpus der Kutsche zu, der auf der Türseite lag. Der sonst so sanftmütige Mönch holte kräftig aus, die Scheibe der Kutsche mit dem Ellenbogen einzuschlagen.
Remy bot sich im Gebüsch ein schrecklicher Anblick: Der Kutscher war nicht weit katapultiert worden, aber mit einer unmenschlichen Kraft. Er starrte voller entsetzen auf den abgebrochenen Ast, der aus seiner Brust ragte. Das schlimmste war: es war kein Tropfen Blut zu sehen. Er hing zwischen den Blättern wie eine grausame Karrikatur einer Marionette. Remy schoß das Adrenalin in die Adern; er fühlte sich geführt, als er mit seltsamer Klarheit reagierte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 06, 2008, 21:51:29
Die erste Reaktion von Remy war automatisch: er bekreuzigte sich mit einem Stoßgebet auf den Lippen. Dann, während die Kraft seinen Körper durchströmte, bewegte er sich eilig zu dem Aufgespießten. Dort angelangt sprach er den Mann an: [dt.] "Hört ihr mich? So sagt doch etwas!"

Er hob die Hände, um den regungslosen Leib des Kutschers zu berühren, als er das Blut bemerkte - oder vielmehr, dass keins da war, weder am Ast, noch auf der Kleidung des Mannes. Je länger er jedoch den Anblick des durchbohrten Leibes vor Augen hatte, desto weniger wollte er ihn ertragen. Schon fühlte er seine Knie weich werden und eine beklemmende Enge in seinem Magen, und doch zog es seine Augen immer wieder zurück zu der Stelle, wo der Ast den Brustkorb des Kutschers durchbohrt hatte.

Wie ist das nur möglich? Erst dann kamen ihm die wichtigeren Gedanken: Was soll ich nur tun? Den Ast abbrechen? Den Körper herunterheben?

Remy wußte, dass er eine Entscheidung zu treffen hatte. Er hob die linke Hand vor Mund und Nase des Kutschers, während er mit der rechten Hand seinen eigenen Mund bedeckte, um sich nicht zu erbrechen. Er wartete, ob seine Finger den Atem des Mannes erspürten. Sollte er noch atmen, dann würde er Guillaumes Hilfe benötigen, um ihn herunterzuheben, oder die von Franz. Falls nicht, dann konnte Remy nur darauf hoffen, dass wenigstens in der Kutsche noch jemand am Leben war.

Mit zitternden Fingern und bangem Herzen wartete er ab, ob der warme Atem des Kutschers an seine Finger branden würde.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 07, 2008, 15:35:08
Nicht nur Atem entwich dem verzerrten Mund des Kutschers.
Er schrie.
Noch nie hatte Remy einen solchen Ausdruck des Schmerzes vernommen.
Es folgte ein Gurgeln, als hätte man den armen Mann unter Wasser gedrückt. Und dann kam es endlich: Das Blut. Es floß ihm aus der Wunde, Mund und Augen. Jetzt konnte ihn nur noch der Allmächtige retten.
Die spitzer trafen Remy, doch er spürte sie nicht. Das einzige was er wahrnahm, waren die gurgelnden Worte des sterbenden: "Mein Herr....ihn schützen.......die Reliquie....Krakau...."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 07, 2008, 18:13:31
Der Schrei ertönte so plötzlich und laut, dass Remy nicht nur zurückwich, sondern sich sogar vor Schreck auf den Hosenboden setze. Dann sah er das Blut und wie sich die Lippen des Mannes bewegten. Schnell sprang er auf, um sein Ohr dichter an den Mund des Mannes zu bringen, konnte aber nur schwach die Worte vernehmen, die der Mann von sich gab.

Ein Dienstherr, er will ihn beschützen. Eine Reliquie. In Krakau? Nach Krakau? Remy notierte sich die Informationen, indem er sie gedanklich wiederholte. Er merkte sich solche Dinge gut, das fiel ihm einfach zu. Später würde er sie für sich noch einmal aufsagen, um sicher zu stellen, dass er sie noch nicht vergessen hatte. Aber nun musste der Mann sich schonen.

[dt.] "Bitte, strengt euch nicht an und spart die Kraft. Wir wollen versuchen, euer Leben zu erhalten, aber ihr dürft euch nicht anstrengen." Remy erkannte, welch beträchtliche Menge Blutes der Kutscher bereits verloren hatte, doch noch atmete er. So der Herrgott es wollte, würde er wieder genesen und es lag nun in Remys Händen, ihn auf den Pfad der Genesung zu führen. Zunächst aber musste er von diesem Ast herunter und das schnell. Remy betrachtete das Holz, ob es saftig und grün oder alt und trocken war, ob man es leicht brechen können würde. Pfeile brach man auch immer am Schaft ab. Ob es einfacher war, den Mann einfach herunter zu ziehen? Aber konnte das klappen? Immerhin war das ein ausgewachsener Mensch, der da auf dem Ast steckte. Vielleicht war auch das Herausziehen genau die falsche Herangehensweise; manch ein Messer sollte man auch zunächst stecken lassen, so sagte man es doch?

"Franz! Guillaume!!" rief Remy verzweifelt, denn er haderte mit sich selbst, welche Entscheidung die richtige war. Er wusste nur, dass er keine der Möglichkeiten allein zustande bringen würde.

[dt.] "Bitte, haltet noch einen Moment aus. Euer Herr wird nicht zu Schaden kommen, aber denkt an euer eigenes Leben. Schont euch jetzt, und ihr werdet schon bald selbst nach Krakau reisen können." Remy versuchte einfach mit dem Mann zu reden, bis Franz oder Guillaume zur Stelle waren. Er nahm die Hand des Kutschers in seine eigene, die von winzigen roten Punkten übersäht war. Mit Furcht und Ehrfurcht betrachtete er den Schwerverletzten, dem das Blut aus allen Körperöffnungen zu quellen schien.

Atme weiter, komm schon, noch einen Atemzug, und noch einen... Wo bleiben nur Franz und Guillaume? Remy wandte den Blick nur kurz ab, um nach den beiden Reisebegleitern zu sehen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 11, 2008, 15:30:18
Als Remy einen Seitenblick auf Franz warf, erkannte er innerhalb eines Herzschlages, daß die Pferde bereits losgeschnitten waren. Von ihnen ging keine Gafahr mehr aus. Dieser einfache Mann schien viel von Pferden zu verstehen, denn unter seinen groben Händen waren sie zahm wie Lämmer.
Bevor er genauer hinsehen konnte, durchdrang ein Entsetzensschrei von seinem Ordensbruder und ein Schmerzenssschrei von jemand - oder etwas- anderem Mark und Bein. Der Zweiklang der Stimmen hatte etwas Episches und Erschütterndes zugleich.
Der Mönch kniete auf der Kutsche, den Arm blutig von Glasscherben, das Gesicht vor entsetzen verzerrt und den Blick wie hypnotisiert auf das Innere der Kabine richtend. Ein einzelner Sonnenstrahl leuchtete wie ein göttlicher Finger durch das Blätterdach in zerbrochene Fenster. Aus der Kutsche heraus kam:
Eine Wolke aus Staub.
Bruder Guillaume bekreuzigte sich.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 12, 2008, 12:20:27
Der Kutscher war für den Augenblick vergessen. Bereits beim Schrei seines Mitbruders und Freundes war Remy auf der Stelle losgelaufen, um ihm zu Hilfe zu eilen; dabei war er vor lauter Hast über seine eigenen Füße gestolpert und der Länge nach hingeschlagen, hatte sich wieder aufgerichtet und traf gerade bei der Kutsche ein, als der Staub sich schon wieder verteilte. In ihrer gemeinsamen Muttersprache fragte er:

"Guillaume, was ist geschehen? Geht es dir gut? Lass mich den Arm sehen."

Mit diesem ersten Blick wollte Remy festzustellen, ob einer der Schnitte oder Kratzer ernst genug waren, ob das Leben des Bibliothekars zu gefährden. Es würde kaum mehr als einen Augenblick brauchen, darum entstand keine Pause in Remys Redeschwall.

"Was war das für ein Schrei? Wer ist in der Kutsche? Soll ich hinaufklettern und dir helfen? Ist jemand ernstlich verletzt?"

Bei dem Wort kam ihm wieder der Kutscher in den Sinn, hastig warf er einen Blick zurück, dann wandte er sich wieder an seinen Mitbruder.

"Der Kutscher ist ziemlich übel dran. Er steckt auf einem Ast und verliert viel Blut. Ich brauche deine Hilfe, wenn wir ihn retten wollen."

Und erst jetzt bemerkte Remy die fahle Gesichtsfarbe seines Freundes. "Guillaume? Was hast du? So sag doch etwas!"

Dann hielt Remy es nicht länger aus, er suchte einen Halt für seinen Fuss und erklomm die Kutsche, um einen Blick ins Innere zu werfen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 18, 2008, 15:33:25
Der seltsame Staub, der aus dem eingeschlagenen Fenster drang, nahm ihm den Atem. Er sah nichts mehr. Seine Augen brannten.
Aber er fühlte Etwas Heiliges. Es war, als würde der Herr selbst wirken. Anders konnte sich Remy die Emotion, die er empfand, nicht erklären. Die Luft war angefüllt von Gerchtem Zorn. Ihm würde nichts geschehen, das spürte er. Das, was im Inneren der Kutsche war, mußte den Zorn Gottes auf sich gezogen haben.
Da traf ihn die Erkenntis wie ein Blitzschlag: Das, was ihm den Atem nahm war kein Staub. Es war Asche.
Er spürte, wie Bruder Guillaume zusammensackte, denn sein Körper lehnte sich gegen ihn.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 19, 2008, 02:12:40
Remy fing den älteren Mönch ab, so gut er das zwischen dem Husten und Würgen vermochte, welche ihm von der Asche beschert worden waren. Er spürte, dass er nicht mehr lange den Halt bewahren konnte, doch das Innere der Kutsche hatte er von seiner Position aus noch nicht sehen können. Aber er verspürte dazu auch kein Verlangen mehr, zu bedeutend war die Erkenntnis des Ereignisses gewesen.

Was auch immer hier eben geschehen ist, es war so von Gott gewollt. Wir sollten uns nicht anmaßen, sein Urteil anzuzweifeln.

Remy bemühte sich, Guillaume zu halten, dass dieser nicht von der Kutsche fiel. Mit brennenden Augen und tränenverschleiertem Blick sah er umher, wo ihr anderer Begleiter sein mochte. Er hoffte, den Bibliothekar mit der Hilfe von Franz von der Kutsche heben zu können.

[dt.] "Franz? Bitte helft mir hier, Guillaume scheint ohnmächtig geworden zu sein."

Sacht schüttelte Remy den Mitbruder, während er ihn ansprach.

[frz.] "Guillaume, hörst du mich? Komm doch bitte wieder zu dir!"

Langsam spürte er sein rechtes Bein taub werden. Der aufgespießte Kutscher hingegen schien für den Augenblick vollkommen vergessen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 19, 2008, 16:01:47
Guillaume stöhnte nur leise als antwort auf Remys versuche ihn der Ohnmacht zu entreißen. Als die Anspannung aus den Gliedern des Bewußtlosen wich, ermattete auch die Göttliche Kraft, die sie umgab.
Der Ascheschleier begann sich langsam zu legen. Man konnte wieder mehr als die Hand vor Augen sehen und wieder Atmen. Remy mußte nicht mehr lange ausharren, bis Franz endlich aus seiner salzsäulenertigen Regungslosigkeit erwachte und zu Hilfe eilte. Gulliaume wurde auf eine Decke gebettet. Er schien erschöpft, aber nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand zu sein.
Die Pferde waren geflohen, der Kutscher tot. Remy stand im schaurigen Schauplatz des seltsamen Unglücks wie ein Schausteller ohne Drehbuch. Alles war von dieser grauen Asche bedeckt und es roch fürchterlich nach Tod.

Und da war sie wieder: Die Frau in weiß.
Sie schwebte über dem Drama.
Remy fror.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 20, 2008, 00:53:49
Es dauerte ganze fünf Herzschläge, bis Remy reagieren konnte. Und er reagierte.

Der junge Mönch sank auf die Knie, bekreuzigte sich, faltete die Hände und wisperte ein Gebet. Obgleich das alles keine weiteren fünf Herzschläge dauerte, hatte er die Augen geschlossen, nun aber riss er sie schnell wieder auf, um die Frau in Weiß anzusehen. Er öffnete die Hände, breitete die Arme aus und richtete die Handflächen zu ihr und nach oben, als Zeichen, dass er bereit war.

Remy kannte diese Erscheinung, denn er sah sie nicht zum ersten Mal. Es musste ein Engel sein, ein Bote des Allmächtigen, der ihm eine Botschaft übermitteln sollte. Daran glaube Remy ganz fest, doch bislang hatte die Frau in Weiß ihm keine Botschaft überbracht... oder Remy hatte sie nicht verstanden. Aber er würde sie eines Tages verstehen, das stand für ihn zweifelsfrei fest. Vielleicht ja dieses Mal?

Es muss etwas bedeuten, dass sie hier erscheint, jetzt, nach diesem Unglück... nein, nicht Unglück. Es sollte so kommen. Es könnte mit der Person in der Kutsche zu tun haben, die von der Hand des Herrn gerichtet und zu Asche verbrannt worden ist. Stand nicht etwas in den alten Schriften über die himmlischen Heerscharen und ihre flammenden Schwerter? Vielleicht ist sie ja gesandt worden, um genau dies zu tun? überlegte Remy still, während er wie gebannt auf die Erscheinung starrte.

Hatte der Kutscher nicht auch eine Reliquie erwähnt? Vielleicht wurde sie gestohlenen? Aber doch nicht etwa von einem Mann der Kirche? Dann wäre die Strafe wahrlich gerecht gewesen.

Remy erkannte, dass er die Zusammenhänge noch nicht komplett verstand. Doch spürte er, dass die Lösung des Geheimnisses nicht fern war, vielleicht schwebte sie ja gerade in Form der weißen Frau vor ihm. Sie vermochte gewiß, ihm zu sagen, was seine Rolle in diesem Ereignis war, was er tun sollte und wofür Gott ihn hier ausersehen hatte. Und so blickte er weiterhin auf die Erscheinung, ohne auch nur einmal zu blinzeln; voller Demut, wartend, lauschend und bereit.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 20, 2008, 16:33:13
Die Gestalt blickte ihn ebenfalls an. Es war als würde sich nicht in seine Augen sehen, sondern direkt in seine Seele. Sie berührte etwas in ihm. Über ihre Wangen lief eine einzelne Geisterträne, und auch Remy spürte, wie seine Augen feucht wurden.
Durch den Schleier der Tränen hindurch sah er, wie sich auch über die Welt ein Schleier zu legen schien. Sie verlor all ihre Farbe, bis alles nur noch aus Schatten zu bestehen schien, sogar er selbst. Es wurde kälter.
Der einzige Lichtpunkt war die weiße Frau. Von ihrem sanften Leuchten ging ein wenig Wärme aus, wie von einer Kerze in einer eiskalten Nacht. Es war das, was ihn davor bewahrte in dieser trostlosen Umgebung allen Mut zu verlieren und zu verzweifeln. Remy war wie gelähmt.

Agonie.
Es war nicht seine Qual, die ihn überrannte. Es war ihre.

Das Gesicht der Leidenden erstarrte plötzlich zu einer grausamen Maske. Sie riß den Kopf nach oben in den schwarzen Himmel und öffnete den Mund zu einem stummen Schrei der Verzweiflung. Aus ihrem Mund quoll etwas Schwarzes. Die Wärme, die von ihr ausgegeangen war, erstarb.
Er vernahm eine Stimme, nach all den Jahren IHRE Stimme, die gräßlich, verzerrt und dumpf war:

"Dreh Dich um und LAUF, Remy! Blicke nicht zurück!"




Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 20, 2008, 19:13:59
Für Remy begann die Welt kopf zu stehen. Nicht nur, dass er endlich die Stimme der Gesandten vernahm - die plötzliche Veränderung ihres Anblicks rührte etwas tief in ihm. Seine Gedanken rasten, als er entsetzt zusah, wie die Schwärze sich aus dem Mund der weißen Frau heraus verbreitete.

Das Böse ist noch gegenwärtig. Und es vermag selbst einen Boten des Allmächtigen zu befallen! Wir müssen fort, und zwar schnell!

Während er sich erhob, rief er nach Franz, ohne dabei jedoch den Blick von der Erscheinung abzuwenden.

[dt.] "Franz! Wir können nicht mit Guillaume hierbleiben! Wir müssen fort von hier, schnell! Holt euren Karr..."

Seine Stimme erstarb, als ihm wieder einfiel, wovon der Kutscher gesprochen hatte. Die Reliquie!

Noch während er zusah, wie die Schwärze weiter vorankroch, faßte der junge Mönch eine Entscheidung.

Ich werde das Artefakt nicht der Finsternis überlassen! Wenn es das Böse vermag, einen Engel zu verseuchen, dann auch diesen heiligen Schatz! Ich kann das nicht zulassen!

Remy lief nicht fort, sondern auf die Kutsche zu; zunächst auf den Fond, wo das Gepäck befördert wurde, doch dann besann er sich eines Besseren. Ein wichtiges Artefakt, gestohlen oder nicht, würde man keinesfalls unbeaufsichtigt lassen. Es musste noch im Inneren der Kutsche sein, beim Reisenden. Also kletterte Remy erneut hinauf, hastig, bevor die Schwärze bis ins Innere des Gefährts vordringen konnte, und nun blickte er zum ersten Mal durch das zerbrochene Fenster nach drinnen. Schnell sah er sich um; hier irgendwo musste es doch sein? Bestimmt war es ein reich verzierter Kasten, ein Kästchen zumindest oder irgendeine andere Form von Behältnis.

Steh mir bei, oh Herr!!!
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 25, 2008, 15:44:27
Als er sich einige Herzschläge lang von der seltsamen Szenerie wegbewegt hatte, gewann die Welt wieder an Farbe und Remy spürte wie die Wärme des Tages langsam ihn seinen Körper zurückkroch. Auch das Gefühl von Gefahr hinter ihm verschwand.

Im innern der Kutsche roch es so stark nach Verwesung, daß es Remy fast die Tränen in die Augen trieb.  Überall lag Asche. Er konnte kaum etwas erkennen.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 25, 2008, 21:12:38
Der Husten kehrte beim Geruch der Asche zurück, drohte ihm die Kehle zu verschliessen und wieder brannten seine Augen. Dennoch zwang sich Remy, durchzuhalten. Wenn dies eine Prüfung seines Glaubens war, wenn die Mächte des Bösen ihn hier zum Rückzug bewegen wollten, dann würde er ihnen widerstehen. Er würde diese Reliquie vor ihrem schändlichen Einfluss bewahren.

Seine Augen überflogen das aschebedeckte Innere der Kutsche; schnell sprangen sie von links nach rechts, von einer Ecke in die andere, und versuchte, selbst in den Schatten noch etwas zu erkennen. Der Lichtstrahl, der durch das dichte Blätterdach und in die Kutsche hinein fiel, half ihm einerseits, da er Helligkeit spendete; er machte es so aber auch schwieriger, die nicht beleuchteten Bereiche klar zu erkennen.

Ob die Reliquie wohl so groß ist, dass sie nur unter einer der Sitzbänke Platz gefunden hat? Oder vielleicht ist sie ja so klein, dass sie samt Behälter in eine Manteltasche passt? Hoffentlich wurde sie nicht beschädigt...



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 27, 2008, 17:59:09

Er.... hörte etwas. es war fast nicht wahrzunehmen... ein Rieseln.
Remy kletterte hinein fing an in der Asche zu graben. Sie roch ekelerregend. Er bekam ein paar weiße Splitter zwischen die Finger... Knochensplitter.
Doch endlich ganz unten in der Kutschentür, entdeckte er ein Geheimfach. Es war unter dem ehemals purpurnen und jetzt verbrannten (?) Innenfutter versteckt und nur von einem einfachen Riegel gehalten. Langsam rieselte Asche durch die Ritzen in das Innere des Fachs hinein.
Es ging eine unheimliche und doch warme Präsenz von ihm aus.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 27, 2008, 19:22:38
Hustend und mit vor Ehrfurcht bebenden Fingern löste Remy den Verschluss des Fachs, um die Reliquie herauszunehmen, doch hielt er einen Augenblick inne, bevor er es öffnete. Er sah hinauf zum Himmel, blinzelte in das Sonnenlicht und kniff die Augen zusammen, weil sie vom Licht und von den herumschwebenden Ascheflocken gereizt wurden. Dennoch versuchte er zu erkennen, ob die Schwärze schon das zerbrochene Fenster erreicht hatte, und um vielleicht einen weiteren Blick auf den Boten des Himmels zu werfen, falls dies von hier drinnen überhaupt möglich war.

Dann senkte er wieder demütig den Kopf, bekreuzigte sich und flüsterte "Steh mir bei, oh Herr!"

Er beugte sich über das Fach und öffnete es, um die Reliquie schnell zu entnehmen und danach die Kutsche, die vorankriechende Schwärze und den Ort des Geschehens so schnell wie nur möglich zu verlassen.


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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 28, 2008, 16:04:36
Es war keine Schwärze zu sehen. Das Blätterdach des Waldes mit seinen goldenen Sonnentupfen wirkte beinahe zu friedlich. Auch zu hören war absolut nichts, bis auf das leise, ängstliche Wiehern der Pferde.

Er schob den Riegel beiseite und öffnete das Türchen...und da war es:
Eine kleine Kiste, eine Elle lang und eine Halbe breit und hoch. Sie war aus Eisen, mit Gold beschlagen. Für diese kleine Truhe hätte man ein ganzes Dorf kaufen können! Die beschläge bildeten das Wappen der Heiligen Inquisition und einen Text auf Latein:

Nur wer den Wahren Glauben in der Seele trägt, wird Gnade vor GOTT finden.
Jeder andere fürchte SEINE Strafe

Ein Schauer von göttlicher Macht durchfuhr Remy. Er spürte förmlich die Anwesenheit des Allmächtigen.

Remy packte die Kiste und kletterte wieder hinaus. Bis auf die Schrecken des Unfalls war alles friedlich. Die Welt hatte ihre ganz normale Farbe. Keine Spur von der seltsamen Schwärze war geblieben, als wäre sie niemals dagewesen. Es war erstaunlich ruhig. Guillaume hatte sich wieder aufgesetzt und Franz manövrierte seine Ochsen durch den Ort des Grauens, indem er neben ihnen herging. Ein Tuch hatte er über ihr Augen gelegt, daß sie sich nicht von Szene erschrecken ließen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 28, 2008, 19:21:47
Die Zeichen und Siegel erkannte Remy sofort als die der Heiligen Mutter Kirche und auch der Text verriet ihm, wie kostbar dieser Schatz war. Ein so teures Artefakt musste ganz sicher höchst wichtig sein. Remy fühlte, dass er richtig gehandelt hatte, als er es vor der Schwärze rettete.

Außerhalb der Kutsche galt Remys erster Blick der Umgebung, oder vielmehr der göttlichen Botin. Seine Augen suchten nach ihr, nach seiner Verbindung zum Herrn. Die Schwärze war zwar fort, aber hatte sie die Korrumption überstanden? War sie etwa vernichtet worden? Oder war sie noch rechtzeitig heimgekehrt in die himmlischen Spähren?

Die weißen Pferde, die einst die Kutsche gezogen hatten, waren nur noch leise in der Distanz zu vernehmen, zu sehen waren sie nirgends. Franz hatte sie zwar losgeschnitten und beruhigt, doch nach dem unirdischen Schrei und der Erscheinung schienen ihre Fluchtinstinkte letztendlich doch stärker gewesen zu sein. Hatte die Erscheinung nicht auch ihm geraten, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen?

Alles flieht von dieser Stätte, und das sollten wir auch, dachte Remy. Es sind gesegnet die Orte, an denen der Herr Wunder tut, doch dieser gehört wohl nicht dazu. Hier hat Er seinen Zorn walten lassen.

Remy schickte sich an, von der umgestürzten Kutsche herunter zu klettern, doch wollte er dabei das Kästchen nicht loslassen, weshalb er letztendlich in die Hocke ging und sprang. Der Weg zum Boden war zum Glück nicht weit, und er hielt dabei den Behälter mit der Reliquie fest umklammert, dass er ihm nicht entgleiten konnte. Am Ochsenkarren angekommen legte er den Kasten vorsichtig neben seinen Wanderstab und seine Umhängetasche, jedoch ließ er eine Hand darauf liegen, während er mit dem Wagen einherschritt.

Und er tat, was die Erscheinung ihm geheißen hatte: er blickte nicht mehr zurück.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 30, 2008, 16:44:44

--- 6 Wochen später, 7. Mai 1204 ---

Remys Muskeln hatten sich langsam ans Reiten gewöhnt. Er und Guillaume hatten beschlossen die Pferde zu nehmen und sie in Krakau der Kirche zurückzugeben und sich bald von Franz verabschiedet. Den toten Kutscher hatten sie noch mitgenommen und in einer Gemeinde in der Nähe beigesetzt. Es war einfach ihre Pflicht gewesen.
Sie fühlten sich leichter, je weiter sie sich von der Stätte des Grauens entfernt hatten, und doch blieb in ihren Hinterköpfen etwas davon hängen, denn es verfolgte sie ih ihren Träumen. Guillaume hatte es nicht gewagt zu versuchen die kleine Truhe zu öffnen, auch wenn Remy das Gefühl beschlich, daß er es gekonnt hätte. Nun war sie in ein Bündel verschnürt, das wiederum an Remy festgeschnürt war. Er hatte sie gerettet, und er hatte die Ehre die vermutete Reliquie zu tragen.

Remy hatte volle 4 Wochen nicht gesprochen. Er schien der einzige gewesen zu sein, der die geisterhafte Erscheinung der Botin wahrgenommen hatte. Er fragte sich was mit ihr geschehen war, ob sie sich wieder zeigen würde. Doch für solche Gedanken hatte er keine Zeit. Die Stadt war in Sicht gekommen:
Krakau, Hauptstadt des Königreichs Polen.
Den Sitz der Reliquie an seinem Körper prüfend, blickte er zum Wawel hinauf, der Burg die auch gleichzeitig christliches Zentrum der Stadt war.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 31, 2008, 17:05:21
Remy hatte in seiner stummen Zeit viel nachgedacht, über die Bedeutung der Reliquie, die er nun bei sich trug, über den Kutscher und seinen Passagier, über die Himmelsbotin und über die Ereignisse, von denen er nun ein Teil geworden war. Mehr als einmal dachte er daran, dass es alles so gewollt war, dass der Herrgott ihn ausgerechnet an diesem Tag an dem Ort hatte sein lassen. Und je näher sie dem Ziel der Reise kamen, desto mehr hoffte Remy auf eine Lösung des Geheimnisses.

Als die Zeit des Schweigens vorüber war, konnte er zwar wieder sprechen, aber viel redete er dennoch nicht. Zum Glück kannte Guillaume die Eigenheiten des jungen Mitbruders mittlerweile recht gut und war daher auch nicht weiter verwundert, als Remy in der Zeit nach dem Vorfall erstmal nichts von sich gab. Seit Remy wieder sprach, hatte der ältere Bibliothekar ihm aber durchaus die ein oder andere Frage gestellt, wohl auch, weil ihn die Ereignisse ebensowenig losließen wie Remy. Manche davon hatte Remy beantwortet, andere nicht. Das Kästchen selbst hatte er Guillaume gezeigt, so oft dieser es sehen wollte, aber der ältere Mönch beließ es oftmals bei einer Betrachtung. Danach wurde auch er stets nachdenklich, so als würde er versuchen, sich an etwas zu erinnern. Aber meistens erzählte Guillaume von sich aus Geschichten, zitierte Passagen aus der Heiligen Schrift, und sprach über andere Themen. Oder er stimmte eine Hymne an, in der Hoffnung, Remy würde einsteigen, was er zum Ende der Reise auch manchmal tat. Langweilig wurde keinem von beiden auf der Reise.

Nun, da sie Krakau erreicht hatten, erfaßte eine merkwürdige Aufregung Remy. Es war wieder fast so, wie bei der Begegnung mit der Gesandten, als wäre die Lösung eines Geheimnisses in greifbarer Nähe. Und dieses Gefühl verstärkte sich noch jedes Mal, wenn er hinauf sah zur Burg.

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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 01, 2008, 16:22:34
(http://s6.directupload.net/images/080801/temp/hrih87nx.jpg)
von http://www.wawel.net/malarstwo/glowacki.htm

Der junge Mönch sah hinauf zur beeindruckenden Burganlage. Remy war so beeindruckt, daß er aufhörte zu denken und einfach für einen Moment nach oben starrte.
Er war froh, daß die Pferde den Anfang des Anstiegs für sie meistern würden, besonders wegen Guillaume, der von der langen Reise sichtlich erschöft war. Der Alternde - er schien wirklich um einige Jahre älter geworden zu sein, als seien die Wochen Jahre gewesen -  hatte sich kein einziges Mal beklagt.

Schon bald kam das untere Burgtor In Sicht. Dort Standen zwei Arten von Wachen: zwei Soldaten in den Landesfarben gekleidet, die jedoch neben den halb purpur und halb gelbgoldenen Waffenröcken der Heiligen Inquisition verblassten.
Guillaume begann langsam vom Pferd abzusteigen...


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 01, 2008, 17:29:12
Purpur und Gold!

Remy erkannte die zwei Farben sofort als die der Kutsche. Das Gefühl, dass er der Lösung des Geheimnisses näher gekommen war, verstärkte sich noch. Er studierte aufmerksam die Gesichter der Wachen. Guillaume begann vom Pferd zu steigen, und Remy folgte seinem Beispiel.

Es müssen Männer der Kirche sein. Ob sie auf uns gewartet haben? Aber woher sollten sie von uns wissen? Vielleicht hat man ja die Kutsche gefunden? Sie werden mit Sicherheit dankbar sein, dass wir den heiligen Schatz retten konnten.

Remy würde beobachten, was als nächstes geschah. Als Älterem war es an Frère Guillaume das Wort zu führen. Außerdem hatte ihm die Einladung des hiesigen Bibliothekars gegolten, dessen Namen Remy bislang nicht erfahren hatte. Der jüngere Mönch würde sich im Hintergrund halten und nur sprechen, wenn er gefragt wurde; ganz genau so, wie er es immer in diesen Situationen tat.

Und doch sprudelte etwas in Remy, es war wie ein heller Funke der Aufregung und die Vorfreude auf den Augenblick, wenn er das heilige Artefakt würde übergeben können. Vielleicht sogar dem hiesigen Bischof oder Erzbischof selbst? Oder einem noch höheren geistlichen Würdenträger? Immerhin trug das Kästchen offizielle Kirchensiegel. Aufmerksam lauschte Remy den Worten seines Mentors...
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 02, 2008, 16:20:22
Gauillaume nahm eine noch demütigere Haltung an, asl sie auf die Wachen zugingen.
Einer der Männer in Purpur trat vor. Er war groß, blond und Muskelbepakt. Außerdem truge er eine Hellebarde. Damit stampfte er einmal auf.

"Was ist Euer Begehr, Brüder?"

"Ich bin Frère Gauillaume und das," er wies auf den jungen Mann, "ist Remy, mein Novize. Wir sind von Saint-Benoît-sur-Loire und folgen der Einladung von Bruder Jonathan von Sternberg. Ich überantworte hiermit dem Regenten diese Pferde, denn sie gehören rechtmäßig der Heiligen Mutter Kirche. Des weiteren habe ich dem Erzbischof, und nur ihm, eine wichtige Nachricht zu überbringen."

Die Spannung stieg. Die Wache musterte sie lange, mit durchdringendem Blick. Remys Nackenhaare stellten sich auf. Er war erführchtig. Nein er fürchtete sich. Er bekam den Drang die Relique von sich zu reißen und sie der Wache unter die Nase zu halten.

"Ich werde nach ihm Bruder Jonathan schicken lassen. Ich lasse die Pferde versorgen, " antwortete der Mann, der nicht mal die zwanzig erreicht hatte endlich. "Setzt euch hier in den Schatten. Ich lasse euch Wasser und Brot bringen."

Sie setzten sich uns Gras unter eine Weide und warteten. Guillaume warf Remy einen blick zu, der ihn keine Fragen stellen ließ. Bald lief ein Junge flink den Ber hinauf und ihnen wurde ein Tonkrug und zwei Becher mit Wasser, ein sogar noch warmes Bauernbrot und sogar etwas geräucherter Fisch gebracht. Es war Freitag. Sie aßen und sprachen kein Wort.
Die Dämmerung senkte sich langsam über die Burg, als ein junger Mönch von Berg herrunter kam. er sprach sie an:

"Verzeiht daß ihr solange warten müßtet. Ich bin Bruder Herold. Folgt mir bitte."

Der Anstieg war hart, aber sie hatten sich zuvor gut ausruhen können. Sie wurden durch das gewaltige Tor den Innenhof hinunter zur Abtei geführt. Genauergesagt zum Wohnhaus der Mönche. Man konnte wenig in der wachsenden Dunkelheit erkennen. Herold brachte sie in die Küche. an der Offenen Feuerstellt glühten die Kohlen noch. "Wartet bitte kurz hier," entschuldigte sich der Ordensbruder.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 03, 2008, 14:58:30
Remy betrachtete das Benehmen des kirchlichen Wächters aufmerksam und war sich innerhalb weniger Augenblicke bewußt, dass er diesen in Purpur gekleideten Soldaten nicht leiden konnte. Er war bereits ein- oder zweimal einigen Schwertbrüdern begegnet; das war noch in Frankreich, in der großen Abtei von Cluny gewesen, wo sie eine Unterkunft für die Nacht und den Segen des Abtes auf der Durchreise erbaten. Und obgleich diese Gotteskrieger den Ruf hatten, unerbittlich gegenüber den Feinden des Glaubens zu sein, so waren sie doch den Mönchen und selbst den Laienbrüdern gegenüber um einiges freundlicher gewesen, als dieser ruppige Kerl in Purpur. Vor allem mochte Remy seinen Blick nicht. Er selbst mußte zwar leicht die Augenlider zusammen kneifen, um den Mann genau zu erkennen, aber in dem Moment, da er selbst angesehen wurde, durchzuckte es ihn. Schnell wandte Remy seine Augen zum Boden, doch war ihm, als könne er den kühlen starrenden Blick noch immer auf sich spüren und er wußte, dass der andere die Hellebarde sicher nicht zur Zierde mit sich trug. Angst und Anspannung erfaßten sein Herz.

Remys Lippen pressten sich aufeinander. Der Funke der Vorfreude, der eben noch in ihm gelodert hatte, war einem Gefühl aus Angst und Ärger gewichen, und am liebsten hätte er wirklich die Reliquie hervorgeholt, um dem Wächter durch ihren Anblick zu verdeutlichen, wen er da so hochmütig behandelte.

Innerhalb desselben Herzschlags noch tadelte sich Remy innerlich. Wer ist nun voll des Hochmuts und der Selbstgerechtigkeit, Remy? Du hast zwar diesen Schatz geborgen, doch macht dich das nicht zu einem besonderen Menschen. Du hast getan, was jeder gute Christenmensch in deiner Situation getan hätte, also verwechsle nicht deinen Glaubenseifer mit Stolz oder Hochmut, denn das sind Sünden! Danke lieber dem Herrn demütig dafür, dass du derjenige warst, der seinen Boten sehen und seinen Willen erfüllen durfte.

Remy hob den Kopf erst wieder, als der Wächter die Anweisung erteilte, dass sie warten sollten. Und aus der Ferne betrachtet sah er auf einmal auch nur noch halb so gefährlich aus, so als würde er einfach nur seinen Dienst tun. Mit einem leisen Seufzer begleitete Remy seinen Mentor zum Baum und half ihm beim Hinsetzen, bevor er selbst seinen Wanderstab und die Umhängetasche aus grobem, aber festen Leinen ablegte und sich daneben setzte. Die Reliquie hatte er dicht an seinen Leib gebunden und er nahm sie nicht ab; nicht so kurz vor dem Ziel.

Guillaume wollte nicht sprechen, das erkannte Remy sofort an dessen Blick. Dabei hätte Remy schon so einige Fragen gehabt, zum Beispiel, wer Bruder Jonathan war, woher Guillaume ihn kannte und ob er bereits wüßte, wegen welchem Text oder Manuskript sie die lange Reise unternommen hatten. Letzteres würde er zwangsläufig erfahren, wenn er wieder einmal etwas abschreiben durfte. Aber irgendwie schien es ihm auch, als würden im Kopf des älteren Bibliothekars momentan ganz andere Gedanken umhergehen. Ist es wegen der Reliquie? Wegen der Männer in Purpur und Gold? Weiß er mehr, als er mir sagen will?

Während der Reise hatten die beiden Mönche nie alle der Stundengebete abgehalten, doch für Matutin (Morgengebet) und Vesper (Abendgebet) war jeden Tag die Zeit gewesen. Da es aber noch nicht ganz Abend war, entschied sich Remy für eine Non, das nachmittägliche Gebet zur neunten Stunde, auch wenn diese wahrscheinlich bereits vorbei war; doch hatten sie im Augenblick die Zeit dafür. Remy hielt die Non schweigend ab und sang die Verse still in seinem Kopf. Er wußte, dass Guillaume dasselbe tat, denn er hatte sein kleines Büchlein mit den Psalmen offen in der Hand. Nach der letzten stummen Note sah Remy wieder hinauf zur Burg, von der sich gerade ein Junge näherte. Es gab also etwas Essen für die Wartenden. Fisch und Wasser; und das Brot war noch ganz warm und schmeckte einfach wunderbar, was die Stimmung des jungen Franzosen hob. Dann warteten sie wieder.

Noch hat die Glocke nicht geschlagen, also ist noch Zeit bis zur Vesper. Vielleicht dürfen wir sie mit den Brüdern hier feiern? fragte sich Remy, während die Dämmerung voranschritt. Letztendlich kam aber jemand zu ihnen: Bruder Herold. Remy betrachtete ihn eingehend, doch würde er abermals Guillaume das Wort überlassen; er half ihm lediglich hoch und ergriff dann seine Tasche und den Wanderstab.

Auf dem Weg hinauf zur Burg, aber vor allem in ihrem Inneren sah sich Remy neugierig um, doch machten es die Lichtverhältnisse ziemlich schwierig. Letztendlich waren sie aber angekommen, und abermals hieß es warten. Selbst die aufmerksamste Studie ihrer momentanen Umgebung brachte Remy keine neuen Erkenntnisse: dies war eine Küche, und das würde sich nicht ändern, so sehr er auch starrte.

Wo mögen sie nur alle sein? fragte er sich im Stillen. Daheim in Fleury würden die Konversen bestimmt bereits das Abendessen zubereiten, während die Chormönche die Vesper beten. Aber hier ist niemand.

