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World of Darkness => Dreizehn => Thema gestartet von: Vomo am September 04, 2008, 08:36:37



Titel: [Background] Der Kreis des höheren Bewusstseins
Beitrag von: Vomo am September 04, 2008, 08:36:37
Hier, am Beginn der Geschichte, steht sich der ursprüngliche Charakterbogen von Barnuta. Der aktuelle Charakterbogen findet sich hier (http://www.pen-paper.at/community/index/topic,846.msg46461.html#msg46461).



Barnuta

Zitat:
"Nur weil Ihr eine Waffe in der Hand haltet, wird das, was Ihr diesem armen Mann gegenüber behauptet, nicht zur Wahrheit."

Geschlecht:männlich
Alter:35 Jahre
Sieht aus wie:35 Jahre
Geburtsdatum:Rudens saulėgrįža 1168
Todestag:-
Haarfarbe:weiß-blond
Augenfarbe:blau
Hautfarbe:weiß
Nationalität:Westslawe
Größe:1,80 m
Gewicht:68 kg

Äußerliche Beschreibung / Erster Eindruck:

Obwohl der Westslawe mit seinem weißblonden Haar und den blauen Augen recht groß gewachsen ist, hat sein Gesicht keine offensichtlichen Auffälligkeiten, welche ihn aus der Masse hervorheben würden. Ein "Allerwelts-Gesicht" könnte man sagen, dass man sehr schnell wieder vergisst. Das lange Haar, welches ihm bis zu den Schulterblättern fällt, ist im Nacken zu einem Zopf geflochten, während es vorne ihm fast bis zu den Augen über die Stirn hängt. Das schmale, fast spitz zulaufende Kinn ist mit einem dicht wachsenden Vollbart versehen, welcher jedoch recht kurz geschoren ist und einen gepflegten Eindruck macht. Die Augen sind nicht zuletzt wegen ihrer auffälligen Farbe das, was ein Gegenüber als erstes an ihm wahrnimmt. Meist schauen sie ernst und wenn man sie lange genug betrachten kann, entdeckt man in ihnen eine tiefe, unergründliche Traurigkeit.

Von der Statur her ist er schlank und sehnig und man könnte ihn ob seiner Körpergröße fast für schlaksig halten, wenn man nicht erlebt hat, mit welcher katzengleichen Gewandtheit er sich bewegen kann.

Fremden gegenüber ist er sehr zurückhaltend, doch wer in seiner Wahl erprobt ist, hat in ihm einen treuen Freund, der bis in den Tod gehen würde. Und so wortkarg er sich auch im täglichen Leben geben mag, ist es für ihn kein Problem die richtigen Worte zu finden, wenn es gilt eine Ungerechtigkeit zur Sprache zu bringen - gleich für wen er sich dabei einsetzt.


Wesen:Verteidiger
Verhalten:Helfer
Clan:-
Schwäche:-
Generation:-
XP:0


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ATTRIBUTE
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Körperlich
Gesellschaftlich
Geistig
Körperkraft:●●○○○Charisma:●●○○○Wahrnehmung:●●●○○
Geschick:●●●●○Manipulation:●●○○○Intelligenz:●●●○○
Widerstandskraft:●●○○○Erscheinungsbild:●●○○○Geistesschärfe:●●●○○
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FÄHIGKEITEN
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Talente
Fertigkeiten
Kenntnisse
Aufmerksamkeit:●●●○○Bogenschießen:●○○○○Akademisches Wissen - Trivium:●●○○○
Ausdruck:●○○○○Etikette:●○○○○Folklore:●○○○○
Ausweichen:●●○○○Heimlichkeit:●●○○○Gesetzeskenntnis:●○○○○
Empathie:●○○○○Nahkampf:●○○○○Linguistik:●●●○○
Handgemenge:●○○○○Reiten:●○○○○Medizin:●●○○○
Sportlichkeit:●○○○○Überleben:●○○○○Nachforschungen:●○○○○
Vortrag:●○○○○Theologie:●○○○○
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VORTEILE
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Disziplinen
Hintergrund
Tugenden
Kontakte:●○○○○Überzeugung:●●●○○
Mentor:●○○○○Selbstbeherrschung:●●●○○
Verbündete:●○○○○Mut●●●●○
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ZUSÄTZLICHES
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Andere Eigenschaften
Vorzüge
Schwächen
Beidhändigkeit (●)Dunkles Geheimnis (●)
Einklang mit dem Himmel (●)Feind (●●)
Konzentration (●)Bekennender Heide (●●●●)
Fotografisches Gedächtnis (●●)
Leichter Schlaf (●●)


Sprachen
Muttersprache:
  • Slawisch (Westslawisch / lechischer Zweig / polabischer Dialekt)
Fremdsprachen:
  • Germanisch
  • Latein
  • Hebräisch
  • Arabisch

Pfad der Menschlichkeit (Via Humanitatis): ●●●●● ●○○○○
Aura (Mod.): Verlorener (± 0)

Willenskraft: ●●●●● ○○○○○

Blutvorrat: ■■■■■ ■■■■■

Ausrüstung:

xxx

Persönliche Geschichte:

1168 gelingt es den Dänen unter König Waldemar I. und dem Roskilder Bischof Absalon unter dem Banner des Christentums die Tempelburg auf dem Kap Arkona zu erobern. Die auf der Insel Rügen ansässigen Slawen kapitulieren daraufhin.