Unter dem Habit wurde es ihm bald recht warm in der Küche, und nach einigen Minuten des Wartens, hielt er es einfach nicht mehr aus: er murmelte Guillaume leise in ihrer Heimatsprache eine Frage zu: "Hat die Glocke etwa schon geschlagen?"
---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 03, 2008, 17:28:17
"Reiß dich zusammen, Remy," war die harsche Antwort, die er ehielt. Etwas sanfter sagte der Ältere: "Bald, Remy, bald...."
Der jungere konnte beinahe hören, wie Gauliiume sich innerlich schalt.
Nach einigen Minuten wurden leise Stimmen hörbar. Sie kamen vom Hof. Kurz darauf öffnete sich die Kückentür und einige Mönche, es waren etwa zwei dutzend, den Raum füllten.
Sie blickten staunend auf die beiden Gäste.
Aus ihrer Mitte trat ein Mann hervor.
Er war alt, nein uralt.
Er war groß und dünn wie ein ausgezehrter Asket, wirkte er.
Alle resolute Anspannung wich aus der Runde, als Gaulliaume den Mann aufs herzlichste begrüßte.
Sie verfielen in eine fremde Sprache und strahlten sich an wie Brüder die über Jahre getrennt gewesen waren.
Das einzige was Remy - und wohl auch die restlichen Mönche- verstand, war ein Name:
Jonathan.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 03, 2008, 18:25:35
Remy zuckte im ersten Augenblick zusammen. Selten sprach sein Mentor so mit ihm. Fühlte Guillaume sich etwa beobachtet? Sein Blick glitt umher, jeden Winkel erneut betrachtend. Die sanfteren Worte und das Verhalten des Bibliothekars belehrten ihn eines besseren, denn offenbar war nicht allein Remy so angespannt. Oder er macht sich mehr Sorgen, als er zugeben will... aber worüber?

Dann näherten sich die Schritte und mit einem Schlag war der Raum voll von Menschen. Remy sah die anderen an, versuchte anhand ihres Habits zu erkennen, welchem Orden sie angehörten. Und dieser Alte da... aber was war denn plötzlich mit Guillaume los? Remy wusste ja, dass sein Mentor noch sehr rüstig war, aber so zügig und voller Freude hatte er ihn auch noch nicht erlebt.
Jedenfalls starrte er bei der gegenseitigen Begrüßung nur und musste sich spontan wieder ins Gedächtnis rufen, dass man einen Mund auch schliessen kann und nicht offen in der Weltgeschichte herum trägt.

Er lauschte dem Wirrwarr an Worten, das die beiden miteinander austauschten, und verglich es mit den Sprachen, die er beherrschte, ob ihm irgendwas davon bekannt vorkäme oder er ableiten könnte, was für eine Sprache dies sein mochte. Den Gesichtern der anderen Anwesenden entnahm er noch, dass es wohl eher nicht Polnisch war, denn dann hätten sie nicht so verständnislos dreingeblickt.

Jonathan.. Jonathan? Ist der alte Mann etwa der Jonathan? Oder kennen sich die beiden von früher und besuchen diesen geheimnisvollen Jonathan gemeinsam?

Remy faltete abwartend die Hände, wobei er das dicht verschnürte Bündel mit der Reliquie an seinem Körper wieder spürte. Auf gewisse Weise gab ihm das Selbstsicherheit und so wartete er schweigend ab, was als nächstes geschehen würde. Immerhin verlangten bereits mehr als zwanzig Augenpaare zu wissen, wer die Neuankömmlinge waren. In Gedanken bereitete Remy bereits eine Antwort in Latein vor, die nicht zu tölpelhaft klang.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 04, 2008, 22:05:20
Schnell wurde Gaulliaume wieder ernst.
Er sprach ein paar schnelle Markante Worte in dieser Sprache, die weder einer romanischen, noch ein slawischen oder germanischen Sprache ähnelte.
Der Uralte zog eine dünne Augenbraue hoch und wirkte dann bestürzt.
Schnell gestikulierte er Guillaume ihm zu folgen.
Dieser warf Remy ebenfalls einen bedeutenden Blick zu der sagte: Folge uns.

Was blieb Remy anderes übrig?
Er folgte durch die kahlen Treppenhäuser aus Stein so schnell er im Dunkeln konnte. Der Führer schien sich so gut auszukennen, daß er kein Licht benötigte, ganz im Gegensatz zu den beiden Reisenden. Schnell waren sie verwirrt.
Nicht lange und sie erreichten eine Tür, die nach dem öffnen die Blick auf eine mit wenigen Kerzen beleuchtete Bibliothek. Drinnen bekamen sie einen Schemel angeboten, doch bevor sie sich setzten, stellte sie Gauillaume einander vor.

"Dies ist Bruder Jonathan von Sternberg. Und dies, " abermals wurde auf besagten gewiesen, "ist Remy. Der Würdenträger."
Angenehmerweise war die Konversation auf französisch gewechselt. Freundlich blickte ihn Bruder Jonathan von Sternberg an. In seiner Stimme war ein Unterton wie von rieselndem Sand.
"Nennt mich Bruder Jonathan, Würdenträger Remy."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 04, 2008, 22:18:57
Ohne die geringste Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte, befolgte Remy die stumme Anweisung und eilte seinem Mentor nach. Innerlich hoffte er natürlich, dass er in Kürze ein paar Antworten bekäme, aber das lag außerhalb seines Einflusses. Daher hielt er sich nahe bei Guillaume und versuchte aus seinen eigenen Beobachtungen eine Bedeutung abzuleiten.

Wohin wir wohl gehen? Zum Erzbischof? Oder doch in die Bibliothek?

Remy konnte beim besten Willen nicht sagen, wo sie sich letztendlich befanden, oder in welche Himmelsrichtung sie unterwegs waren. Als aber die Tür aufschwang und sie dann doch eine Bibliothek betraten, fühlte Remy sich aber sofort etwas wohler. Inmitten von Büchern, von erfaßbarem und gesammelten Wissen fühlte er sich einfach so.

Dann endlich erhielt Remy die ersten Antworten, nämlich Aufschluß über die Identität des alten Mannes. Das war also Jonathan. Mit einem zurückhaltenden Lächeln und einem sanften Kopfnicken wollte Remy seinen Teil zur Höflichkeit beitragen - doch da wurde er mit einem vollkommen neuen Rätsel konfrontiert. Würdenträger? Was hat das nur zu bedeuten?

Fast schon entgeistert ging der Blick zu seinem Mentor, doch dann sprach Bruder Jonathan, also konzentrierte sich Remy auf den alten Mönch. Nur stockend konnte er seine Antwort hervorbringen.

"Bitte... Bruder Jonathan... Bruder Guillaume... ich verstehe nicht ganz... Warum nennt ihr mich nicht einfach Bruder Remy? ... Warum Würdenträger? Was hat das alles zu bedeuten?"

Remy war ziemlich verunsichert und das konnten die beiden anderen ihm auch deutlich ansehen. Er versuchte im schwachen Licht die Gesichter und Blicke der beiden zu erkennen.
---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 04, 2008, 23:55:21
"Eines nach dem anderen, Remy. Würdest du Bruder Jonathan gestatten die Kiste in Augenschein zu nehmen?"

Remy hatte angesichts der Situation nicht die Wahl. Er löste die Verschnürung und reichte dem Uralten das Kleinod. Er nahm es mit Respekt entgegen und begann es zu untersuchen indem er es nah unter die Augen hielt, wie es jeder Scholar getan hätte, der Jahre mit einer Kerze in der Bibliothek zugebracht hatte.
Gaulliaume begann zu erzählen.
Das meiste der Begebenheit kannte Remy, schließlich war er dabei gewesen. Doch nun hörte er die Geschichte aus Guillaumes Sicht:
"....Wir sahen also diesen Unfall. Ich spürte sofort, daß etwas Böses in der Kutsche war. Jeder weiß, daß Licht das Dunkel vertreibt und so wurde das Gefährt für den Dämon zur Todesfalle, als ich die Scheibe einschlug und den Vorhang zur Seite zog. Ich verlor das Bewußtsein..." er machte eine theatralische Pause. "Ich erwachte hatte Remy mich und eine Reliquie gerettet. Als du sie in deine Obhut nahmst, wurdest du zum Würdenträger, Remy, bis du..." Gaulliaume brach ab.
Gerade noch hatte er den Blick auf Remy gerichtet, doch sein Kopf ruckte herum.
Im Gesicht von Bruder Jonathan leuchtete es golden.
Tatsächlich strahlte die Kiste wie zehn Kerzen in das Gesicht des Uralten und leuchtete es komplett aus. Remy lief ein Schauer über den Rücken, als er die tiefen Furchen sah, und wie tief die wachen grauen Augen in die Höhlen gesunken waren.

Doch interessanter war, die Kiste hatte sich geöffnet.

"Die Schädeldecke des Bartholomäus!" rief der ebenso überraschte Jonathan aus.

Remy drohten die Augen aus den Höhlen zu quellen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 05, 2008, 00:56:03
Remy lauschte der Geschichte aufmerksam, doch formten sich eigene Fragen in seinem Kopf. Das in der Kutsche, das war also ein Dämon? Aber wie hatte er es schaffen können, das Gefährt zu be...?

Der Gedanke fand kein Ende, denn in dem Augenblick fiel ein Glanz auf das Gesicht des uralten Gelehrten ihm gegenüber und Remy erschrak gehörig, sodaß er die Verwunderung darüber, woher das Licht so plötzlich kommen mochte, völlig vergaß. Mit einem Schaudern dachte er: Wie alt mag Bruder Jonathan wohl sein? Ich sah noch nie einen so alten Menschen wie ihn! Und was ist nun in dem Kasten?

Doch nichts kam der Überrschung gleich, als Jonathan lautstark erklärte, was sich in der Kiste befand. Der Schock fuhr ihm so tief in die Glieder, dass Remy sich in den ersten Augenblicken gar nicht zu regen vermochte. Dann erst schaffte er es, sich mit einer zitternden Hand zu bekreuzigen, während die andere erschrocken auf seinen Lippen ruhte, über die kein Laut drang. Seine Gedanken überschlugen sich beinahe, als sein Hirn ihm augenblicklich alles an Wissen darbot, das er jemals im Zusammenhang mit diesem Namen gelesen oder gesammelt hatte.

Der Heilige Bartholomäus, Jünger des Herrn, Apostel und Märtyrer des Glaubens. Gehäutet und getötet von den Menschen, die er zur wahren Erlösung führen wollte. Und ich trug wirklich einen Teil seines Schädels in der Kiste mit mir?

Einen Augenblick lang drohte Remy das Bewußtsein zu verlieren, zu überwältigt war er von dieser Nachricht. Er brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Eine Hand ruhte nun auf seiner Brust, in der sein Herz so schnell schlug wie wahrscheinlich noch nie zuvor. Seine Stimme hörte sich an wie das Krächzen eines Raben, als er nach mehreren Herzschlägen ehrfürchtig das Wort an Bruder Jonathan richtete und vorsichtig eine Frage stellte.

"Woran erkennt ihr das so genau, Magister?"

Erst sehr viel später würde er bemerken, dass er den alten Gelehrten mit dieser doch eher weltlichen Anrede vielleicht beleidigt haben könnte, oder jener mochte es für eine Schmeichelei halten. Im Moment jedenfalls reckte Remy den Hals, um hoffentlich einen Blick auf das heilige Relikt zu erhaschen und es mit eigenen Augen zu sehen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 05, 2008, 19:56:06
"Schaut her," wisperte Jonathan und drehte langsam die Kiste in Richtung der anderen.
Das güldene Leuchten war erstorben.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Remy etwas sehen konnte, denn der Schatten, den die winzigen Kerze warfen, verdeckten lange, was in der Kiste lag. Es kam dem Ungeduldigen vor, als würde er den Lauf einer Sonnenuhr folgen.
Dann endlich erschien sie. Auf weißem Samt gebettet lag die Schädeldecke des Bartholomäus. Sie sah eher aus, wie eine umgedrehte Schale. Ganz glatt schien die Oberfläche, der Rand hatte eine Perfekte Kante, als hätte jemand die Reliquie bearbeitet - oder als hätte man den Schädel mit einer sehr scharfen Klinge geteilt, wie man es mit einem Ei tat....

Remys gedanken verloren sich.

"Heilige Mutter Gottes... sei uns gnädig, oh Herr!" entfuhr es Gaulliaume.
Er sank auf die Knie.
Tränen strömten über seine Wangen.
Jonathan lächelte nur milde.
Auch Remy spürte es...  er wußte nicht woher er es wußte... er spürte die Anwesenheit von etwas wirklich Heiligem.




Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 06, 2008, 02:01:27
Das Kribbeln lief über seinen ganzen Körper, als hätte der Anblick allein ihn ausgelöst. Und doch schien es, als würde jeder weitere Augenblick, in dem er den Blick auf das Artefakt gerichtet hielt, dieses Gefühl von Heiligkeit nur noch verstärken, als würde sich etwas in ihm öffnen, wie sich eine Blüte am Morgen der Sonne öffnete. Und Remy ließ es zu, dass diese Präsenz Besitz von ihm ergriff.

Der erste klare Gedanke, den er angesichts der inneren Wärme fassen konnte, wurde auch in einem deutlich vernehmlichen Flüstern geäußert.

[lat.]"Gelobt sei der Herr, und gelobt sein Sohn, unser Heiland, Jesus Christus, und gelobt sei der heilige Geist." Dabei bekreuzigte der junge Mönch sich dreimal. Dann gab er sich erneut der Präsenz hin.

Der zweite klare Gedanke, den er in der Gegenwart der Reliquie hatte, war der Versuch einer Erinnerung. Hatte er sich so auch in der Gegenwart der Himmelsbotin gefühlt? War dies dasselbe Gefühl, nur stärker? Oder war es etwas völlig neues?

Die Tränen, die er nicht länger zurückhalten wollte (oder konnte), wuschen diese Gedanken fort und sofort wurden sie durch die Wärme ersetzt, die sich immer mehr in ihm ausbreitete.

Der dritte Gedanke, der sich den Weg durch diesen Augenblick brechen wollte, war erstaunlich nüchtern und sachlich. Wie konnte ein Dämon in der Gegenwart von etwas so Heiligem bestehen?

Remy versuchte zum ersten Mal willentlich den tränenverschleierten Blick von dem Artefakt zu lösen. Es hätte ihn nicht verwundert, die göttliche Gedandte erneut irgendwo im Raum zu erblicken, doch wollte er eigentlich Bruder Jonathan ansehen. Dieser uralte Mann schien so viel zu wissen, und vielleicht hatte er auch die Antwort auf die letzte Frage in Remys Kopf. Aber konnte Remy es wagen, sie ihm einfach so zu stellen?

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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 07, 2008, 14:57:43

Als er Jonathan in die augen Blickte, sah er, daß auch er von der Wärme und Liebe erfüllt war, die Remy durchströmte.
Aber... er hatte auch eine seltsame Ähnlichkeit mit der weißen Botin.
Der junge Gläubige spürte ein erleuchtendes Gefühl in sich.
Er wußte, in welcher Weise sich der Mönch vor ihm von dem hinter ihm Unterschied.
Eine Epiphanie spülte alle Ängste und Fesseln fort. Er konnte das erste Mal in seinem Leben ungehemmt und frei denken.
Guillaume war herzlich und warm. Ein Mensch der gab, demütig Gott folgte, aber auch einen Sinn für das Leben hier und jetzt hatte. Er ähnelte der Reliquie am meisten. Jonathan war zwar erfüllt vom Glauben, und es ging auch viel Wärme von ihm aus... er selbst war leer. In seiner Seele war nichts. Es war, als brenne in ihm ein Feuer, wo Guillume einfach warm war.
Das gleiche traf auch auf die Botin zu. Sie war kalt, aber es brannte etwas in ihr. Immer, wenn sie ihn besuchte, hatte Remy gespürt wie viel Anstrengung es kostete ihn zu sehen, als sei sie ein Schmelzofen, der seine Feuerkraft einteilen mußte. Sie hatte nichts mit Bartholmäus oder Gauillaume gemein. Nur mit Jonathan... und ihm. Er...


"...ihr die Frage bitte wiederholen?" drang es an sein Ohr. Es war die leise Stimme von Bruder Jonathan.
So sehr er sich auch bemühte, er fand nicht in die erleuchtenden Gedanken zurück.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 15, 2008, 22:41:38
Verwirrt sah Remy den alten Mönch an, bevor er eine Antwort formulieren konnte.

Frage? Wiederholen? Welche meint er? Innerlich versuchte Remy nach den letzten Fäden dessen zu greifen, was gerade noch seinen Kopf erfüllte, doch es gelang ihm nicht. Unsicher, welche der Fragen er ausgesprochen und welche er nur gedacht hatte, sammelte sich Remy, bevor er beide Gedanken äußerte, an die er sich noch zu erinnern vermochte.

"Woran erkennt ihr, dass diese Knochen vom Heiligen Bartholomäus stammen? Und wie konnte ein Dämon in der Gegenwart von etwas so Heiligem bestehen?"

So nüchtern formuliert wirkten die Fragen eher analytisch und kalkuliert als leidenschaftlich oder gläubig. Ein wenig schämte Remy sich dafür, denn schließlich war dies ein Augenblick des Glaubens, oder nicht? Aber warum hatte er das Gefühl, dass Jonathan genau wußte, was in seinem Kopf vorging?
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 18, 2008, 12:44:51
Jonathan lächelte.
"Das ist eine der intelligentesten Fragen, die mir in den letzten zehn Jahren gestellt wurde, mein Bruder. Ich will es euch erklären..."

Guillaume nickte zustimmend: "Über den Heiligen Bartholomäus kann ich sagen, daß er in drei Evangelien erwähnt wird. Als erstes im Evangelium des Markus. Johannes schrieb, er sei war ein Schriftgelehrter, wie wir es sind, bis er dem Herren folgte und Apostel wurde. Bis dahin war sein Name etwa Natanaël Bar-Tolmai. Später predgte er in Mesopothamien und Armenien, wo er auch den Märthyrertod durch Häuten starb. Des weiteren weiß ich, war er einst in Siziilien begraben, wo sein Körper angespült worden sein soll. Doch seit etwa 200 Jahren ruht er in Rom. Soweit mir zu Ohren gekommen ist, sollte die Schädeldecke Frankfurt am Main überführt werden."

Jonathan fuhr fort: "Sehr gut, mein Schüler. In der tat hat Otto II die Gebeine vor der Jahrtausendwende nach Rom gebracht. Er wollt die Schädeldecke mit ins Heilige Römische Reich deutscher Nation nehmen, doch starb Otto zu früh für diese Queste, weshalb sie in Rom verweilte. Warum ich mir sicher bin, daß sie es ist, läßt sich einfach erklären.."
Jonathan wies auf die Innenseite des Kistendeckels und fuhr über seltsame Zeichen, die Remy als Schrift identifizieren konnte: "Dies ist die Sprache, die  Jesu Christi sprach. Aramäisch. Hier steht:
Nathanael, Sohn des Tolmai, wache auch im Tode über uns und lasse und Gnade in den Augen des Herren finden!"

Remy konnte nichts anderes tun als zuhören und alles, was der alte Gelehrte sprach, in sich aufzusaugen. Das Wissen und die Erkenntnisse die er in sich barg, schien schier unendlich groß zu sein. Noch nie hatte er jemanden getroffen, der die Muttersprache des Herrn beherrschte.

"Nun zu deiner zweiten Frage, Remy, Wisset, daß dies tifere Göttliche Geheimnisse sind, denn nur wenige kennen sie," sagte Bruder Jonathan geheimnisvoll, "Ich zweifle keinen Moment an euer beider Worten. So wie ihr es berichtet, seid  ihr tatsächlich einen Dämon gegenüber getreten und habt ihn vernichtet. Das Wort Dämon allerdings wird gern von einfachen Menschen für alles verwendet, was sie sich nicht erklären können. Doch aus der Heiligen Schrift wissen wir, daß die, die in die Hölle verbannt wurden, einst Engel waren. Engel, die dem Morgenstern folgten und sich gegen Gott stellten. Manche von ihnen suchen nach Gnade, andrere haben sich ganz abgewandt.
Dennoch," er machte eine dramatische Pause, "kann jemand, der von Gott verstoßen wirde, wahrhaftig glauben, denn er wurde berührt. Dies wird nicht nur Engeln zu Teil, sondern auch den Menschen. Sowohl die Gläubigen berührt er, als auch die Sünder."

Gaulliaume wollte eine Schlußfolgerung austoßen, doch schwieg er auf einen Blick Jonathans hin. Remy spürte, daß von ihm erwartet wurde nun mitzuteilen, was er aus den Worten geschlossen hatte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 18, 2008, 17:54:16
Remy war machtlos und dennoch voll in seinem Element, denn hörte zu und lernte; auch etwas über die Beziehung von Jonathan und seinem eigenen Mentor. Guillaume war also selbst sein Schüler. Aber wie alt ist Jonathan dann wirklich?

Besonders faszinierend fand er die Schriftzeichen in der Kiste und er hörte der Übersetzung aufmerksam zu, um sie sich einzuprägen. Die Sprache des Herrn ... ach, wie gern hätte er sie auf der Stelle gelernt, um die Worte selbst zu lesen. Und danach viele neue Bücher, die in ihr geschrieben waren. Einen Augenblick lang dachte er sogar darüber nach, sein Notizbuch hervorzuziehen und die Zeichen zu kopieren, doch besann er sich noch rechtzeitig und lediglich seine Hand zuckte in einem Anflug von Übereifer.

Dann sprach Jonathan erneut und diese neuen Worte machten Remy beklommen. Zunächst sprach der uralte Mönch davon, dass sie einen Dämon vernichtet hatten - doch war dies nicht einmal in Absicht geschehen, denn sie wollten ja nur helfen. Das Töten ist eine Sünde, durchfuhr es Remy, aber getötet wurde ein Dämon. Und der Kutscher, doch lag das nicht an unserem Eingreifen. Haben wir nun gesündigt? Oder doch den Willen des Herrn erfüllt?

Jonathan sprach dann darüber, dass man oft die falschen Worte für Dinge benutzte, die man nicht erklären konnte - vorschnelle Urteile aus Unwissenheit also. Aber dann sprach er über gefallene Engel und Sünder, die verstoßen waren, aber doch glaubten. Berührte. "Nun, berührt wurde der Passagier in jedem Fall, denn er war augenblicklich zu Asche verwandelt, kaum dass ihn das Licht der Sonne erreichte." murmelte Remy leise.

Erstaunt stellte er fest, dass er beim Wesen in der Kutsche plötzlich nicht mehr zuerst an einen Dämon, sondern an einen Passagier dachte. War das die eigentliche Lektion von Jonathan? Nicht vorschnell zu urteilen oder die Bereitschaft, ein bereits gefälltes Urteil zu überdenken, wenn man neue Informationen dazu hatte?

Dann stellte er etwas noch viel Erstaunlicheres fest: Jonathan hatte seine Frage nach der Schädeldecke als intelligent bezeichnet. War es denn so ungewöhnlich, dass jemand diesen Dingen sorgfältig auf den Grund gehen wollte? Und dann verstand Remy endlich, dass beides eigentlich dasselbe war. Er war bereit gewesen, die Echtheit der Reliquie zu akzeptieren, solange die Siegel der Kirche an der Kiste ungebrochen waren. Auch die Aussage über den Dämon in der Kutsche hatte er akzeptiert. Er hatte sich beide Male vom äußeren Anschein blenden lassen - so lange, bis er einen Blick hinter den Schein werfen konnte. Als Jonathan jedoch eine Behauptung zum Inhalt der Kiste aufstellte, war in Remy eine Frage aufgetaucht, und er hatte sie gestellt.

Und nun hat Jonathan erneut eine Behauptung ... nein, hat er nicht! Er hat sie nicht ausgesprochen, er hat nur die Möglichkeit eröffnet. Und nun scheint es, als wollte er, dass ich sie ausspreche. Einen Augenblick zögerte Remy noch, befürchtend, dass dies eine Falle sein und man ihn einen Ketzer nennen würde, wenn er etwas Falsches sagte. Dann jedoch sah er sich schnell nach allen Seiten um und beugte sich vor, um nicht so laut sprechen zu müssen.

"Ich verstehe, dass ihr damit andeuten wollt, dass der Reisende in der Kutsche vielleicht gar kein Dämon gewesen ist. Aber was war er stattdessen? Ein Sünder? Oder etwa ein Büßer, der sich die Gnade unseres Allmächtigen wieder verdienen wollte, indem er als ... Würdenträger die Reliquie mit sich nahm? Oder war es gar ein gefallener Engel?"

Remy hatte plötzlich das Gefühl, mit den letzten Sätzen zu weit gegangen zu sein. Er presste die Lippen aufeinander, als ihm ein neuer Gedanke dämmerte.
Die Himmelsbotin! Sie wollte mich fortschicken, aber vielleicht kam sie tatsächlich wegen eines gefallenen Engels. Vielleicht um ihn nach Hause zu holen, nachdem der Herr ihn gerichtet hatte?

Zu gerne hätte Remy in diesem Augenblick den weisen Jonathan gefragt, ob Gefallene oder Berührte auch von Engeln besucht wurden. Er hätte ihm von der himmlischen Erscheinung erzählen wollen. Doch konnte er es wirklich wagen, ihm diese Fragen zu stellen? Nach seiner letzten verwegenen Äußerung schien ihn der Mut verlassen zu haben.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 19, 2008, 20:22:31
"Das können wir an dieser Stelle nicht ergründen." antwortete Jonathan. Er zog eine dünne Augenbraue hoch und murmelte in seinen nicht vorhandenen Bart: "Fazinierend...." Rückartig blickte er auf. "Noch zwei Dinge: Remy, denke darüber nach, ob der Glaube an den Herrn miteinschließt, seinen Weisungen zu folgen. Denke an Abraham... und Guillaume... du warst ein guter Lehrer." Er lächelte. "Ich bin nun müde. Auf meine alten Tage brauche ich viel Schlaf. Ihr seid sicher auch ausgelaugt. Ich lasse Herold schicken, er hat bestimmt schon die Kerzen in den Gästezellen entzündet. Ihr werdet rechtzeitig zum Morgengebet geweckt werden."

Was hätten sie sagen sollen, außer gute Nacht?

Der sichtlich nachdenkliche Jonathan verließ die Bibliothek und schenkte ihnen noch ein verschmitztes Lächeln, welches verriet daß Bruder Herold noch einem Moment brauchen würde. Sie hatten Zeit noch einmal privat zu sprechen, bevor sie wieder in das Klosterleben eintauchten.
"Habe ich recht behalten als ich sagte, er wäre Weise?" wante sich ein wie ein Schuljunge, der einen Apfel bekommen hatte grinsender Gaullaime an Remy.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 19, 2008, 23:53:25
Remy hatte dem alten Mann nachgesehen, während sich dieser zurückzog und starrte noch auf die Tür, nachdem diese längst wieder geschlossen war. Seine Gedanken eilten durcheinander, wie flüsternde Stimmen, die sich in seinem Kopf überschlugen, dabei immer lauter wurden und gegenseitig zu übertreffen versuchten.

Wieso Abraham? Warum nicht Hiob? Abraham war gehorsam und er war bereit, Isaak zu opfern, doch verlor er seinen Sohn nicht. Hiob hingegen vertraute seinem Gott, selbst als dieser ihm alles nahm und so seinen Glauben prüfte. Gehorsamkeit und Gottvertrauen. Was will Jonathan von mir wissen? Ob ich die Heilige Schrift kenne? Ob ich gehorsam bin im Glauben und dem Allmächtigen vertraue? Will Jonathan etwa meinen Glauben testen? Aber dann hätte er Hiob gesagt. Und was könnte ich schon opfern oder verlieren? Was hat das nur zu bedeuten? Abraham ... Abraham ... war es nicht der Engel des Herrn, der die Spitze des Schwertes festhielt, als Abraham schon zum Schlag ausholte? Was wollte er mir damit nur sagen? War der Stammvater des Volkes Israel etwa ein Berührter? Erschien der Engel etwa Abraham, weil er von Gott berührt worden war? Könnte das etwa...

Als Guillaume ihn ansprach, zuckte Remy erschrocken zusammen, fing sich aber schnell wieder.

"Weise ist er, ganz ohne Zweifel," bestätigte der junge Mönch nachdenklich, "und irgendwie ziemlich rätselhaft." Dann wandte er den Blick zu seinem Mentor und begann diesen mit Fragen zu überhäufen.

"Guillaume, was meinte er damit: 'denke an Abraham'? Und all dieses Wissen, über Berührte und gefallene Engel, woher hat er es? Von hier?" Er deutete auf die Bücherregale um sie herum. "Müssen wir denn wirklich schon in die Zellen gehen? Waren wir nicht wegen eines Textes hier? Können wir nicht bleiben und arbeiten? Ich fühle mich doch noch gar nicht müde..."

Remy wurde in der Tat immer aufgekratzter und beim Anblick der vielen Schriften funkelten seine Augen, während die Neugier ihn weiter anstachelte. Er hatte wohlweislich in der letzten Frage 'wir' gesagt, aber Guillaume kannte seinen Schützling zu gut, um zu wissen, dass Remy eigentlich nur sich selbst damit meinte, und dass er eher lesen als arbeiten wollte.

"All diese Dinge, von denen er sprach, woher weiss er sie nur? Und wie lange kennst du ihn schon? Weisst du, wie alt er wirklich ist?"

Erneut wanderte Remys Blick über die Regale voller Bücher, während er Guillaumes Antworten lauschte und in ihm keimte ein neuer Gedanke: wenn das Wissen von Jonathan hier in diesen Schriften zu finden war, dann würde er den alten Weisen nicht einmal mit seinen Fragen belästigen müssen. Er brauchte nur etwas Zeit allein in diesem Raum, um den richtigen Text zu finden, ein Text über Gefallene und Engel, über Berührte und Sünder. Und eventuell würde dieser Text auch die lang ersehnte Antwort auf Remys persönliches Rätsel enthalten: die weiße Frau, die ihm immer wieder erschien.

Remy begann auf der Unterlippe zu nagen, denn ohne Befugnis hier zu verweilen würde nicht gerade für seinen Gehorsam sprechen. Und genau darauf schien Jonathan doch mit seiner letzten Bemerkung abgezielt zu haben. Remy befand sich in einer Zwickmühle.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 23, 2008, 14:43:29
"Beruhige dich, Remy. Ich werde dir meine Geschichte erzählen..."
Guillaume setzte sich ihm Gegenüber und sprach in ihrer beider Muttersprache:
"Als Säugling wurde ich auf der Schwelle des Klosters Cluny gefunden. Jonathan zog mich auf, gab mir einen Namen und lehrte mich alles. Er ist ein wissensdurstiger Geist, etwas was wir beide mit ihm gemeinsam haben... Schon damals war er ein alter Mann... Er zeigte mir, Fragen zu stellen und wie man nach ihren Antworten forscht, sowohl in der Heiligen Schrift als auch im Leben. Ich lernt alles was ich konnte und wurde dadurch selbst im Kloster zum Sonderling. Das spielte für mich keine Rolle. Ich las und übersetzte und stellte mir Fragen.
Als ich fünfzehn war, war ich schon ein kleiner Rebell geworden. Ich löcherte meine Brüder mit Fragen, sogar den Abt. Es sah aus, als würde ich den Herrn anzweifeln, doch im Gegenteil, ich wollte verstehen. Niemals zweifelte ich am Herrn, doch die anderen schienen es zu tun, denn sie namen alles hin, ohne sich immer wieder zu reflektieren.
Eines Tages ging Jonathan fort. Er sagte, er hätte mich alles gelehrt und ich solle meinen eigenen Weg einschlagen. Wir hielten Kontakt über lange Briefe...und lange habe ich gewartet, ihn wieder zu sehen. Dekaden. Ich fürchtete schon, es sei erst nach seiner letzten Ölung.
Ich erzählte in meinen Briefen auch von dir, Remy. Er sagte, ich solle mein Wissen an dich weiter geben, und das habe ich, so gut ich bisher vermochte ,getan. Ich...."

Es klopfte an der Tür, und Bruder Herold trat mit einer brennenden Kerze in der Hand ein.
"Wir sprechen morgen weiter, Remy," sagte Guillaume leise, während sie aufstanden. "Nur eins noch, zu deiner Frage, du solltest dir eine Weitere stellen: Was wäre geschehen, hätte der Engel Abrahams Hand nicht gehalten? Hätte Abraham nicht auch seinen Glauben unter Beweiß gestellt? Was ist die quintessenz´sche Frage des Wahren Glaubens des Dämons?"

Leise flüsterte er die Fragen während sie Herold durch das Treppengewirr zu den Schlafzellen folgten. Sie waren wie andernorts auch. Eine Holztür zu einen kleinen, kargen Schlafraum für eine Person. Herold verabschiedete sich von ihnen, nachdem er hinter ihnen die Tür geschlossen hatte.
Bald lag Remy allein auf dem Bett. Die Kerze, die auf einem Endtisch brannte, der neben dem Bett das einzige Möbel war flackerte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 24, 2008, 03:17:03
Remy hatte seinem Mentor aufmerksam gelauscht. Er konnte nun die Beziehung zwischen Jonathan und Guillaume besser verstehen, aber ebenfalls konnte er nun sein eigenes Verhältnis zu seinem Lehrer und Mitbruder besser bewerten. Die Beschreibung von Jonathans Erscheinung hingegen machte ihn stutzig. Jonathan war bereits ein alter Mann, als Guillaume noch ein Säugling war? Aber wie alt mochte er dann jetzt wohl erst sein?

Als es an der Tür klopfte, wußte Remy sofort, was das zu bedeuten hatte. Mit einem bedauernden Blick sah er auf das gesammelte Wissen im Raum, das er wohl vorerst nicht ergründen können würde. Die Worte seines Mitbruders hingegen gaben ihm eine andere Art von Hoffnung, oder vielmehr die Wortwahl. Guillaume fragte ihn direkt, wo Jonathan ihm nur geraten hatte, darüber nachzudenken. Fragen erforderten Antworten. Vielleicht war dies ja wirklich so eine Art Prüfung, aber eher die Prüfung seines Geistes, statt die seines Glaubens.

Allein in seiner Kammer hatte Remy die Zeit, sich alles noch einmal gründlich durch den Kopf gehen zu lassen.

Jonathan wollte, dass Guillaume lernt, Dinge zu hinterfragen. Fragen zu stellen und nach Antworten zu forschen. Natürlich! Forschen, und nicht suchen! Ein Suchender kann einfach nur vom Glück geführt sein, aber ein Forscher hat ein klares Ziel, er folgt einer sichtbaren Straße auf dem Weg zur Antwort auf seine Fragen. Jonathan wollte, dass Guillaume lernt zu forschen, und Guillaume wollte sein Wissen an mich weitergeben. Also wird Jonathan wissen wollen, ob ich nur blind lerne, oder ob ich auch die richtigen Fragen stellen kann. Deshalb auch die Anspielung über den Reisenden, der kein Dämon war. Er wollte, dass ich es laut sage, um mich zu testen!

Remy setzte sich auf, dann ging er zum Tisch hinüber, wo er sein Notizbuch, die Schreibfeder und das Tintenfäßchen aus der Umhängetasche nahm. Zunächst blätterte er das Büchlein durch, zuerst zügig, die letzten Seiten etwas langsamer. Am Ende seiner Aufzeichnungen angelangt, starrte er einen Augenblick auf die Leere, bevor er zur Feder griff, und sie mit Worten zu füllen begann. Die wichtigsten Dinge, die er heute erfahren hatte, hielt er zuerst fest: Gläubige, Berührte, gefallene Engel, Sünder. Darunter schrieb er ein einzelnes Wort, einen Namen: Abraham. Diesen sah er lang und eindringlich an, während er sich Guillaumes Fragen ins Gedächtnis rief.

Was, wenn der Engel nicht Abraham aufgehalten hätte? Dann hätte Abraham die Anweisung Gottes befolgt und Isaak geopfert, denn er holte bereits zum Schlag aus. Trotz allem, was ihm der Sohn bedeutete, war Gott ihm wichtiger. Es war dieser Beweis, den Gott wollte. Aber wußte der Allmächtige dies nicht ohnehin, wo er doch in jedes Herz eines jeden Menschen sehen kann? Hat er den Beweis vielleicht nur sehen wollen, dass Abraham selbst es ebenfalls erkennt? Nein, das führt zu weit...

Remy stand auf und ging in der kleinen Zelle langsam auf und ab, während er weiter nachdachte.

Isaak wäre geopfert worden und das Volk Israel wäre nie entstanden. Gott hätte mit dieser Forderung sein Volk aufs Spiel gesetzt. Aber er wußte bereits, wie Abraham handeln würde und hatte den Engel gesandt, daher war sein Volk nie in Gefahr. Nein, es muss hier um etwas anderes gehen... um Abraham selbst. Er wäre ein Kindsmörder gewesen in den Augen seiner Mitmenschen, und doch hätte er ein reines Gewissen gehabt, da er allein dem Willen Gottes folgte.

Remy hielt an, dann setzte er sich auf das Bett und spann den Gedanken weiter.

Ein Mörder in den Augen seiner Mitmenschen, aber ein wahrhaft Gläubiger. Aber ein blind Gläubiger? Zu blind um zu fragen? Nein. Nein! Abraham hatte die Anweisung von Gott persönlich! Zu fragen hätte bedeutet, dass er zweifelt; aber das konnte er nicht! Er hätte Isaak geopfert, wenn der Engel nicht gekommen wäre!

Erneut sprang Remy auf und ging nachdenklich auf und ab.

Er hätte gehorcht, ungeachtet dessen, was seine Mitmenschen von ihm gedacht hätten. Er hätte seinen Sohn geopfert, aber dies mit dem reinen Gewissen eines wahrhaftig Gläubigen. Es wären die anderen, die in ihm dem Sünder gesehen hätten. Sie hätten es nicht verstanden. Es wäre unverstanden geblieben, oder mißverstanden, man hätte nur die Tat gesehen, nicht die Umstände, nicht die Hintergründe...

Remy ging schneller, auch wenn sein Weg ihn nur im Kreis umher führte. Er hatte das Gefühl, kurz vor der Erkenntnis zu stehen.

Nur die Tat, nicht die Umstände. Man hätte ihn verurteilt und ihn beschimpft, man hätte nicht gefragt. Geht es etwa darum? Ist das die Quintessenz, die Guillaume meinte? Glauben und Gottvertrauen, ein reines Gewissen gegenüber Gott, selbst wenn die Welt einen verurteilt? Dann war der Dämon in der Kutsche also kein Dämon, sondern ein wahrhaft Gläubiger, der vielleicht bei einigen Menschen in Ungnade fiel, aber nie bei Gott? Handelte er etwa, wie Gott es von ihm verlangte? Konnte er deshalb die Reliquie tragen, ohne in ihrer Gegenwart zu vergehen? Ja. Ja! So muss es gewesen sein! Er war von Gott berührt und doch zugleich gezeichnet, sonst hätte ihn das Licht der Sonne nicht in Asche verwandelt. Und doch muss er wahrhaft gläubig gewesen sein, darum konnte er der Träger der Reliquie sein und in der Kutsche reisen.

Remy blieb stehen und atmete tief durch. Er hatte eine Antwort gefunden, und obwohl es dieselbe war, die er Jonathan bereits im Gespräch vorgeschlagen hatte, so fühlte er sich dieses Mal sicherer damit, in der Erkenntnis, dass sie nicht allein auf Vermutungen basierte. Und damit konnte er nun auch Guillaumes Fragen beantworten, und das tat er, indem er die Antworten leise vor sich her murmelte.

"Erstens: hätte der Engel nicht Abrahams Hand gehalten, dann hätte er Isaak geopfert.
Zweitens: damit hätte Abraham natürlich seinen Glauben, seinen Gehorsam und sein Vertrauen gegenüber Gott unter Beweis gestellt, egal ob er nun das Opfer gebracht hätte oder nicht.
Drittens: die Frage des Glaubens des Dämons, wenn es denn eine gab, musste also sein, ob sein Zustand als Berührter, als Verdammter und Auserwählter zugleich, nicht auch das Ergebnis seines Gehorsams oder Ungehorsams war. Wie aber auch immer die Antwort darauf wäre, sie würde nichts daran ändern, dass der Herr ihm eine besondere Aufgabe zuteil werden liess, von der er letztendlich auch nur durch den Allmächtigen erlöst werden konnte."

Zufrieden mit seinen Erkenntnissen, machte Remy sich noch einige Stichpunkte in sein Buch, bevor er es schloss, mit den anderen Sachen wieder in der Umhängetasche verstaute, die Kerze löschte und sich letztendlich auf das Bett legte. Der Schlaf wollte sich nicht so leicht einstellen; Remys letzte Gedanken kreisten noch lange um diese Fragen, doch irgendwann war die Müdigkeit stärker.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am September 02, 2008, 13:58:07

--- am nächsten Morgen ---

Ein Klopfen, leise aber beständig, holte Remy aus einem tiefen Schlaf.  "Guten Morgen! Noch eine halbe Stunde bis zum Morgengebet! Erwachet!"

Bruder Herolds Stimme hallte durch die Gänge. Remy war beruhigt. Er lag in einem vergleichsweise bequemen Bett, hatte vier Wände um sich herum, und die Aussicht auf theosophische Gespräche... Er war nicht im Wald oder in einer heruntergekommenen Kaschemme, hatte Guillaume nicht neben sich Schnarchen gehört und nicht mit der Angst aufgewacht, eventuell bestohlen worden zu sein und ohne schmerzhafte Druckstellen am Körper.

An diesem Morgen war ihm, als habe er eine Tür aufgestoßen, die ihm bisher verschlossen gewesen war.
Als er neben Guillaume und zwischen den heimischen Mönchen auf den Hof trat, um am Morgengebet teilzunehmen, war der Himmel blau, ohne eine Wolke. Vor ihm ragte das Heilige Symbol der Höchsten Turmspitze in den Himmel. Die Morgensonne strahlte es golden an. Als sei ein Damm gebrochen überflutenten Remy le Duc gewaltige Emotionen.

Er erkannte, daß es eine größere Wahrheit und Ordnung auf Gottes Erde geben mußte.

Die Mönche Schritten weiter auf das große Eingangstor der Kirche zu. Die Halle war durch die bunten Glasfenster in helles Licht getaucht. Auf ihnen waren verschiedene Heilige abgebildet. Doch als einziger schien Sankt Bartholomäus Remy zuzublinzeln, indem die Sonne hinter einer Säule wieder auftauchte und ihn kurz blendete.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am September 07, 2008, 23:28:05
In der Tat freute sich Remy über den neuen Tag, und das hervorragende Wetter an diesem Morgen.

"Der Allmächtige sieht mit Güte und Freude auf uns herab" murmelte er mit einem Lächeln zu Guillaume, als er neben diesem auf dem sonnenbeschienenen Hof einherging. Zuversicht und Wohlgefühl erfüllten den jungen Mönch, als er die Herrlichkeit der Turmspitze sah und er fühlte sich an diesem Tag wirklich wie neugeboren, ohne dass er sagen konnte, wieso das so war. Lag es an der nächtlichen Begegnung mit Jonathan, an den Erkenntnissen der Nacht oder daran, dass gestern endlich das Geheimnis um das Kästchen gelüftet worden war? Für Remy hätte es jeder dieser Gründe sein können, und doch war da wieder dieses Gefühl, das er bereits schon einmal hatte. Es begann als eine Ahnung, damals im Wald, wo sie die Kutsche fanden, es wiederholte sich, als er den Wawel das erste Mal erblickte, und hier war es nun erneut - das Gefühl, dass er aus einem bestimmten Grund hier war. Ganz so, als wäre dies seine Bestimmung. Ja, Gott hatte einen Plan und Remy spürte deutlich, dass auch er Teil davon war.

'Erweisen wir unserem gnädigen Gott Dank und Ehrerbietung' dachte Remy still, als er die Kirche betrat. Dennoch kam er nicht umhin, die Darstellungen der Heiligen zu betrachten, obgleich er wie alle anderen Brüder eher den Kopf demütig hätte senken sollen. Nachdem er allerdings Bartholomäus erblickt hatte und dieser ihm zuzublinzeln schien, holte Remy das sofort nach. Dabei fiel ihm etwas anderes ein: wo war das Kästchen? Er versuchte sich zu erinnern, wusste aber nur noch, dass er es zuletzt in Jonathans Händen in der Bibliothek gesehen hatte. Danach verschwamm die Erinnerung seltsamerweise, doch schrieb Remy das den überwältigenden Ereignissen des gestrigen Abends zu. Außerdem, so mußte er sich eingestehen, hatte er durch die Diskussion das Kästchen völlig vergessen.

Ein schöner Würdenträger bist du! schalt er sich innerlich und nahm sich vor, möglichst sofort nach dem Morgengebet nach dem Kästchen zu suchen. Vielleicht wusste ja Jonathan, wo es war, doch wo war Jonathan?

Aufmerksam sah Remy sich um, soweit er das konnte, ohne den Kopf zu auffällig zu heben. Während er den ihm angewiesenen Platz einnahm, konnte er ja zumindest in die Gesichter der Brüder auf der anderen Seite der einander entgegen gerichteten Chorgestühle sehen, aus denen in wenigen Augenblicken die Wechselgesänge erschallen würden. Wenn er den alten Mönch nicht auf der anderen Seite entdeckte, so blieb nur die Schlussfolgerung, dass er sich irgendwo in der Reihe neben ihm befand. Beim Hinausgehen nach dem Gebet würde sich gewiss die Gelegenheit ergeben, ihn kurz anzusprechen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am September 13, 2008, 19:12:41
Nirgends konnte er Jonathan zischen den Mönchen entdecken.
Die Menge teilten sich in zwei Gruppen. Remy wurde in Richtung der seitlichen Bankreihen gezogen, die anderen liefen auf den Chor zu. Irgendwie saß Remy neben Gaulliaume ganz außen auf der Bank. Ihnen gegenüber lag die Bank des Landesfürsten, doch war sie gefüllt mit den ernsten in Gold und Purpur gekleideten Rittern.
In ihrer Mitte trohnte er. Ein Mann mit scharfen aristokratischen Gesichtszügen. Er trug einen schwarzen Kinnbart. Seinen Augen waren blau wie Stahl und sein Blick nicht weicher. Die Robe, die er trug, konnte über seinen muskulösen Körper nicht hinwegtäuschen... und hätte einem Ganzen Dorf über den Winter helfen können.
Dann traten die Gläubigen ein, erst die Adeligen, dann die Kaufleute und zuletzt die einfachen Menschen. Noch während sie sich setzten begann die Orgel zu spielen. Die Musik wirkte fremdartig auf Remy doch erfüllten ihn die Klänge ganz und hallten wunderschön wider.

Dann betrat der Bischof die Szene. Zur gleichen zeit begann der Chor zu singen, allen voran Bruder Herold der mit seinen mädchengleichen Alt, die Lobpreisung leitete.
Der Weihrauch benebelte ihn mehr als er es gewohnt war.
Nach dem Ende des Gesanges war der Bischof vor den Altar getreten. Reich geschmückt und irgendwie Fremdartig war seine Kleidung.
Der schon in die Jahre gekommene Mann richtete das Wort an die Gemeinde:

"Wir sind heute hier zusammengekommen um den Herrn zu Ehren. Groß ist Seine Güte, denn Er hat uns in Seiner Wahrhaftigkeit eine Ehre zuteil werden lassen. Bruder Guillaume und Remy le Duc brachten eine kostbare Reliquie in unsere Stadt: Die verloren geglaubte Schädeldecke des Bartholomäus!"

Ein Raunen ging durch die Menge, selbst durch die Mönche. Nur ihre Gegenüber blieben still und diszipliert.

"Remy, tritt vor," fuhr der Bischof fort, "du sollst den Segen erhalten."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am September 14, 2008, 03:17:41
Remy kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Er hatte mit einem kleinen Morgengebet gerechnet, so wie es es aus Fleury kannte. Stattdessen schien hier aber eine Freudenmesse anberaumt worden zu sein, an der die ganze Stadt teilnahm. Das weltliche Oberhaupt schien allerdings nicht wirklich begeistert zu sein, so wie er da mit kaltem Blick zwischen den Kirchendienern in Purpur und Gold sass. Keiner von ihnen.

Müssten sie sich nicht eigentlich freuen? Schliesslich war die Reliquie in einer ihrer Kutschen unterwegs, bevor sie fast verloren gegangen wäre. Aber ihre Gesichter sind alles andere als fröhlich. Vielleicht steckt ja wirklich mehr dahinter, als ich hier und jetzt ergründen kann...

Als die Reihen sich gefüllt und die Messe begonnen hatte, wurde Remy ein weiteres Mal überrascht, als ihn der Bischof mit vollem Namen erwähnte. Er war doch bereits ein ordinierter Bruder der Benediktiner, also hätte ein 'Bruder Remy' völlig genügt. Die Tatsache, dass man seinen ganzen Namen erwähnte, musste also von Bedeutung sein. Nur was sollte hier verdeutlicht werden? Dass seine Familie von adligem Blut war? Oder dass er Untertan der französischen Krone war? Vielleicht einfach nur die Tatsache, dass ich ein Auswärtiger bin, kein Deutscher und kein Pole? Aber warum diesen Fakt betonen, wenn nicht... aus politischen Motiven?

Remy bemerkte wohl, wie ruhig und gefaßt die Leute in Purpur und Gold bei dieser Verkündung blieben. Das muste einfach etwas zu bedeuten haben. Er nahm sich vor, Guillaume und Jonathan so bald wie möglich diesbezüglich zu fragen. Falls er hier mitten in eine Intrige oder einen Machtkampf geraten war, mochte das leicht das Ende seines Lebens bedeuten, insofern er der falschen Person nur einen passenden Vorwand lieferte. Doch wer intrigierte hier gegen wen? Er würde vorsichtig sein müssen und genau darauf achten, mit wem er von nun an sprach. Zunächst würde er nur Guillaume und Jonathan trauen können.

Die eindeutig größte Überraschung dieses Tages jedoch war es für den jungen Mönch, als er vom Bischof gebeten wurde, vorzutreten. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Eine öffentliche Segnung durch den örtlichen Bischof für einen Fremdländer, und das vor den Augen der weltlichen Macht dieser Stadt... oh, Remy, wo bist du hier nur hinein geraten? Er wünschte sich in diesem Augenblick zurück in die Bibliothek, in irgendeine Bibliothek, zurück zwischen Bücher und Schriften. Inmitten von gesammeltem Wissen auf Papier und Pergament fühlte er sich zehnmal wohler als in diesem Augenblick in der Kirche des Wawel.

Mit weichen Knien erhob sich Remy, demütig den Blick zu Boden gerichtet, wohlweislich jeglichen Blickkontakt mit den ernst blickenden Männern in Purpur und Gold vermeidend. So trat er den Weg zum Altar an, wo der Bischof ihn erwartete. Dort kniete er mit gefalteten Händen nieder, bereit, den Segen zu empfangen und bat stumm in Gedanken den Allmächtigen um seinen Beistand. Dies mochte eine Freudenfeier sein, doch Remy fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl in seiner Haut.

Er konnte jetzt nur noch darauf vertrauen, dass dies Teil von Gottes großem Plan war und dass der Herr an diesem Tag gnädig auf sie herabsah, so wie er es durch den schönen sonnigen Morgen angekündigt hatte. Der Gedanke gab ihm einen Funken des Mutes wieder. Ja, Gott hatte einen Plan und er, Remy, war Teil davon. Das war die Wahrheit und Erkenntnis dieses Tages und an sie knüpfte er seine ganze Hoffnung.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Oktober 05, 2008, 11:50:04
Remy kniete dort, vor der versammelten Gemeinde. Der Bischof, dessen Namen er nicht einmal kannte, trat mit gewichtigen Schritten auf ihn zu. Seine Robe schliff auf dem Boden entlang und enthüllte schrittweise goldbestickte Schuhe. Die Weihrauchschale wurde drei Mal in seine Richtung geschwenkt, dann sprach der Bischoff:

   " Der HERR segne dich und behüte dich;
    der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
    der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
"

Dann zeichnete er das Kreuz über Remy, und er antwortete automatisch im Chor mit der Gemeinde:

    "Amen."

Remy hatte ein Gefühl des göttlichen Beistandes erwartet, doch er fühlte sich eher wie ein abgehakter Punkt auf der Liste. Die Gemeinde war voller Euphorie, doch die hohen Weltlichen und Geistlichen waren kalt wie Eis. Ihm blieb nichts, als zurückzutrotten und wieder neben Guillaume Platz zunehmen. Der Gottesdienst lief für ihn nur noch mechanisch ab. Die Predigt handelte vor allem von den Taten des Bartholomäus. Zwischen den Worten des Bischoffs wurde immer wieder Gesungen.
Wie im Flug verging die Zeit, und schon bald war es zu Ende.

Alle strömten hinaus in die warme Frühlingssonne. Zwischen den Mönchen und ihren knurrenden Mägen fühlte er sich wieder besser. Neugierige und ehrfürchtige Bicke wurden ihm zugeworfen, aber kein Neid und keine Mißgunst war zu spüren. Bruder Herold steckte Remy schweigend ein kleines Briefchen zu, das er eilig in den Falten seines Gewandes verschwinden lies.

In der nun von Sonnenlicht durchfluteten Küche des Klosters erhellte sich die Stimmung zusehens, doch auch hier war kein Bruder Jonathan zu sehen. Er und Guillaume sahen - gebeten zu sitzen - zu, wie die heimischen Mönche in Windeseile ein großzügiges Frühstück auftaten. Es gab Brot, Eier, Milch und Käse, sogar kaltes gebratenes Fleisch gab es.
Während des Esses baten die Mönche immer wieder darum, daß die Geschichte ihrer Reise erzählt werde. Guillaume fasste sich ein Herz und begann zu erzählen. Remy spürte, wie sich die neugierigen Blicke von ihm lösten, als sein Mentor sprach.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Oktober 05, 2008, 13:44:31
Er war froh, als er sich wieder auf seinem Platz einfinden konnte, und glücklicher noch, als die Messe zu Ende war. Draußen im Sonnenschein fühlte er sich gleich wohler. Den Brief von Herold nahm er, verwundert aber diskret, und verbarg ihn ohne Weiteres in seiner Kutte. Mit seinen langen dünnen Fingern schaffte er es sogar, das Schreiben dabei noch einmal zu falten und so die Größe weiter zu reduzieren.

Endlich gab es etwas zu essen. Und was für ein Festmahl das war! Ob die Brüder hier jeden Tag so gute Mahlzeiten bekamen? Hungrig machte Remy sich über sein Gedeck her. Er lauschte ebenfalls, als Guillaume von der Reise zu erzählen begann. Aufgegessen hatte er seine Portion da bereits, aber zu gehen, bevor alle den Tisch verließen, wäre aufgefallen. Stattdessen schob er wie gewohnt die Hände in die weiten Ärmel des jeweils anderen Arms. In einer Hand verbarg er dabei das gefaltete Briefchen, das Herold ihm gegeben hatte. Während Guillaume berichtete, fühlten Remys Finger über das Papier, so als wünschten sie sich, selbständig lesen zu können, ohne Licht und ohne den Brief zu entfalten. Remy fühlte, wie die Neugier in ihm immer stärker wurde. Guillaumes Geschichte würde noch eine Weile andauern und im Moment lagen alle Blicke auf ihm. Der Augenblick wäre günstig...

Der junge Mönch zögerte nur einen Herzschlag lang, dann griff er mit einer Hand einen der leeren Krüge auf dem Tisch und erhob sich vorsichtig, um nicht die Geschichte zu stören. Unter dem Vorwand, Wasser holen zu wollen, würde er sicher einen Moment unbemerkt den Raum verlassen können. Vielleicht würde die Zeit ausreichen, um draußen kurz einen Blick in den Brief zu werfen. Und er konnte immer noch behaupten, dass er den Brunnen nicht gefunden hatte, wenn er mit dem leeren Krug zurückkehrte.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Oktober 18, 2008, 14:20:20
Remy stahl sich fort und lehnte sich auf dem Gang in eine Nische. als er sicher war, keine Schritte zu hören, entfaltete er das grobe Papier. In kleiner krakeliger Schrift las er mühsam:

Remy,

Verzeiht, daß ich Eurer ehrenvollen und schweren Zeremonie nicht beiwohnen konnte.
Derzeit fühle ich mich sehr erschöpft.
Ich bitte euch, mir alles zu berichten, und lade Euch ein mit mir in der Bibliothek nach Antworten auf die vergangen Ereignisse zu suchen.
Wenn es Euch genehm ist, erscheint zur Geisterstunde wie ein Geist in der Bibliothek.

Jonathan


Darunter war eine kleine Skizze, die Remy zuerst für ein gekritzeltes Siegel hielt. Seine natürliche Neugier zwang ihn jedoch ganz genau hinzusehen. Nach wenigen Sekunden, in denen mehere Bilder vor seinem geistigen Auge vorbeihuschten erkannte er es: Es war eine Karte!
Sie mußte eine Abkürzung zeigen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Oktober 18, 2008, 14:59:32
Remy las die Nachricht zweimal, insbesondere die Karte. Dann faltete er hastig den Brief wieder zusammen und schob ihn in seinen Ärmel zurück, bevor er sich mit dem leeren Krug auf den Weg zurück zu den anderen Brüdern machte. Mit einem gespielt verlegenen Gesichtausdruck stand er schliesslich in der Tür. Dem ersten Mönch, der ihn so sah würde er kurzerhand auf deutsch erklären: "Ich habe keinen Brunnen gefunden." Sicher bot er damit Fläche für einigen Spott, doch damit würde er umgehen können, schliesslich ging es hier um Größeres als sein Ansehen unter den anderen Brüdern. Falls seine Vermutung stimmte und er tatsächlich ins Kreuzfeuer einer politischen Intrige geraten war, konnte sein Leben davon abhängen.

Dann könnte der Brief mich verraten ... und auch Jonathan gefährden! Ich muss das Papier schnellstmöglich vernichten! Remys Hand schloss sich noch fester um das gefaltete Briefchen und er nahm sich vor, dies so bald wie möglich zu erledigen. Vielleicht würde es mit Hilfe der Kerze in seiner Kammer gehen. Dort würde er sich die Karte auch noch einmal genau einprägen können.

Für den Augenblick würde der junge Franzose sich wieder an den Tisch zu Guillaume und den anderen setzen und sich, sofern verlangt, an ihrem Gespräch beteiligen. Innerlich erwartete er aber die nächstbeste Möglichkeit, sich einige Minuten in seine Kammer zurückziehen zu können.

Und ein weiterer kleiner Gedanke blieb ganz hinten in seinem Kopf präsent, seitdem er Jonathans Zeilen gelesen hatte. Es war ein einfacher, bescheidener, ja fast schon kindlicher Wunsch, der angesichts des wunderbaren Wetters schon beinahe eine Sünde an diesem wunderbaren, sonnendurchfluteten und der Welt von Gott geschenkten Tag war.

Oh, wenn es doch nur schon Abend wäre...
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Oktober 19, 2008, 17:32:12
Der Tag zog sich hin.
Beinahe hätte Remy die Gebete des Tages und vor allem die Führung durch das Innere der Burg mit gelangweiltem Desinteresse abgetan. Alle Wege prägte er sich ein, ohne daß er es selbst bemerkte . Er sah Gebäudetrakt um Gebäudetrakt.
Man war sehr stolz auf die Burg.
Überall wimmelte es nur so von Prunk und zur Schau gestellten Kostbarkeiten.
Die Abtei war zwar karger eingerichtet, aber sobalt man das Integrierte Gebäude verlies, war man an einem reichen Adelshof.
Eine unabhängige kleine Welt, die uneinnehmbar schien. Natürlich war es wieder bruder Herold der mit seiner schönen Stimme alles erklärte. Remy blieb einfach hinter Guillaume, der begirig alle Worte aufsog.
An nichts anderes konnte er denken. Der junge Mönch mußte sehr an sich halen, nicht an dem verhängnisvollen Papier zu nesteln.

Als sie endlich zur Abtei zurückkehrten, stand schon das essen auf dem Langezogenen Tisch im Versammlungsraum. Es gab eine Suppe aus Kohl, die kräftig roch. Er wurde zu Tisch gezogen. Alle saßen gespannt vor ihrem Essen.

Bruder Herold richtete das Wort an ihn:"Bruder Remy, Erweist uns die Ehre und sprecht das Tischgebet."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Oktober 23, 2008, 21:52:34
Remy war verwirrt, sein Gesicht spiegelte es deutlich wider, als er sich langsam erhob. Er atmete tief durch, während sich in seinem Kopf die Gedanken zu dem anordneten, was er gleich sagen würde. Das Gebet wurde kurz, kürzer als ursprünglich beabsichtigt, was aber daran lag, dass Remy das einfache Tischgebet direkt aus seiner Muttersprache ins Deutsche übersetzte, während er sprach. Es verlor dadurch einiges an der melodischen Ausdruckskraft, die es im Original gehabt hätte, doch der Sinn würde erhalten bleiben. Guillaume würde es erkennen, da es in Fleury des öfteren bei Tisch gesprochen wurde.

"Vater, du gabst uns deinen Segen, dafür danken wir dir.
Herr, du gibst uns unser tägliches Brot, darum leben wir.
Gott, segne dieses Mahl, dass wir dir auch morgen dienen und deinen Namen preisen."

Er zögerte nur einen Augenblick, bevor er einen halben Vers aus dem 2. Buch des Propheten Samuel folgen lies; doch diesen sprach er der Einfachheit halber direkt auf Latein aus. "Du aber hast deinen Knecht gesetzt unter die, die an deinem Tisch essen."

Erneut jene winzige Pause, bevor er das Gebet mit einem "Amen" beendete. Er setzte sich sich wieder und sah kurz zu Guillaume. Er würde gemeinsam mit den anderen Brüdern die Mahlzeit beginnen und der Dinge harren, die ihn noch erwarteten, bis er dann (endlich!, wie die leise Stimme in seinem Kopf flüsterte) zu Jonathan in die Bibliothek schleichen konnte.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Oktober 25, 2008, 16:05:33
"Amen,"
stimmten die anderen ein. Herold warf ihm kurz einen erstaunten Blick zu, und Guillaume tat das ebenfalls, doch seiner war mit Stolz gefüllt.
Beim Essen wurde geschwiegen. Die Kohlsuppe tat gut. Sie schmeckte zwar ungewohnt, aber besänftigte seine Ungeduld etwas. 

Nach dem Essen (und abräumen) hatte er kurz Zeit zu seiner Zelle zu gehen, um sich frisch zu machen - und zum Abort zu gehen. Arbeiten würden sie während ihrer Zeit hier wohl nicht müssen, denn keiner hatte ihn nur auch in die nähe eines Lappens gelassen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am November 09, 2008, 01:11:40
Für Remy hätte Arbeit ja auch bedeuten können, dass er mit Guillaume in die Bibliothek gehen konnte - und dort wollte er ja auch hin. Sein Status als Gast verzögerte dies nur, doch gab ihm der Aufenthalt in seiner Zelle die Gelegenheit sich zu erleichtern. Und Remy entledigte sich wirklich einer verräterischen Bürde. Mit der Kerze in seiner Zelle verbrannte er Jonathans Briefchen, nachdem er den Inhalt und die Karte auswendig gelernt hatte. In seinem Kopf war das Wissen sicherer aufgehoben, als auf dem Pergament, wo alle Augen es sehen konnten.

Doch bis zur Mitternacht war es noch so lange hin!

...zur Geisterstunde, wie ein Geist... ging ihm die Anweisung Jonathans durchs Hirn, und unwillkürlich fuhr Remy sich über den Schädel. Ein leichter Flaum hatte sich während ihrer Reise auf seinem Kopf gebildet, wo nun das zuvor rasierte Haupthaar neu spross. Er würde sich dort bald wieder kahl rasieren lassen müssen und die Tonsur ordnungsgemäß erneuern. Aber nun galt es, sich auf seinen nächtlichen Ausflug vorbereiten.

Dank der Karte in seinem Kopf und den Eindrücken des Tages hatte Remy eine recht gute Vorstellung, wie er in die Bibliothek gelangen konnte. Ob er es aber auch unbemerkt schaffen würde ... aber welchen anderen Sinn sollten Jonathans Worte sonst haben, wenn nicht die eindringliche Warnung, ungesehn zu kommen?

Erfrischt wartete Remy also auf seiner Liege, mit dem Gebetbuch in der Hand, ob Guillaume sich noch einmal zeigen würde. Vielleicht würde es eine erneute Führung geben, diesmal nur durch die Klosteranlagen. Das wäre eine weitere Gelegenheit für ihn, nach möglichen unbeleuchteten Passagen und schattigen Schlupfwinkeln Ausschau zu halten, die ihm den Weg zum Treffpunkt erleichtern würden.

So harrte der junge Franzose denn der Dinge, die ihn an diesem Abend noch erwarten mochten. Und er lauschte auf die Glockenschläge, die das Voranschreiten der Zeit vermerkten.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am November 14, 2008, 13:09:59
--- eine Stunde später ---

Immernoch niemand hatte ihn behelligt.
Er hatte auch gesehen, daß es viel zu tun gab. Die seltsamen Kirchenritter hielten die Bediensteten gut auf trab, und die Mönche hatten nicht weniger zu tun. Guillaume schien sich gut miit ihnen zu verstehen, wogegen er sich wie ein Fremdkörper fühlte.
Diese eine Stunde zog sich hin wie ein ganzer Tag. Anscheinend hatte er nun mehr als genug Zeit für sich. Die Glocke hatte erst zwei Mal geschlagen.

Noch zehn Stunden...


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am November 22, 2008, 14:19:00
Als Remy merkte, dass niemand kommen würde, beschloss er, seiner Idee von vorhin nachzugehen. Er verließ seine Kammer und machte sich auf den Weg in die Küche. Er war es gewohnt, dass immer einer der Mönche in der Küche tätig war, also würde er dort erfragen können, wo er seine Tonsur erneuern lassen konnte. Einer der Brüder würde schon dafür verantwortlich sein, nur galt es, diesen jetzt auch zu finden. Mit etwas Glück war es sogar einer der Brüder aus dem Küchenbereich.

Auf seinem Weg durch das Kloster probierte Remy gleich seine durch die Karte erworbenen Kenntnisse des Klosters aus. Zumindest bemühte er sich, sich nicht zu verlaufen oder nach dem Weg fragen zu müssen. Außerdem hatte er so die bereits erhoffte Gelegenheit, sich nach schattigen und dunklen Ecken umzusehen, die ihm seinen nächtlichen Ausflug erleichtern würden.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 11, 2009, 15:46:33
Remy verlies fast ein wenig zu verstohlen seine Zelle und ging der Karte, die immer wieder vor seinem geistigen Auge erschien, nach.
Ihr Anfangspunkt war sein Quartier.
Der Weg führte ihn an den Türen der anderen Zellen entlang. Der gang war lang und unebenmäßig, schließlich befanden sie sich sozusagen unterirdisch. Die Grauen Steine spendeten hier in einsamkeit bestimmt keinen Trost. Sie waren kalt, und an manchen Stellen bildeten sich Salzkristalle, die im Schein der wenigen Fackeln glitzerten und so die Lichtkreise in kurzem Abstand weit von einander entfernt wirken ließen.
Schließlich hörte die Reihe der Zellen auf - er hatte 23 inklusive seiner eigenen gezählt -und er reichte nach acht Schritten das Ende des Ganges.
Die einzelne Fackel in ihrem Halter verwandelte den Brunnen, der nichts als ein schmaler Schacht im Boden war, in einen leuchtenden Punkt der Hoffnung für einen Durstenden. Und durstig war Remy, jedoch nicht nach Wasser.
Er spähte in den Schacht und erkannte zunächst ein paar Sprossen, die in den Stein gehauen waren und dann, nur eine Körperlänge unter seinen Füßen einen engen waagrecht abzweigenden Schacht. So wie er die Karte interpretiert hatte, hatte er auf eine Leiter in einen verborgenen Stollen gehofft, aber das? Zum Glück hatte er auf der langen Reise nicht ausgiebig gespeist und war sogar schlanker als sonst in seinem bescheidenen Leben. Sollte er es wagen? Wer weiß wo der Schacht endete und er stecken blieb.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 11, 2009, 16:16:06
Die Neugier und die Vernunft lieferten sich einen Zweikampf in Remys Kopf. Während erstere ihn anstachelte, sofort und ohne Verzögerung zu untersuchen, wohin die Sprossen und der darunterligende Abzweig führen würden, ermahnte ihn die letztere, dass Jonathan nicht ohne Grund auf die Geisterstunde verwiesen hatte, und dass er ungesehen erscheinen sollte. Zu groß war die Gefahr, dass man ihn jetzt, zur Tageszeit, hier entdeckte. Und wenn Remy durch die heutige Heilige Messe eines deutlich geworden war, dann dass in den Mauern des Wawels kaum etwas so war, wie es zu sein schien.

Er hatte noch nicht erkannt, welches die Fronten waren und woher genau die Gefahr drohte, aber er wusste, dass er vorsichtig sein musste. Und dass er Jonathan und Guillaume nicht gefährden durfte. Zu zeigen, dass er mehr wusste, als ein einfacher Besucher aus dem fernen Frankreich, mochte schon zu viel sein.

Sein Entschluss stand fest. Er musste seine Neugier zügeln, so schwer es ihm auch fallen mochte. Schnell erhob er sich wieder und strich seine Kutte glatt, während er sich umsah, ob ihn auch niemand gesehen hatte. Zumindest wusste er nun, worauf er sich heute Nacht noch einlassen würde: eine Kletterpartie. Mit einem letzten schon fast wehmütigen und von Neugier fast berstenden Blick zurück, riss sich Bruder Remy von Fleury endgültig vom Brunnen los und machte sich auf den Weg zum Küchentrakt, wo er nun die Rasur seines Haupthaars erneuern lassen wollte.

Und vielleicht ergab sich ja hinterher sogar noch die Gelegenheit, das gute Wetter zu genießen? Der Tag versprach sonnig und warm zu werden. Gegen eine Stunde des stummen Gebets im wärmenden Sonnenschein würde doch sicher niemand etwas einwenden können.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 11, 2009, 18:54:58
Auf dem Weg zurück kam ihm jemand entgegen.
Mit Erleichterung stellte Remy fest, daß es Guillaume war. Er trug zwei hölzerne Eimer, die an ihren leinernen Bügeln hin und her pendelten.
"Remy, bist du das?" fragte er in den Gang hinein, "Sei so gut und hilf mir. Ich suche den Brunnen, denn in der Küche lassen sie gerade ein Bad ein."
Das kam wie gerufen.

Kurze Zeit später fand er sich mit Gulliaume im Badezuber sitzend wieder. Sein Geheimnis war vorerst sicher, er und seine Kleidung waren sauber und sein Haarschnitt wieder eines Mönches würdig. Die Sonne schien durch das Fenster hinein und brachte ihn auf andere, weniger düstere Gedanken.
Für den Nachmittag hatte man ihm leichte Gartenarbeit aufgetragen.  Er sollte die Beete jäten, doch bereits aus dem Fenster hinter der Küche sah er, daß kaum etwas zu tun war. Er würde seinen Gedanken nächhängen können. Zwischen den gerade aufblühenden Setzlingen, die in exatkt quadratischen Beeten angeordnet und reichlich mit kleinen Schildern bezeichnet waren, hindurchzuwandeln würde ihm die Zeit bis zur Abendandacht sicher vertreiben.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 11, 2009, 20:13:10
Natürlich erschrak Remy im ersten Augenblick, als er angesprochen wurde, doch zum Glück war es Guillaume, der ihm da über den Weg lief. Eimer? wunderte sich der junge Franzose, aber da hatte er schon die Erklärung erhalten. Aha, ein richtiges Bad also... Mit einem Nicken und einigen zustimmenden Worten half Remy seinem Mentor. Es würde eine wohltuende Abwechslung sein, nach der langen Reise zu baden, zumal sie doch ihre Körperpflege nurmehr den Umständen entsprechend betreiben konnten.

Als er dann, frisch gebadet und mit angemessen geschorenem Haupt, im Garten umherging, spürte Remy tatsächlich eine gewisse Behaglichkeit in sich aufsteigen. Es war nicht nur das Wetter und der warme Sonnenschein, die ihn hier so umfingen, es war auch das ganze Drumherum. Er fühlte sich wohl, weil er sich nun wieder als Teil der Gemeinschaft betrachtete. Er hatte eine Aufgabe erhalten, hatte einen Platz im Gefüge, und war doch für sich allein. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass er sich nun nicht länger als Gast und damit als etwas Besonderes vorkam. Man mochte es fast Geborgenheit nennen, diese Wärme, die sich in seinem Inneren ausbreitete. Es war der friedliche Einklang zwischen der Welt in seinem Inneren und der Welt um ihn herum. Ja, dies war das Gefühl, für das er am Vormittag noch gebetet hatte, das stumme aber versichernde Wissen einen Platz in Gottes großer Welt zu haben.

Remy verbrachte fast den ganzen restlichen Tag im Garten. Natürlich kümmerte er sich dabei sowohl um die verschiedenen Kräuter des Gartens, als auch um seine Gedanken. Es war fast so, als würde die Tätigkeit seiner Hände die Arbeit seines Kopfes widerspiegeln. So wie er die vielseitige Verschiedenheit und dennoch strenge Ordnung der Kräuter bewunderte, so wurde er auch seiner eigenen Gedanken gewahr und stellte fest, dass er auch sie der Ordnung bedurften; und dass er sie ordnen konnte. Und so, wie er das wenige Unkraut aus den Beeten entfernte, so löste er auch die hartnäckigeren, aber nutzlosen Gedanken, die in seinem Kopf lauerten und sortierte sie aus.

Erst als die Glocke zur Abendandacht rief, löste er sich von den Beeten. Er hatte die Zeit wohl genutzt, das verriet nicht nur das kleine Häufchen an Gräsern und Unkraut, welche er zwischen den Pflanzen gezupft hatte, sondern auch seine Körperhaltung. Die Angst und die Befürchtungen, die ihn seit den Enthüllungen des letzten Abends und seit der Morgenmesse befallen hatte, schienen nun fort zu sein. Der junge Mönch hatte erkannt, dass er zwar vorsichtig sein musste, dass er aber möglichen Gefahren mit einem kühlen Kopf und klaren Gedanken weitaus besser entgegenzutreten vermochte. Unbegründete Ängste und Befürchtungen ohne jegliche Beweise waren eher hinderlich als förderlich, und er wollte sich nicht davon zurückhalten lassen. Er würde seinen Blick und seinen Geist offen halten und sein Tun nicht länger von seinen Befürchtungen bestimmen lassen. Wenn die Zeit kommen würde, wollte er bestimmt, entschlossen und vom Glauben geleitet handeln, das hatte er sich fest vorgenommen.

So ging er dann, demütig, aber dennoch nicht hängenden Hauptes zur Abendandacht.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 18, 2009, 15:09:56
Gerade als er die Kirche inmitten der anderen Mönche betreten wollte, wurde er beiseite in eine dunkle Niesche gezogen. Eine kräftige Hand packte ihn am Oberarm. Als Remy mit dem Blick den Arm hinaufwanderte, erfaste ihn unwillkürlich ein sehr ungutes Gefühl. Ohne, daß er es verhindern konnte, bildete sich sofort eine Gänsehaut auf seinem Gesamten Körper aus.
Er wußte, was ihm da gegenüberstand. Allein die Farben des Ärmels verrieten es ihm. Er war, aus der nähe betrachtet gelb, mit Goldfaden bestickt. Dies verlieh dem nach adeligem Stil genähten Puffärmel. das aussehen einer Rüstung. Über die Schulter fiel der Wappenrock des Ritters purpurot bis zu den Knien und Kniekehlen herab. Das ernste, von Mühsal und Kampf gezeichnete Gesicht blickte Remy direkt an. Sein Gegenüber war glatt rasiert und seine kalten Kohlen von Augen blieben ausdruckslos, als er seinen Griff lockerte und losließ.

"Seid ihr Remy le Duc? Verzeiht aber ich muß euch bitten, mir zu folgen." Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sich der Hüne um, und lief los.
In Richtung des Hauptgebäudes lief er offen, als würde er spazieren gehen, über den Platz. Nicht das leiseste Rucken seines blonden Schopfes verriet, ob er auch nur darauf achtete daß Remy ihm folgte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 18, 2009, 15:28:22
Ein Ritter in Purpur und Gold!

Die Gänsehaut, die sich über Remys Körper bewegte, war überdeutlich und seine Sinne waren sofort in höchster Alarmbereitschaft. Und da waren sie wieder, seine Gedanken vom Vormittag, doch ohne die Furcht, die sie da noch begleitet hatte.

"Aber die Andacht..." protestierte Remy noch schwach, als der andere sich schon abwandte. Hastig wirbelte Remy herum, packte den nächstbesten Mönch und sprach ihn seinerseits eindringlich an: "Bitte richte Bruder Guillaume von Fleury unverzüglich aus, dass ich die Abendandacht versäumen werde, weil dieser Mann mich weggerufen hat." Darauf vertrauend, dass der Angesprochene auf Nachfrage auch seine persönlichen Beobachtungen über das Aussehen des Ritters preisgeben würde, drehte sich Remy abermals um und folgte dem Hünen zügigen Schritts, bis er ihn eingeholt hatte.