Nur eine Minderheit beugt sich den neuen Herrschern und ihrer Religion nicht und befindet sich auf der Flucht. Darunter auch die Familie von Barnuta, welcher in diesen Wirren in der Abenddämmerung des slawischen Feiertags rudens saulėgrįža, dem Tag des herbstlichen Äquinoktiums, das schwindende Licht der Welt erblickt.

Seine Familie findet in der nördlichen Mark Brandenburg unter der Herrschaft von Otto I. eine neue Heimat und kann dort ihr Leben bestreiten und weiterhin ihren Glauben praktizieren.
Der junge Slawe lernt von seinem Vater die Praktiken der Jagd und des Kampfes. Auch wird er in der Religion der Slawen unterwiesen, doch zweifelt er an der Allmacht der Götter seiner Vorfahren. Wie konnte es beispielsweise Svantovit zulassen, dass die Dänen sein Heiligtum auf Arkona eroberten und zerstörten? Auch der Glaube der Christen, mit dem er durch die Freundschaft zu einem Nachbarsjungen in Kontakt kommt, spricht ihn nicht an. Zu widersprüchlich ist die Botschaft der Nächstenliebe gegenüber den mitunter gewaltsamen Methoden, mit denen sie den »Heiden« gebracht wird. Er weiß für sich sehr wohl, dass es eine Kraft geben muss, die diese Welt und was in ihr ist erschaffen hat – doch es ist für ihn völlig offen, ob irgendeine der ihm bekannten Religionen die Wahrheit für sich beanspruchen kann.

Nach dem Tode des Landesfürsten 1184 übernahm dessen Sohn Otto II. die Staatgewalt in der Mark und für die Slawen brach wieder eine harte Zeit an. Die Toleranz des Vaters ersetzte der neue Herrscher durch die Forderung, dass alle seine Untertanen den christlichen Glauben annehmen sollten. Wer sich dem nicht beugte, wurde von der christlichen Gemeinschaft gemieden. Barnutas Familie hatte darunter sehr zu leiden und es musste ein Weg gefunden werden, die erwirtschaften Erträge in Geld zu wandeln, um ihr Leben weiterhin bestreiten zu können.
So wurde der Sohn nach Arneburg geschickt, um die Feldfrüchte und den Honig auf einem Markt feilzubieten, wo ihn niemand kannte. Dort angekommen wurde er Zeuge der Willkür eines Adeligen, der einem alten Mann die Töpferwaren zerschlug. Es lag in der Natur des jungen Slawen, dieser Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten und so ergriff er furchtlos Partei für den alten Händler. Tragischerweise eskalierte die Situation und endete mit dem Tod des jungen Adligen.
Vom Fürsten der Stadt des Mordes beschuldigt, da dieser zufällig Augenzeuge des Todes seines Junkers wurde, blieb dem jungen Slawen keine andere Wahl als zu fliehen. Auf keinen Fall konnte er zurück zu seiner Familie, da er diese somit in Gefahr gebracht hätte. So zog er gen Süden und erreichte nach zwei Jahren des Versteckens die Stadt Akkon im »heiligen Land«.

Hier lernte er alsbald einen alten Mann namens Joel kennen, der sich seiner annahm und ihn in seinen Dienst stellte.
Doch die Zeiten waren unruhig und es zog der Schatten des dritten Kreuzzugs herauf. Es dauerte es nicht lange, bis die beiden Zeugen der Belagerung Akkons durch die Kreuzfahrer wurden. Barnuta gelang es immer wieder, die Stadt zu verlassen und sich in der 1190 gegründeten Hospitalgemeinschaft der Deutschen nützlich zu machen. Er tat dies nicht zuletzt, um auch Neuigkeiten aus der Heimat zu erfahren. Nach dem Ende der Belagerung wurde er, wenn es sein Dienst bei Joel zuließ und er in der Stadt weilte, zu einem dienstbaren Geist in dem Kreuzfahrerhospital.
Auf den vielen gemeinsamen Reisen, die er mit Joel in den darauf folgenden Jahren durch die Gebiete Palästinas und der arabischen Welt unternahm, lernte der nunmehr erwachsene Slawe die Sprachen der Region und führte angeregte Gespräche mit seinem Mentor über die Fragen des Glaubens. Aber auch diese Erörterungen erweiterten vor allem sein Wissen über die verschiedenen Religionen; eine Entscheidung, welche die wahre sei, konnte er für sich immer noch nicht treffen.

Es war im März 1198, als Barnuta wieder im Hospital tätig war und verwundert feststellte, dass sehr viele Besucher aus Deutschland angereist waren. Aus einem Gespräch zweier Gäste, welches er zufällig mithörte, entnahm er, dass die Hospitalgemeinschaft nunmehr in den Stand eines Ritterordens erhoben werden sollte. Seine Überraschung musste ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stehen, denn einer der beiden sprach ihn an, ob er vielleicht lausche. Doch dass wurde augenblicklich zur Nebensächlichkeit, denn der Mann war unverkennbar der Fürst von Arneburg! Und auch dieser schien mit dem Gesicht des Slawen etwas zu verbinden – nur was genau, dass war ihm in diesem Moment wohl selbst noch nicht klar. Unter einem Vorwand entfernte sich Barnuta, um alsbald sich bei Joel zu verabschieden und wieder abzutauchen.