Im Gehen fragte der junge Mönch sich abermals still, in welche Intrige er hier geraten sein mochte. Aber er begegnete dieser neuen Situation ohne Furcht, sondern mit klarem Geist und im stillen Vertrauen darauf, dass er sicher war, da er sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Was auch immer ihm bevorstand, er würde wenig sagen, aber sich bemühen, alles zu hören und zu sehen. Wissen war ein Vorsprung, den er einzuholen gedachte.

So ging er dem Ritter hinterher, wohin auch immer ihn dieser führen mochte. Auch wenn er demütig erscheinen mochte, da er tat, wie ihm geheißen wurde, so war er doch zuversichtlich im Geiste, und nur wer ihn gut kannte, würde es daran erkennen, dass das Selbstbewusstsein ihn dazu verleitete, seinen Kopf nicht ganz so weit zu senken, wie es es sonst tat.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 23, 2009, 19:31:51
Mit einem leichten Schrecken registrierte Remy bald, wo er hingeführt wurde: In seine Zelle.
Alle Mönche waren bei der Andacht, und es war schon ein wenig gespenstisch den hallenenden Schritten durch das Klostergebäude zu folgen. Als sie sich seiner Unterkunft näherten, sah er durch die offenstehende Tür, daß zwei weitere Ritter in Purpur und Gold anwesend waren.
Beide waren seinem Begleiter in Uniform gleich gekleidet und gleich frisiert. Lediglich die Gesichtszüge wichen, ob der verschiedenen ethnischen Herkunft, von einander ab. Der kleinere schien Südländer zu sein, etwa aus Spanien, der größere war mitteleuropäer, vielleicht sogar Franzose.

Sein Begleiter blieb an der Tür stehen, und wies ihn an herheinzustreten. Gleizeitig fing der vermutete Franzose näselnd an zu sprechen. Den Klang der geliebten Muttersprache zu hören, flößte Remy sowohl Angst als auch Vertrauen ein.

"Bienvenue, Remy le Duc. Setzt euch doch erst einmal, ich will muß euch ein paar Fragen stellen..." Der mittelblonde Mann wies auf den Stuhl, der, sobald er eingetreten war von den Uniformierten umringt sein würde.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 23, 2009, 22:06:37
"Bon soir" antwortete Remy ganz automatisch, als er die vertraute Muttersprache vernahm. In Anbetracht der Tageszeit schien ihm der Gruß auch angemessen zu sein. Sein Blick huschte beim Eintreten umher, um sowohl die beiden Männer, als auch seine Zelle in Augenschein zu nehmen. Dabei galten seine Gedanken zunächst seiner Umhängetasche, die all seine privaten Besitztümer enthielt, mit Ausnahme seines Tagebuchs, das er vorsichtshalber unter seiner Schlafstatt verborgen hatte. Und doch war dieses kleine Büchlein so wichtig und gleichermassen so gefährlich für ihn.

Nur scheinbar zögernd trat der junge Franzose näher an den angebotenen Platz heran, vielmehr nutzte er diese knappe Zeitspanne, um die beiden Ritter genauer zu betrachten. Die Farben waren immer dieselben, und gesehen hatte er diese Kombination aus Gold und Purpur zuerst... an der Kutsche!

Natürlich! kam ihm der Gedanke, der ihm seine Fassung endgültig zurückgab. Diese Männer werden gewiss den Vorfall untersuchen und nun genau erfragen wollen, wie sich alles zugetragen hatte. Letztendlich war es ihre Kutsche. Ob sie wohl von der besonderen Natur ihres Boten wussten? Würden sie einen Gefallenen oder einen Berührten für sich arbeiten lassen? Oder arbeiteten sie vielleicht sogar für ihn?

Während Remy noch Platz nahm, besann er sich wieder auf seinen Plan, den er auf dem Weg hierher gefasst hatte: höre viel und sage wenig. Darum war sein erster Satz die schlicht formulierte und unterwürfig vorgetragene Frage: "Darf ich fragen, wer ihr seid?"
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 25, 2009, 18:54:54
"Verzeit." Der Franzose machte eine leichte Verbeugung.
Nein, es sah alles noch genauso aus, wie er es verlassen hatte. Haargenau.
"Dies," er wies auf den nebenstehenden, "ist Xavier y Aragon, Inquisitor der Heiligen Mutter Kirche."
Sie hatten anscheinend wirklich nur den Stuhl umgestellt.
"Ich bin Francois de la Champagne, Großinquisitor von Osteuropa."
Er wie wiedreum auf den Stuhl und trat Syncron mit y Aragon neben die karge Sitzgelegenheit.
Hinter Remy schloß sich die Zellentür. Es wurde noch beengter um ihn, Während der dritte Mann eine militärische Position im Ausgang einnahm.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 26, 2009, 00:57:37
Remy nickte dem Spanier unterwürfig und ergeben zu, als er erfuhr, um wen es sich bei ihm handelte. Der Titel des Franzosen hingegen liess ihn sofort demütig den Blick senken. Hatte er bis eben noch leichtfertig angenommen, dies wären lediglich Ritter in einem besonderen Auftrag, so wurde ihm in diesem Augenblick die Tragweite der Situation bewusst. Diese Männer waren Gesandte der Kirche selbst, das musste bedeuten, dass sie dem Heiligen Vater in Rom unterstanden, aber doch anders als er selbst.

Die Art und Weise, wie sie sich nun neben ihm aufstellten, wirkte einschüchternd, und sofort wurde Remy vorsichtiger. Er gab sich redliche Mühe, die im Laufe des Nachmittags wiedergewonnene Ruhe und Klarheit nicht zu verlieren, doch es war gewiss nicht leicht. Nur ein einzelner, aus Aufmerksamkeit geborener Gedanke, vermochte sich in dieser Situation noch Gehör in seinem Kopf zu verschaffen: Auch dieser nannte mich bei meinem vollen Namen und nicht bei meinem Ordensnamen.

Als ordinierter Mönch hatte Remy mit dem Eid sein weltliches Leben und damit auch seinen Familiennamen hinter sich gelassen. Wie jeder andere Mönch war er seither nur mit seinem Ordensnamen, bestehend aus Anrede, seinem Vornamen und seinem Heimatkloster angesprochen worden. Einen Remy le Duc gab es so nicht mehr, er war zu Frère Remy de Saint-Benoît-sur-Loire geworden. Natürlich benutzten er, Guillaume und die anderen Brüder stattdessen den älteren, doch weitaus kürzeren Namen des Klosters, Fleury. Ja, selbst in der Ordenshochburg von Cluny vermochte sich der neue Ortsname noch nicht so recht durchzusetzen. Dennoch hatte der Großinquisitor ihn mit seinem Familiennamen angesprochen, wo es ein einfaches Bruder Remy auch getan hätte. Das geschah heute nicht zum ersten Mal. Der Hühne vorhin hatte es ebenfalls getan, aber wahrscheinlich hatte man ihm lediglich einen Namen gesagt. Der Bischof in der Messe heute morgen hingegen... er hätte es wahrlich besser wissen müssen, so wie auch die Herren Inquisitoren.

Was hat das nur zu bedeuten? überlegte der junge Franzose angestrengt und beschloss, die beiden Besucher dahingehend zu testen. Ohne den Blick zu erheben antwortete er mit verhaltener Stimme: "Bitte vergebt mir meine unangebrachte Neugier. Hätte ich gewusst, dass mich so hoher Besuch beehren würde, dann hätte ich mich gezügelt. Wie kann ein einfacher Bruder dem Heiligen Stuhl zu Diensten sein?"
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 26, 2009, 18:26:10
"Ruhig Blut mein Bruder, setzt euch bitte. Ihr steht nicht unter Anklage. Ihr habt eine Große Heldentat vollbracht.
Wir schulden euch Resekt."
Die Männer senken ebenfalls leicht die Köpfe, was einem kleinen Ordensmitglied wie ihm normalerweise keinesfalls zugestanden hätte.
"Ihr wisst, worum es geht. Bruder Jonathan berichtete uns bereits, was ihr erzähltet, und genau deshalb müssen wir es ganz genau wissen.

Was geschah an jenem Tag?
Wie habt ihr es geschafft aus einer Kutsche der Inquisition eine Reliquie zu entwenden?
Und wo ist der Verräter, der sie aus Rom stahl?"

Mit den Fragen verschärfte sich der Ton den Großinquisitors.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 26, 2009, 22:04:45
Remys Augen weiteten sich vor Überraschung und er drohte die Kontrolle über seine Kinnlade zu verlieren, als er die Worte hörte und mitansehen durfte, wie nun die beiden Inquisitoren ihm seinen Respekt zollten. Fast wäre er wieder aufgestanden, um sich seinerseits zu verbeugen, als Zeichen dafür, dass er noch immer wusste, wo sein Platz in der Hierarchie war.

Doch der Moment verging so schnell wie er gekommen war, und auch die beiden Männer schienen wie ausgewechselt, denn nun begannen sie mit ihrer Arbeit. Sowohl ihre Formulierung als auch der Tonfall mit dem die folgenden Fragen gestellt wurden zeigten Remy, dass diese Männer ihr Handwerk verstanden. In gewisser Weise bewunderte er sie sogar dafür, zumindest auf der bewussten Ebene eines Menschen, der täglich mit Sprachen und ihrer Anwendung zu tun hatte. Auf einer menschlichen Ebene missfiel ihm selbstverständlich der Tonfall, und auch die Unterstellung, etwas entwendet zu haben, doch das wollte sich der junge Franzose keinesfalls anmerken lassen. Denn darüber hinaus erhielt er vom Großinquisitor durch die Fragestellung auch Informationen, welche widerum seinen eigenen Wissensschatz bereicherten. Die Reliqiue war also doch gestohlen! Und offenbar von einem Verräter. Wenn dies diesselbe Person ist, die in der Kutsche war, wirft das ein ganz neues Licht auf den berührten Sünder. Aber... stimmt das auch so? Ich habe keinerlei Grund, an diesem Mann zu zweifeln, doch auch keinen, an seinen Worten blind zu trauen...

Remy wollte gern, doch konnte er es sich nicht erlauben, hier und jetzt über diese Dinge nachzudenken, denn zwei sehr ungeduldige Herren warteten auf Antworten. Nun, die wollte er ihnen keinesfalls schuldig bleiben.

"Nun, ich weiss nicht genau, was Bruder Jonathan euch berichtet hat, aber ich werde euch gern erzählen, was mir und Bruder Guillaume an diesem Tag widerfuhr:

Es war einer der ersten Tage des März, der Vierte, glaube ich, weil wir erst am Sonntag zuvor die Messe ... aber das führt hier gewiss zu weit."

Remy räusperte sich kurz, während er seine Gedanken ordnete und fuhr dann fort. "Wir befanden uns also auf dem Weg nach Osten. Ein ortsansässiger Bauer, Franz war der Name, hatte uns freundlicherweise einen Platz auf seinem Ochsenkarren angeboten. Wir durchquerten gerade ein Waldstück, als uns die besagte Kutsche mit hoher Geschwindigkeit überholte. Doch sie kam ein Stück weit vor uns vom Weg ab und dabei stürzte sie um. Ich lief los und sah nach dem Kutscher, der vom Bock geschleudert worden war, und fand ihn auf ein nahes Geäst gespiesst, ein Stück vom Unglücksort entfernt. Das Leben war da schon fast vollständig aus ihm gewichen. Bruder Guillaume kümmerte sich unterdessen um die Kutsche, doch schrie er plötzlich laut auf. Ich lief sofort zu ihm, und als ich bei ihm ankam, erkannte ich, dass er das Fenster der Kutsche eingeschlagen hatte, jedoch in Ohnmacht zu fallen drohte. Ich fing ihn auf und brachte ihn mit Hilfe des Bauern von der Kutsche fort. Dann kehrte ich zurück, um in die Kutsche hineinzusehen. Sie war menschenleer, niemand befand sich im Inneren. Ich kletterte hinein, um nach der Reliquie zu suchen. Nachdem ich das Kästchen gefunden hatte, brachte ich es zu Bruder Guillaume auf den Ochsenkarren und wir verließen den Unglücksort, so schnell wir konnten."

Remy überlegte noch während des Berichts, ob er gewisse Details erwähnen sollte, wie die beissende Aschenwolke, die Guillaumes Ohnmacht verursacht hatte, oder das Gefühl von göttlicher Präsenz und göttlichem Zorn auf den Passagier. Aber wie sollte er das tun, ohne dabei sich selbst und seine Begegnung mit der Himmelsbotin zu enthüllen? Dann fiel ihm auf, dass gar er nicht berichtet hatte, woher er überhaupt von der Reliquie wusste. Ob der Großinquisitor ihn noch danach fragen würde? Bestimmt würde der Mann noch weitere Fragen für ihn haben.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 27, 2009, 16:58:11
Als Remy geendet hatte, blickte de la Champangne zu seinem dunkelhaarigen Begleiter herüber. Der schüttelte unmerklich den Kopf. Die Minen verfinsterten sich.
"In Ordnung, Bruder Remy," wurde er wieder angesprochen, "diese Geschichte habt ihr ech gut zurecht gelegt. Behaltet sie auch um Gottes Willen bei, wenn ihr noch einmal darüber befragt werdet..."
Sein Verhörer beugte sich zu ihm vor.
"Die Kutsche war nicht leer, das wissen wir.
Ist der Insasse entkommen?
Halft ihr ihm sogar?
Ich rate euch, die Wahrheit zu sagen, mein Bruder. Nichts wird diesen Raum verlassen, was ihr erzählt. Ich werde euch erst die Gelegenhait geben Euch zu erklären, bevor ich urteile.

Verspielt nicht euer leben für etwas, das ihr noch nicht einmal begreift."
Remy fühlte sich zu recht bedroht. Dieser Unterton verhieß nichts Gutes. Er würde sich um Kopf und Kragen reden müssen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 27, 2009, 17:39:47
Remy wurde bleich ob dieser Drohung; er fühlte förmlich, wie das Blut aus seinem Gesicht zu weichen und sich stattdessen in einem kleinen, aber unangenehmen Klumpen in seiner Körpermitte zu sammeln schien. Dies war wohl das schlechte Gewissen darüber, dass er nicht sofort alles gesagt hatte. Aber wie viel wusste der Grossinquisitor wirklich? Remy fing an zu reden, als hinge sein Leben davon ab. Und der Drohung nach tat es das auch.

"Monsieur, ich versichere Euch, dass dies alles genau so geschehen ist, wie ich sagte! Ich verstehe noch nicht einmal, worum es hier geht! Warum bezweifelt ihr meine Worte? Es war genau so, wie ich sagte: die Kutsche verunglückte und wir versuchten zu helfen, doch es war zu spät dazu! Der Kutscher starb direkt vor meinen Augen, und nur aufgrund seiner letzten Worte kletterte ich in die Kutsche, um dort nach der Reliquie zu suchen! Ich schwöre bei meinem Glauben, er war es, der sagte, es gäbe eine Reliquie und dass Krakau ihr Ziel sei! Ich hielt es einfach für meine Pflicht, die Reliquie zu suchen und sie selbst hierher mitzunehmen, da Guillaume aufgrund der Aschenwolke ohnmächtig war! Ich wusste nicht, was ich da barg! Ich erfuhr erst hier, was in dem Kästchen war. Ich hatte keine Ahnung, dass es gestohlen wurde."

Remy hatte immer schneller und schneller gesprochen, dabei hatte er seine langen dünnen Finger ineinander gefaltet. War diese Geste zunächst zu seiner Beruhigung gedacht, so zeigte das beständige Kneten der Hände nun nur seine innere Aufregung. Seine Stimme zitterte nun leicht, aber er sprach nun etwas langsamer weiter.

"Ich hielt es für einen Fingerzeig des Himmels, dass die Reliquie denselben Zielort hatte wie Bruder Guillaume und ich. Ich wollte mir nicht anmassen, den Plan des Allmächtigen zu kennen, ich wollte ihm lediglich dienen, soweit ich ihn verstehen konnte. Für mich schien es alles einen Sinn zu ergeben zu der Zeit."

Und so war sie dahin, die sorgsam gesammelte Ruhe des Tages, ersetzt durch die Angst und die Panik, die die Worte des Großinquisitors in Remy ausgelöst hatten. Ebenso dahin war der Plan, viel zu hören und wenig zu sagen. Spätestens jetzt hatte der junge Übersetzer mehr Informationen preisgegeben, als er ursprünglich wollte. Er musste glauben, dass es um sein Leben ging, und da bestimmte die einfache Überlebensangst über seine Worte.

"Bitte, Monsieur, Ihr müsst mir glauben, wenn ich euch sage, dass in der Kutsche niemand war. Guillaume hatte das Fenster eingeschlagen, um möglichen Passagieren zu helfen, doch da war niemand. Ich war doch in der Kutsche, um das Kästchen zu suchen, aber ausser ihm und einem Haufen Asche fand ich darin nichts! Wenn ihr nach einem Insassen sucht, hat er die Kutsche vielleicht schon vorher verlassen? Ich kann nur beschwören, bei allem, was heilig ist, dass niemand darin war!"

Als seine Angst nun ihren Höhepunkt erreicht hatte und der Großinquisitor ihn immer noch mit unnachgiebigem Blick anstarrte, brach Remy innerlich endgültig zusammen. Er zog die gefalteten Hände an die Brust und betete. Und ganz tief drinnen wünschte er sich fast, dass die Himmelsbotin kommen möge. Denn wenn sie ihn verliess, würde er wenigstens nicht mehr reden müssen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Januar 27, 2009, 18:28:09
"Asche?"
Angesichts der furchtaberen Angst, die in Remy brodelte, legte sein Richter nur den Kopf schief und schien nachzudenken. Völlig selbstverständlich nahm er hin, daß seine Methoden erfolg zeigten, als würde er die jeden Tag tun.
Erschaudern.
Er zog sich zurück und machte angesichts der Enge ein paar Schritte auf der Stelle.
"Jetzt wird mir einiges klar..."
"Mon Dieu, Frère Remy, ist euch gewahr, was ihr dort vernichtet habt!? Ihr stellet ein uraltes Wesen, vom Teufel gesandt! Eine Camilla, einen Vampyr! Ihr besiegtet ihn durch das Licht des Tages! So muß es gewesen sein."
Die anderen Männer nickten nur zustimmend, ohne irgendeine form von ungläubigkeit erkennen zu lassen.
"Ich beschwöre euch, Remy, schwört mir bei eurer Seele niemandem von der Sache zu erzählen. Wir sind hier um die Gegend von Subjekten wie diesen zu säubern. Ihr würdet doch nicht eine Mission des Heiligen Stuhls gefährden?" mit diesen Worten trat er wieder an Remy heran und Griff ihn bei den Schultern.
Anscheinend hatte nicht nur Remy für einem Moment die Fassung verloren.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Januar 27, 2009, 20:03:23
Bei der Berührung hob Remy den Kopf und sah den anderen erschrocken und eingeschüchtert über die gefalteten Hände hinweg an. "Monsieur, Ihr könnt euch sicher sein, dass ich niemandem etwas sagen werde. Mir würde ja doch niemand glauben." Remy flüsterte die Worte, gerade laut genug, dass der Mann sie hören konnte.

Die Veränderung im Verhalten von de la Champagne kam zu plötzlich und ja, scheinbar wusste der Mann ganz genau, wovon er da sprach. Das, was Guillaume zuerst einen Dämon genannt hatte, und was Remy dank Jonathan inzwischen als einen Berührten zu bezeichnen wusste, war also auch dem Großinquisitor bekannt. Die Worte, die er dafür gebrauchte, Camilla und Vampyr, brannten sich sofort in Remys Kopf. Er würde nachforschen, sobald er die Gelegenheit dazu hatte.

"Aber," begann er dann leise, "Ihr müßt mir glauben. Ich habe mit meiner Tat nie dem Heiligen Vater und seinen Gesandten schaden wollen. Ich tat nur, was ich für das Richtige hielt. Ich brachte die Reliquie hierher, wie der Kutscher es beschrieben hatte. Ich wusste doch nicht, dass er gar nicht für die Inquisition arbeitete. Ich hatte keine Ahnung, dass die Reliquie gestohlen worden war. Bitte..." und ab hier begann Remy wieder zu flüstern, während er den Blick senkte "ich will nur noch dafür beten, dass meine Seele durch meine Taten, die ich aus Unwissenheit beging, keinen Schaden nahm. Bitte, berichtet dem Heiligen Vater nicht von meinem Fehler."

Danach schwieg er, mit geschlossenen Augen, die gefalteten Hände zitternd an die Lippen gepresst, als würde er von Angst gepackt beten. Diese Zurschaustellung von Unterwürfigkeit war nur zum Teil gespielt. Remy kannte seinen Platz in der kirchlichen Ordnung, er wusste genau, dass diese Männer nicht über jedes kleine Verhör in Rom Bericht erstatten würden. Dennoch erschien es ihm in diesem Augenblick klüger, diesen einflussreichen und mächtigen Männern, die da vor ihm standen, zu verdeutlichen, dass in der Tat sie hier die Kontrolle hatten. Indem er ihnen gab, was sie erwarteten, hoffte er, dass sie schneller von ihm ablassen würden, nun da sie gehört hatten, was sie hatten hören wollen.
Echt hingegen war Remys Befürchtung, dass er aus Unwissenheit einen Fehler begangen haben könnte, dessen Tragweite er nicht abzuschätzen vermochte, ja, der möglichweise einer Sünde gleichkam, mit der er seine Seele belastete. Hatte er etwa einem reuigen Sünder die wahre Buße vereitelt, oder gar einem Gefallenen in die Hände gearbeitet? Ihm fehlten einfach die Informationen, um das zu erkennen.

Abraham durchfuhr ihn da plötzlich die Überlegung des gestrigen Tages und ihm eröffnete sich eine Erkenntnis, eine gedankliche Parallele, vielleicht sogar jene, auf die Jonathan ihn hatte hinführen wollen. Wenn der Engel nicht seine Hand gehalten hätte ... er wäre von den Menschen verurteilt und missverstanden worden, obgleich er nur den Willen Gottes ausführte. Der Passagier war wie Abraham, und diese Inquisitoren verfolgten ihn, ohne die Umstände seiner Taten zu kennen.

Er erinnerte sich, wie Jonathan sagte, dass einfache Menschen alles dämonisierten, was sie nicht verstanden. Aber diesen Fehler würde Remy nicht machen, denn er hatte erkannt, dass das Wissen um die Umstände einer Tat entscheidend sein konnte. Wer hier tatsächlich im Recht war, der eifrige Herr Großinquisitor oder der Passagier mit der angeblich gestohlenen Reliquie, darüber vermochte er, Remy, ohne weiteres Wissen und ohne Hilfe nicht zu entscheiden.

Alles andere betreffend... der Großinquisitor hatte also verlangt, dass er nicht über seine Erlebnisse im Wald zu anderen sprechen sollte? Nun, das würde Remy sicher keine Mühe bereiten. Immerhin hatte er ja auch eine einfachere Version der Geschichte zu bieten, die auch de la Champagne schon vernommen und für angemessen befunden hatte.
Aber auch über die darin nicht erwähnten Details würde Remy mit niemandem sprechen. Zumindest mit niemandem, der nicht bereits davon wusste, oder selbst dabei gewesen war, was natürlich bedeutete, dass er sich noch immer mit Guillaume und Jonathan beraten würde, sobald er konnte. Ihnen vertraute er, und sie würden ihm auch sagen können, ob er durch seine Tat tatsächlich seine unsterbliche Seele befleckt hatte.

Den Herren Inquisitoren jedenfalls hatte er nichts weiter zu sagen. Entweder glaubten sie ihm und ließen von ihm ab, oder er würde die Konsequenzen zu spüren bekommen. Wie auch immer, dies lag nun nicht mehr in seiner Hand.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Februar 01, 2009, 16:01:33
"So, wie ihr berichtet, werde ich keine Schande über euch verbreiten, im Gegenteil. Lasst Euch sagen: Ihr seid ein ehrwürdiger Mönch. Erweitert Euren Horizont ein wenig, dann könnt ihr es weit bringen."
Der Soldat, der ihm nicht vorgestellt worden war, öffnete die Zellentür. Die beengte Athmosphäre löste sich sofort in der riesigen Burganlage auf.
 "Der Herr sei mit Euch,"  sagte de la Champanie einfach nur, als er den Raum mit wehenden Roben verließ. Die Anderen folgten ihm, ohne Remy noch einmal anzusehen. Der letzte schloß die Tür mit militärischem Eifer.

Da saß er nun wieder allein.
Und er war sicher, daß er nun sehrwohl noch etwas zu befürchten hatte, entgegen den Worten des Großinquisitors.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Februar 07, 2009, 15:48:06
Er blieb noch eine kurze Weile dort sitzen, um sicher zu gehen, dass die Inquisitoren fort waren. Dann stand er auf und verließ seine Zelle, um sich zum Rest der Brüder zu begeben. Vielleicht würde er das Ende der Abendandacht noch miterleben, doch selbst wenn nicht, so war er unter den anderen Brüdern immer noch sicherer. Zumindest glaubte er das.

Dass jegliche Sicherheit nur eine Frage der Betrachtung war, hatte ihn der Großinquisitor deutlich spüren lassen. Natürlich war die Begegnung selbst schon verstörend gewesen, und Remy machte sich keine Illusionen, dass die Sache schon vollständig ausgestanden war. Wirklich sicher würde er sich erst fühlen, wenn er wieder daheim in Fleury war, am Besten in der Bibliothek, wo de la Champagnie und sein spanischer Freund dann nur noch eine ferne Erinnerung sein würden. Aber hier und jetzt konnte er nun, wo ihm keine drei Inquisitionsritter auf den Leib rückten, wieder genug Klarheit sammeln, und so stellte Remy fest, dass der Nachmittag im Garten doch nicht ganz umsonst gewesen war. Es galt, den Gefahren, die auf ihn warteten, mit klarem Kopf zu begegnen. Die Inquisitoren hatten ihn zutiefst eingeschüchtert, aber auch, weil sie ihn überrascht hatten. Dies durfte nicht noch einmal geschehen.

Er musste Guillaume finden und dann mit ihm gemeinsam Jonathan aufsuchen. Er brauchte den Ratschlag der beiden, er musste die kleinen bruchstückhaften Informationen in seinem Kopf zu einem großen Bild zusammensetzen, und er musste einen Plan schmieden, wie er den Gefahren begegnen würde, die auf ihn warteten. Nur so konnten sie ihn nicht noch einmal überraschen.

Remy machte sich auf den Weg, zu den anderen Mönchen und auf die Suche nach Guillaume. Ihn begleitete dabei das befremdliche Gefühl, dass die eigentliche und klare Gefahr, die er für sich und sein Leben verspürte, dabei von einem Gesandten des Heiligen Stuhl selbst ausging.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Februar 15, 2009, 16:26:23
Remy machte sich auf den Rückweg, doch ganz erreichte er das Gotteshaus nicht. Die Anderen kamen ihm entgegen, die Köpfe noch demütig gesenkt. Er konnte sich beinahe unbemerkt einreihen und schnell war Gauillaume, der als einziger aufgesehen hatte, neben ihm.
"Nicht hier, später..." raunte er Remy zu, und senkte mit einem alamierenden Seitenblick auf die anderen Brüder das Haupt.
Sie verschwanden förmlich zwischen den Mönchen, überstanden unauffällig das Abendessen und verabredeten sich leise an der Wasserstelle, wo sie sich schon zuvor bei Remys Ausflug getroffen hatten.

--- Zwei Stunden später ---

Remy fand am Ende des langen dunklen Ganges, der wie er wußte noch weiter fürte, einen besorgten Guillaume vor.
"Remy, alles in Ordnung? Was ist passiert?" fagte er leise und kam ein paar Schritte auf ihn zu, nicht ohne noch einmal zu sehen, ob auch niemend gefolgt war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Februar 17, 2009, 14:48:25
"Ich weiss es nicht. Ich glaube, ich habe etwas Schlechtes getan." Remy konnte die knappen Antworten in ihrer gemeinsamen Muttersprache seinem Mentor nur ins Ohr flüstern. "Es ging um die Kutsche. Sie haben mich befragt. Die Männer in Purpur und Gold. Einer von ihnen war ein Großinquisitor! Guillaume, ich brauche deinen Rat. Und den von Jonathan. Ich habe vielleicht einen großen Fehler begangen."

Remy hatte nur kurze Sätze von sich gegeben und zwischendurch immer wieder den Gang hinab gespäht. Es durfte offensichtlich sein, dass er sich hier nicht sicher fühlte. Er kam sich so entblößt vor, als säße er geradewegs auf dem Präsentierteller. Er wollte hier weg, irgendwohin wo es sicher war.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Februar 22, 2009, 17:46:50
"Ganz ruhig, Remy. Du bist gewiß bei der Wahrheit geblieben. Wir haben richtig und ehrenvoll gehandelt. Du bist doch sogar geehrt worden!"
Gaulliaumes Worte machten ihm Hoffnung. Doch er hatte die unterschwellige Bedrohung in der engen Zelle nicht gespürt.
"Stell dich weiter dumm. Ich werde das auch tun, denn niemand weiß von unserem Gespräch mit unserem Freund. Denk daran, wir sind einfache Menschen und fromm."
Er sah zu Boden. "Remy, ich fürchte, sie werden mich auch befragen... Ich befürchte, sie werden uns auf die ein oder andere Art zum Schweigen bringen, wenn ich uns verraten sollte. Sprich bald mit Jonathan, ich muß offensichtlich bleiben, damit sie keinen Vardacht schöpfen. Diese Herren legen wissen, das sie nicht haben gern als Ketzerei aus. Und die Anwesenheit eines Großinquisitors sagt nur eines aus: Es wird Tote geben..."
Jetzt sah Remy die nackte Angst vor sich stehen. Warum hatte Guillaime nur solche förmlich spürbare Todesangst?


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Februar 22, 2009, 19:11:03
"Ja, die Wahrheit habe ich gesagt." Der junge Franzose fuhr sich mit den langen dünnen Fingern über das frisch rasierte Haupt. "Vielleicht habe ich sogar zu viel gesagt. Das mit der Asche zum Beispiel. Sie sagten, der Passagier war ein Dieb und ein Verräter. Und dass der Teufel ihn geschickt hätte. Und dass sie hier wären, um diese Gegend von solchen wie ihn zu säubern."

Remy schwieg, währen Guillaume seine Befürchtungen äußerte. "Was meinst du mit 'verraten'? Wir haben doch nichts Unrechtmäßiges getan! Oder war unser Gespräch mit Jonathan etwa schon zu viel? Wen sollten sie denn umbringen? Mich? Dich? Dazu haben sie doch gar keinen Grund..."

Urplötzlich schwieg Remy wieder, weil einerseits sein Tonfall immer hitziger und damit lauter geworden war, aber auch, weil er dachte, etwas gehört zu haben. Erneut sah er den Gang hinab. Erst dann flüsterte er "Ich werde versuchen, Jonathan so bald wie möglich zu sehen und ihm alles berichten."

Er betrachtete seinen Mentor eingehend, konnte sich aber nicht daran erinnern, ihn jemals so ängstlich gesehen zu haben. Ging es hier um etwas, was sie gemeinsam erlebt hatten, oder um etwas ganz anderes, das nur Guillaume wusste? Remy war sich nicht sicher, aber er erkannte die Furcht im Blick des älteren Bibliothekars, hatte er sie doch selbst nur wenige Stunden zuvor verspürt. Er versuchte an das anzuknüpfen, was Guillaume gesagt hatte, dass sie auch ihn befragen würden.

"Bitte, Guillaume, sei vorsichtig, wenn sie dich holen. Und achte auf den Spanier. Ich glaube, er spürt es, wenn man nicht die ganze Wahrheit sagt." Remy wartete noch ab, ob Guillaume ihm noch etwas sagen wollte. Ansonsten war es wohl klüger, sich nicht zu lange beieinander aufzuhalten.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am März 02, 2009, 12:14:45
Guiliaume nickte nur stumm. Er griff nach dem Eimer, den er zuvor schon mit Wasser gefüllt hatte, und drehte sich noch einmal um, bevor er ihn verließ.
"Ich gehe schon mal vor. Du suchst Jonathan auf. Sei vorsichtig. Gott schütze dich, Remy."
Nach wenigen Augenblicken war er allein. Er hörte einen Windzug durch den Brunnenschacht hinter ihm pfeifen. Die schwankenden Schritte Guillaumes und das Schwappen seines Holzeimers entfernten sich.
In der ferne wurde die Glocke geschlagen und die neunte Abendstunde verkündet.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am März 03, 2009, 22:33:41
Remy sah seinem Mentor einen Augenblick lang nach, während er den Glockenschlag hörte. Bald war es Zeit für die Komplet, das letzte der täglichen monastischen Stundengebete. Danach wurde üblicherweise im Kloster bis zum Morgen geschwiegen.

Er ging zurück in seine Zelle, setzte sich auf die Kante seines Lagers und überlegte, was er bis dahin tun würde. Jonathan erwartete ihn erst um Mitternacht, das Gebet aber war vorher und doch war der Zeitpunkt für beides nicht gekommen.

Die Hand mit den langen dünnen Fingern suchte sich wie von selbst ihren Weg unter die Matratze, wo sie sein privates Notizbuch ergriff und langsam hervorzog. Zunächst starrte der junge Mönch nur auf den Einband, dann aber stand er auf und ging zu seinem Tischchen, wo er sich setzte und eine leere Seite aufschlug. Dort hinein schrieb er sorgfältig die beiden Worte, die er vom Großinquisitor gehört hatte: Camilla und Vampyr. Nachdem er sie einige Augenblicke lang angesehen hatte, klappte er das Büchlein plötzlich zu, verbarg es sicher in seiner Kutte und räumte die Schreibsachen in die Umhängetasche, die er sich dann um den Hals legte. Er hatte sich entscheiden, die Bibliothek jetzt gleich aufzusuchen. Vielleicht konnte er auch ohne die Anwesenheit von Jonathan und Guillaume dort etwas lernen, nicht nur über diese neue Worte, sondern eventuell auch über die Weiße Frau, seine Himmelsbotin.

Im Stehen ging Remy vor seinem geistigen Auge den Weg durch, den die kleine Karte beschrieben hatte, wiederholte jede Abzweigung im Kopf und tat es zur Sicherheit gleich noch einmal. Dann, leise die Tür zu seiner Zelle öffnend, spähte er auf den Gang hinaus. Als er sich sicher war, dass niemand da war um ihn zu sehen, ging er hinaus; zügig, aber nicht hastig legte er den Weg zum Brunnen zurück, wo er noch vor nicht einmal einer halben Stunde mit Guillaume gestanden hatte. Erneut prüfte er, ob niemand da war, dann schlüpfte er in den Brunnenschacht, mit den Füßen Halt in den Sprossen suchend. Dann kletterte er zum waagerechten Seitenschacht hinab und begann seinen Weg, immer der Karte in seinem Kopf folgend.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am März 15, 2009, 19:01:30
Remy konnte in den Schacht spähen. Kleine Salzkristalle glitzerten in dem engen Durchgang. Es roch feucht, aber nicht abgestanden.
Er mußte auf den Knien und Händen Vorwätrs bewegen. Zuerst fürchtete er, er müßte den Schacht in völliger Dunkelheit durchqueren, doch kroch er überraschend nach ein paar Herzschlägen um eine scharfe Kurve. Der Fels war scharfkantig, und wohl grob behauen worden, denn bald hatte er sich die Knie und Hände aufgeschürft, doch wenigstens sah er nun ein Licht am Ende des Tunnels: Tanzendes Fackellicht. Es fiehl ihm so leichter, sich durch den Tunnel zu zwängen, und das Gefühl der Enge von sich abprallen zu lassen, denn es wurde immer enger.
Als das Licht unmittelbar vor ihm war, hatte sich der Durchmesser des Schachtes so reduziert, daß er sich mit den Armen voran auf dem Bauch liegend and er Kante es plötzlich endenden Tunnels voranziehen mußte. Geräusche hörte er nicht, bis auf das knistern der Fackel natürlich.
Erst als Remy den Kopf frei hatte, konnte er überprüfen, wo er gelandet war:
Sein Kopf ragte seitlich in einen größeren, senkrechten Schacht. Die Fackel steckte in einer Halterung, eine Elle recjts von ihn. Er spürte die Wäme. Zumindest mußte es ein Schacht sein, das verriet die Wendeltreppe, die ihm die Sicht nach oben und unten nahm. Er mußte nach oben, soweit er sich an die Zeichnung erinnerte, und dann nach rechts. Hoffentlich war die Treppe nicht von solchen Schächten gespickt und er verlor nicht die Orientierung.
Von unten pfiff ein kalter Luftzug herauf. Es roch süßlich. Eisengeschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am März 15, 2009, 19:19:49
Remy bemühte sich, aus dem engen Schacht auf die Treppe zu gelangen, ohne sich dabei noch mehr zu verletzen oder zu beschmutzen. Wieder auf den Füßen inspizierte er sein Aussehen im Licht der Fackel. Zunächst klopfte er sich den Staub aus der Kutte, dann betrachtete er die Abschürfungen an seinen Händen. Letztendlich aber wollte er sich nicht zu lange an diesem Ort aufhalten, sondern zur Bibliothek gelangen. Den Geruch im Luftzug nahm er wahr und versuchte sich zu erinnern, woher er ihn kennen mochte. Einen Augenblick lang dachte er noch darüber nach, die Fackel einfach mitzunehmen, dann aber entschied er sich dagegen. Falls er sie brauchen würde, konnte er immer noch zurückkommen.