Erneut auf der Flucht wandte sich der Slawe nach Norden und versuchte dort unterzutauchen, wo man als Slawe sich wohl am ehesten verstecken konnte – inmitten anderer Slawen.
So kam er bald in die Nähe der Stadt Krakau, wo er ein Jahr verbrachte, bis er dann in die Stadt zog. Hier lebt er nun seit drei Jahren und verdient sein Lebensunterhalt als Lehrer für die Kinder einer Kaufmannsfamilie.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am September 13, 2008, 18:26:58
Es war ein ganz normaler Tag. Genauer der erste Mai im Jahre des Hernn 1204. Barnuta erwachte vom Straßenlärm. Er schrak hoch. Welche Stunde hatte es geschlagen? Erleichtert stellte er im nächsten Moment fest: Er hatte heute frei.
Er entspannte sich, als ihm alles wieder einfiel. Eine Base mütterlicherseits des Familienoberhauptes Mariusz Pietrigaa war verstorben. So hatte die sechsköpfige Familie die Reise zum nicht allzu weit weg gelegenen Großbauernhof angetreten, und seine Dienste in dieser Zeit nicht für notwendig befunden.
Er hatte das Haus zu hüten, denn das Dienstmädchen mußte die Herrschaften natürlich auch in der Ferne umsorgen und schlief sogar im Kinderzimmer, falls die lieben kleinen Sorgen haben sollten. Wenigstens schrie der einjährige dann nicht dauernd wie am Spieß in der Nacht.
Er selbst hatte es da schon etwas besser getroffen. Er hatte ein Zimmer unter dem Dach für sich allein. Es war nicht grroß, aber er hatte es sich behaglich einrichten können.
Aus dem kleinen Fenster sah er, daß die Wolken sich verzogen hatten und es versprach ein angenehmer Tag zu werden.
Doch schon nahm er wahr, was ihn da eigentlich aus dem Schlaf geholt hatte:
Ein Klopfen.
Es war jemand an der Haustür.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am September 13, 2008, 20:35:20
Es war das unvermeidliche Schicksal eines Menschen, der Jahrzehnte lang auf der Flucht war - man schlief nie wirklich tief und das kleinste Anzeichen von Gefahr lies einen hochschrecken. Die letzten vier Jahre hatten ihm inzwischen schon eine Idee von Geborgenheit vermittelt, aber dies war eine der Angewohnheiten, die er nie hatte ablegen können.

Der vertanen Gelegenheit auszuschlafen trauerte Barnuta keinen weiteren Augenblick hinterher. Es gab vieles was er tun konnte und fast genausoviel, was er noch erledigen wollte. Also schlüpfte er flugs in seine bereitliegenden Sachen, nachdem er sich zuvor in der Waschschüssel erfrischt hatte. Kein Vergleich mit einer Morgentoilette an fließendem Wasser, so wie es die Juden praktizierten, aber immerhin eine Möglichkeit, der persönlichen Hygiene nachzukommen.

Die Frage, wer an der Haustür des Kaufmanns geklopft hat beschäfftigte Barnuta nur am Rande. Auch wenn ihn mit Mariusz inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis verband, so hielt er sich doch nach Möglichkeiten aus seinen geschäftlichen Belangen heraus. Ausserdem müsste ja noch Olek, das Faktotum des Hauses anwesend sein, dem hier immer noch trotz seines Alters die Rolle des Majordomus zukam.

Beschwingten Schrittes machte sich Barnuta auf den Weg in die Küche um sich ein kleines Frühstück zu bereiten. Dannach würde er sich wieder dem Studium und der Übersetzung der Schriftrollen widmen, die er aus dem Orient mitgebracht hatte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am September 14, 2008, 12:35:36
Er stieg die engen Treppen des Hauses hinunter. Sie knarzten trotz seines leichten Schrittes. Zwei Treppen überwand er, bis er endlich in der Küche stand.
"Guten Morgen!" wurde er von Olek begrüßt, der gerade Wein mit Wasser verdünnte und das Ganze in einem Becher auf einem Tablett platzierte. Barnuta konnte sich ohne schlechtes Gewissen an der Vorratskammer bedienen. "Äh... da ist ein Gast für euch gekommen, es ist Herr Marcin... er ist in der Bibliothek..."
Geschäftig brachte der alte gebeugte Mann das Tablett in Richtung der bescheidenen Bibliothek des Hauses.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am September 14, 2008, 13:00:07
"Auch dir einen wunderschönen Guten Morgen, Olek", antwortete Barnuta. Noch bei seiner Ankunft in diesem Haus vor drei Jahren hätte er sich niemals auch nur gewagt, den alten (aber immer noch rüstigen) Hausdiener anders als Aleksander anzusprechen. Doch drei Jahre sind eine lange Zeit und der Alte hatte Barnuta schon schnell nach seinem Dienstantritt bei Mariusz ins Herz geschlossen und ihm dabei auch erlaubt ihn mit Olek anzusprechen.
Doch nach dessen nächsten Satz erstarrte Barnuta in seiner Bewegung auf die Speisekammer zu.