Dann fiel ihm der Kerzenstummel in seiner Umhängetasche ein. Schnell holte er ihn heraus und entzündete ihn. Dann begann er, die kleine Flamme mit der Hand so gut er konnte vor dem Luftzug schützend, seinen Weg die Treppenstufen hinauf. Er war gespannt, wohin sie ihn führen würden.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am März 29, 2009, 19:29:02
Der monotone Aufstieg ließ die Anpannung noch wachsen. Der Baumeister dieser Treppe war wohl kein Mann seines Faches gewesen. Manchmal mußte Remy sich ducken, um nicht an die über ihm liegenden Stufen zu stoßen. Er hatte gut daran getan die Kerze zu entzünden, das hatte ihm einige Kopfschmerzen erspart.
Als seine Glieder schon zu schmerzen begonnen hatten, endete die Treppe aprupt. Sie führte einfach zur Decke und endete dann. Er konnte jedoch im schwachen Schein der Kerze eine Luke erkennen. Sie war hölzern und hatte keinen Riegel - sie war sogar leicht geöffnet. Ein Klotz hielt sie einen Spalt offen, durch den entfernt Licht hineindrang.
Remy konnte hinausspähen.
Viel erkannte er nicht, denn ein braunes Stück Stoff - wohl ein Teppich zur Verdeckung der Luke - versperrte ihm das Sichtfeld. Vor ihm breitete sich Holzfußboden aus. Das Licht drang durch einen Türspalt, der nur wenige Armlängen von ihm entfernt lag.
Mehr konnte er nicht erkennen. Laut der Karte vor seinen Inneren Auge trennte ihn nur noch ein Gang von seinem Ziel.
Da er nichts hörte, konnte er gefahrlos die Luke, die sehr leise Aufschwang, nach oben drücken.
Remy befand sich in einer Abstellkammer. Ein paar Eimer und Lappen waren darin zu finden und ein paar Blöcke Kernseife.
Der jung Mönch konnte nicht viel tun, außer dem Weg zu folgen. Er konnte die Tür beinahe Geräuschlos öffnen und sah auf einen Flur, wie er die ganze Burganlage durchzog. Die Wände waren mit Gobelins geschmückt, die die Geschichte des Ritters Krag erzählten, der einst den Drachen erschlug, der im Herzen des Felsens, auf dem die Burg nun stand, gehaust hatte. Kerzen erhellten die Szenerie. Mehrere Türen unterbrachen die Lange Wand, doch Remy wußte, es war die Tür am anderen Ende die ihn zum Ziel führte. Nichts und Niemand war zu sehen oder zu hören, und so konnte er es wagen, mutig voranzuschreiten.
Schnell stand er vor der richtigen Tür und wischte lautlos hinein.
Die Anspannung hatte den Höhepunkt erreicht.
schnell schloß er die Tür und kaum hatte er das getan, erklang eine Stimme hinter ihm.
"Wer stört mich? Ich hatte doch ausdrücklich..."
Remy erkannte die Stimme von Jonathan.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am März 29, 2009, 23:41:12
Sofort sah Remy sich um. Er war zu früh, keine Frage, und eigentlich hatte er die Zeit ja nutzen wollen, um in der Bibliothek seinen eigenen Spuren nachzugehen. Doch Jonathan so schnell zu finden kam einem Glücksfall gleich, denn nun musste er nicht erst warten, um von den Ereignissen des Abends zu berichten und die Warnung vor den Inquisitoren weiterzugeben.

"Bruder Jonathan," flüsterte Remy fragend in den Raum hinein, während er sich nach dem alten Mann umsehend langsam vorwärts schritt und dabei den Raum genauer in Augenschein nahm. Vielleicht fand ja ja jetzt schon irgendwo einen zufälligen Hinweis auf für ihn interessante Texte in Form einer herumliegenden Schriftrolle oder einem aufgeschlagenen Buch. Immerhin hatte Jonathans Brief ihn hierher in die Bibliothek bestellt, und in einer Bibliothek liest man doch für gewöhnlich. Schon wieder war er da, der Sog des Wissens um ihn herum, den Remy ganz natürlich mit einem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit verband. Selbst die Angst, die er bei der Befragung durch den Großinquisitor verspürt hatte, kam ihm nun weniger wirklich vor, mehr wie eine Erinnerung.

"Bruder Jonathan?" Die zweite Frage war nun schon ein wenig lauter, nicht mehr nur geflüstert, sondern leise gesprochen. Und je schneller er die Botschaft überbracht hatte, desto eher kam er vielleicht dazu, diese Bibliothek allein zu durchstöbern. Eventuell würde Jonathan ihn sogar anweisen, zu bleiben, dass der den Inquisitoren kein zweites Mal begegnete? Das wäre ihm gerade recht, denn sich in einem Raum voller Schriften selbst zu beschäftigen wäre wohl das kleinste Problem für den wissbegierigen Franzosen. Und vielleicht würde er hier endlich einen Hinweis darauf finden, warum seine Lippen nach jedem Besuch der weißen Frau versiegelt blieben. So lange sie nur jetzt nicht auftauchte und ihn an der Berichterstattung hinderte!

Erneut drängte sich das Bild seines besorgten Mentors Guillaume in seinen Kopf; er erinnerte sich an die Angst in seinen Augen und schon meldete sich auch Remys schlechtes Gewissen. Wie selbstsüchtig von dir jetzt an deine Belange zu denken! schalt er sich selbst innerlich, und die Scham kroch in ihm hoch. Nein, er musste jetzt sofort mit Jonathan reden, auch wenn er für ihre eigentliche Verabredung zu früh war.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am April 16, 2009, 19:10:55
"Remy?"
Jonathans überraschte Stimme kam schnell näher. Es wurde plötzlich hell, als er die Verdeckung von der Blendlaterne abnahm und sich seine Gesicht gespenstisch wie ein Totenschädel auf einer schwarzen Robe erschien.
"Was... was macht ihr denn schon hier? Ist etwas geschehn?" Der Todenschädel schwebte auf ihn zu und verwandelte sich in der Nähe wieder in den einfachen Mönch. Wieder beschlich ihn dieses seltsame Gefühl, daß er in der Nähe der weißen Botin verspürte, auch wenn er nicht wußte weshalb.
Schnell entzündete Bruder Jonathan ein paar Funzeln, daß Remy seine Situation besser wahrnehmen konnte.
Es war zu seiner Überraschung nicht die Bibliothek, die er einst besucht hatte, sondern, was er am einfachen Strohlger am Boden erkennen konnte, wohl auch das Gemach des geistlichen. Es war vollgestopft mit Papieren, Büchern und kleinen Dingen aus aller Welt. Sie wirkten wie... Utensilien. Hastig schob Jonathan ein paar Schubladen zu, bevor er sich wieder an Remy wandte.
"Euch hat doch niemand gesehen, oder gar verfolgt?" er war Remy einen scharfen, gehetzten Blick zu.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am April 16, 2009, 20:16:25
Im ersten Moment schrak Remy zurück, mehr überrascht als geängstigt von der plötzlichen unheimlichen Erscheinung, die sich aber glücklicherweise als Bruder Jonathan entpuppte.

"Ich kam allein, und auf dem Weg, den ich laut eures Schriftstücks hatte nehmen sollen. Ich habe sonst niemanden bemerkt, und ich war vorsichtig. Ich denke nicht, dass mir jemand gefolgt ist." Er beantwortete die letzte Frage des Alten zuerst, während er mit staunendem Blick den sich langsam erhellenden Raum musterte. Dies waren Bücherregale, aber es war nicht die Bibliothek der letzen Nacht.
Jonathan hat eine eigene Sammlung! erkannte der junge Mönch und sofort stiegen sowohl Bewunderung als auch Neid in ihm auf. Was für Schätze diese Schriften enthalten müssen! Und erst die vielen Artefakte...
Die Art und Weise, wie Jonathan sie vor seinem Blick verbergen wollte, vertiefte das zweispältige Gefühl noch; diese Dinge mussten wirklich wertvoll sein, zumindest für Jonathan. Und in gewisser Weise konnte Remy das sogar nachvollziehen, hütete er doch sein eigenes kleines Notizbuch ebenso eifersüchtig.

Es war Jonathans fragender, nein, schon fordernder Blick, der Remy an den Grund seines verfrühten Hierseins erinnerte. Schnell kam er auf den Punkt. "Es ist tatsächlich etwas geschehen. Die Männer in Purpur und Gold sind von der Inquisition. Sie haben mich in meiner Zelle besucht und mich sehr genau über die Kutsche, die Reliquie und den Passagier befragt. Ich wollte bei der Wahrheit bleiben und nur wenig sagen, aber dann verdächtigte mich ihr Großinquisitor, dass ich dem Passagier geholfen hätte, aus der Kutsche zu entfliehen. Er sagte, ich solle mein Leben nicht verspielen, wenn ich nicht einmal begreife wofür. Ich hatte Angst ... ich musste ihm das mit der Asche erzählen.
Daraufhin nannten sie den Passagier einen Verräter und Dieb, und noch schlimmeres, einen Abgesandten des Teufels und einen ... einen Vampyr... was auch immer das genau sein mag..."
An dieser Stelle tastete er nach seinem Notizbuch, in dem er die Worte niedergeschrieben hatte. Er würde die Bedeutung herausfinden, das nahm er sich erneut fest vor. Schnell berichtete er weiter.

"Sie wollen diese Gegend von solchen wie ihm säubern, sagten sie. Und Guillaume denkt, dass es sicher Tote geben wird, und dass man uns zum Schweigen bringt, wenn er etwas verrät. Er befürchtet, dass sie auch ihn befragen werden, und dass sie alles, was sie nicht verstehen, als Ketzerei auslegen werden. Er hat nicht gesagt, was er verraten könnte, aber er hatte wirklich Angst um sein Leben! Er sagte, ich sollte zu Euch kommen und alles berichten."

Länger konnte Remy dem Blick von Jonathan nicht standhalten, er wandte den Kopf ab. Die dünnen Finger des Franzosen schlossen sich um sein Notizbuch, während seine Gedanken um die Rolle des Passagiers kreisten. War er nun ein reuiger Sünder gewesen, oder hatte er vielleicht die Pläne eines größeren Übels, eines Gefallenen womöglich, mit Hilfe der Reliquie vereiteln wollen? Und hatte das Eingreifen von Guillaume und ihm selbst dies nun für immer unmöglich gemacht? Oder hatten doch die Inquisitoren recht? Zitternd presste Remy die Lippen aufeinander, bevor dann die eigentliche Frage aus ihm herausbrach.
"Bruder Jonathan, dieser Großinquisitor, de la Champagne, er hat angedeutet, dass ich vielleicht die Mission des Heiligen Stuhls gefährdet habe. Ist das wahr? Bin ich schuld daran, dass es Tote geben wird? Habe ich meine Seele mit Sünde befleckt?"

Vorsichtig blickte er wieder zu dem alten Mönch auf.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Mai 06, 2009, 17:50:15
Jonathan legte eine Hand auf Remys Schulter.
"Der Allmächtige entscheidet, ob ihr ein Sünder seid, Bruder. Denkt daran. Schaut in Euer Herz."
Der Alte legte den Kopf schief und sah beim weitersprechen mit gerunzelter Stirn an Remy vorbei.
"Macht Euch um Guillaume keine Sorgen. Er ist gewitzter, als ihr vielleicht denkt. Die Herren werden bald das Intersse an Euch beiden verlieren. Für sie seid Ihr dumm, unwissend und nicht fähig irgendetwas zu begreifen. Ihre Arroganz wird ihnen eines Tages das Genick brechen."
Bitterkeit trat bei den letzten Worten auf Jonathans Gesicht, doch er schüttelte sie ab.
"Natürlich solltet ihr beide euch weiterhin auch so geben wie sie euch sehen wollen," fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
Der Alte suchte etwas in einer schlecht beleuchteten Ecke und kramte einen niedrigen Schemel hervor, den er mit erstaunlicher Behendigkeit vor Remy aufstellte. "Setzt euch doch erst einmal."
Er selbst setzte sich auf die einzige Sitzgelegenheit und gleichzeitig einzigen Luxus, den Remy in all dem Chos aus Sammelsorien erkennen konnte: Einen fast mannshohen Ohrensessel. Er lehnte sich zurück.
"Ich hatte Euch jedoch aus einem anderen Grund hergebeten... Darf ich Euch eine intime Frage stellen? Seid Ihr häufiger das Opfer von seltsamen Begebenheiten? Dinge, die Ihr Euch nicht erklären könnt?"
Gespannt zog Jonathan die Augenbrauhen hoch.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Mai 06, 2009, 21:40:00
'Woher wisst ihr davon?' wollte Remy im ersten Augenblick überrascht fragen, doch gab er sich die Antwort sogleich selbst: Guillaume. Es war unmöglich, dass sein Freund und Mentor die seltsamen Zeiten seines Schweigens nicht bemerkt hatte. Mochten sie für andere lediglich ein Ausdruck von Remys Gottesfürchtigkeit sein, so war doch Guillaume ein intelligenter und aufmerksamer Mann, genug, um mehr dahinter zu vermuten. Zudem hatte er Remys kleines Tagebuch mindestens einmal gesehen und wusste mit Sicherheit um das Interesse seines Schülers, was Texte und Schriften anging, die nicht unbedingt im Einklang mit der Lehre der Kirche standen. Mehr als einmal war Remy von ihm in einer fremden Bibliothek geweckt worden, in der sie nur zu Gast waren, wo er über einem Text eingeschlafen war, den er noch nachts heimlich hatte lesen wollen. Nie hatte der ältere Mönch ihn daraufhin angesprochen, sein tadelnder Blick war stets genug Ermahnung gewesen ... bis zum nächsten Mal jedenfalls.

Diese Fragen nun so direkt von Bruder Jonathan zu hören konnte nur bedeuten, dass Guillaume etwas erwähnt hatte. Aber Remy dachte genauer über die Fragestellung nach und kam zu dem Schluss, dass es nichts Unerklärliches oder dergleichen widerfahren war. Natürlich war es keineswegs gewöhnlich, dass ihn seit seiner Kindheit eine himmlische weiße Frau besuchte und dass er nach ihrem Besuch nicht zu sprechen vermochte, doch für Remy war dies nicht unerklärlich. Er hatte mehr als sein halbes Leben mit diesen Ereignissen zu tun gehabt und seine Erklärung dafür war so einfach wie einleuchtend: die himmlische Gesandte hatte eine Botschaft für ihn und er schwieg nach ihren Besuchen nur, weil die Gegenwart des Herrn ihm die Zunge lähmte.

Dennoch waren dies aber keinesfalls Vorkommnisse, wie sie jeder andere Christenmensch erlebte, und das war Remy bewusst. Jonathan musste aber einen Grund haben, diese Fragen zu stellen, und angesichts seiner eigenen privaten Sammlung wusste er gewiss auch weitaus mehr als ein gewöhnlicher Bibliothekar. Nur ... wieviel wusste er wirklich? Remy beschloss sich vorsichtig heranzutasten.

"Nun, das wohl außergewöhnlichste Ereignis meines Lebens war die Sache mit der Kutsche, mit dem Insassen, der sich in Asche auflöste und mit der heiligen Reliquie," begann Remy zögerlich, "und es war grausam, so voller Schmerz und Blut und drohendem Unheil. Aber der Allmächtige weiß doch, was er uns zumuten kann und woran er uns Menschenkinder teilhaben läßt. Letztlich hat er doch einen Platz für jeden von uns in seinem großen Plan, nicht wahr?"

Gewiss hatte Jonathan schon von Guillaume erfahren, dass Remy auch in der Zeit nach dem Ereignis schwieg. Darum wagte Remy jetzt einen Vorstoß, einen Versuch zu sehen, ob Jonathan darauf eingehen würde. "Wo der Herr wandelt, da bleiben Spuren; und wo Er spricht, da schweigt alle Welt still. Ich denke, Gott war ebenfalls dort, an jedem Ort, als es passierte."

Und das war keine Lüge, denn er war dort gewesen, in Gestalt der weißen Botin. Hmm, nun gut, ihr Erscheinungsbild, oder vielmehr die Korruption des Himmelswesens ... das war durchaus eine Erwähnung wert. Falls denn Jonathan etwas über diese Dinge wusste. Remy hakte nach.

"Gestattet ihr mir auch eine direkte Frage? Was wisst ihr über Engel, oder eher darüber, was einen Engel ... zu töten in der Lage wäre?"
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Mai 14, 2009, 17:11:27
Jonathan machte ein verdutztes Gesicht.
"Engel sterben nicht, Remy. Das solltest ihr doch genauestens wissen. Die Seele ist unsterblich - Was hat euch zu dieser Fragestellung bewogen?"

Nach seiner schnellen Antwort ließ er seine Blick ins Leere schweifen und schien nachzudenken. Er lächelte zufrieden. "Ich denke, ihr stellt nicht die richtige Frage. Die Anwort, die euer Herz begeht, ist eine andere. Ich beantworte sie Euch. Doch die Frage müßt ihr euch selbst stellen."
Ohne, daß Remy Zeit gehabt hätte mit seinen Lippen Worte zu formen, sprach Jonathan weiter:
"Nachdem jemand stirbt, durchquert seine Seele das Leichentuch, in eurer Sprache `Le Linceul´. Was genau auf der Anderen Seite wartet, ist ein Rätsel. Sicher ist jedoch, daß manche weiter Kontakt zur Welt der Lebenden halten können, besonders wenn sie noch etwas zu erledigen haben. Die Zeugen solcher Begegnungen werden in der heutigen Zeit als Lügner, Wahnsinnige oder schlimmer als blasphemisch bezeichnet.
Das bedeutet nicht, daß die Todesalben, wie wir sie nennen wollen, nur Gutes oder Gottgefälliges im Schilde führen...Auch nach dem Ende unseres Körpers wird Gott unsere Seelen hüten. Warum Er ihnen den Eintritt ins Paradies verwehrt, können wir wohl nicht beantworten... Noch nicht, vielleicht auch niemals.
Und nun könnt ihr euch die Frage selbst beantworten, Remy. Die Seele eines Engels hat, laut der Heiligen Schrift, nur zwei Möglichkeiten zu existieren. Entweder an der Seite Gottes, oder von Ihm abgewandt, an der Seite des Lichtbringers.
Der Mensch jedoch,... er hat den freien Willen. Das Ausmaß dieser Wahrheit, von der ich überzeugt bin, birgt eine eigene Wissenschaft, mein Freund."

Jonathan streifte die Ärmel seier Kutte zurück, und Remy konnte sehen, daß auch sie ausgezehrt und dünn wirkten, beinahe spinnenartig. In Geheimnisvollen Ton fuhr er fort: "Ich spüre die Gegenwart, Remy. Um Euch liegt der Schatten der Entropie und des Todes. Fühlt ihr nicht etwas ähnliches? Ich halte euch für sehr sensibel was solche Dinge angeht, noch tiefgreifender sensibel, als Guillaume es ist."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Mai 14, 2009, 19:27:35
Remy hörte zu, und mit jedem Satz Jonathans fühlte er etwas in sich ein Stück mehr zerbrechen. Es war nicht wie das Zerbrechen eines Tonkrugs, der nur Scherben hinterließ, nein, es war mehr, als bräche etwas frei, so wie ein Vogeljunges sich aus seinem Ei befreit. Jedes Wort des alten Bibliothekars legte mehr Wahrheit frei, als Remy sich in all der Zeit selbst hatte zugestehen wollen. Und ohne die von ihm aufgebaute Hülle seiner selbsterdachten frommen Erklärung, an die er so viele Jahre so fest geglaubt hatte, taten sich ihm Erinnerungen auf, die er ignoriert hatte, da sie nicht in seine Erklärung passten. Sie legten die Frage frei, auf die Jonathan angespielt hatte: war die weiße Besucherin wirklich ein Engel?

Mit den neuen Informationen von Jonathan und den ersten Erinnerungen an die weiße Frau, musste Remy sich eingestehen, dass die Antwort darauf 'nein' war. Ein Engel des Allmächtigen, ein Bote für ihn allein ... nur zu gern hatte er daran glauben wollen, hatte es ihn doch besonders gemacht. Doch Jonathans Erklärungen legten eine andere Wahrheit nahe, und er konnte gewisse Dinge nicht länger abstreiten, wie die gelegentliche Gänsehaut, die ihm bei der Erscheinung der weißen Frau überkam, oder wie er diese Gänsehaut bei den Schauergeschichten der Angestellten wieder gefühlt hatte und er sich so der Erscheinung näher fühlte. Oder wie sie ihm bedeutet hatte, ihr zu folgen, mitten in der Nacht bis zwischen die Gräber des Gottesackers. Und letztendlich musste Remy sich auch eingestehen, dass ein Engel des Herrn nicht in seiner Reinheit korrumpiert worden wäre. Und wäre er ein Gefallener gewesen, so hätte er sich nie in solcher Reinheit zeigen können. Nein, die einzige Schlussfolgerung blieb, dass die Erscheinung kein Engel gewesen war. Jonathans Erklärung eines Todesalben, einer verschmähten Seele, erschien angesichts der unwiderlegbaren Fakten weitaus einleuchtender.

Erstaunt musste Remy aber auch zugeben, dass diese Erkenntnis seinen Glauben nicht schmälerte. Zugegeben, er hatte einen Teil des Rätsels falsch eingeordnet, doch änderte das nichts daran, dass er eine überirdische Präsenz verspürt hatte, die nur göttlich sein konnte. Der Herr hatte ganz sicher einen Plan für ihn, und die weiße Frau musste irgendwie dafür von Bedeutung sein. Hatte Jonathan nicht selbst gesagt, dass den Seelen der Menschen manchmal der Eintritt ins Paradies aus einem Grund verweigert blieb? Was nun, wenn auch die weiße Frau Teil des Planes war?


Remy beschloss, Jonathan die Wahrheit zu erzählen.
"Ich kann das nicht leugnen, es gibt da tatsächlich etwas. Ich habe dies nie jemandem anvertraut, nicht einmal Guillaume; doch ich habe das Gefühl, ihr würdet es verstehen. Ich ... nunja, ich denke, ich sehe ... etwas ... das nicht in diese Welt gehört. Ich weiss nicht, wie ich es anders erklären kann. Es ist immer dieselbe Erscheinung, eine Frau, ganz in weiss, und sie erscheint nur mir. Nicht einmal mein Bruder konnte sie sehen und wir waren als Kinder ständig zusammen. Sie kommt schon seit vielen Jahren immer wieder zu mir, schon mein halbes Leben begleitet sie mich. Sie führte mich eines nachts sogar bis auf den Gottesacker nahe unseres Hofes, doch ich weiss nicht, wieso. Und wenn sie verschwindet, dann kann ich nicht sprechen."

Er machte eine kurze Pause, in der er die ausgezehrte Gestalt des Alten bemerkte, doch ging zu viel in seinem Kopf umher, um länger über dessen Erscheinung zu grübeln. Stattdessen erklärte er weiter.
"Ich hielt sie bislang für eine Abgesandte des Allmächtigen, einen Engel. Aber eure Erklärungen legen eine andere Schlussfolgerung nahe: dass sie vielleicht einer dieser Todesalben, eine verlorene Seele sein könnte, jemand, der noch nicht ins Paradies durfte. Ich weiss lediglich, dass sie immer wieder zu mir kommt und ich kann nicht anders als darauf zu vertrauen, dass dies Gottes Wille ist. Ich habe sie früher schon oft gefragt, was sie von mir will, doch nur wenn wir allein waren. Aber sie scheint mich nicht zu verstehen, darum weiss ich keine Antwort. Und ich glaube, der Herr lähmt meine Zunge nach ihren erfolglosen Besuchen, auf dass ich zunächst lerne ihr zuzuhören."

Remys Blick richtete sich nun fest in die Augen des Alten und seine Stimme zitterte nicht, als er furchtlos und mit fester Stimme sprach, ja schon fast verlangte. "Bruder Jonathan, ich bin kein Dummkopf, ich bin kein Lügner oder Wahnsinniger und ganz gewiss bin ich kein Ketzer. Doch weiss ich, was ich gesehen und erlebt habe, und mir bleibt nur das Vertrauen in den Allmächtigen, dass dies Teil seines Plans für mich ist, und nicht die Pläne anderer Mächte. Ich kann erkennen, dass ihr sehr viel Wissen habt und sehr wahrscheinlich auch einiges darüber, was genau mir erschien. Ich bitte euch, wenn ihr mir etwas über die Erscheinung sagen könnt oder über den Grund, warum sie nur mir erscheint, dann müsst ihr es mir sagen! Ihr spracht von einer Wissenschaft, also lehrt sie mich! Erleuchtet meinen Geist oder gebt mir die Möglichkeit, dieses Wissen selbst zu erlangen! In irgendeinem Buch müssen doch die Antworten stehen! Ich glaube daran, dass mein gottgewolltes Schicksal davon abhängt, dass ich hinter dieses Geheimnis komme."

Hätte der jüngere der beiden Mönche sich seine Worte vorher überlegen können, hätte er sich gewiss anders ausgedrückt; doch nun war all das einfach so aus ihm herausgebrochen. Im Nachhinein betrachtet hätte er sich dafür schelten können, denn er klang wirklich ein wenig wie ein Besessener, so fordernd wie er zum älteren gesprochen hatte. Aber die Worte waren nun einmal gesagt und konnten nicht mehr ungesprochen gemacht werden. Und doch musste er zugeben, wie gut es tat, sich endlich einem anderen Menschen anvertrauen zu können, der ihn diesbezüglich verstand. So ergänzte er lediglich: "Sie erschien mir zuletzt bei der Kutsche des unnatürlichen Reisenden, und da verstand ich ihre Worte, zum ersten Mal. Aber dann wurde ihre Erscheinung von etwas ... Dunklem und Bösartigen verschlungen, von innen heraus verdorben ... darum fragte ich euch auch, was einen Engel töten kann."

Nun war es an Jonathan zu antworten, und der Blick des Franzosen klebte förmlich an dessen Lippen, um ja kein Wort zu verpassen. Die Antworten schienen ihm in diesem Augenblick so greifbar und nah wie nie zuvor.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 01, 2009, 23:12:23
Bruder Jonathan nickte verständnisvoll und dachte einem Moment nach.
Remy sah förmlich, wie der Alte geistig seine Antwort entschachtelte, sie ihm so zu präsäntieren, daß es nicht zu fremdartig oder phantastisch Klang.
"Ein Todesalb ist körperlich in einer Zwischenwelt gefangen. Ohne das Urteil Gottes kann er sie nicht verlassen. Das zerreißt seine Seele. Ein Teil will in dieser Wellt verweilen, der andere die Erlösung, seine Aufgabe zuende führen. Sie haben zwei Gesichter. Möglicherweise seid ihr Zeuge einer..."
Jonathan hielt inne.
Er schloß einen Moment die Augen, und fuhr dann unvermittelt fort: "Ich glaube, die weiße Frau, la femme blanche, wie ihr sie nennt, ist eure ständige Begleiterin. Ein Freund hat mich etwas gelehrt. Ich dachte nicht daß ich es einmal durchführen würde...," murmelte er vor sich hin, und begann, sein Zimmer auf den Kopf zu stellen. Er wühlte in den vollgestopften Regalen und förderte eine Schriftrolle zutage.
"Hier. Lest vor."

Remy nahm das Papier entgegen,entrollte es und fand eine Auflistung von verschiedenen Dingen:
"Kohle," hörte er sich sagen.
Jonathan griff in seine Rocktasche und förderte ein kleines Stück zutage. Undgeduldig schob er einige Gegenstände in der Mitte -mitsamt Remy- beiseite um Platz auf dem Boden zu schaffen. Dann zeichnete er einen einen Schritt im Durmesser messenden Kreis.
"Messingschale."
Vom Tisch nahm er eine Schale, in der er zuvor schon Räucherwerk abgebrannt hatte, und stellte sie in die Mitte des Keises. Die Kohle darin glühte sogar noch leicht.
Wie unter einemk seltsamen Zwang drang das nächste Wort über seine Lippen, obwohl das ganze doch eher an ein Hexenritual aus grauer Vorzeit erinnerte: "Weihrauch."
Der Alte Griff zu einem Beutel, und schüttete viel davon auf die Kohle. Sofort quoll gespenstisch weißer, süßlicher Rauch aus dem Gefäß.Es begann schnell, den Raum auszufüllen.
"Etwas persönliches des Verstorbenen," presste Remy hervor. Es war das letzte, was auf dem Papier stand. Nichts deutete auf den Zeck hin, kein Datum, keine Über- oder Unterschrift.
"Hm... ,"Jonathan mußte trotz des beißenden Qualms nicht husten," das Persönlichste, das wir von ihr haben, seid wohl ihr... Eine Haarsträhne oder Blutstropfen durfte genügen... " Er reichte Remy ein kleines Messer.
"Wie weit wollt ihr gehen? Ich versichere euch, nichts was wir hier tun, wird eurem oder meinem Ansehen vor den Augen des Herrn schaden," versprach er mit ernstem Blick.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 02, 2009, 12:36:56
Schon während der Vorbereitungen überlegte Remy, wozu sie dienen mochten. Es dämmerte ihm, dass es darum ging, eine Verbindung zu der Erscheinung aufzubauen. Konnte es denn wirklich so einfach sein? Und woher hatte Jonathan dieses Wissen? Was für ein Freund mochte ihn dies gelehrt haben. Und kannte er noch mehr solcher Geheimnisse?

Und dann hielt er das kleine Messer plötzlich in seiner Hand. 'Wie weit wollt ihr gehen?' hörte er Jonathan fragen und in der Tat zögerte er einen Moment, um darüber nachzudenken. Die Antworten konnten ihm gehören, in nur wenigen Augenblicken konnte er das wohl größte Geheimnis seines Lebens lüften, und alles was dafür gebraucht wurde war etwas Haar oder ein wenig Blut.

Sein Haar war frisch geschoren, die Tonsur makellos und der Schädel blank und kahl. Er würde Jonathans Hilfe benötigen, wenn er Haar geben wollte. Doch was war die Alternative noch gleich? Blut? War nicht das Blut Jesu Christi die Erlösung der sündigen Menschheit? Remy würde es nie wagen sich mit dem Lamm Gottes gleichzustellen, doch wenn Blut die Erlösung sein konnte... war nun vielleicht sein Blut der Schlüssel zur Erlösung dieser gemarterten Seele. Konnte es so sein? Hatte sie ihn all die Jahre um Erlösung gebeten, und alles was dazu nötig war, war ein wenig Blut?

"So sei es."

Er setzte das Messer mit der Spitze auf der Innenseite seines linken Unterarms an, nachdem er den Ärmel hochgeschoben hatte. Etwa eine halbe Handbreit unter dem Ellbogengelenk schnitt er entschlossen in das weiche Fleisch, nicht tief, aber doch tief genug, dass dunkles Blut aus dem zwei Finger breiten Schnitt hervorquoll. Er legte das Messer achtlos beiseite und umklammerte mit der Rechten seinen linken Arm.

"Wohin nun? In die Schale?" Fragend sah der junge zum alten Mönch hinüber.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 04, 2009, 21:45:42
Remy konnte das nicken Jonathans durch den Nebel, den die schwelenden Harzstücke erzeugten, kaum erkennen. Der Rauch vernebelte nicht nur den Raum, auch seinen Geist gelöst und voller Zuversicht jagdte ihm das zischen seines eigen Blutes auf der glühenden Kohle keine Angst ein. Es roch nicht einmal.
Er reichte ihm ein Leinenband, verschlang dann die Hände und ging auf die Knie. Jonathan sprach: "Und nun lasset uns beten.

Herr, der du bist im Himmel, erlaube der gequälten Seele mit uns zu sprechen, auf daß wir ihr in deinem Namen Linderung verschaffen können, auf daß sie den Weg zu deinem Gericht findet. Herr, der du bist im Himmel, erlaube..."

Er reihte die Folge der Worte endlos aneinander. Zeit verstrich. Minuten zogen unerkannt vorbei.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 05, 2009, 13:17:55
Remy kniete und betete, wie der alte Mönch es ihm geheißen hatte. Doch spürte er auch deutlich wie seine Sinne zu schwinden begannen. Es mochte am Weihrauch liegen, oder an den sich ständig und monoton wiederholenden Worten, die seinen Verstand einlullten, wahrscheinlich war es beides zusammen.

Seine Lider wurden schwerer, und immer öfter schloss er sie nun, entgingen seine Augen doch so dem Rauch aus der Schale.

Wie viel Zeit mochte so vergangen sein? Remy hätte es nicht sagen können, zu schwer war sein Kopf und zu träge sein Verstand geworden. Aber er wollte daran glauben, dass ihm dies Antworten brachte, und er legte all diesen Glauben und all seine Hoffnung in das immer wiederholte Gebet, das er nun schon seit gefühlten Stunden gemeinsam mit Jonathan sprach.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 12, 2009, 00:57:08
Kurz bevor Remys Geist ganz in die Welt die nur ihm und Gott gehörte abdriftete, stellten sich plötzlich und unvermittelt seine Nackenhaare auf. Gänsehaut breitete sich von dort aus. Es geschah...etwas. Der Weihrauchnebel zog sich aus dem Raum zurück und sammelte sich in der Luft über der Kohleschale, und verdichtete sich weiter, bis er zu einer nebeligen, aber dennoch irgendwie festen Masse. Aus dem Kokon formte sich ein Körper heraus.
Die ganze Zeit führte Jonathan sein Singsang fort.
Ein überraschter Ausruf blieb Remy im Halse stecken. Die Form, die der Rauch annahm, als er das feingliedrige Gesicht formte, ähnelte ihr.
Der weißen Frau.
Die Gitter seines Unsichtbaren Gefängnisses wuchsen fast bildlich vor seinen Augen. Er war eingesperrt, unfähig sich ohne Hilfsmittel mitzuteilen.
Remys Aufmerksamkeit wurde auf Jonathan gelenkt. Er schwieg. Sein Gesicht wirkte noch blasser als sonst.
Dann sagte er nochimmer mit gesenktem Haupt: "Danke, oh Herr, daß du unsere Gebete erhörtest. Amen," schloß er. Bestimmt richtete er seine in die Höhlen zurückgezogenen Augen auf die Person aus Rauch.
"Ich bin Bruder Jonathan. Jonathan von Sternberg. Ich heiße dich Willkommen in unserer Welt. Bist du Gewillt, mir und meinem Freund Remy Rede und Antwort zu stehen, Reisende durch die Welten?"
Die Rauchgestalt öffnete den Mund.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 12, 2009, 01:18:37
Remy war wieder hellwach. Die Gänsehaut kroch über seinen ganzen Körper, als er die Gestalt betrachtete und der Wiedererkennungseffekt einsetzte. Ja, ja! Das war sie doch! Mit seinen ganzen Sinnen, seinem ganzen Wesen streckte sich Remy der Erscheinung entgegen, ohne dabei auch nur einen Muskel zu rühren.

Dann erklangen die Worte von Jonathan und urplötzlich bekam Remy eine neuerliche Gänsehaut. Es schien fast, als wäre Jonathan auf einmal ... fremd. Die Stimme war dieselbe, seine Worte waren klar verständlich und präzise, und er war immer noch derselbe Mann. Und doch konnte Remy sich dieses Gefühls der Befremdung nicht erwehren. Fast so, als wäre diese Begegnung mit der Erscheinung etwas Vertrautes, etwas Intimes, und Jonathan ein Beobachter oder Eindringling.

Doch dieser Gedanke war im selben Augenblick fortgewischt, als die Gestalt aus Nebel Geräusche von sich gab. Remy legte den Kopf schief und griff mit seinem Gehör nach vorn, die Klänge umklammernd. Seine Ohren fingen jeden noch so kleinen Laut ein, und sein Kopf begann angestrengt zu arbeiten, suchte nach Sinn und Mustern im Gehörten, um sie mit allem zu vergleichen, was er bereits kannte.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 14, 2009, 15:57:54
Remy konnte die Worte, die aus dem Geistermund der Frau kamen, nicht verstehen. Er mußte sich darauf beschränken, sie geitig in seinem Verstand niederzuschreiben, um vielleicht später ihren Sinn zu erfahren. Die Sprache war hart und alt. Jahrhunderte mußte ihr täglicher Gebrauch zurückliegen. Vielleicht eine Form des Germanischen...

Zuerst sagte die Weiße einen Satz auf Jonathans Frage... und er antwortete ihr auf die gleiche Weise. Er brauchte zwar länger als sie, um Sätze zu formen, ob es an der vorsichtigen Wortwahl oder an Übersetzungsschwierigkeiten lag, konnte er nicht ausmachen.
Sie unterhielten sich auf ruhige erklärende Weise, die garnicht zum erschrockenen Gesichtsausdruck Jonathans passen wollte. In Remy erwachte der Wunsch, seine Gedanken lesen zu können, so lange zog sich der nur minutenlange Wortwechsel hin.

Gegen Ende redeten beide immer schneller und auch Remy spürte, daß es dem Weihrauchwesen immer schwerer fiel, die Form zu behalten. Schließlich stob es auseinander und Jonathan öffnete das mit Läden verschlossene Fenster, aus dem die Wolke entfloh. Das Gefühl von einer Art heiligen Magie, die den Raum erfüllt hatte, erlosch. Jedoch nicht der Zwang des Schweigens
Jonathan ließ sich auf seinem Sessel nieder. Man sah die Anstrenung seines Geistes deutlich an seinem Körper. Er war noch etwas blasser geworden, und Sorge zeichnete sich ab.
Nach ein paar momenten des Schweigens, in denen nur Remys eigenes Atmen zu hören war,
sprach der alte Erschöfte endlich:
"Remy... ich konnte etwas ergründen...."er druckste etwas herum, "Ihr seid... verflucht. Besser gesagt, nicht ihr - ihr habt selbst nichts unrechtes getan - sondern eure ganz Familie, einen männlicher Nachkommen in jeder Generation müsse sie Heimsuchen. Sie sagte, ihr Name sei einst Ortrud gewesen, und einer eurer Vorfahren hätte sie grausam ermordet."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 14, 2009, 17:08:58
Die Gedanken in Remys Kopf kamen nicht zum Stillstand. Kaum dass er das Schauspiel miterlebt hatte, das ihn sicher noch lange Zeit beschäftigen würde, konfrontierte ihn Jonathan mit neuen Informationen, und die Enthüllung traf ihn wie ein Schlag.

Ein Familienfluch? Warum haben Vater und Großvater nie etwas davon erwähnt? Und waren die anderen Verfluchten meiner Familie auch zum Schweigen verdammt? Doch warum hatte dann niemand den Sachverhalt erkannt, als meine Heimsuchung begann? Irgendwer musste doch etwas wissen!

Die nächste Welle der Gedanken betraf seine Zukunft, nicht seine Vergangenheit.

Aber wieso ich? Wieso bürdet der Herr diese Last ausgerechnet mir auf? Gab ich mich ihm denn nicht schon ganz hin? Prüft er mich und meinen Glauben? Soll ich etwa diesen Fluch von unserer Blutlinie nehmen? Könnte das meine Aufgabe sein, die Schuld meiner Ahnen zu tilgen und der gequälten Seele Ruhe zu schenken?

Er erinnerte sich an den Beginn des Rituals, und wie er noch gedacht hatte, dass sein Blut vielleicht die Erlösung dieser Erscheinung bedeutete. Diese Theorie schien sich nun zu bewahrheiten, alle Enthüllungen sprachen dafür. Es war an der Zeit, in Erfahrung zu bringen, wie er diese Aufgabe bewältigen könnte.

Remy öffnete den Mund, um Jonathan etwas zu fragen, doch lediglich leiser Atem entwich seiner Kehle. Natürlich, das Schweigen lag auf ihm. Und es war ungewiss, wie lange es andauerte. Doch die Suche nach Antworten konnte nicht warten.