Herr Marcin? Zu so früher Stunde? Welch eine Überraschung! "Lass mich das machen." Das Frühstück kann warten - im Gegensatz zu Herrn Marcin ...
Bevor Olek auch nur an Widerspruch denken konnte, hatte Barnuta ihm schon das Tablett aus den Händen stibitzt und steuerte die Bibliothek an.

Dann verharrte er kurz und drehte sich zu Olek um. "Hat er erwähnt, worum es geht?", fragte er wider besseren Wissens den Alten. Natürlich klärt ein Besucher - und schon gar nicht Herr Marcin - den Hausdiener über seine Angelegenheiten auf, aber auch wenn man es Olek nicht ansieht, so bin ich doch der festen Überzeugung, dass er immer sehr gut Bescheid weis, was vor sich geht. Vielleicht hat er ja eine Ahnung?


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 05, 2008, 12:25:52
"Er sagte nur, es ginge um etwas Privates..."

Seltsam kam es Barnuta schon vor, denn nur selten hatte er mit dem etwas merkwürdigen Buchhalter der Familie zu tun gehabt. Er kam für gewöhnlich alle zwei Tage, meist während des frühen Abends. Der Morgen war eine ungewöhnliche Zeit für sein Auftauchen.. Immerhin schien er sein Fach zu verstehen, denn die Geschäfte der Familie liefen gut, wenn er bedachte, was für einen Schnickschnack in letzter Zeit angeschafft wurde. Auch schien der Mann eng mit dem Ehepaar befreundet, denn oft tranken sie zusammen Wein.

Der Mann machte sich auf dem Weg zu seinem Gast, das Tablett in der Hand. Die Bibliothek lag im Erdgeschoß - eingentlich war es eher ein wilde Sammlung zur Schau und er bezweifelte, daß irgendjemand im Haus alle Bücher gelesen hatte - und hinter der schweren Holztür erwartete ihn das gewohnte Bild: der brennende Kamin, die unsortierten Bücher, die beiden schweren Sessel aus schwarzem Leder und der niedrige Tisch, an dem der Hausherr seine wenige freie Zeit zu verbringen pflegte.
Nur wollte Marcin nicht ins Bild passen. Er saß der Tür zugewandt und lächelte Barnuta offen an. Er trug ein einfaches, aber strahlend weißes Gewand.

"Grüß Euch Gott, " sagte er, und fügte hinzu, bevor man eine Begrüßung zurückgeben konnte: "Verzeiht, daß ich Euch an einem freien Tag störe, doch ich brauche Eure Hilfe."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 07, 2008, 10:59:19
"Auch euch einen guten Morgen, Herr Marcin."

Ohne Hast und ohne das geringste äusserliche Anzeichen von Neugier setzte Barnuta das Tablett mit dem Wein ab und goß seinem Besucher etwas in einen Becher.

Schon ungewöhnlich, dass Herr Marcin sich direkt an mich wendet und dann auch noch mit einer Bitte, bevor ich ihn auch nur begrüßen konnte.

Den gefüllten Becher reichte Barnuta an den Buchhalter. Dann ließ er sich in dem freien Sessel nieder und blickte seinen Gast fest in die Augen. "Was führt euch zu mir und wie kann ein einfacher Hauslehrer euch behilflich sein?"

Auf nahezu alles gefasst wurde Barnuta seltsam ruhig. Und wachsam. Der Blick des Slawen glitt noch einmal durch den Raum. Kurz schoss ihm der Gerdanke durch den Kopf, dass auch die Bibliothek seiner ordnenden Hand dringend bedurfte, aber solange Mariusz diesbezüglich keinen Bedarf anmeldete, würde er sich weiterhin zurückhalten. Zumindest freute es ihn innerlich, das Mariusz sein Geschenk aus dem Orient zu nutzen wusste. Er selbst hatte nie viel mit der Shisha etwas anzufangen gewusst.

Doch diese Gedanken waren nur von der Dauer eines Augenblicks. Aufmunternd nickte er seinem Besucher zu, damit dieser fortfuhr.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 18, 2008, 17:00:40
Dieser lächelte
"Sehr gut, ihr seid ein Mann der Tat. Das gefällt mir."
Marcin lehnte sich zurück. Er strahlte etwas ungeheuer friedvolles aus. Barnuta entspannte sich schnell in seiner Gegenwart.
"Ich brauche eure sprachlichen Fertigkeiten. Mariusz erzählte mir, daß ihr begabt seid..."
Er hatte eine Stofftasche bei sich, die er unauffälig unter dem Sessel postiert hatte. Nun zog er sie hervor. Heraus holter er eine Lederne Rolle, die mit einem Band zusammengehalten war. Er entknotete es und hielt Barnuta die Rolle hin.
"Ich würde nur zu gern wissen, was dort geschrieben steht."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 18, 2008, 21:35:58
Eine Übersetzung!? Erstaunt erhob sich Barnuta sofort wieder und ging auf seinen Gast zu. Im Verständnis des Slawen waren Schriftrollen und Bücher Kostbarkeiten, die man als solche auch behandeln sollte. Mit einem vergewissernden "Darf ich?" hielt er beide Hände ausgestreckt vor, damit Herr Marcin die Schriftrolle darin ablegen konnte. Behutsam nahm er diese entgegen und trug sie, gleich einem kostbaren Schatz, zum Tisch nahe dem Fenster.