Hastig sah Remy sich um, ob sich etwas in der Nähe befand, mit dem er schreiben konnte. Er vergaß dabei völlig sein eigenes Tagebuch, das er doch genau zu diesem Zweck führte. Sein Blick fiel dafür auf das Kohlebecken. Ohne zu zögern streckte er die Hand aus und Griff nach einem Stück, liess es aber sofort wieder fahren, denn es war noch zu heiss. Einen Augenblick lang schüttelte er die Hand, dann pustete er auf die Finger. Seine Augen hingegen hatten bereits ein weiteres Stück Kohle erfasst, das näher am Rand der Schale lag. Vorsichtig griff er danach, und als er sicher war, dass er es gefahrlos greifen konnte, nahm er es in die Hand.

Hastig fegte er mit dem Ärmel Stroh und Staub vom Boden und kratzte mit der Kohle drei Zeilen auf den Boden von Jonathans privater Bibliothek.

Wann und wo?
Welche Sprache?
Wie Erlösung?

---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 15, 2009, 15:04:03
Jonathan, der wohl an noch schlimmerer Kurzsichtigkeit litt als Remy, erhob sich, nahm eine Kerze aus der Wandhalterung und ging in die Knie, um die schwarze Schrift auf dunklem Holzboden zu entziffern. Er schien etwas verwundert, wie sich Remys Schweigen äußerte, aber ging nicht darauf ein.
Langsam erhob er sich wieder und sah Remy ernst an. "Setzt euch," sagte er auf seinen bequemen Sessel weisend, "ihr werdet es nötiger haben als ich."

Als er tat wie ihm gehießen spürte er im Sitzen eine unheimliche Entspannung für gewöhnlich saß er auf nacktem Holz. Das letzte Mal hatte er soetwas als Kind erlebt, und ihm wurde bewußt auf was er verzichtet hatte. Die Bequemlichkeit vertrieb jedoch nicht die Anspannung, auch wich sie nicht, als Jonathan endlich zu sprechen began:
"Ich habe noch nicht oft mit den Toten gesprochen. Doch wenn ich es tat, waren sie nie so schwach. Sie können unter uns wandeln, man erkennt sie nicht. Doch deine weiße Frau war von jeher nicht mächtig. Ich erzähle dir die Geschichte, die sie mir weitergegeben hat:
Sie sei eine Germanin gewesen. Als sie 18 Sommer zählte, müßte sie fliehen, warum sagte sie nicht. Halb verhungert kam sie an das anwesen eurer Familie. Es muß wohl, ihrem Germanisch nach zu urteilen, beinahe 1000 Jahre her sein. Sie konnte den Früchten im Garten nicht wiederstehen, und anstatt anzuklopfen, stahl sie. Euer Vorfahr muß wohl sehr grausam und arrogant gewesen sein, denn er erschlug das Mädchen. Ihre Wut darüber trieb sie an, Rache zu nehmen, doch es gelang ihr nicht, eurem Grausamen Vorfahr sein Leben auszuhauchen. Im Leben wie im Tode ist sie schwach, und es gelang ihr nicht nach Generationen einem eurer Familienmitglieder ein Leid anzutun.
Mittlerweile verliert sie selten die Kontrolle und versucht sich so weit sie kann sich von euch fern zu halten. Sie will nicht noch eine weitere Sünde begehen. Mehr konnte ich nicht erfahren, sie konnte nicht lange verweilen. Ich glaube jedoch nicht, daß sie euer Schweigen verursacht. Sie kann nicht einmal unter den Menschen wandeln."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 17, 2009, 14:39:43
Die verschiedensten Gedanken kreisten durch Remys Kopf, und ohne Möglichkeit sich verbal zu äußern, würden sie dort auch bleiben. Die Methode mit der Kohle war nur eine Notlösung gewesen, aber um all diese Dinge festzuhalten, bedurfte es mehr.

Einen Augenblick lang wunderte er sich noch darüber, dass Jonathan sagte, er hatte noch nicht oft mit Toten gesprochen. Das bedeutete, dass dies nicht das erste Mal gewesen war. Aber hatte er nicht auch gesagt, dass er dieses Ritual nie zuvor durchgeführt hatte? Was bedeutete das nur?

Dann lauschte der Jüngere der Geschichte, die ihm der alte Mönch weitergab. Gewisse Dinge prägten sich ihm dabei ein, Hinweise, denen er später nachgehen würde: Germanische Sprache. Vor 1000 Jahren. Gewiss hatte irgendein Familienmitglied schon einmal Aufzeichnungen angelegt oder Forschungen angestellt. Er würde gewiss einen Einblick in den Familienstammbaum erhalten können, wenn er nur die richtige Person fragte. Das hiess seinen Vater oder Henri. Er würde ihnen einen Brief schreiben müssen, sobald er die Gelegenheit dazu fand.

Dann plötzlich hob Remy den Blick. Was hatte Jonathan da gesagt? Sie war nicht die Quelle seines Schweigens? Dann musst es wohl doch der Allmächtige sein. Oder ... wollte der Gelehrte vielleicht auf etwas anderes hinaus?

Remy dachte einen Moment nach, bevor er sich abermals auf den Boden niederließ, um mit der Kohle eine weitere Zeile hinzuzufügen.

Das Schweigen kommt nicht von Gott?


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 17, 2009, 16:18:32
Jonathan erlas Remys Worte, und sah ihn ernst an.
"Alles ist kommt von Gott Remy. Ich möchte auf folgendes hinaus: Ihr tragt zwar einen Fluch, doch das Schweigen scheint mir eine Reaktion eures erführchtigen Glaubens zu sein. Vielleicht fürchtet ihr euch in eurem tiefsten innern davor, mit der Wahrheit ausgestoßen zu werden - und ihr habt recht, euch zu fürchten.
Ich bin ein Mann des Wissens und des Glaubens. Hätte der Herr nicht gewollt, daß wir die Welt verstehen, wären wir nicht fähig dazu. Doch es brechen Zeiten an, in denen Bildung und Vernunft blind werden. Mächtige Männer werden die Worte des Herrn zu ihrem Vorteil nutzen, noch mehr als es bisher geschah."
Die letzten Worte zeigten wahre Trauer in seinen Augen. Er fuhr fort: "Furcht ensteht meist vor dem Unbekannten, Remy. Könnt ihr euch vorstellen, warum ich mich nicht fürchte?"

Remy spürte ein kitzeln in der Luft. Eine Epiphanie würde gleich sein Weltbild auf den Kopf stellen, wie damals als er als Kind das erste Mal von der weißen Frau besucht worden war, das spürte er. Offensichtlich ließ Jonathan ihm Zeit seinen Geist zu wappnen bevor er fortfuhr.

"Ich habe die Grenze des Todes bereits überquert," sagte der Alte ernst, "doch bin ich hier. Ich suche die Geheimnisse des Todes, der anderen Seite. Den Grund meiner Existenz."
Remy mußte wohl einen ziehmlich fassungslosen Gesichtsausdruck an den Tag gelegt haben, so wie Jonathan weitersprach: "Ihr glaubt mir nicht? Lasst es mich beweisen."
Jonathan enblößte seine Brust. Er war unglaublich dünn, daß sich jede Rippe abzeichnete. Seine Haut war tatsächlich blaß wie die einer Leiche. Er trat an Remy heran, nahm seine Hand und führte sie zu seinem Herzen. Fast hätte er zurückzucken müssen, denn die Haut war eiskalt und fühlte sich irgendwie... leblos an.
Zuerst mußte Remy glauben daß es eine Täuschung war. Aber das Herz des Alten regte sich nicht. Remy spürte sein eigenes bis zu Hals schlagen, aber es bestand kein Zweifel.
Nach allem was er über das Leben wußte, war dieser Mann tot.
Sein Herz schlug nicht.
Er atmete nicht einmal.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 17, 2009, 17:35:22
Remy hielt die Berührung nur einige Augenblicke lang aus. Kaum dass sich der Griff von Jonathan nur leicht lockerte, riss er sofort seine Hand zurück und stolperte einige Schritte zurück, bis er gegen ein Hindernis stiess. Seine Blicke waren jetzt angsterfüllt, geradezu panisch, als sein Kopf zu begreifen versuchte, was seine Sinne ihm hier soeben vermittelt hatten. Selbst jetzt, wo der Kontakt gebrochen war, schien es ihm, als würde die Kälte von Jonathans Fleisch noch immer seinen Arm hinaufkriechen, bis direkt in sein Herz. Mehr als eine bloße Gänsehaut durchfuhr ihn vom Kopf bis in die kleinsten Zehenspitze.

Wie ist das möglich? Wie kannst du tot sein und doch am Leben? Welch Teufelswerk hat dich so werden lassen? Welcher Natur ist diese Blasphemie?

Remys Geist schrie diese Fragen förmlich in Jonathans Richtung, und doch blieb es still in der Kammer, bis auf Remys aufgeregten Atem. Doch wurde dieser mit jeder Minute langsamer, und mit jedem Atemzug griff der Verstand ein wenig mehr. Vielleicht war das Schweigen in diesem Augenblick sogar ein Segen, zwang es doch den jungen Franzosen sich seinen Gedanken zu stellen.

Ein lebender Toter konnte kein Mann des Glaubens sein, und doch war Jonathan es, er hatte es spüren können. Ein lebender Toter konnte nicht existieren, ohne dass Gott es ihm gestattete. Ein lebender Toter auf heiligen Boden wäre nicht möglich, außer durch Gottes Willen.

Ein lebender Toter durch den Willen des Herrn und Erlösers...

Es war letztendlich die reine Neugier, die Remy dazu brachte, sich soweit zu entspannen, dass er sich wieder aufrichten konnte. Und es war die Neugier, die ihn einen zögerlichen Schritt nach vorn tun liess, wo er mit zitternden Fingern erneut die Kälte von Jonathans Körper fühlte, um sich zu vergewissern, dass dies wirklich und wahrhaftig die reine Wahrheit war. Und es war die Neugier, die Remy erneut nach dem Stück Kohle greifen liess, das er hatte fallen lassen, um eine weitere Frage zu den anderen zu schreiben, eine Frage, deren Antwort er in diesem Augenblick der Enthüllung so sehr begehrte, wie die Luft zum Atmen.

Bist du Lazarus?


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 18, 2009, 01:58:59
Er... lachte.
Diesmal hatter sich nicht niedergebeugt, und ohne Schwierigkeit die Worte erkannt. Sein Lachen war herzlich, ganz so, wie Erwachsener lachte, dessen Kind gerade mit einfachsten Worten eine tiefe Erkenntnis von sich gab, ohne sich deren Sinn bewußt zu sein.
Er fasste sich wieder: "Remy, ich muß sagen, ihr seid außerordentlich. Tatsächlich ist Larzarus einer meiner Ahnen. Doch die Bibel, die ihr zu lesen bekommt, sagt nicht die ganze Wahrheit über ihn." Er lächelte. "Ja ganz recht Lazarus ist ein wandelnder Toter geworden, wie ich es bin, und er wandelt noch heute unter den Menschen. Wir verbergen uns. So mächtig wir auch werden je älter wir sind, ein Mob mit Fackeln oder gar ein Inquisitor ließen keine Zeit für ..."
Er seufzte: "Nun ist es sowieso zu spät... Ich entstamme einer Ahnenlinie die seit anbeginn der Menschheit neben ihr existiert. Ihr seid ein Kind des Seth, so wie ich es einst gewesen bin. Doch das Blut in meinen Adern ist gespendet von Kain, Adams Sohn, der sich vom Herrn abwandte."
Jonathan sah Remy ernst an. Seine Augen durchbohrten ihn. Nachdenklich legte er den Kopf schief. Remy konnte sich eines Gefühls der Beobachtung, nein schlimmer, der Prüfung nicht erwehren.

"Ich will euch vor eine Wahl stellen...," sagte Jonathan endlich nach ewigen Minuten der Stille. "Doch bevor ihr wählt, denkt gut nach, denn beides bedeutet den Tod.
Erstens," er begann an den Fingern abzuzählen,
"ich erteile euch die letze Ölung und bereite euch danach ein schnelles Ende. Eure Seele ist  rein. Auf euch wartet die Ewigkeit im Paradies, jedoch ohne Entwicklung
Oder zweitens,
ihr gebt euer Leben auf, übertretet die Schwelle des Todes, um Wissen zu erlangen, das der Menscheit auf ewig verborgen liegt. Ein ewiges Leben ohne Tod, Krankheit oder Alterung läge vor euch. Fähigkeiten könnt ihr erlangen, von denen kein Mensch zu träumen wagt. Doch lebtet ihr außerhalb der Gnade des Herrn, bis ihr sie wiedererlangen könnt, denn die Toten sind unheilig."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 18, 2009, 03:29:20
Falls Jonathan auf eine schnelle und eindeutige Antwort hoffte, wurde er enttäuscht, denn nun war es Remy, der sich Zeit liess, und davon reichlich. Es verging fast eine halbe Stunde, bis Remy wieder in der Lage war, etwas zu tun.

Die ersten Minuten waren die schlimmsten, da sich reine Verzweiflung in sein Wesen bohrte. Er erkannte mühelos, dass die Situation, in der er sich nun befand, keinen anderen Ausweg bot als den Tod. Entweder er starb und nahm Jonathans Geheimnis mit ins Grab, oder er wurde ein Teil davon. Seine Existenz in dieser Welt wäre in jedem Falle vorbei, so viel war ihm bewusst. Doch war das Gottes Wille gewesen? War dies der Plan des Allmächtigen für ihn, dass er die Reliquie von Bartholomäus retten sollte? Und nun da diese Aufgabe erfüllt war, erwartete ihn unausweichlich das Ende?

Der junge Mönch fühlte sich ein wenig wie Moses, der vor seinem Tod das gelobte Land zwar sehen, aber es nie betreten durfte. Nun zeigte ihm Jonathan den Weg in eine andere Welt, um ihm den Zugang dazu zu verwehren. Oder zu ermöglichen. Die Wahl war seine. Aber welchen Weg hatte Gott für ihn vorgesehen? Oder war genau dies Gottes Wille, dass er nun selbst wählen konnte?

Remy hatte sich inzwischen gesetzt. Er faltete die Hände wie zum Gebet, und presste die Knöchel gegen seine Lippen, während er weiter nachdachte. Es gab viele Dinge zu bedenken, und wenn der Tod in beiden Fällen die einzige Konstante war, worin lag dann der größere Gewinn?

Jonathan hatte von Wissen erzählt, von Fähigkeiten die jenseits der Grenzen der menschlichen Existenz lagen. Meinte er damit etwa auch solches Wissen, wie sie es verwendet hatten, um mit der weissen Frau zu sprechen? War dies nun der Weg zu ihrer Erlösung? Indem er tat, was keiner seiner Familie vor ihm getan hatte? Natürlich könnte er dieses Opfer bringen. Ein Leben für ein Leben. Vielleicht wäre damit ihr Exil beendet und ihre Seele befreit? Und der Fluch, der auf seiner Familie lastete wäre endgültig gebrochen. Aber um dies genau zu wissen, hätte er noch einmal mit ihr reden müssen. Und sie zu rufen stand nur jenen lebenden Toten offen.

Andere Gedanken drängten sich in seinen Schädel. Jonathan hatte davon gesprochen, außerhalb der Gnade des Herrn zu existieren, und doch lebte er in einem Kloster, als gläubiger Mensch, zwar ein wandelnder Toter, aber fest im Glauben. Der Allmächtige hätte nie gestattet, dass ein unheiliges Wesen in der Nähe der heilige Reliquie bestehen konnte. Doch Jonathan hatte sie direkt vor sich gehabt. Er selbst hatte den Glauben in Jonathan fühlen können. Es musste mehr an dieser Ahnenlinie dran sein, als er bisher gesagt hatte. Der Alte lebte doch seine Existenz als wandelnder Toter mit der Zustimmung des Allmächtigen. Und seine Formulierung hatte nahegelegt, dass es möglich war, die Gnade des Herrn wiederzuerlangen.

In Remys Kopf reifte ein Vorhaben heran, das an einen waghalsigen Entschluss geknüpft war. Wenn es alles stimmte, dann konnte er die Pforte des Todes durchschreiten und dennoch Erlösung finden. Er konnte den Fluch seiner Familie brechen und doch Gottes Gnade erlangen. Und er würde Wissen erlangen, hatte Jonathan angekündigt. Vielleicht gehörte das Wissen um die Erlösung ja auch dazu? Und wer weiss, was er noch alles finden würde? Allein die kleine Bibliothek in diesem Raum enthielt sicher ungeahnte Schätze und Geheimnisse. Und wenn er schon sterben musste, konnte er es auch in dem Versuch tun, seiner Familie und ihren Nachkommen das finstere Zeichen der Schuld zu nehmen, dessen Auswirkungen er selbst in Gestalt der weissen Frau mehr als sein halbes Leben lang erlebt hatte.

Remy fühlte, wie er dazu neigte, seine Wahl zu treffen. Zu verlockend war es, dieses unerreichbare Wissen zu versuchen. Und Jonathan hatte ihm versprochen, dass weder Krankheit noch Alter noch Tod ihn berühren konnten. Doch eine innere Stimme gemahnte ihn immer wieder zur Vorsicht ob der wenigen Fakten, und er gab ihr ebenfalls recht. Er musste noch mehr über das erfahren, was ihn in einer solchen Existenz erwartete. Noch war seine Seele rein und noch konnte er das Paradies unbescholten erreichen. Er brauchte mehr Informationen.

Mittlerweile hatte er sich soweit gefasst, dass sein Atem wieder ruhig und seine Gedanken klar waren. So kam es auch, dass er sich wieder seiner Tasche entsann und der darin enthaltenen Dingen, auch seinem Schreibwerkzeug. Es war schon fast lächerlich: da hatte er mit Kohle auf den Boden geschrieben wie ein Heide, und dabei hing doch die Antwort um seinem Hals. Remy tastete nach dem Notizbuch unter seiner Kutte und förderte sein Schreibwerkzeug zu Tage. Er hatte noch Fragen an Jonathan, die beantwortet werden mussten, bevor er endgültig eine Entscheidung treffen konnte. Sorgsam schrieb er sie auf eine leere Seite seines kleinen Büchleins. Noch während er sie niederschrieb kamen ihm neue Gedanken und so strich er bisweilen eine Zeile aus und ersetzte die Frage durch eine andere.

Die ersten Fragen waren unverholen neugierig.
Wieso lässt Gott so eine Existenz überhaupt zu, wenn Kain sich doch von ihm abwandte?
Warum gi Was ist der Zweck dieser Existenz?
Wieviele gibt es, die so sind wie Ihr?
Wie kommt das Blut Kains in Eure Adern?


Die zweiten Fragen waren eher pragmatischer Natur, sie bezogen sich direkt auf das, was Remy sich überlegt hatte.
Werde ich den Fluch brechen können, der auf meiner Familie lastet, wenn ich Euer Angebot annehme?
Gibt es einen Weg zurück in die Gnade Gottes? Ihr sagt, dass die Toten unheilig sind, doch selbst könnt Ihr in der Gegenwart der Reliquie und auf heiligem Boden bestehen. Wie geht Es gab also eine Erlösung für Eure Seele?
Würde ich diese Erlösung ebenfalls erlangen können?


Die letzten Fragen hingegen waren ziemlich persönlich, doch Remy würde verstehen, wenn Jonathan sie nicht beantwortete.
Weiss Guillaume, was Ihr in Wahrheit seid?
Wie alt seid Ihr wirklich?
Hattet Ihr dieselbe Wahl, die ihr nun mir gewährt?


Als er endlich fertig war, reichte er Jonathan das Notizbuch.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 18, 2009, 23:48:53
Jonathan nahm das Notitzbuch entgegen. Nachdem er alle Zeilen erfasst hatte, lächelte er. "Ich weiß warum ich euch an meiner Seite sehen will. Ihr seht dem Tod ins Auge, und doch begehrt ihr die Erkenntnis. Also habt ihr euch bereits entschieden." Er nickte.

"Ein paar Dinge werde ich euch beantworten, andere werdet ihr selbst ergründen müssen. Ich beginne in der Vergangenheit. Dieses Wissen, was ich nun preisgebe, teilen nicht viele von uns Kainiten, hütet es gut. Es gibt teile der Bibel, die nur uns bekannt sind. Kains Geschichte endet für euch mit seinem Weggang, doch das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Ersteinmal reicht es zu Wissen, daß er sich ungerecht von Gott behandelt fühlte. Er opferte ihm sein liebstes, seinen Bruder. Nicht aus Neid, sondern aus Liebe. Doch er beging den ersten Mord und mit dem Mal des Mörders verurteilte Er ihn zu einem Leben in Einsamkeit. Er traf im Land Nod auf Lillith, sie gab ihm ihr Blut zu trinken, sie lehrte ihn so ihre Magick aus Macht alles zu erschffen, was sie brauchte. Da erschienen ihm drei Erzengel, die ihm Gnade anboten. Doch er schlug sie aus, bevorzugte, seinen eigenen Weg zu gehen, denn seine Sünde war geschehen, ob der Herr ihm vergeben hatte, oder nicht. Durch die Engel verfluchte Gott ihn drei Mal. Doch der vierte Engel, Gabriel, schenkte ihm ein Licht, einen Ausweg. Den Weg zur Gnade. Golconda. Soviel erst einmal zu Kain."
Er sah noch einmal kontrollierend über Remys Fragen.
"Ah, eines noch... Kain gab den Fluch weiter durch sein Blut. Das ist auch seine einzige Nahrung, denn alles ander zerfällt in seinem Mund zu Asche." Er nahm sich Remys Schreibgerät und hakte einige Dinge ab.

"Was euch und mich angeht... Ich studiere den Tod seit nunmehr vierhundertzweiundsechzig Jahren, einhundertdreiunddreißig tagen, und etwa 5 Stunden. Mein Erschaffer ist von anderer Gesinnung. Er strebt nicht nach Erlösung, sondern nach Macht. Er nimmt sich was er will. Ich wandle auf den Pfaden meines Clansgründers. Man nennt ihn: Kappadozius, eines der Dreizehn überlebenden Kindeskinder von Kain. Ich suche die Erlösung im Glauben. Er ist so stark in mir, daß ich sogar selbst wahrhaft Heiliges verbreiten kann, ähnlich des Heiligen, daß einer Reliquie zu eigen ist. Doch bis dahin ist es ein harter Weg, und noch bin ich nicht am Ende angekommen.
Bald werde ich für die Menschen hier dahingerafft sein, und mir ein neues Plätzchen, einen neuen Namen suchen. Ich ließ Guilliaume anreisen, den für ihn wurde es auch bald Zeit. Er ist mein Diener, doch er überschritt nie die Schwelle des Todes. Er ist ein guter Mann, doch er schien mir bisher nicht geeignet. Deshalb bin ich von euch angetan. Ich gebot Guillaume, euch unter seine Fittiche zu nehmen. Er scheint euch lieb gewonnen zu haben, wie er mir berichtete. Der Gute scheint einfach zu sehr am Leben zu hängen...
Doch ich gerate ins plaudern... Ich werde euch helfen, euch von eurem Fluch zu befreien. Doch dafür müßt ihr den Fluch, der auf meiner Familie lastet, auf euch nehmen, aber auch ihr Gaben."
Jonathan nahm das Messer, mit dem sich Remy den Schnitt beigebracht hatte, und krempelte ebenfalls den Ärmel hoch.
Es war kein Trick. Remy sah förmlich, wie sich die Muskeln der Hand des Alten anspannten, als er mit dem Messer quer über seinen Arm fuhr. Es passierte reingarnichts. Die Klinge hinterließ einen weißen Streifen, vom festen Druck, doch es Schnitt ihn nicht. Jonathans Arme wurden plötzlich rosiger, die Muskeln schwollen vor seinen Augen auf das Maß eines Holzfällers an. Jonathan schnitt erneut...
und die Klinge brach einfach am Griff ab. Ihr Klirren durchschnitt die Stille, jedoch nicht die Haut des Mannes. Achtlos legte er das Heft beiseite.

"Was ist nun Remy?" fragte er klar und bestimmt, "Wählt ihr den Tod oder den Tod und die Auferstehung?"
Er streckte die Hand aus. Sollte er sie nehmen oder verweigern?


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 19, 2009, 00:38:05
Noch zögerte Remy, aber es fehlte nicht mehr viel. Ihm war ebenfalls aufgefallen, dass Jonathan einige Fragen nicht beantwortet hatte. Kain war dreifach verflucht worden, und doch war sein Blut der Schlüssel zu diesem ... dieser Existenz. Und gerade dass Jonathan den Fluch seiner eigenen Familie erwähnt hatte, machte ihn erneut neugierig.

Der Alte hatte ihn gehörig beeindruckt. Als das Messer brach, hatte Remy sofort die Klinge aufgehoben und betrachtet. Es war kein Trick gewesen... und doch...

Hastig griff er das Notizbuch und schrieb noch ein paar kurze Zeilen. Doch die Eile und fehlende Sorgsamkeit im Schriftbild mussten Jonathan einfach auffallen, und sie waren verräterisch genug.

Was auch immer die Antworten sein würden, innerlich konnte Remy nicht länger verleugnen, dass seine Entscheidung schon fast gefallen war. Dieses letzte Zögern war kaum mehr als ... nun, vielleicht brauchte er diese Minuten noch, um sich selbst zu versichern, dass er das Richtige tat. Um sich gänzlich davon zu überzeugen, was er im Begriff war zu tun: er würde seine Seele opfern, für die Chance auf eine spätere Erlösung und den Ausblick darauf, seiner eigenen Familie einen uralten Fluch zu ersparen.

Erwartungsvoll, fast schon begierig sah Remy den alten Mann an, als er ihm das Notizbuch reichen wollte. Dann hastiger noch als zuvor ergänzte er eine allerletzte Frage und gab das Buch frei. Das Schreibgerät legte er dann wieder auf den Tisch.

Jonathan würde die ersten Fragen vielleicht als sentimental empfinden, aber Remy war nun einmal keine gefühllose Leiche. Noch nicht.
Was ist der Fluch eurer Familie des Todes? Was ist der Preis für diesen Handel, außer meinem Leben und meiner Seele?
Werde ich Guillaume wiedersehen oder kann ich mich von ihm verabschieden?
Gewährt ihr mir einen letzten Tag, bevor ich mich an eure Seite begebe?


Ganz unten auf der Seite nun stand der letzte Satz, den Remy in aller Hast hingekritzelt hatte.
Bereut Ihr zu sein, was ihr geworden seid?
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 19, 2009, 17:59:22
Jonathan zog seine Hand zurück und nahm mit verwunderten Gesichtausdruck das Notitzbuch. Nachdem er die Fragen überflogen hatte, runzelte er die Stirn und dachte nach.
"Also gut," sagte er, " Ich verstehe dies als Zustimmung.
Folgendes wird geschehen: Ihr werdet morgen Guillaume aufsuchen. Er wird bescheid wissen, und ihr beide inszeniert euren eigenen Tod, Remy, Ihr müßt Guillaume vertrauen.
Er kennt einige Geheimnisse des Todes. Fürchtet euch nicht davor. Er wird  euch für den Augen anderer in eine Leiche verwandeln, ihr werdet jedoch nicht das Bewußtsein verlieren. Woimmer man euch hinbringt, Guillaume wird euch abholen, wenn es sicher ist."
Jonathan wurde langsam ungeduldig. Er zeigte Remy damit mehr, als seine Worte sagten. Er war gestresst, fing an, auf und ab zu gehen. Remy konnte durch das Fenster erkennen, was der Grund dafür war. Am Horizont zeigten sich im schwarzen Nachthimmel, die ersten leisen Spuren des Tages.
Er fuhr in schneller werdendem Ton fort: "Danach kommt ihr wieder hierher und übertretet die Schwelle des Todes. Ich werde euch mit meinem Blute wiedererwecken.
Ihr könnt nie wieder das Antlitz der Sonne sehen. Ihr werdet als einzige Nahrung Blut zu euch nehmen. Ihr seid durch Blut fähig dem Tode und der Zeit zu trotzen, nur Feuer und Sonnenlicht können euch etwas ahnhaben. Eure Haut wird stark wie Stahl, eure Wahrnehmung jenseits aller Vorstellungskraft und ihr gewinnt sogar Macht über den Tod. Etwas davon wird euch immer anhaften, so wie mir."
Wahrscheinlich sprach er von seiner Blässe, doch Remy sah etwas anderes. Jonathans Blick wirkte wilder, er war zwar jenseits davon die Kontrolle zu verlieren, doch er verwendete sichtlich Anstrengung darauf. Jonathans harscher Gesichtsausdruck erweichte.
"Ich selbst hatte nie die Wahl und allmählich verstehe ich, weshalb. Geht jetzt Remy. Keine Fragen mehr."
Das erste Orange zeigte sich am Horizont.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 19, 2009, 18:56:25
Remy begann ebenfalls zu verstehen, warum Jonathan einige Fragen nicht beantwortet hatte. Er hatte also nie die Wahl gehabt, so zu werden, und doch hatte er sein Schicksal ertragen, ja, sich sogar auf den Weg zur Erlösung begeben. Welch innere Stärke dies angesichts der Umstände erfordern musste, konnte der junge Franzose nur erahnen.

Er begriff nun auch, dass es nicht der Normalfall war, vor diese Wahl gestellt zu sein. Und dass es für Jonathan sicher nicht einfach war, ihn jetzt noch einmal gehen zu lassen. Aber doch war dieser Mann, dieser wandelnde Tote ihm gegenüber ehrlich gewesen. Und er bot ihm die Chance, seinem unausweichlichen Ende mit offenen Augen zu begegnen.

In diesem Augenblick wünschte sich Remy, dass er wieder reden könnte. Er wollte dem Alten versichern, dass er wiederkommen würde. Und er wollte ihm danken, dass er ihm diese Wahl liess. Denn Remy hatte keinerlei Zweifel dran, dass Jonathan ihn auch einfach hätte töten können, wenn er nur gewollt hätte, dass sein Geheimnis bewahrt blieb. Er war gerührt von dem Vertrauen, das ihm hier entgegengebracht wurde.

Schnell steckte er sein Schreibgerät zurück in die Umhängetasche. Das Notizbuch, das gerade im Begriff war in der Kutte zu verschwinden, wurde noch einmal aufgeschlagen. Die Seite mit den verräterischen Fragen riss Remy einfach heraus und verbrannte sie im Kohlebecken, erst dann stecke er das Buch weg. Sein Blick bemerkte die Morgendämmerung und ein Teil seines Geistes wunderte sich darüber, fragte sich, wie lange die Beschwörung der weissen Frau eigentlich gedauert haben mochte.

Als letztes trat Remy noch einmal vor den Alten hin. Immernoch unfähig zu sprechen, ergriff er dessen Hand und nickte ihm ernsthaft zu, während er ihm in die Augen blickte. Ja, ich werde wiederkommen. sollte das heissen und Remy hoffe, dass Jonathan dies auch so verstand. Dann verschwand er, den Weg zurück, den er gekommen war, bis in seine Zelle, bevor man ihm zum Morgengebet abholen würde.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 21, 2009, 23:15:14
Als er sich auf das Bett niedergesetzt hatte um noch ein wenig auszuruhen, überkahm in ungewollt Müdigkeit. Zum Glück wurde er schnell abgeholt, von Herold, wie schon die letzten Tage. Guillaume begrüßte ihn wie jeden Morgen und sie kamen stumm überein, sich nach den Pflichten zu treffen und zu unterhalten.
Remy würde noch oft an seinen letzten Tag denken, seine letzte Morgenandacht, sein letztes Frühstück. Obwohl ihm dies bewußt war, senkte sich Frieden über ihn. Der Tag war warm und leicht wolkig. Der Wind trug von der Ferne den Duft blühender Pflanzen mit sich. Alles ging wohlorganisiert seinen Gang.

Nachdem die Mönche ihre tägliche Arbeit auf sich genommen hatten, konnten Remy und Guillaume auf eigenen Pfaden wandeln. Wo konnten sie sich besser ungestört unterhalten, als im gehen? Sie wandelten Ziellos und scheinbar interessiert über den Hof. Ihren Gesten nach zu urteilen, erklärte Guillaume seinem Schüler in deren Muttersprache die prachtvollen Errungenschaften des Polnischen Adels, doch in Wirklichkeit sprachen sie über etwas anderes:

"Remy, ich kann deine Entscheidung nicht verstehen, aber ich respektiere sie. Ich verstehe auch Jonathan, denn du bist ihm wirklich ähnlicher als ich..." Guillaume zog ein kleines Briefchen hervor und las die Zeilen noch einmal durch.
"Jonathan schreibt, wir werden deinen Tod inzsenieren müssen. Das ist wahrscheinlich die beste Entscheidung. Daß ich ohnmächtig geworden bin, damals bei dem Unfall, hat mir doch einiges erspart. Doch ich fürchte die Herren Inquisitoren haben dich im Visier. Je schneller du dich ihren Blicken entziehst, desto besser.
Nun ich habe einiges von Jonathan gelernt," wechselte er das Thema," ich bin auch etwas älter als ich aussehe... aber bei weitem nicht so wie Jonathan."
Guillaume sprach frei mit Remy, denn nun konnte er über das sprechen, was ihn die ganze Zeit in Gefahr hätte bringen können, und Remy erkannte, daß er seinen Mentor anscheinend weniger kannte als er dachte.
"Ich kann dich wie einen Toten aussehen lassen, doch wie lassen wir den Tod echt aussehen?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 22, 2009, 00:29:13
Sein letzter Tag auf der Erde. Zumindest sein letzter Tag als lebender Mensch. Und er begann ihn schweigend.

Remy fühlte sich friedlich, aber auch frei, oder vielmehr befreit. Das Wissen, dass dies sein letzter Sonnenaufgang war, und dass nach der nächsten Nacht keine seiner irdischen Sorgen ihm mehr etwas anhaben konnten stärkte ihn irgendwie. Es gab ihm auch die Kraft, mit dem umzugehen, was ihn erwartete. Wie viele Menschen hatten schon diese Gelegenheit? Wie viele hatten, wie er, die Gelegenheit mit sich und ihren Gedanken allein zu sein? Er vermochte seine Überlegungen und Gefühle nicht zu äußern, nicht einmal gegenüber Guillaume, der ihn durch diesen letzten Tag begleitete. Um so intensiver spürte er sie in sich pulsieren.

Er nahm auf seine Weise Abschied von der Welt, die ihm so vertraut war, von den morgendlichen Gebeten und Pflichten, von den Nöten des Menschseins, vom Essen. Am meisten aber genoss er die wärmenden Strahlen der Sonne. Zu wissen, dass sie nie wieder seine Haut berühren sollten, schmerzte ihn schon sehr, darum kostete er jede Sekunde aus.

Nach der wenigen freien Zeit traf er sich wie verabredet mit Guillaume im Hof. Interesse an der falschen Unterhaltung vorgebend, so dass diese Szene für jegliche Augen glaubhaft wirkte, kamen sie auf das zu sprechen, was wirklich in ihren Herzen vorging. Sein Freund und Mentor war ihm wichtig, so wie ein Bruder oder zweiter Vater. Zu gern hätte er aus seinem Mund mehr Zustimmung erfahren, doch der Ältere respektierte seine Entscheidung zumindest. Und konnte man ihm die Einwände verdenken? Gewissermaßen wählte Remy freiwillig die Verdammnis, und jeder wirkliche Freund wäre doch da um sein Seelenheil besorgt gewesen. Und irgendwie war es ja auch eine Art Abschied, für Guillaume, der ihn nun gehen lassen musste. Remy fühlte sich da übrigens ganz ähnlich.

Tief sog er die warme Luft ein, den Duft der Blüten in den Gärten und Hainen in der Nähe der Burg. Würde er je wieder eine Blume riechen können? Der Gedanke beschäftigte ihn noch, als Guillaume auf das Thema seines Todes zu sprechen kam. Zunächst wollte Remy nichts passendes einfallen. Der Tod hatte viele Gesichter, aber welches verhängnisvolle Ereignis konnte ihn hier, in der Sicherheit der Burgmauern schon ereilen? Wenn er nicht gerade in eine Schwertklinge lief oder Gift zu sich nahm, würde nur noch ein Unfall in Frage kommen. Aber wo könnte er hier schon einen Unfall haben. Sollte er sich eine Treppe hinabstürzen? Oder sich von einem Buchregal erschlagen lassen? Oder etwa im Brunnen ertrinken? Das alles schien zu gewollt, und nicht glaubwürdig genug. Nachdenklich sah Remy in den blauen Himmel hinauf, wo sich unter den wenigen weißen Wolken die Schwalben balgten, die hier irgendwo ihre Nester bauten. Alles um ihn herum schien zu verblassen, nun da er sich ganz dieser plötzlich so wichtigen Frage widmen musste.

Dann keimte ein Gedanke in Remys Hirn, und je mehr er darüber nachdachte, desto besser erschien er ihm. Ein Leuchten trat in die Augen des Schreibers. Mit Gesten, die wohl auf die Architektur der sie umgebenden Gebäude hindeuten sollten, antwortete er seinem Freund leise und unbefangen "Guillaume, diese Burg steht doch auf einem Felsen, nicht wahr? Meinst du, dass die Wege um die Klippen herum vielleicht gefährlich genug sind, dass ein Ortsunkundiger wie ich dort den Halt verlieren könnte, wenn er nicht darauf achtet, wo er hintritt?" Das Schmunzeln, das Remy bei seiner unschuldig formulierten Fragestellung in sich aufsteigen fühlte, erreichte aber nur seine Augen; bis zu seinen Lippen wollte er es nicht gelangen lassen und gab sich große Mühe, seine Mimik im Zaum zu halten. Ein wenig lauter fuhr er fort: "Ich wäre wirklich daran interessiert, wo diese Schwalben in den Felsspalten ihre Nester bauen. Denkst du, man kann sich das vielleicht aus der Nähe ansehen?"

Damit war die Idee für sein Ableben geboren, und sie nahm nun all seine Gedanken ein. Jedes Detail des Plans musste bedacht werden, und er tat dies mit Hingabe. Es sollte auch nicht weiter schwerfallen, einen solchen Sturz vorzutäuschen; Remy würde lediglich seiner Kutte ein paar abgewetzte Stellen und Risse beibringen müssen, doch das wäre in wenigen Minuten erledigt. Und mit ein wenig Staub auf Gesicht, Händen und Füßen würde es schon niemand bezweifeln. Erst recht nicht, wenn dieser Unfall vor oder während der Abenddämmerung geschah und man ihn nur im Licht der Fackeln auffinden würde. Sollte die Magie, die Guillaume von Jonathan gelernt hatte, tatsächlich so wirken, wie er es beschrieben hatte, dürfte niemand den Unterschied zu einen wirklichen tödlichen Unfall bezweifeln. Nicht einmal die Inquisitoren, der Großinquisitor allen vorn.