Über die Schulter hinweg - und doch ohne den Blick von der ledernen Rolle abzuwenden - stellte er seinem Gast Fragen über die Herkunft dieses Schriftstückes. "Woher habt Ihr diese Schriftrolle? Und habt ihr eine Ahnung, um welche Sprache es sich handeln könnte?" Beinahe entschuldigend fügte er hinzu, "Es ist durchaus möglich, dass ich Euch nicht weiterhelfen kann... Mariuzs übertreibt sehr gerne, was meine Befähigung angeht..."

Am Tisch angekommen legte Barnuta die Rolle ab und betrachtete das Leder, welches nur die Schutzhülle sein konnte sehr genau. Dann öffnete er die Rolle und entnahm das vorsichtig das Schriftstück. Auch dieses unterzog er einer genauen Inspektion, bevor er begann es langsam auf dem Tisch auszubreiten.

Wissen und Informationen auf Pergamenten und Papieren festzuhalten ist die größte Errungenschaft der Menschheit, die ich mir vorstellen kann. Wie alt mag dieses Schriftstück sein? Wer sein Verfasser? Und was sein Inhalt? Barnuta schloss kurz die Augen und sog den Duft von Leder und ... - Was für ein Material mag das wohl sein? - durch die Nase. Behutsam glitten seine dünnen und langen Finger über die Rolle und erspürten die Beschaffenheit des Materials. Dann öffenete er die Augen und versuchte die Zeichen zu erkennen und aus aus ihnen sinnvolle Wörter zu ersehen, was ihm selbst dann den Sinn des Inhaltes erschließen sollte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 19, 2008, 18:03:39
Was er da entrollte, war kein Papier, sondern Papyrus. Es raschelte bedrohlich.

"Es ist arabisch," drang es zeitgleich mit seinem Gedaken an sein Ohr. "Ich brachte das Stück von meinen Reisen nach Anatolien mit."

Entweder war es eine veraltete Schrift, oder der Verfasser hatte einen furchtbaren Duktus.

Die natürlich von rechts nach links geschrieben Buchstaben ergaben zunächst keinen Sinn. Es war willkürliches Kauderwelsch - zuminest kam es ihm so vor.

ofhpz, dts pjl rwafeeg, uo rszftzt, po izfizf
zrd po9g das weiße Lamm, das sanfte Opfer
Ihr seid der größte Teil von szval Spende
Und auf Euren Schultern soll seine lzpcre sngzo lasten,
Denn ich allein kvsu oug jfoinvfolbdhzjn ljtc
mzk fohbtk hl rzbbukng ngdeijht,


So las er es nach arabischer Grammatik.

"Und, könnt Ihr es lesen?" fragte Marcin und trat näher.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 19, 2008, 19:24:15
Sorgsam fuhr Barnuta mit seinem Finger die Zeilen des Papyrus. Die Konzentration stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und halblaut vor sich hin murmelnd übersetzte er die Textpassage, die vor ihm lag.

"Hmm, ... das weiße Lamm, das sanfte Opfer
Ihr seid der größte Teil von ... Gabe? - nein, Spende
Und auf Euren Schultern soll seine ... lasten,
Denn ich allein ..."

Was ist das für ein Text? Irgendwie ergibt das noch keinen rechten Sinn. Erneut beugte sich der Slawe über die Schriftrolle und versuchte den Schriftzeichen ihre Geheimnisse zu entlocken. Doch das Ergebnis blieb das gleiche.

Mit einem entschuldigenden Blick drehte sich Barnuta zu seinem Gast herum, welcher nun dicht hinter ihm stand. "Ich bedaure, euch hierbei keine Hilfe sein zu können. Einen Teil kann ich entziffern, aber es ist bei Weitem nicht alles. Mit einer vollständigen Übersetzung kann ich Euch leider nicht dienen, Herr Marcin."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 19, 2008, 19:39:50
"Das steht dort tatsächsich?"
Er war ganz aus dem Häuschen. "Dann wahr meine beschwerliche Reise nicht umsonst!"
Er schien einen Luftsprung machen zu wollen, besann sich jedoch rechtzeitig auf Barnutas Anwehsenheit.
Er fasste sich und richtete sich förmilich auf.
"Mein Herr, Ich bin Frederic Marcin, meines Zeichens Forscher und Sammler von Artefakten."
Er ergriff Barnutas Hand und Schüttelte sie wie beim ersten Mal.
"Mein Instikt sagt mir, ihr seid ein fehlendes Stück eines komplexen Rätsels. Mit Euren Fähigkeiten und meinem Wissen, können wir ein großes Geheimnis aufdecken...aber,"
Er setzte sich unsicher.
"Ich wollte nicht unhöflich sein, Euch in meine Angelegenheiten hineinzuziehen..." der gute Mann schien gar nicht mehr zu wissen wie ihm geschah, geschweige denn, was er sagen sollte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 19, 2008, 20:13:04
Die unbändige, beinahe kindliche Freude seines Gastes war für Barnuta nur schwerlich nachzuvollziehen und die Irritation stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Das kann doch gar nicht sein ...

"Mögt Ihr mir verraten, was Euch die paar Brocken gesagt haben, was mir entgangen sein muss?" Mag sein, dass ich jetzt zu weit gehe, aber ich würde es schon gerne verstehen. Vielleicht erschliest sich mir dann ja auch der Rest des Textes?

Es dauert einen Moment, bis Barnuta realisiert, wie er soeben von Herrn Marcin genannt wurde. Ähhh "... ein fehlendes Stück eines komplexen Rätsels"? Wie kommt er denn dazu? Was mag in diesem Menschen vorgehen? Ich hab doch nur ein paar Wörter übersetzt!


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 19, 2008, 20:37:16
Marcin wurde todernst und sprach nun etwas gedämpft.
"Folgendes....
Ich stieß vor einigen Jahren zufällig auf ein ganz ähnliches Schrifstück. Allerdings ist es auf einer Steintafel graviert. Es wies die selben Merkmale auf wie das, was ihr in Händen haltet...Ich hoffe nun, etwas über den Verfasser hier in der Gegend herauszufinden, oder ein weiteres Teil zu finden...
Ich zauderte lange mich an Euch zu wenden, denn ihr seid ein unauffälliger Mann... wie einer, dem ein großes Geheimnis anlastet.."
Es sprach keine drohung aus seinem letzten Satz... eher Verständnis und Mitgefühl...
"Die Ganze Zeit war ich mir ungewiss, wie es weiter gehen sollte.
Ich ahne nur so viel: Es sind wichtige Worte.. ein Gesetz, eine Prophezeihung... Ich wüßte zu gern, wer sie verfasst hat und wann..."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 19, 2008, 21:07:19
Barnuta hatte sich inzwischen darangemacht, das Papyrus wieder aufzurollen und in der ledernen Hülle zu verstauen, da er sich selbst am Ende seiner Möglichkeiten sah. Allein bei der Andeutung eines großen Geheimnisses in Bezug auf seine Vergangenheit seitens Herr Marcin, stutzte er einen Augenblick - und hoffte, sich damit nicht verraten zu haben.

Und ich dachte, ich hätte hier einen sicheren Hafen gefunden... Hoffentlich hat er nichts bemerkt, denn egal wie freundlich und mitfühlend jemand klingen mag, so erkennt man die wahren Absichten doch nur an den Taten. Und dazu will ich es gar nicht erst kommen lassen müssen.

Mit viel Sorgfalt verschliest Barnuta die lederne Hülle und überreicht das kostbare Schriftstück dessen Eigentümer. "Ich sehe im Moment keine Möglichkeit Euch hierüber hinaus behilflich zu sein", erklärt Barnuta unverbindlich seinem Gast, "doch wenn ihr weitere Texte habt die einer Übersetzung bedürfen, so könnt Ihr Euch sehr gerne meiner Fähigkeiten bedienen."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 25, 2008, 15:12:51
"Ihr versteht noch nicht...." er sah nach unten..."Ihr könntet mir  helfen, eine bedeutende Entdeckung zu machen...vielleicht sogar, die Existens Gottes zu beweisen..."
Noch enttäuschter dreinblickend, setzte er sich wieder.
Wieder stand er auf, und ergriff Barnutas Hand.
"Besucht mich doch heute abend. Ich zeige Euch meine Sammlung. Dann werdet ihr einsehen, warum Ihr so wichtig für mich seid."
Marcin wartete auf eine Antwort, ehe er sich zu gehen wante, fügte aber zuvor noch mit ernstem Blick hinzu:
"Joel hat sich noch niemals geirrt."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 28, 2008, 21:21:40
Von einem Moment auf den anderen sackte der Boden unter Barnutas Füßen weg. Zumindest hatte er das Gefühl, das es so wäre.

Joel! Woher kannte Marcin diesen Namen? Barnuta war sich absolut sicher, dass er den Namen seines Freundes und Mentors aus Akkon niemals auch nur geflüstert, geschweige denn laut ausgesprochen zu haben, seit er vor sechs Jahren von dort geflohen war. Oft hatte er in diesen Jahren an seinen väterlichen Freund gedacht, aber seinen Namen aus dem Mund eines Fremden zu vernehmen, liess bei dem Westslawen sämtliche Alarmglocken klingeln.

Der Askanier! Womöglich steckt er dahinter und ich soll mich hier selbst verraten. Vielleicht hat er von meiner Verbindung zu Joel erfahren und sendet nun überall seine Schergen aus, um auf den Busch zu klopfen. Aber den Gefallen werde ich ihm nicht tun. Die Gedanken rasten aber Barnuta gab sich die größte Mühe sich das nicht anmerken zu lassen.

"Jo... wer?", fragte er Herr Marcin mit leichter Irritation in der Stimme. "Selbstverständlich brenne ich darauf, eure Sammlung in Augenschein nehmen zu können. Aber die Existenz Gottes beweisen...? Ein gewagtes Unterfangen, was ihr da verfolgt. Wie wollt ihr es bewerkstelligen und warum ist meine Person (und nicht mein Wissen) dafür von entscheidender Bedeutung?"