Nun hing alles an Guillaume. Würde er diesen Plan gutheißen? Und wann sollten sie wohl seiner Ansicht nach am Besten damit beginnen?
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juni 25, 2009, 23:52:12
Unbewußt lenkte Remy seinen Mentor, während der Plan in ihm heranreifte, in Richtung des Burgtores. Schon bald hatten sie begonnen, die Burg zu umrunden. Die Weichsel rauschte unter ihnen durch ihr Bett. In vielen tausend Jahren würde sie die Burg unterspült haben...
Guillaume lächelte verschmitzt, beihnahe schelmisch.
Er nahm seinen Rosenkranz zur Hand und warf ihn zielsicher in den Abgrund, daß er an einem Ast von dem Allerlei an Gestrüpp hängenblieb, das rund um die Burg wucherte.
"Oh nein, Remy!" rief er betont, "Wie konnte ich nur meinen Rosenkranz fallen lassen, er gehörte meiner Mutter, Gott hab sie seelig! Wartet Remy, ihr wollt doch nicht da runterklettern!" Guillaume ergriff Remy scheinbar warnend am Arm. Er fuhr mit seiner Hand unter Remys Ärmel und packte zu. Sein Griff war unmenschlich stark.
Leise sagte er: "Vertraue mir, auch wenn ich nicht der bin, der ich vorgab zu sein, unsere geimeinsame Lebenszeit ist echt."
Remy konnte so von Guillaume gesichert ein Stück den Hang hinabklettern. Der Kalkstein war schroff und bot gute Möglichkeiten sich zu halten. Guillaume dirigierte ihn ein wenig.
Er lag auf dem Boden, den Oberkörper so weit wie möglich nach vorn gereckt. Remy konnte sich einen sicheren Stand finden, zumindest so lange, wie er noch im sicheren Griff Guillaumes war. "Mach dich bereit, und schütze dein Gesicht... und, Remy?...Du bist doch mutiger, als ich dachte. Noch heute morgen hast du geschwiegen, ich kenne dich gut genug, ich weiß wie du es verbirgst, und jetzt schmiedest du einen fast genialen Plan," sagte er und schloß die Augen.
Tatsächlich, Remy hatte gesprochen. Doch für dieses Geheimnis blieb in diesem Moment keine Zeit.
Von Guillaumes Arm ging plötzlich eine Eiseskälte aus, die auf Remy übersprang. Sie breitete sich über seinen Arm aus, und erreichte bald seine Brust. Wie ein Überzug aus Tod legte sich die Kälte über ihn. Sein Arm wurde wächsern und ließ sich nicht mehr bewegen. Wie in einem unsichbaren Kokon versteiften nach und nach seine Glieder.
Remy kannte das Gefühl des Eingesperrtseins im eigenen Körper, doch nun war er völlig gelähmt.

Guillaume ließ los.
Hilflos schlidderte Remy den Abhang hinunter, steif wie ein Brett, mit dem Arm vorm Gesicht.
Unsanft landete er am sandigen Ufer, doch wenigestens rutschte er nicht ins Wasser. Er lag bäuchlings und sein steifer Arm bewahrte ihn davor, mit dem Gesicht im grobkörnigen Sand zu liegen. Seine Augen standen offen, doch er konnte nicht einmal blinzeln. Sein Herz schlug schwach und langsam, genau wie sein Atem flach und langsam war.
Oben hörte er Guilllaume laut rufen: "Au secours! Au secours!" Die Stimme wurde leiser.
Wie lange er wohl dort liegen würde?
Die Zeit verflog nicht. Das rythmische Schlagen der Wellen beruhigte ihn zwar, doch es kam ihm unendlich lang vor, bis endlich jemand kam.
Er hörte wie sie sich oben sammelten und zwei von ihnen kletterten an Seilen gesichert den Hang hinunter. Remy hielt den Atem an, als grobe Hände versuchten ihn zu wecken.
"Der is hin," sagte einer der Männer, "steif wie ein Brett."
"Armer Kerl," sagte der Andere.
Von oben konnte Remy Guillaumes wehklagen hören.
Sie einigten sich darauf, Remy mit einer Trage nach oben zu bringen. Inzwischen hatte man ihn umgedreht, doch er konnte immernoch nichts sehen, denn sein Arm war steif vor seinem Gesicht erstarrt, seine Kleidung lag auf den Augen auf. Zum Glück fühlte er kaum etwas, denn sie zu schließen war unmöglich, selbst wenn er einen Versuch gewagt hätte.
Man hob ihn nach einer Weile des Wartens hoch, und band ihn an einer Trage fest. So zog man ihn hinauf, und bedeckte ihn mit einem Laken.
Guillaume wehklagte noch immer, machte sich lautstark Vorwürfe.
Ein Alptraum kam auf Remy zu. Er wurde bergauf getragen. Er konnte heraushören, daß Guillaume vorhatte, baldigst abzureisen. Er wolle Remy nach Hause bringen, zu seiner Familie.

Er wurde in eine Art Kiste gelegt. Erst als der Deckel mit Hammerschlägen zugenagelt wurde, dämmerte ihm, wo er war: In einem Sarg.
Nach Rechts und Links konnte er durch das einfallende Licht sehen. Wenigstens würde er nicht ersticken.
Bald danach wurde er noch einmal transportiert,
dann war er allein.

--- eine Stunde nach Mitternacht ---

Remy war eingedöst.
Die mangelnde Atemluft hatte ihn doch zu schaffen gemacht. Düstere Träume plagten ihn, an mehr konnte er sich dessen auch später nicht entsinnen.
Ein Knacken weckte ihn.
Endlich, der Sarg wurde aufgebrochen.
Jemand legte ihm die Hand aufs Haupt. Wie eine Dusche des Lebens, oder vielmehr wie ein Vakuum des Guten zog sich der Tod aus ihm zurück. Remy erschlaffte. Alles tat ihm weh, als sei er ein alter Mann.
Guillaume richtete ihn auf und zischte: "Bist du in Ordnung?" Er sah Remy genau in die Augen, als wolle er die Klarheit seines Geistes kontrollieren.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juni 26, 2009, 13:42:47
Ich habe gesprochen! Aber wie? Der Gedanke sprang in dem Augenblick in Remys Kopf, da Guillaume es ansprach, und fast war es so, als wollte ihn diese Erkenntnis nicht mehr loslassen. Doch so sehr der junge Mönch sich auch bemühte, er konnte keine weiteren Worte hervorbringen. Und es blieb auch gar keine Zeit mehr dazu.

Mit Guillaumes Hilfe hatte er sich ein Stück am Felsen herabgelassen. Zweifelnd sah er nach unten, da war immer noch ein gutes Stück Weg übrig. Doch in dem Moment war es schon zu spät. Er schaffte es gerade noch, seinen anderen Arm vor das Gesicht zu ziehen, als sich der Mantel des Todes um ihn legte. In dem Augenblick griff Angst nach ihm und er fragte sich, was wohl passieren würde, wenn dieser Plan fehlschlug oder er sich auf dem Weg nach unten etwas brach. Dann liess Guillaume ihn los und er landete unsanft am sandigen Ufer.

Was nun begann war eine Zeit der Angst für Remy. Er wollte sich bewegen, er wollte tief durchatmen und wollte seine Augen schliessen ... doch kein Körperteil gehorchte seinem Willen. Und mit jeder verstreichenden Minute wuchs die Angst, dass er auf ewig so würde liegen müssen. Als sich dann endlich Stimmen näherten, war Remy erleichtert, doch nur, bis sie ihn in den Sarg legten. Erneut keimte jene panische Furcht in ihm hoch, schlimmer noch als zuvor. Jeder Schlag des Hammers vertiefte seine Befürchtungen, denn wer konnte schon sagen, dass sie ihn nicht einfach so begruben? Der Plan war geglückt, er wurde für tot gehalten ... aber er war doch gar nicht tot! Hatte die Täuschung vielleicht zu gut funktioniert? Was, wenn dies außer Kontrolle geriet und Guillaume nicht mehr eingreifen konnte?

Die Ungewissheit wich nur zögerlich, und mit der unendlich langsam verstreichenden Zeit konnte er sich nun auch wieder anderen Gedanken widmen. Sein Körper war ja nun in diesem nutzlosen Zustand, und selbst wenn er sich hätte bewegen können, so wäre er doch noch immer stumm. Oder hatte das Schweigen ihn wieder verlassen? War es nur im entscheidenden Augenblick des Gesprächs mit Guillaume ausgesetzt gewesen? Aber wieso? War dies Gottes Wille, war seine Rolle im Plan des Allmächtigen etwa doch noch nicht zu Ende?

Über diesen Gedanken verlor sich Remys müder Geist. Er hatte schon in der Nacht zuvor nicht geschlafen und die mangelnde Nachtruhe holte ihn nun ein. Sacht trieb sein Bewusstsein in die Dunkelheit...

---später---

... bis das Knacken ihn weckte. Sofort kam er zu sich, aber seine Glieder gehorchten seinem Willen noch immer nicht. Sein Geist mochte einen Moment der Ruhe gefunden haben, doch seinem Körper war dies nicht vergönnt gewesen; er war noch immer in Guillaumes Zauber gefangen. Dann spürte er die Berührung und plötzlich löste sich die Lähmung. Er sank zusammen, einen ersten tiefen Atemzug nehmend. Dumpf fühlte er, wie die Hände ihn aufrichteten. Ein Gesicht tauchte vor ihm auf. Guillaume.

Remy nahm all seine Anstrengung zusammen, all seine Willenskraft und bündelte sie in dem Versuch, seinem Mentor eine Antwort zu geben. Und... es gelang!

"Ja... ich ... es tut alles weh, aber ... ich bin soweit in Ordnung."

Seine Stimme klang so rauh wie trockener Kiesel. Es bereitete Remy Schmerzen, sich zu bewegen, ein Schmerz den er nicht verstand oder erklären konnte. Er fühlte sich, als wenn seine Muskeln bei jeder noch so kleinen Bewegung von hunderten winziger Nadelstiche getroffen würden. So hatte er sich bisher nur selten gefühlt. Einmal ging es ihm so, als sie die Bibliothek in Fleury umräumten und er vier Tage lang Schriftstücke und Bücher hin- und hertragen musste. Doch da taten ihm nur die Arme weh. Das hier betraf seinen ganzen Leib und seine Gliedmaßen fühlten sich schwach und müde an. Er wollte am liebsten schlafen, doch nicht in dem Sarg.

Unter Stöhnen versuchte der junge Franzose aus der Kiste zu klettern. Er wollte stehen und seinen Körper untersuchen, ob er sich nicht doch etwas gebrochen hatte, von dem er unter all den Schmerzen bislang nichts bemerkt hatte. Seine Umgebung hatte er bisher noch nicht eines Blickes gewürdigt. Nun, da er mit zitternden Händen versuchte, sich am Rand des Sargs abzustützen, glitt sein Blick neugierig umher.

"Guillaume, sag, wo sind wir hier?"
---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 02, 2009, 17:53:11
Remys Körper schien bis auf ein paar Schrammen und Abschürfungen in Ordnung zu sein. Sie brannten ein wenig, doch es war zu ignorieren.
Um ihn war es kühl. Er konnte nicht viel erkennen, denn es war nahezu dunkel. Er konnte die Feuchtigkeit riechen, die sich normalerweise in Kellern zwischen Steinen verkroch und jenes modrige, schimmlige Gefühl vorgaukelte, daß eine Gruft zum Ort der Alpträume und Ängste werden ließ. An keinem anderem Ort befanden sie sich, wie Guillaume flüsternd bestätigte: "Wir  sind gewissermaßen unter der Kirche... aber keine Zeit zum erörtern, Remy. Mach Platz."
Guillaume hob etwas hoch, daß Remy in der Dunkelheit sehr  ähnlich sah. Er packte automatisch mit an, und konnte erfühlen, daß es eine Puppe aus Stroh war, die mit Steinen beschwert war, sodaß sie sein eigenes Körpergewicht imitierte - und sie stank entsetzlich nach Verwesung. Remy glaubte, seinen Mentor grinsen zu hören. “Schweinegedärme. Sie werden jeden Zweifel ausräumen,” sagte er  leise.
Sie positionierten das Double im Sarg. Guillaume zauberte einen Hammer und ein Leder hervor, mit dem er den Schall der Schläge abdämpfte. Das Zunageln ging sehr schnell und leise vonstatten. Mit jeweils zwei Hieben hatte Guillaume die fingerlangen Zimmermannsnägel ins Holz getrieben.
Der Ältere hielt einen Moment inne um seine Gedanken zu sammeln. Dann redete er eindringlich auf Remy ein:
"Gut. Du hast dich also entschieden." Er seufzte. "Ich werde mich schoneinmal auf den Weg machen, alles für eure Ankunft vorzubereiten. Aber  erst einmal..."
Guillaume geleitete Remy durch den Raum, dessen Außmaße schwer abschätzbar waren. Erst hörte Remy ein klicken, dann das Drehen einer Seilwinde, worauf ein Schaben folgte - Stein auf Stein. Eine Tür schien sich zu öffnen. Ein noch modrigerer, noch schimmeligerer Geruch schlug den beiden entgegen. "So Remy, dies ist der Eingang. Folgt unablässig dem Weg, den ich euch jetzt sage, denn es ist ein einziges labyrinth dadrin. Sei vorsichtig und leise, denn die Gänge führen zwischen den Räumen hindurch und manche Dienstboten benutzen sie, doch eigentlich sollten alle schlafen. Du solltest auf an der Treppe ankommen, die zu Jonathans Gemächern führt."
Guillaume nahm Remys Unterarm, zog den Ärmel zurück und setzte den Zeigefinger an der Ellenbeuge an um seine folgenden Worte mit enstprechender Bewegung zu begleiten. Als erstes zog er einen Imaginären Strich geradeaus. Er sprach sehr langsam. Remy wußte daß Guillaume sich seine stark ausgeprägte merkfähigkeit zu Nutze machte, und wieder einmal konnte er im Stillen dem Herrn dafür danken.
"Links...
rechts...
dann kommt eine Leiter...
weiter geradeaus...
die dritte rechts...,"
er malte einen gebogenen Gang,
"Wieder rechts...
weiter geradeaus...
und dann noch einmal links. Hinter dem Gobelin, vor dem du dann stehen solltest, ist ein Durchbruch der dich zur Treppe führt."
Sein Mentor ließ ihm einen Moment, seinen Weg zu verinnerlichen.
"Dann heißt es wohl Abschied nehmen," sagte Guillaume zögerlich, "ich sehe dich wohl auf der anderen Seite wieder." Herzlich wurde er umarmt.

"Bleib wie du bist, Remy, mon vieil ami."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 04, 2009, 16:05:36
Noch während er Guillaume half, die Strohpuppe in den Sarg zu legen, spürte Remy die Schwere und Schmerzen in seinen Gliedern schwächer werden. Auch seine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit, und die Lebensgeister kehrten in den Körper des jungen Franzosen zurück. Aufmerksam hörte er zu, als Guillaume ihm den Weg erklärte, und als er schliesslich umarmt wurde, machte sich Beklemmung in seiner Brust breit.

"Pour toujours" war das erste, was er hervorbringen konnte, und dass ihm zunächst weitere Worte im Hals stecken blieben, lag dieses Mal nicht am Fluch des Schweigens. Lange hielt Remy die Umarmung seines Mitbruders, der zugleich auch so viel mehr geworden war in den gemeinsamen Jahren: ein Lehrer, ein Vertrauter, ein Begleiter auf der Suche nach Wissen, ein väterlicher Freund. Er hatte ihm so viel zu verdanken, nicht zuletzt dass er Jonathan begegnet war.

"Guillaume" begann Remy zögerlich, nachdem die beiden einander losgelassen hatten, "ich weiss, dass ich ohne deine Hilfe nicht bis an diesen Punkt meines Lebens gekommen wäre. Seit meinem ersten Tag in Fleury warst du für mich da, und nun bist du an meinem letzten Tag als Lebender zugegen. Ohne dich stünde ich nicht an der Schwelle zu einem neuen Teil meines Lebens. Ich kann nicht mit Worten ausdrücken, wie dankbar ich dir für alles bin, was du für mich getan hast."

Er machte eine kurze Pause. "In meiner Kammer oben im Kloster liegt ein Umschlag bei meinen Sachen. Es ist ein Brief für meine Schwester, datiert auf den Tag nach unserer Ankunft hier. Bitte nimm ihn an dich und sorge dafür, dass sie ihn erhält. Es steht nichts darin, was Anlass zur Sorge geben dürfte, aber sie ist noch jung, und vielleicht hilft der Brief ihre Trauer zu mildern. Ich denke, er wird allen in meiner Familie helfen, auch wenn er nur für Clarisse bestimmt ist."

Erneut gab es eine Pause, bevor er weitersprach. "Ich weiss, dass dir meine Entscheidung nicht zusagt, aber ich fühle, dass das, was nun vor mir liegt, mein Weg ist. Vielleicht wollte der Allmächtige es, dass ich diesen neuen Lebensweg sehe, und vielleicht wollte er, dass du mich an seinen Anfang bringst; immerhin gab er mich in deine Fürsorge. Du sagst, es ist Zeit, Abschied zu nehmen, aber du sagst auch, dass wir uns wiedersehen werden. Ich freue mich darauf, denn ich weiss, dass du weiterhin Teil meines Weges sein wirst. Wie auch immer die andere Seite sein wird, ich, Remy, verspreche dir hier und jetzt, dass ich immer dein Freund sein werde, immer ein offenes Ohr für all deine Ratschläge haben werde und in dir immer meinen geliebten Mitbruder im Namen des Herrn sehen werde."

Während der letzten Worte hatte Remy in der Dunkelheit nach Guillaumes Händen getastet und sie fest gedrückt. "Pour toujours, Frère Guillaume, auf immer und ewig." Stumm verharrte er noch einige Augenblicke.


Als Remy sich letztendlich, den Anweisungen genau folgend, in den Gang begab, der ihn zu Jonathan führen sollte, wurde es ihm mehr und mehr bewusst: der Abschied von Guillaume war auch der Abschied von der Welt des Tages gewesen, und mit jedem Schritt entfernte er sich weiter von der Welt der Lebenden. Dennoch war sein Schritt sicher und fest, denn in ihm hielt sich die Zuversicht, dass der Allmächtige ihn nicht verlassen würde. Gehaucht, noch leiser als ein Flüstern, formten seine Lippen die Worte eines Psalms, der ihm immer wieder Zuversicht gab, und den er nun vor sich hersagte, als er in die Dunkelheit schritt.

"Der Herr ist mein Licht und mein Heil; wovor sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; wovor sollte mir grauen?..."

Der beschriebene Weg führte ihn tatsächlich bis zu einem Punkt, wo ihn schwaches Licht erwartete; dies musste wohl der Gobelin sein.
Kurz darauf fand sich Remy in einem ihm bereits vertrauten Gang wieder. Nur noch wenige Meter trennten ihn von der Tür zu Jonathans Kammer. Sein Atem ging schwer, als er die letzten Schritte ging. Der Schmerz war verblasst und die Schrammen vergessen. Die Erwartung liess sein Herz schneller schlagen. Winzige Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner hohen Stirn. Die dünnen, fast schon spinnenhaften Finger ballten sich zu Fäusten, entkrampften sich, ballten sich erneut. Langsam hob er die Hand und dann ... war alles zu spät.

Er klopfte an.
---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 05, 2009, 17:36:05
Die Tür wurde bald darauf geöffnet. Jonathan bat Remy herein.
Etwas hatte sich im seinem Raum geändert: Der Tisch war frei geräumt worden. Keine Papiere oder Bücher lagen mehr darauf, nicht einmal ein Federkiel. Dafür stand an der längsseite am Boden ein großes Gefäß, eine Tonschüssel.

"Ihr seid also gekommen...," sagte Jonathan. Es war mehr Feststellung als Erleichterung in seiner Stimme.
Er reichte Remy ein Lendentuch mit den Worten "Entkeidet euch, legt das an und legt euch auf den Tisch."
Mehr sagte er nicht. Remy konnte buchstäblich den Wissenschaftler in ihm erkennen. Er war immernoch der selbe, doch die Menschlichkeit war aus seiner Stimme gewichen. Er schien emotionalen Abstand zu Remy zu nehmen.
Letzlich stribt man immer allein - Langsam wurde dem jungen Mönch klar, was dies bedeutete.

---

Der Tisch war hart. Das Laken, welches Jonathan darüber gebreitet hatte, milderte nichts ab. Dennoch fühlte er sich nach der Beichte etwas leichter.
Er lag auf dem Rücken. Die Decke des Turms - sie befanden sich tätsächlich an seiner Spitze - war ein Konstrukt aus spitz zulaufenden schmucklosen Balken. Jonathan hielt Remys Arm, der schon einen Schnitt aufwies, fest am Handgelenk. Ein Messer blitzte auf.
Präzise führte der Alte das Messer, so daß der neue Schnitt mit dem Alten ein Kreuz bildete. Die Haut klaffte auseinander, als die gespreizt wurde. Der Schmerz war nicht heftig, sondern zog sich hin, immer intensiver werdend.
Eine weiteres mal setzte Jonathan das Messer an und durchtrenne die rot pulsierende Ader.
Erst jetzt begann es zu bluten. Remy wurde losgelassen, sein Arm hing in der Luft. Jonathan schob die Tonschüssel zurecht, daß sie das Blut auffangen konnte.

Er setzte sich auf den niedrigen Hocker an Remys unverletzte Seite und wartete - während das Leben aus Remy herausströmte, wie ein Bach ins Tal.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 05, 2009, 23:31:05
Remy tat, wie ihm gesagt wurde und wechselte seine Kleidung. Dann legte er die letzte Beichte ab und kletterte schließlich auf den harten Tisch. Es war kühl für diese Nacht im Mai, und kühler als man es von einem so sonnigen Tag erwartet hätte. Das Leinentuch um seine Hüften milderte den Zustand nur dürftig. Er fröstelte und die Gänsehaut strich über seinen ganzen Körper hinweg.

Einen Augenblick lang starrte er auf die Dachbalken über seinem Kopf, die wie Fäden eines Spinnennetzes zentral zusammenliefen. Dann spürte er wie Jonathan nach seinem Arm griff und er drehte den Kopf. Zuerst sah er nur die Klinge, dann kam der Schmerz. Jonathan tat noch etwas, das er nicht genau erkennen konnte, dem Geräusch nach bewegte er das Tongefäß, das Remy neben dem Tisch hatte stehen sehen. Dann entschwand der Alte seinem Blickfeld.

Der Schmerz wich langsam einem anderen Gefühl, etwas Warmes, das nun seinen Arm hinab rann, der leichten Kurve seiner Haut folgte und schließlich von seinen Fingerspitzen tropfte. Leise mischten sich die Geräusche mit einem hölzernen Knarren zu seiner anderen Seite. Als Remy den Kopf drehte, erkannte er, dass Jonathan sich dort hingesetzt hatte.

Was nun von ihm erwartet wurde, war dem jungen Mönch bereits seit letzter Nacht klar: er sollte nun sterben.

Remy drehte den Kopf erneut und starrte wieder an die Decke, wo das hölzerne Spinnennetz über ihm schwebte. Sein Atem war ruhig und gleichmäßig, doch mit jeder Minute verlor seine Haut mehr ihrer gesunden Farbe, wurde allmählich blasser.

'Woran denkt ein Mensch, wenn er stirbt?' dachte Remy paradoxerweise, während er sich Tropfen um Tropfen dem Ende seines Lebens näherte. 'Sollte ich jetzt an etwas Bestimmtes denken? Sollte ich auf mein Leben zurückblicken? Mich an meine Familie und Freunde erinnern? Oder vielleicht doch den Allmächtigen um Beistand und Geleit für meinen neuen Weg bitten?'

Ein wenig beklemmt merkte der Franzose, dass er erst jetzt auf diesen Gedanken kam. Daran hätte er eigentlich die ganze Zeit denken sollen. Mit einer inneren Anspannung, die wohl seiner gegenwärtigen Situation zuzuschreiben war, wollte er sein Gebet beginnen, doch da merkte er erst, wie schwer seine Zunge geworden war. Träge klebte sie in seinem Mund und ein bisher unbemerktes Durstgefühl drang in sein Bewusstsein. Aber sein Geist war noch frei und agil, und so begann er in seinen Gedanken das Gebet des Herrn zu sprechen.

'Pater noster, qui es in caelis
Sanctificetur nomen tuum
Adveniat regnum tuum...
'

Während der Lebenssaft aus ihm herausfloss, fragte er sich, was ihn nun erwartete. Was auch immer kommen würde, es war weder der Himmel, noch das Fegefeuer. Irgendwie würde Jonathan seine unsterbliche Seele daran hindern, seinen Körper zu verlassen. Wie das wohl vonstatten gehen sollte? Plötzlich ertappte sich Remy bei diesen Gedanken und stellte fest, dass er deswegen sein Gebet unterbrochen hatte.

Ein leichter, feucht glänzender Film hatte seine Stirn überzogen, und seine Blicke streiften nun ruhelos über die Dachbalken. Sein Atem ging etwas schneller, als er mit leichter Aufregung versuchte, das unterbrochene Gebet fortzusetzen. Da er aber nicht wusste, wo er es unterbrochen hatte, begann er von vorn.

'... Adveniat regnum tuum...
Fiat voluntas tua,
Sicut in caelo, et in terra...
'


Aber war dies nun wirklich Gottes Wille? Dass er hier so lag und sein Leben hingab war doch auch seine eigene Entscheidung gewesen. Und selbstsüchtig war sie obendrein.

'...Panem nostrum cotidianum da nobis hodie
Et dimitte nobis debita nostra,
Sicut et nos dimittimus debitoribus nostris...
'

Er mochte sich zwar einreden, dass er dies für die Seele von Ortrud tat und für das Heil seiner Familie, aber er musste sich gleichermaßen eingestehen, dass es nur zu verlockend war, die Geheimnisse zu erfahren, von denen Jonathan gesprochen hatte.

Sein Atem ging noch schneller und der Schweißfilm auf seiner Stirn hatte sich verstärkt. Seine ruhelosen Augen fanden erneut ihr Ziel in dem hölzernen Spinnennetz über seinem Kopf. Nur dass sich darin wohl niemand ein Opfer fangen würde. Oder … konnte es sein, dass er bereits dieses Opfer war? Und die Spinne saß nun lauernd an seiner Seite, wartend, ihre Beute in seinem Todeskampf beobachtend? Das wievielte Opfer mochte er sein? Und ob sie wohl alle so freiwillig in die Falle des Alten getappt waren wie er?

'...Et ... et ne nos in ... inducas in ten... tentationem...'

Unruhe machte sich in ihm breit, Aufregung und Anspannung. Der Schweiß auf seiner kalten Stirn sammelte sich langsam zu kleinen Tröpfchen. Seine Gedanken waren nun wie eine Art Kriegsgesang, mit dem er sein unweigerliches Ende zu bekämpfen begann. Und die aufsteigende Angst, dass dies alles lediglich eine große Lüge war, dass Jonathan ihn betrogen hatte, und dass ihn nichts erwartete, nur der dunkle Abgrund der Hölle, weil er sein von Gott geschenktes Leben weggeworfen hatte! Seine Blicke sprangen nun in einem schnellen, unregelmäßigen Muster von einer Ecke seines Gesichtsfeldes zur anderen, während sein Atem immer schneller wurde und sein Herz von innen gegen seine Rippen hämmerte. Ein kurzes Zittern durchfuhr seinen Körper, der nun zu keiner größeren Bewegung mehr in der Lage war.

'Sed lib ... libera nos a malo...'

Sein Blick suchte nach Jonathan. Nur unter Anstrengung schaffte er es noch den Kopf zu drehen. Immer häufiger schwanden ihm nun die Sinne, und Schwärze legte sich über seine Augen. Sein Atem ging immer schneller und schneller. Von seiner fahlen, kalten Stirn begannen die Schweißtropfen herunter zu rinnen. Seine ganze Haut war nun blass und klebrig vom kalten Schweiß, doch das spürte Remy ebenso wenig, wie die Kälte, die seinen Leib ergriff. Er hechelte förmlich, während die lichten Moment immer seltener der Dunkelheit wichen, die nach seinem Bewusstsein griff und ihn in die Schwärze ziehen wollte. In jenen Augenblicken sah er Jonathan, doch kaum hatte die Dunkelheit seine Sinne umfangen, sah er in kurzer Folge andere Erinnerungen, schmeckte sie, roch sie, hörte sie und spürte sie.

Jonathan.

Seine Familie. Mutter. Ihr Parfum. Vater. Seine Hände. Henri. Sein Lachen, als sie nach einem gelungenen Streich das Weite suchten. Clarisse. Ihre leuchtenden Augen zum Weihnachtstag. Großvater. Sein kratzender weißer Bart.

Jonathan.

Freunde. Guillaume. Ihre Reise. Ihre Erlebnisse. Ihr Abschied. Florent. Immer zum Lachen aufgelegt. Wissbegierig und ehrgeizig. Robert. Der neue Novize in Fleury. Und noch so jung. War er damals auch so jung?

Wieder Jonathan.

Dann tauchte Marie auf, Dorettes Tochter. Sie half ihrer Mutter, die als Angestellte auf dem Gut arbeitete. Ah, Marie. Henri und er hatten sie beim Baden beobachtet, im Sommer, bevor er nach Fleury ging. Kleine Marie, nur ein Jahr jünger als er und Henri. Sie hatte so laut geschrien, als sie die beiden Jungen damals im Schilf entdeckte. Natürlich hatten sie vorher ihre Kleider versteckt. Arme unschuldige Marie. An das warme Gefühl, das er hatte, als er ihre nackte Gestalt aus seinem Versteck heraus beobachtete, erinnerte sich Remy noch Wochen später. Irgendwann danach hatte sie die beiden Jungen aus Rache mit Eiern beworfen. Und im Winter hatte er sie im Stall wiedergesehen. Nur da hatte sie dann nicht geschrien, nicht einmal als Henri ihr das Unterkleid auszog und beide sich nackt im Heu wälzten, während er aus seinem Versteck zusah und ihm sein Herz wehtat. Ach, Marie...

Erneut Jonathan und sein uraltes Gesicht.

Als die Dunkelheit ihn dieses Mal umfing, kamen keine Stimmen, keine Gerüche, keine Töne mehr. Es war soweit, der letzte Augenblick war gekommen.

'Amen.'

Seine Gedanken flüsterten dieses letzte Wort wieder und wieder, als er doch noch einmal Jonathan sah, noch einmal Guillaumes Augen und noch einmal die Hand seines Vaters, wie sie seine kleine, kindliche Hand ergriff; wie sie alle drei doch nur eine Person waren, die ihn nun mitnahm an einen unbekannten Ort. Doch er musste keine Angst mehr haben, denn Vater/Guillaume/Jonathan war bei ihm.

"Vater, ... wohin ... führst ... du mich?"

Unter dem nun schnell hechelnden Atem und dem dröhnenden Hämmern seines Herzens bemühte sich Remy die Antwort zu hören, während sein Geist und sein Bewusstsein endgültig in die Nacht sanken.

---




Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 06, 2009, 17:39:39
"Ich bringe dich auf den Weg der Erkenntnis, mein Sohn,"
hörte er noch schwach die Stimme Jonathans, ehe seine Sinne schwanden.
Dies waren die letzen Worte, die der lebende Remy vernahm. Sein Herz war bereits verstummt.

---

Remy le Duc war hinüber gedämmert.
Er starb in der Nacht zum 10. Mai anno domini.
Durch einen kreuzförmigen Schnitt gab er sein Blut und sein Leben.

---

Remys Körper löse sich auf. Kein Gefühl, kein Schmerz, er war einfach fort.
Er hatte keine Augen um zu sehen, und doch nahm er wahr.
Er durchschritt eine Grenze, verlies die Welt der Lebenden.
Ein schwarzer Schleier legte sich über ihn. Die Schwärze war jedoch nicht tot. Sie waberte, bewegte sich.
Es war kein Ort, vielmehr ein Land. Ein Land aus Schwärze. Stürme peitschten darüber hinweg.
Er nahm wahr, das in der Ferne lag eine Stadt lag, die bewohnt war.
Er fühlte sich eher wie ein Reisender, der auf eine Kutsche wartet, die ihn ans Ziel bringt.
Je länger er blieb, je mehr sehnte er die Kutsche herbei, denn hier gehörte er nicht hin.
Es war lediglich ein Zwischenhalt für ihn bestimmt.

Etwas Wildes sprang ihn an, hielt ihn eisern fest und zerrte.
Es zerrte ihn zurück, zurück dorthin von wo er gekommen war.
Es nistete sich in seinem Herzen ein, dort wo man Schmerz fühlt, wenn das Herz leidet.
Ein nie gekanntes Wollen, ein verlangen brachte es mit sich, das zu einem Teil von ihm wurde, seine Seele befleckte.
Dann begann das Brennen.
Er brannte wie ein Stern, wie die Sonne.
Das Leben presste sich mit aller Gewalt in ihn zurück.
Sein Körper legte sich wieder um die tobenden Gewalten seiner Seele und gab ihr einen Halt.
Er wollte mehr davon. Mehr Leben.
In ihm tobte es weiter.
Er konnte das Brennen, das durch seinen ganzen Körper floß, nicht mehr ertragen.
Ein roter Schleier legte sich über ihn.
Kein Platz, keine Chance zu entkommen.

Remy schrie.
Keine Kontrolle.
Er brauchte es, das Leben.
Er hatte nicht genug davon.
Er wußte sein Körper würde alles tun, es zu bekommen.
Das Wilde Tier in ihm würde es tun.

Remy tobte.


Endlos dauerte die Zeit, in der er rasend war. Die Wut betäubte alles andere.
Etwas tropfte auf sein Gesicht. Er schmeckte etwas Süßes. Das Leben. Gierig trank er. Je mehr davon in seine Körper gelangte, desto lebendiger fühlte er sich. Er wurde wieder Remy. Gierig leckte er die letzten Tropfen von seinen Lippen, als der süße Strom versiegt war. Die Wildheit schwieg still und zog sich in eine dunkle Ecke zurück. Wartend.

Remy war allein. Er lag auf dem Rücken. Kein Licht drang zu ihm durch. Er konnte rings um sich nahe Wände ertasten. Sie betanden aus glattem Stein. Der Raum in dem er sich befand, war kaum größer als er selbst, Quaderförmig.
Sein Herz tat keine Schläge. Seine Lungen füllten sich nicht.
Er war eine Leiche im Sarkopharg.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 06, 2009, 19:47:20
Der Sturz in die ewige Nacht schien endlos, und selbst als er wieder Ruhe fand, war die Dunkelheit noch immer mit ihm. Und er war nicht allein. Zunächst bewegte sich Remy nicht, sondern versuchte all seine Erlebnisse zu erfassen und zu verstehen, von dem Augenblick da Jonathans Stimme ihm ein Versprechen gegeben hatte bis ins Hier und Jetzt. Es war so vieles, und er musste diesen verdrehten Erinnerungen erst einen Sinn geben.

Lange lag er so da und versuchte zu begreifen, was er gesehen und gespürt hatte. Er hatte gemerkt, dass da nun etwas anderes in ihm wohnte, seinen Leib mit seiner Seele teilte. Und so unangenehm diese Erkenntnis auch für ihn war, sie wurde noch durch die weitere Erkenntnis überschattet, dass dieses andere Wesen kein Fremder war. Das wilde Begehren, die Wut und die Gier waren ihm vertraut gewesen. Sehr vertraut. Doch was genau war das? Er würde wohl Jonathan danach fragen müssen.

Mit einem Seufzer, für den er das erste Mal in dieser Gestalt bewusst Luft holen musste, erkannte der nunmehr tote Mönch, dass nur Jonathan ihm dabei helfen konnte, all diesen Erfahrungen einen Sinn zu entringen. Aber bevor er ihn fragen konnte, würde er ihn erst einmal finden müssen. Und das bedeutete, er musste aus dieser Steinkiste hinauskommen.

Zwangsweise blind begann Remy mit seinen dünnen Fingern die Ecken und Kanten seines kalten Gefängnisses zu untersuchen. Irgendwo würde es eine Kante geben, und das würde ihm verraten, wo der Deckel dieses Behälters war, in dem er lag. Da! Jetzt musste er ihn nur noch wegbewegen.

Er legte seine Hände gegen die steinerne Deckplatte über sich und drückte. Ergebnislos. Dann versuchte er beim wiederholten Hochdrücken die Platte gleichzeitig in eine Richtung zu bewegen, doch auch das scheiterte. Remy musste einsehen, dass er dazu nicht stark genug war. Er würde Hilfe benötigen. Vielleicht stand Jonathan ganz in der Nähe des Sargs, oder vielleicht auch Guillaume. Der hatte ja schon am Abhang unheimliche Stärke bewiesen. Und er hatte gesagt, dass sie sich wiedersehen würden.

Zu rufen oder gegen die Steinwände zu schlagen würde wenig bringen, wenn da niemand war, der ihn hören konnte. Deshalb beschloss Remy zunächst zu lauschen, ob er irgendein Geräusch außerhalb der steinernen Kiste wahrnehmen konnte. Dabei selbst leise zu sein fiel ihm nicht schwer, wie er feststellte, denn weder Herzschlag noch Atmung konnten im noch länger seine Sinne trüben. Schliesslich war er nun selbst ein wandelnder Toter.
---



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 07, 2009, 22:56:59
Zuerst hörte er nichts.
Nie hatte er eine so vollkommene Stille erlebt, nicht einmal in seinen Gebeten.
Sie hüllte ihn ein, machte ihn beinahe schwerelos.
Dann... hörte er etwas:
"Öffne deinen Geist," hörte er dumpf.
Er kannte die Stimme. Sie hatte ihn ins Dunkel begleitet. Jonathan... er hatte ihn nicht verlassen.

Öffne deinen Geist...

Plötzlich strömten unbekannte Sinneseindrücke auf ihn ein.
Ein unheimlich intensiver Geruch von Tod strömte in seine Nase. Er wurde ihn nicht mehr los, denn die wenige Luft in seinem steinernen Grab tauschte sich nicht aus.
Ein Geschmack von Blut, eisern und süß zugleich füllte seinen Mund aus. Er konnte sogar das vergehen in dem Geronnenem auf seinen Lippen schmecken.
Die absolute unbeweglichkeit der Luft viel ihm noch einmal auf, als seine Nase unwillkürlich den Geruch einsog. Der sonst kaum spürbare Luftzug strich über seinen Körper wie eine starke Brise. Er erfühlte die beschaffenheit des Steins, die Rillen die die Werkzeuge der Menschen darauf hinterlassen hatten. Remy spürte sogar Vibrationen des Turm.
Zusammen mit seinem Gehör ergab sie einen Sinn. Er hörte trappeln von kleinen Tieren, Mäusen, ihr leises Gequieke. Das lenkte ihn fast von den näheren Geräuschen ab.
Jonathan mußte auf seinem Gefängnis sitzen, denn er spürte, sah förmlich vor sich, wie Jonathan sanft über den Rand des Deckels strich.
Sogar seine Augen erspähten etwas. Es war eine kleine Öffnung kleiner als der Durchmesser seines Zeigefingers genau über seinem Gesicht. Es viel kein Licht herein, und doch sah er es.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 08, 2009, 13:47:08
Der plötzliche Drang, Luft zu holen war überwältigend groß und doch so sinnlos. Dennoch gab Remy ihm nach. Das Geräusch durchschnitt die Stille, donnernd für seine Ohren. Die stickige Luft schmeckte sogar alt. Und war dieses Leinentuch um seine Hüfte vorher auch schon so rauh gewesen? Es war, als würde er die Welt um sich herum völlig neu erleben. Eine phantastische Erfahrung! Remy wollte mehr.