Immer mehr Fragen tauchten in Barnutas Kopf auf. Ich muss Zeit gewinnen. Sobald ich weiss, wes Geistes Kind du bist, kann ich ermessen, ob eine Verabredung mit dir mir den nötigen Vorsprung verschafft um erneut abzutauchen. Es scheint zumindest unausweichlich, auch hier die Zelte abzubrechen.

In diese Gedanken versunken strich sich Barnuta in einer unbewussten Bewegung das Haar aus der Stirn und für einen kurzen Augenblick hatte sein Gast die Möglichkeit, die Narbe zu sehen, die Quer über die Mitte seiner Stirn verlief.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 02, 2008, 14:08:21
"Er hat sich nicht geirrt." Marcin beugte sich hinüber zu Barnute und sprach leise.
 
"Ich kenne Joel. Wir sind Freunde, halten unsere Bekanntschaft geheim. Es ist kein Zufall, daß wir im selben Haus arbeiten, Barnuta. Er hat mich gebeten, auf Euch aufzupassen. Sehr gern hätte er Euch in seiner nähe behalten...Wisst ihr, ob er noch in Akkon ist?" Marcins Stimme wurde immer leiser und war bald nurnoch ein Hauch. "Wir arbeiten zusammen an der Sache. Und er wollte Euch als Partner. Besucht mich, wenn ihr nach Antworten sucht. Mehr als mein Wort, daß ich Ehrenhaft bin, kann ich euch nicht geben."

"Guten Tag, der Herr," sagte Marcin laut, und wandte sich abermals zum Gehen. Er zwinkerte ihm zu.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 02, 2008, 16:20:41
Joel! Die Aussicht, etwas auch nur irgend eine klitzekleine Neuigkeit über den väterlichen Freund und Weggefährten für zwölf Jahre seines Lebens zu erfahren fegte jeglichen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Worte Marcins hinfort.

Ebenso wie die Feuchtigkeit in seinem Mund. Für einen winzigen Augenblick kämfte die Vorsicht mit dem Sehnen in der Brust des Westslawen und unterlag - zum ersten Mal nach so vielen Jahren. Die Frage nach Joels Verbleib konnte Barnuta nur mit einem Kopfschütteln erwidern. Mit trockenem Hals und krächzender Stimme versuchte Barnuta irgendetwas zu sagen, aber es war ihm nicht möglich auch nur ein Wort heraus zu bringen. Barnuta muste zweimal schlucken, bevor er seinem Gast die erwartete Antwort geben konnte.

"Sehr gerne werde ich erscheinen und Euch nach Kräften zur Seite stehen." Noch immer rang Barnuta nach Fassung und diesmal musste man es ihm ansehen können. "Guten Tag, der Herr," entgegnete er nahezu automatisch der Verabschiedungsformel des Frederic Marcin.

Als dieser die Bibliothek schon verlassen hatte und die Tür ins Schloss fiel, war es, als erwache Barnuta aus einem Traum. Und siedend heiß fiel ihm ein, dass er gar nicht erfragt hatte, wo Marcin wohnt und ab wann er bereit war, ihn zu empfangen! Mit einem Satz war er bei der Tür und versuchte seinen unerwarteten Besucher noch abzufangen, bevor dieser das Haus verließ.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 02, 2008, 17:19:15
Als er auf den Flur hinausstürmte, war dieser leer, als hätte sich Marcin in Luft aufgelöst.
 Am Boden vor der Tür knirschte etwas unter seine Fuß.
Er sah einen kleinen braunen Zettel.
In der Küche rumpelte bedeutungsvoll das Geschirr. Olek hatte die angewohnheit zu Lauschen, das wußte er.
Fats schon verstohlen nahm er den Zettel an sich und erlas schnell die Adresse, die darauf gekritzelt war.
Marcin wohnte nur 2 Straßen weiter, wohl als Untermieter einer anderen bekannten Kaufmannsfamilie.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 02, 2008, 18:02:28
Den Zettel in einer seiner Taschen verbergend begab sich Barnuta an die Küche. Olek schien gerade nit dem Sortieren von Geschirr beschäftig und Barnuta schenkte ihm auch keine weitere Aufmerksamkeit. Noch sehr in Gedanken teilte er dem alten Hausdiener mit, das Herr Marcin nun gegangen sei und er das Geschirr in der Bibliothek abräumen könne.

Normalerweise hätte Barnuta das selbst getan, aber nach diesem Gespräch war nichts mehr so, wie es noch am Tag zuvor gewesen war. Frederic Marcin. Ein Freund von Joel! Nahezu geistesabwesend bediente sich Barnuta in der Speisekammer - schließlich hatte er das ja schon vor dem Besuch von Herrn Marcin vorgehabt -, um sich dann auf sein Zimmer zurückzuziehen und die "erbeuteten" Sachen aus der Speisekammer achtlos auf dem Tisch abzulegen. Hunger hatte er nun wahrlich nicht mehr.

Die Gedanken rasten wie wild und und die Welt war im Moment für Barnuta wie hinter einem Schleier. Nicht vieles hatte die Möglichkeit, in diesem Moment zu ihm durchzudringen.

Es mag zu Mittagsszeit gewesen sein, als sich der Hunger in Barnutas Eingeweiden doch noch Gehör verschaffen konnte. Der halbe Ring Dauerwurst und der Streifen Schinken waren schnell verzehrt und sorgten somit für Ruhe im Bauch. Aber auch die Gedanken rasten nun nicht mehr.