Jonathan! Er spürte die Anwesenheit des Alten förmlich, selbst wenn die dicke Steinplatte sie noch immer trennte. Die kleine Öffnung darin wurde ihm nächsten Augenblick bewusst. Jonathan war da, und er würde ihn hören können.

"Jon... ah!"

Remy hatte so laut gesprochen, als ob der Andere auf der anderen Seite eines Zimmers voller Menschen gestanden hätte. Der Klang seiner eigenen Stimme in diesem Moment hatte ihn fast taub gemacht, so dass er bereits in der ersten Silbe abbrach. Einen Moment später versuchte er es erneut, im Flüsterton, und auch der kam ihm noch zu laut vor.

"Jonathan, mein Geist ist jetzt offen. Ich sehe und höre so viel mehr. Ich kann eure Nähe spüren. Bitte, befreit mich aus diesem Gefängnis. Lehrt mich, was das alles bedeutet..."

Er verfiel abermals ins Schweigen und lauschte auf seine neuen Sinne, ob der Alte ihn gehört haben mochte.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 11, 2009, 20:43:09
"Gemach..."
Remy hörte die Stimme Jonathans klar und deutlich. Er spürte, wie die Schwingungen durch den Stein weitergegeben wurden.
"Alles was du momentan hast, Remy, ist Zeit. Zuerst hörst du mir zu. Wenn du alles verstanden hast, lasse ich dich hinaus. Du must erst einige Wahrheiten begreifen."
Nein, Remy hatte sich nicht geirrt. Jonathan hatte tatsächlich die förmliche Anrede ihm gegenüber weggelassen. Ihm blieb nichts, als zuzuhören.
"Sobald du dich das erste Mal erhebst, wirst du in eine Gedellschaft hineingeboren.
Du hast jetzt eine neue Familie, neue Vorfahren, neue Pflichten und keine Rechte, außer meinem Schutz.
Dein Stammvater ist Kappadozius - Der aus Kappadozien kam. Er ist das Kindeskind des dunklen Vaters. Du bist fünf Generationen nach ihm in der Ahnenlinie.
Die Kappadozianer, der Clan dem du angehörst, sind von edlem Geblüt und weitgehend geachtet.
Deine Generation allein bringt dir wenig Achtung. Dein Status ist es. Er steigt mit der Zeit. Du bekleidest den Status eines Kindes, und wirst ihn erst in etwa 50 Jahren verlieren, wenn ich dich freispreche. Erst dann kannst du dich entscheiden, welchen weg du gehen willst."
Remy spürte, daß Jonathans Stimme sanfter wurde. "Doch dein Weg ist auch mein Weg. Wir werden ihn zusammen gehn. Ganz gleich, wie unser Verhältnis ist, in den Augen anderer Kainiten bist du ein Kind..."
Er konnte hören, wie Jonathan aufstand. Sein Gewand strich über den Stein.
"Mein Kind.
Das macht auch mich Verantwortlich für deine Taten, bis du mündig bist.
Wenn du begriffen hast, wo dein Platz ist..."
Ohne Vorwarnung wurde der Deckel seines Gefängnisses ohrenbetäubend bei Seite gerissen. Es wurde nicht heller, aber der Lärm drohte seine Ohren bersten zu lassen. Die massive Steinplatte krachte auf den Boden.
Unbarmherzig schien Jonathan zu schreien:
"Erhebe dich, Remy, Kind des Jonathan, vom Clan des Todes!"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 12, 2009, 00:50:32
Remy hörte die Worte des Alten deutlich und lauschte aufmerksam. Er hatte es so gewollt und nun erhielt er, worum er gebeten hatte. Jonathan lehrte ihn.

Schnell begriff Remy, dass alles, was er ihm mitteilte, für sein neues Leben von Bedeutung war. Fünf Generationen nach dem Kindeskind des dunklen Vaters? Dann wäre er in die achte Generation dieser Ahnenschaft hineingeboren worden... wie auch immer dies genau vonstatten gegangen sein mochte.

Begierig sog Remy alle Informationen auf, die ihm Jonathan gab und ergänzte damit jene, die er bereits seit der letzten Nacht besass. Er war also nun Teil einer neuen Familie, eines Clans, den man Kappadozianer nannte; nach Kappadozius, einem der dreizehn Kindeskinder von Kain. Dass es andere wie ihn gab, hatte Jonathan ja ebenfalls bereits gestern erzählt, und er hatte sie auch da Kainiten genannt. Also stimmte wohl die Geschichte über Kain als den ersten dieser neuen Gattung lebender Leichen. Und er, Remy, war nun ein Kind in einem Clan dieser Gattung. Auch der Hinweis, dass er nur als Kind betrachtet werden würde, bis er freigesprochen wurde, ergab Sinn; letztendlich mussten alle Kinder heranwachsen und erzogen werden, bis sie ihre eigenen Wege gehen konnten.

Erst dann begriff Remy, wieso Jonathan diesen Punkt so sehr hervorhob. Er würde für alle seine Taten die Verantwortung tragen müssen. Das bedeutete dann wohl auch, dass für jegliche Fehler von ihm, Jonathan zur Rechenschaft gezogen werden würde. Dieser Gedanke wirkte auf Remy im ersten Augenblick noch befremdlich. Er würde mit Jonathan darüber genauer reden müssen. Doch nahm er sich im selben Moment vor, Jonathan keine Schande zu bereiten; der alte Mann sollte keinen Grund haben, seine Entscheidung zu bereuen.

Nur einen Augenblick später brach das Inferno der Geräusche los, und über all dem donnerte Jonathans Stimme. Remy presste sofort die Hände auf die Ohren, und doch half es kaum, so sehr er sich auch wünschte, diese übersteigerte Sinneswahrnehmung dämpfen zu können.

Dann begriff er. Dies war sein erster Test, wahrscheinlich der erste von vielen. Jonathan wollte wohl sehen, wie gut er das bisher Gesagte verstanden hatte. Vielleicht stand auch noch mehr auf dem Spiel. Wenn Jonathan ihm dieses neue Leben geschenkt hatte, so würde er es ihm sicher auch wieder nehmen können. War dies die Prüfung, ob er es wirklich wert war?

Er nahm die Hände wieder von den Ohren und richtete sich langsam im Steinsarg auf. "Ich bin Remy" verkündete er im Sitzen in das Dunkel hinein, wo er Jonathans Gegenwart zu spüren glaubte, "ein Kind des Clans der Kappadozianer. Mein Platz ist bei euch, Jonathan, oder dort, wo ihr es mir sagt, an eurer Seite oder zu euren Füssen. Ich bin euer Kind, und ihr seid mein ... mein ..."

An diesem Moment stockte er kurz. Wie sollte er den alten Mann nennen? Meister? Herr? " ... mein Vater?" versuchte er es mit fragender Stimme.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 13, 2009, 16:22:12
"... Erzeuger," beendete Jonathan den Satz.
"Doch du sollst mich Bruder nennen, so wie ich dich Bruder nenne."
Seine Sprache war wieder auf die normale, leise Lautstärke gesunken, seit Remy sich dies gewünscht hatte.
Jonathan nickte.
Es war dunkel, nur ein wenig Mondlicht konnte sich durch die zugezogenen Vorhänge stehlen.
Remy bemerkte erst jetzt, daß er wohl gewaschen worden war, zeitgleich zog es unangenehm in seinem Arm, der immernoch den kreuzförmigen Schnitt aufwies. Die Wunde war wie frisch, kein bischen verheilt.
Ihm wurde seine alte Kleidung gereicht.
Jonathan entzündete eine Kerze, die Remy instinktiv ein wenig zurückweichen ließ.
 
Seine Haut war blasser geworden, beinahe wächsern. Er spürte in sich eine neue Widerstandsfähigkeit, obwohl sich sein Körper augenscheinlich nicht verändert hatte. Seine wenigen Muskeln hatten sich... gehärtet, wie Eisen im Feuer zu Stahl wurde.
Von seiner Umgebung konnte er nicht viel erkennen, dennoch bemerkte er, daß sie sich in einer Kammer zu befanden, die nur wenig Platz neben dem Sarkopharg bot. Die Wände waren schmucklos und kein anderes Inventar befand sich darin.

"Du mußt nun schnell deine Stärken und Schwächen begreifen, Remy," fuhr Jonathan fort, "beides liegt dir nun im Blute."
Sein neuer Vater schwieg einen Moment, schien nachzudenken wie er fortfahren sollte:
"Nun... das was dir die Macht gibt, die Sinne zu erweitern, nennen wir: Die Disziplin des Sehens. In Zukunft wirst du fähig sein, Motive anderer zu durchschauen und sogar..."
"...ihre Gedanken zu lesen."
Remy hörte die letzten Worte, ohne daß Jonathan die Lippen bewegt hatte. Er sprach in seinen Gedanken, ganz ohne Vorwarnung, ohne daß er sich hatte wehren können. Er konnte nicht umhin, sich wie ein offenes Buch zu fühlen.
So schnell wie es gekommen war, war es wieder verflogen, und Jonathan bewegte wieder seinen Mund, als er weitersprach: "Es ist eine gefährliche Waffe. Nimm dich genauso sehr davor in Acht, sie zu benutzen, wie ihr Opfer zu werden, denn auch andere Clans beherrschen sie.
Jedem Clan liegen drei verschiedene Disziplinen im Blut."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 13, 2009, 17:47:13
Remy nickte und kletterte aus dem Sarkopharg, um sich zu betrachten. Als die Kerze vor ihm aufflammte, keimte in ihm eine Sekunde lang ein bisher ungeahnter Schrecken. Warum hatte er vor der kleinen Flamme plötzlich Angst, wo er doch jahrelang mit seiner eigenen Kerze seine nächtlichen Lesestunden abgehalten hatte?

Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit erneut auf seinen Körper. Die fahle Blässe, wie er sie auch bei Jonathan bemerkt hatte, war nun auch in seinen Leib gefahren. Ja, nun war er wirklich ein wandelnder Toter. Das Gefühl der Wunde an seinem Arm irritierte ihn, doch sein ganzer Körper fühlte sich so verändert an, obgleich er doch bis auf diese Leichanfarbe so wie vorher wirkte.

Schnell kleidete Remy sich in seine Kutte, während er den Worten Jonathans lauschte. Er sprach über Disziplin ... nein, über Disziplinen. So wie er es verstand, waren dies die Dinge, die er dank seines neuen Erbes zu tun vermochte. Gaben, die er im Blut hatte. Und andere Kainiten ebenfalls. Als Jonathan während der Erklärung in seinen Kopf eindrang, fühlte er sich plötzlich ausgeliefert und wehrlos. Deutlich spürte er den kalten Geist seines Erzeugers und instinktiv kämpfte er gegen dieses Gefühl, ohne recht zu wissen wie. Dann war Jonathan wieder aus seinen Gedanken verschwunden und die anschließende Warnung verfehlte ihre Wirkung nicht. Remy würde auf jeden Fall in Erfahrung bringen müssen, wie er sich vor diesen Übergriffen schützte.

"Jonathan, ihr spracht von drei Gaben in meinem Blut. Wenn die Disziplin des Sehens die erste davon ist, was sind die anderen? Und sagt mir, wenn man diese Gabe als Waffe benutzen kann, gibt es dann keinen Schutz davor?" Der Gedanke, seinen Geist als Waffe oder Schutz benutzen zu können, faszinierte Remy sofort. Der Anblick der flackernden Kerze hingegen verschaffte ihm eine innere Unruhe. Unwillkürlich bewegte er sich noch weiter von ihr weg. Eine Vermutung bildete sich in seinem Kopf und daher fragte er weiter.

"Ihr erwähntet auch Schwächen, nicht nur Stärken. Welche sind das? Und sind es dieselben wie die der anderen Clans? Nach eurer Aussage müsste es ja noch zwölf weitere Familien an Kainiten geben. Wer sind sie? Und werden wir sie aufsuchen, wo ihr mich doch so eindringlich vor ihnen warnt?"

Ja, der Neugeborene hatte viele Fragen und der Tod hatte seinen Wissensdurst nicht geschmälert.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 15, 2009, 19:56:16
--- sechs Tage später ---

"... und deshalb ist der erste Schritt des Todes: Das Sterben," schloß Jonathan zusammenfassend.

Remy hatte die letzte Woche gelebt wie ein Griechischer Philosoph. Viel hatte er mit Jonathan besprochen, und je mehr Antworten er bekommen hatte, umso mehr Fragen hatten sich aufgetan, bis sie oftmals über Wissen hinaus in die Theologie und Philosophie abgedriftet waren.
Jonathan machte seinem Clan alle Ehre. Er war ein wahrer Wissenschaftler seiner Zeiten im Bereich der Vergänglichkeit und des letzen Gangs. Stehts ging er alle Fragen fromm und ohne Vorurteil an, fand den Herrn in allem wieder.

Auch über seinen neuen Zustand hatte Remy einiges gelernt, besonders über den inneren Konflikt, den er von nun an auszutragen hatte - gegen das sogenannte Tier, das Monster, das nun ein Teil von ihm war.
Es fürchtete das Feuer und die Sonne - zu recht, konnte dies in doch entgültig vernichten.
Jonathan hatte ihm anbei noch eine weitere Dizsiplin ihres Clans gezeigt: Die Stärke der Seele, die zumindest ein wenig den vernichtenden Naturgewalten - Feuer und Licht - entgegenwirken konnte. Sie war der Schlüssel zu einem langen Überleben.
Es gab wenig, mit dem man sich gegen geistige Beeinflussungen wehren konnte: Nur schiere Willenskraft und ein fester Glaube.

Das Tier barg noch mehr Geheimnisse in sich: Es stachelte die Gier nach Blut in ihm an, die ihn, wie er schon selbst erfahren hatte, in eine Raserei versetzen konnte, die auch im nächtlichen Leben sein überlegendes moralisches Ich außer Kraft setzen konnte.
Remy lernte, daß er fest auf den wegen des Herrn wandeln mußte, um nicht der ewigen Raserei anheim zu fallen, der viele Kainiten im Laufe der Jahrhunderte zum Opfer gefallen waren, verführt von ihrem eigenen inneren Bösen.

Überhaupt war Blut - Vitae genannt - die Quelle all seiner Kräfte. Es erlaubte ihm sich des Nachts erheben, sogar seine Wunden zu heilen. Es war ein künstliches Leben, über das er in seinem Körper die Kontrolle hatte, wie es ihm beliebte. Einmal hatte er die Wunde an seinem Arm geheilt, doch hatte er lernen müssen, daß er jede Nacht im Zustand seines Todesmomentes erwachte.
Trotz dieser Kräfte gestaltete sich ihr Alltag nicht einfach. Jonathan hatte oft Hungern müssen, doch dank den Rittern des Herrn, die zur Zeit auf der Burg gastierten, mangelte es ihnen an nichts, denn es wurde von den Herren zu fast jeder Mahlzeit Fleisch verlangt. Sie nährten sich von den Tieren, denn die Ställe platzen aus allen Nähten. Ihr Blut schmeckte unangenehm. Jonathan hatte Jahre auf den Genuß von Menschenblut verzichtet. Erst Guillaume hatte ihm die Möglichkeit geboten, das Kräftigende und zugleich Tier-beruhigende zu sich zu nehmen.
Zur Zeit war es einfach zu gefährlich "auf die Jagd zu gehen", wie man es bezeichnete, von unbekannten Menschen zu trinken. Genauer war der bloße Aufenthalt in der Burg reiner Wahnsinn. Remy erfuhr, daß die Inquistoren in den goldenen Rüstungen vom Glauben beseelt waren, der für ihn genauso gefährlich und vernichtend war wie Feuer - und sie wußten um die Existenz der Kainskinder.
Heilige Orte waren ihm nun verwehrt. Doch nicht jede Kirche, die so bezeichnet wurde, war ein wahres Haus des Herrn, nicht jeder Bischof un die tieferen Geheimnisse des Glaubens eingeweiht, was ihm ein wenig Trost spenden konnte. Eine einfache Kirche würde er immernoch betreten können.


"Nun Remy, genug der Theorie,"sagte Jonathan, "jetzt kommen wir zur Praxis. Die Königsdisziplin unseres Clans: Mortis. Aus Neugier entstand sie, doch birgt sie eine Macht, die nur unserer Familie zu eigen ist, zeige sie niemanden, der nicht einer von uns ist."

Blut ist dicker als Wasser.
Die Kainiten nahmen es mit der Famile sehr genau. Er selbst hatte das Glück, einem der sechs Hohen Clans anzugehörten, was ihm von vornrherein etwas Respekt sicherte. Er hatte sogar das Recht auf die niederen Clans herunterzuschauen.
Jeder Clan wurde von einem einzigartigem gemeinsamen Fluch verbunden, den einst ihr Clansgrüder auf sich gezogen hatte. Ihrer war das leichenhafte aussehen, saß andere abschreckte oder erschütterte, doch zumindest arwöhnisch werden ließ. Doch gab es auch andere Clans wie die Nosferatu, die allesamt hässlicher als die Nacht waren.
Weiteres, hatte Jonathan im zugesichert, würde er ihm auf der Reise nach Osten erklären, wo er bei einem alten Freund Zuflucht vor der Inquisition suchen wollte. Er war ein mächtiger Ahn der Tzimisce (ebenfalls ein hoher Clan), der sich auf überragendes Verständnis der Anatomie verfügte, wie die meisten Mitglieder seiner Familie. Er legte viel Wert auf Etikette, und beherrschte die Menschen mit eiserner Hand. Remy erfuhr, daß ganz Osteuropa in der Hand des Clans der Former war, ja sogar die Burg, in der sie sich befanden. Jonathan und er waren lediglich Gäste in diesem Land.
Das angestammte Land seines Clans war weiterhin Kappadozien.
Morgen Nacht wollten sie aufbrechen. Jonathan hatte von Bruder Herold erfahren, daß sich die Ritter des Herrn aufgemacht hatten, das Umland zu "säubern". Der perfekte Zeitpunkt. Die Kammer war nahezu leer. Alle Besitztümer waren in Kisten verstaut, die sie später herunterschaffen wollten. Viele Bücher mußte Jonathan zurücklassen, sie hatte er sich aus der Bibliothek "geliehen" und wollte sie nicht aus der Burg entweden, weshalb er sie Stück für Stück zurück in die Bibliothek zurückgebracht hatte.


"Verfall ist die erste Folge von Tod, und um den Tod zu meistern, muß man erst seine Maske erlernen." Mit diesen Worten streckte sich Jonathan auf seinem Sessel, lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Nach einem Moment der Stille kam etwas in Gang, das Remy am eigenen Leib erlebt hatte: Jonathan verwandelte sich in eine Leiche, starr wie ein Brett. Es sah täuschend echt aus. Über seinen Augen bildete sich ein weißer Film. In der Position in der er soch befand, aufrecht sitzend und zurückgelehnt erstarrte er förmlich zur Salzsäule.
Kurz darauf verlief der ganze Vorgang rückwärts und Jonathan nahm sein ursprüngliches Aussehen wieder an.
"So Remy, nun bist du an der Reihe.
Konzentriere dich auf das Leben in dir, und ziehe es nach innen zu dir. Sammle es. Benutze die Vitae dazu. Lenke sie."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am Juli 16, 2009, 02:21:57
Wie viel sich doch in sechs Tagen ändern konnte. Nein, wie viel sich in nur einer Nacht, einer einzigen Stunde ändern konnte! Für einen Teil von Remy war es noch immer ein grauenvolles Wunder, das ihn in seinem eigentlich toten Leib und dem entsprechenden leichenhaften Aussehen umherwandeln lies. Es war derselbe Teil, der sich nach der warmen Berührung der Sonne sehnte - und der kleinere Teil seines neuen Wesens.

Dann gab es da noch das Tier, über das Remy genug erfahren hatte, um zu wissen, dass es seine fortdauernde Existenz um jeden Preis sichern würde, dass dieser Preis aber nicht unbeträchtlich war, denn er musste mit dem Blut anderer Wesen gezahlt werden. Und mit den Stücken seiner eigenen Seele, wenn er sich vom Weg des Herrn entfernte. Daher achtete Remy noch immer seine Gebete, vielleicht sogar noch mehr als zuvor, nun da er des Tages ruhte und nicht länger alle Stundengebete einzuhalten vermochte.

Der größte Teil seines Wesens, der ihn wissensdurstig in den vergangenen Nächten an Jonathans untoten Lippen kleben und jedes seiner Worte in sich aufgesaugen lassen hatte, führte ihn nun durch seine Nächte und durch dieselbe alte Welt, die er mit neuen Augen zu sehen begonnen hatte. Überhaupt waren Remys Nächte voll des Lernens, über sich, seine Art, seinen Clan und die Gefahren, die ihm drohten, vom Tier im Inneren und von den Feinden von außen.

Auch die Ritter des Heiligen Stuhls gehörten nun zu seinen Feinden. Remy hatte nach dieser Offenbarung darüber nachdenken müssen, wie sehr sie dies schon vor seiner Verwandlung gewesen waren, und die Begegnung mit dem Großinquisitor stand ihm noch all zu deutlich vor Augen. Dennoch kam er nicht umhin, ihre Gedanken auf einer gewissen Ebene nachzuvollziehen. Das Tier forderte das Blut der Lebenden, und Jonathan hatte ihm deutlich vor Augen geführt, dass es sehr viel Kraft erforderte, dem Tier zu widerstehen. Er hatte ebenfalls verdeutlicht, dass manche Vampire diese innere Stärke nicht hatten. So bedauerlich es war, doch diese Kainskinder konnten dann wirklich eine Gefahr für die Menschen werden. Dass die Inquisitoren sie deswegen jagten, war Remy durchaus begreiflich. Doch zeitgleich wusste er auch um die geistige Beschränkung dieser Männer, denn sie urteilten, ohne alle Fakten zu kennen, so wie bei dem Zwischenfall mit dem Kainskind und der Reliquie des Bartholomäus. Doch waren sie gleichermassen eine Gefahr für die Menschen, wenn sie nicht instande waren zu unterscheiden, welcher Vampir wirklich gefährlich war und welcher nicht. Hierbei dachte er vornehmlich an Jonathan, der ja auf dem Weg des Herrn ging, und dessen Beispiel er diesbezüglich zu folgen gedachte.

Ja, die Welt war gefährlich, und für ein Kainskind schien sie ungleich gefährlicher zu sein. Remy war daher froh, dass er in Jonathans Obhut lernen konnte und keiner der Gefahren bislang selbst begegnet war. Überhaupt hatte er sich in den vergangenen Nächten seinem Erzeuger sehr angenähert, wagte es sogar schon ihn vertraut anzusprechen, solang sie allein waren. Und der alte Vampir hatte sein Versprechen gehalten, er hatte ihm Geheimnisse und Wunder gezeigt, die ihn auf den Weg der Erkenntnis bringen sollten. Wo seine Stärken lagen. Was das Vermächtnis seines Blutes war. Wie er seinen Leib heilte und ihn unempfindlich gegen Schaden machte.
Remy erwachte nun immer mit dem kreuzförmigen Schnitt im Arm, der ihm seinen Tod gebracht hatte. Doch nahm er sich nicht jede Nacht die Zeit ihn zu heilen. Stattdessen wickelte er sich ein Stück Leinen darum und verknotete es so, dass es an Ort und Stelle blieb. Die Wunde blutete zwar nicht, doch verhinderte dieser Verband zumindest, dass der Stoff seiner Kutte an der Wunde rieb. Besonders wenn Remy die Gabe des Sehens einsetzte, war dieses Gefühl sehr irritierend gewesen. So war es zumindest etwas abgeschwächt.

Worin Jonathan ihn diese Nacht unterwies, schien der vielversprechende Anfang jener Lehre zu sein, die ihn den Antworten um Ortrud und ihre Erlösung näherbrachte. Mortis hatte er es genannt, eine Gabe die nur seinem Clan zu eigen war. Aufmerksam beobachtete er, wie Jonathan vor seinen Augen die Maske des Todes anlegte. Als dann die Ankündigung seines Erzeugers kam, lauschte er dessen Erklärungen genau. Dann begab er sich in eine entsprechende Haltung und konzentrierte sich.

Zieh das Leben nach innen, zieh es in dich hinein. Benutze die Vitae.

Er konnte förmlich spüren, wie das Blut in ihm seinem Willen folgte, hinausgriff in alle Winkel seines Körpers und dann in seine Mitte zurückfloss, dabei jegliche Form von Leben und Gefühl mit sich nehmend. Es fühlte sich dabei an, als würde er einen Teil von sich aufgeben, die äußerste Schicht seines untoten Körpers bewusst aufgeben, um seine Essenz in seiner Mitte zu sammeln.


Er konnte es spüren, wie seine Haut sich blutleer über seinem Schädel straffte, wie sein Körper ausgezehrt wurde von diesem Zustand des Verfalls. Er merkte, wie die Muskeln schwanden und das fetthaltige Gewebe seiner Lippen sich leerte, sich zurückzog und sein trockenes Zahnfleisch und seine Zähne enthüllte. Die Wangen fielen ein und wurden faltig, ebenso wie sein Hals. Die Augen traten so tief in ihre Höhlen zurück, dass diese fast ganz leer wirkten. Deutlich traten Handgelenke und Fingerknochen hervor, was seine Hände noch mehr als sonst wie langbeinige fleckige Spinnen aussehen liess. Der milchige Schimmer senkte sich nun auch über seine Augen und letztendlich ruhten all seine Bewegungen, als er in seiner gewählten Haltung verharrte. Er hatte erfolgreich das Aussehen einer mehrere Tage alten Leiche angenommen.
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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am Juli 16, 2009, 20:16:16
"Wunderbar, Re...." Jonathan hielt inne.
Entsetzen trat auf sein Gesicht. Er legt den Zeigefinger auf die Lippen und lauschte.
Jetzt hörte Remy es auch: Klirren von Waffen, Kettenhemnden und schwere Schritte.
Jonathan bleckte die Zähne. "Sie werden es nicht wagen..." murmelte er vor sich hin.
"Remy, steh auf! Beeil dich!" zischte er leise. Er packte Remy am Arm und wider erwarten brach er ihm nicht die Knochen, sondern er konnte sich tatsächlich bewegen. Langsam und mühevoll, aber es ging.
Jonathan zog ihn auf die letzte leere Kiste zu.
"Da hinein!"
Schnell griff er in seine Kutte und holte ein kleines graues Büchlein heraus: sein Tagebuch.
Er presste es hastig in Remys starre Finger und drängte ihn weiter.
Der Alte legte den Kistendeckel auf, als sich Remy mühsam hineingezwängt hatte und den Kopf einzog, wie eine Schnecke in ihr Haus. Die kleine Kerze wurde gelöscht.

Schon wieder war er eine Leiche in einer Kiste.

Die Schritte hatten sich inzwischen der Tür genähert und davor Stellung bezogen. Dank Auspex - der offizielle Name für die Kraft des Sehens -  konnte er hören wie sich das Leder eines Handschuhs quietschend an eine neue Handhaltung anpasste.
"Befreie dich nicht aus deinem Zustand, Remy. Sie könnten es spüren...," hörte er Jonathans Stimme hecktisch in seinem Kopf.

Dann Klopfte es. Drei mal.

"Öffnet die Tür, Jonathan von Sternberg! Wir wissen, daß ihr da drin seid!" dröhnte es durch die schwere Holztür.
Remy hörte die festen, beinahe wütenden Schritte Jonathans, die sich zur Tür bewegten, ohne inne zu halten.
"Wer wagt es, meine Nachtruhe zu stören?" rief er zurück, und öffnete die Tür nur einen Spalt.
"Xavier y Aragon, ist mein Name," kam die Antwort schon etwas freundlicher, mit deutlich spanischem Akzent.
"Ihr werdet mich begleiten müssen. Es liegt eine Anklage gegen euch vor: Sodomie. Man hat euch des nachts im Stall beobachtet." Er konnte das Atmen von sieben Männern identifizieren.

Wieder hörte er Jonathans lautlose Stimme: "Ich werde mit ihnen gehen. Wenn wir fort sind, benutze die Vitae um die Maske abzulegen, und flieh die Treppe hinunter bis zu ihrem Ende."

Remy hörte wie Jonathan die Augenbrauen hochzog: "Wer behauptet das?"
"Ein Mönch dieses Klosters," war die unzureichende Antwort.

"Triff dort Krak, den Fürsten dieses Landes und bitte ihn, dich aufzunehmen," ging es in seinem Kopf weiter.

"Ich werde euch begleiten," antwortete sein Erzeuger, "Gott weiß, daß ich unschuldig bin."

Jonathan mußte eine unglaubliche Konzentrationsfähigkeit haben, denn gleichzeitig hörte Remy:"Ich komme zurecht. In ein paar Tagen hole ich dich ab. Sie dürfen nicht erfahren, daß du noch am Leben bist."

Ohne die Tür weiter zu öffnen schlüpfte Jonathan hinaus. Seine leichten Schritte gingen zwischen den Gepanzerten unter. Sie nahmen den öffentlichen Weg nach unten, den sie auch schon des öfteren des Nachts schleichend benutzt hatten.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Aphiel am August 13, 2009, 12:59:03
Still hatte Remy alles mit angehört. Er blieb noch einige Minuten länger in der Kiste, bis er sich dank seiner Auspexgabe sicher sein konnte, das kein menschliches Wesen mehr in der unmittelbaren Umgebung seines Verstecks war. Erst dann machte er sich mit Mühe daran, den Deckel anzuheben und sich aus seinem unfreiwilligen Gefängnis zu befreien. Danach machte er sich sofort daran seine wenige Habe, die schon in seiner Umhängetasche bereit lag, zu greifen und sich auf den ihm angegebenen Weg die Treppe hinunter zu machen.

Innerlich entrüstete er sich derweil über jene haltlose Anschuldigung. Einem Angehörigen der Kirche ein so verdammenswertes Verbrechen wie Sodomie zu unterstellen war schon sehr gewagt. Andererseits aber war dies wohl die einzig sinnvolle Erklärung für einen sterblichen Beobachter, der nichts vom Blutdurst der Kainskinder wusste. Und wenn die Ausflüge von Jonathan in den Stall wirklich jemandem aufgefallen waren, dann würde er schon ein kleines Wunder brauchen um den Inquisitoren seine Anwesenheit dort zu erklären, ohne dabei sein Geheimnis zu enthüllen. Aber der Herr würde einen so treuen Diener wie Jonathan, vom Kainsmal gezeichnet oder nicht, gewiss nicht in der Not verlassen. Doch nahmen nicht auch die Inquisitoren Gottes Beistand in Anspruch? Welche der beiden Seiten würde wohl letztendlich die Hilfe des Allmächtigen erhalten? Es war eine interessante Frage, und nur zu gern hätte Remy sie mit Jonathan diskutiert, doch der war nun in den Händen der Inquisitoren.

An den Namen hatte Remy sich sofort erinnert. Es war der schweigsame Spanier, der ebenfalls damals in seiner Zelle gewesen war. Der, der sehen konnte, ob man die ganze Wahrheit sprach oder nicht. Stumm sandte Remy ein Fürbittgebet für das Heil Jonathans gen Himmel. Dann atmete er unter Anstrengung ein und seufzte, während er langsam seinen Weg die Treppen hinab fortsetzte.

Unter der Kutte umklammerten nun seine dürren Finger die Umrisse zweier Tagebücher. Eines davon war sein eigenes, das in den vergangenen Nächten mit mehr Wissen gefüllt worden war, als in den ganzen Jahren zuvor. Es waren darin jetzt nur noch zwei Seiten unbeschrieben, er würde also bald ein neues brauchen. Das andere Buch war das von Jonathan. Er würde es nicht aus der Hand geben, es sei denn, sein Eigentümer kam zu ihm und verlangte es zurück. Was darin für Schätze enthalten sein mochten, konnte Remy nur ahnen.

Schließlich, nach schier unendlich langer Zeit hatte er den Fuß der Treppe erreicht. Hier unten sollte nun also der Fürst dieses Landes sein? Remy nahm sich die Zeit zu lauschen, was ihn in den Gewölben voraus erwarten mochte.

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Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Remy le Duc
Beitrag von: Wuschel am August 13, 2009, 16:40:15
Je weiter Remy nach unten stieg, desto mehr durchdrang feuchter eisenhaltiger Geruch die Luft.
Er kam nur langsam voran, Stufe für Stufe. Er passierte die Ausgänge, die er zuvor genommen hatte, um nach oben zu kommen. Da war er noch ein anderer gewesen. Es war erst wenige Tage her.
Je weiter er hinabstieg, desto dunkler wurde es. Remy mußte sich aber nicht mehr auf seine Augen verlassen, um sich zurecht zu finden. Der Blutgeruch wurde stärker, und er spürte unter seinen Fingern die Form des behauenen Kalksteines, in den die Wand übergegeangen war.
Abrupt endete die Treppe. Die letzte Stufe endete an einer Wand. Es war stockdunkel.
Remy tastete sich an der Wand entlang und fand eine enge Nische, aus der der Blutgeruch hinausgeweht wurde.
Ihm blieb nicht anderes, als voranzuschreiten und sich hindurch zupressen...

Remys Geschichte geht weiter in Der Höhle des Drachen (http://www.pen-paper.at/community/index/topic,1247.msg42496.html#msg42496).


Titel: Charakterbogen Remy le Duc (Vampir)
Beitrag von: Aphiel am August 13, 2009, 19:13:17
CHARAKTERBOGEN

Remy le Duc

Zitat: "Wo der Herr wandelt, da bleiben Spuren; und wo Er spricht, da schweigt alle Welt still."

Geschlecht: männlich
Alter: 18 Jahre
Sieht aus wie: 18 Jahre
Geburtsdatum: 17.7.1185
Todestag: 10.5.1204
Haarfarbe: schwarz
Augenfarbe: grau-braun
Hautfarbe: weiss (leichenhaft)
Nationalität: Königreich Frankreich
Größe: 1,70 m
Gewicht: 53 kg

Äußerliche Beschreibung / Erster Eindruck:
Remy hatte augenscheinlich sein sterbliches Leben dem Glauben gewidmet: seinen Kopf ziert die Tonsur eines Benediktinermönches und er kleidet sich auch noch in die entsprechende Ordenskutte. Auch als Kainskind folgt er diesem Lebensweg unbeirrt. Er ist von großem Wuchs, hat aber einen eher hageren Körperbau und wirkt dadurch schwächlicher als er ist. Sein Gesicht ist glatt rasiert, seine Nase ist schmal und gerade, sein Kinn kantig und seine Augenbrauen dünn. Auffällig hingegen ist die unabänderliche Leichenblässe, die er als Mitglied des Clans des Todes mit seinen untoten Geschwistern gemein hat. Er wirkt eher verschlossen und in sich gekehrt und kneift des öfteren die erstaunlich lebhaften Augen zusammen. Sollte man aber das richtige Thema ansprechen, kann Frère Remy in einer Diskussion durchaus argumentativ und verbal mithalten; er kann dies fliessend in mehr als nur einer Sprache.


Wesen: Wissenschaftler
Verhalten: Konformist
Clan: Kappadozianer
Schwäche: Leichenblässe (+1 auf soziale Mindestwürfe)
Generation: 8
XP gesamt: 6
XP verwendet: 0


ATTRIBUTE
KörperlichGesellschaftlichGeistig
Körperkraft: **              Charisma: **               Wahrnehmung: **** (sorgsam)
Geschick: **              Manipulation: ***            Intelligenz: ***            
Widerstandskraft:     **** (zäh)    Erscheinungsbild:     *               Geistesschärfe:       **** (Motive erkennen)


FÄHIGKEITEN
TalenteFertigkeitenKenntnisse
Aufmerksamkeit:         **               Heimlichkeit:           **               Akademisches Wissen - Trivium:       *            
Ausflüchte:     *               Kräuterkunde:   *              Akademisches Wissen - Quadrivium:     *            
Ausweichen:     *               Reiten:         *               Folklore:       *              
Empathie:       ***             Überleben:       *               Linguistik:     ***            
Handgemenge:     *                                               Medizin:         **              
                                                                Nachforschungen: **              
                                                                Okkultismus:     *              
                                                                Theologie:     **×            


VORTEILE
DisziplinenHintergrundTugenden
Auspex:                 **                    Mentor: **            Gewissen: ***            
Seelenstärke:   *               Kontakte: **        Selbstbeherrschung:   ***            
Mortis:       *              Ressourcen:         *            Mut ****            
                           Generation:             ****                          



SONSTIGES
Andere Eigenschaften:Sprachen:Vorzüge:Schwächen:
Kalligraphie:     *              Französisch (Muttersprache)      Eidetisches Gedächtnis       Fluch
Kryptologie:     **             LateinKonzentrationGeistesstörung
Philosophie:     *              AltgriechischEinklang mit dem HimmelDauerhafte Wunde (1T)
Thanatologie:     *              GermanischBesonderes GeschenkTotgeglaubt
Vampirkunde:   *              EnglischNeugier
Beuteausschluss (Kinder)


Pfad der Erleuchtung: Via Caeli ***** *
Aura (Mod): Gläubiger (+- 0)

Willenskraft: 5
   aktuell:       ***
Blutvorrat: 15
   aktuell:       ***** ***



Ausrüstung:
die Kutte der Benediktiner, wärmeres Schuhwerk für den Winter, Sandalen für den Sommer, eine Umhängetasche, beinhaltend: eine Schreibfeder, ein gut verschlossenes Tintenfäßchen, eine Kerze, eine lederne Dokumentenröhre mit einigen Bögen Pergament darin, sein Gebetsbüchlein, sein Tagebuch und eine Wasserflasche

besondere Besitztümer:
Jonathans Tagebuch



Persönliche Geschichte:
Remy le Duc war der erstgeborene Sohn des Chevalier Antoine le Duc, einem niederen Adligen und Landbesitzer aus der Gegend von Orleans, und seiner Frau Madeleine. Remy hat einen Zwillingsbruder, Henri, und eine um sechs Jahre jüngere Schwester, Clarisse.

Remy starb in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai im Jahre des Herrn 1204 und wurde noch vor Sonnenaufgang als Kind des Vampirs Jonathan von Sternberg wiedergeboren. Er ist nun ein Mitglied des Clans der Kappadozianer in der 8. Generation.
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