Barnuta kam sich nun vor, wie ein gefangenes Tier, den die Zeit bis zum Treffen bei Frederic Marcin zog sich in die Länge. An eine Konzentrationsaufgabe, wie das Übersetzen einer Schriftrolle, was sich Barnuta ja ursprünglich für den heutigen Tag vorgenommen hatte, war heute vorerst nicht mehr zu denken. Er hatte das Gefühl, dass ihm die Decke auf den Kopf zu fallen drohte und so zog er sich seine Stiefel und die Jacke an und verließ das Haus von Mariusz Pietrigaa.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 02, 2008, 19:37:08
Er öffnete die Haustür und trat auf die Straße. Das normale Leben verschluckte ihn. Gerade, als er die Tür hinter sich schließen wollte rief jemand:
"Habt acht!"
Barnutas Körper reagierte und er sprang wieder ins Haus hinein.
Eine schwere Kutsche raste an ihm vorbei.  Mit Gold beschlagen war das schwere gefeht, daß von vier Rappen gezogen wurde. Die Menschen sprangen auf die Seite, denn die Straße war sehr eng. Wäre die Tür nach außen aufgegengen, wäre sie abgerissen worden. Matsch und Fäkalien spritzen ins Haus.
Igitt!
Das war sehr knapp gewesen.
Barnuta mußte sich erstmal sammeln.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 05, 2008, 14:44:46
Seinen guten Reflexen hatte Barnuta es zu verdanken, dass er dem ins Haus fliegenenden Straßendreck ausweichen konnte.

Nach einigen Sekunden des gespannten Wartens ging Barnuta aus dem Haus und schloss die Tür hinter sich. An den Schmutz im Flur verschwendete er keinen weiteren Gedanken. Ziellos wanderte er durch die Gassen und Straßen der Stadt.

Irgendwann bemerkte er, dass das Licht des Tages der Nacht zu weichen begann. Er schaute sich um, um auszumachen, wo er war. Unter ihm floss die Weichsel und er musste schon einige Zeit gedankenversunken auf der Brücke gestanden haben. Zumindest spührte er in seinen Beinen ein Kribbeln, als er er sie wieder bewegen wollte. In seiner Blickrichtung lag der Wawel und Barnuta musste ihn wohl die ganze Zeit betrachtet haben, ohne dass es ihm bewusst geworden war. Erinnerungen und schon gar nicht das Grübeln darüber ließen sich auf Befehl hin einfach abstellen.

Aber der Abend war heran und Barnuta war neugierig auf den Besuch bei Frederic Marcin und die Neuigkeiten, die er bei diesem Besuch erfahren würde. Gottes Existenz beweisen... , das war auch etwas, was er in den unzähligen Gesprächen mit Joel zu ergründen versucht hat. Festen Schrittes steuerte er nun auf das Haus zu, dessen Adresse er auf dem Zettel gelesen hatte. Bebenden Herzens klopfte Barnuta an die Tür.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 14, 2008, 12:50:12
Einen Moment lang, der Barnuta wie eine Ewigkeit vorkam, geschah nichts.
Er klopfte ein zweites Mal, diesmal bestimmter. Er hörte Schritte im inneren des Hauses und dann öffnete ihm ein sehr alter Mann er war so gebeugt, daß er den Kopf in den Nacken legen mußte, um Barnuta anzusehen. Sein langer gebogener Hals ließ ihn wie einen Fischreiher wirken.
"Ihr wünscht...?" Seine Stimme klang auch wie die eines Reihers.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 15, 2008, 16:32:59
Für den Bruchteil eines Augenblicks war Barnuta vom Aussehen und Auftreten des Alten überrascht. Manchmal geschehen Sachen, mit denen man einfach nicht rechnen kann... Aber die Überraschung ging keinesfalls mit Belustigung einher, denn jedes Leben war in Barnutas Augen zuallererst ein wertes Leben.

Schnell besann sich der Slawe auf den Grund seines Besuches und antwortete dem Hausdiener freundlich: "Einen guten Abend wünsche ich. Mein Name ist Barnuta und ich habe eine Verabredung mit Herrn Marcin für den heutigen Abend."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 11, 2009, 15:19:05
"Sicher, sicher, der Herr hat nur gut von Euch berichtet, tretet ein, Herr Barnuta."
Er wich watscheld einen Schritt zur Seite, um ihn einzulassen.

"Darf ich Euren Mantel abnehmen, der Herr? Danach könnt ihr geradeaus in den Salon gehen... einen Wein?"
Überrumpelt wurdee Barnuta unter all den Worten in den Flur geschoben. Hier war es warm und gemütlich. Die nussfarbende Wandtäfelung, die sich durch alle sichtbaren Räume fortsetzte, verstärkte den Eindruck nur. Wo es nur ging, bedeckten schwere grüne Vorhänge die Fenster.  Im Salon konnte er vom Eingang aus eine vollgestopfte Bücherwand ausmachen, sowie das flackern eines Kamins.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 12, 2009, 10:11:28
Für einen weiteren Moment war Barnuta wie erstarrt. Eine derart zuvorkommende Begrüßung und Behandlung wurde sonst nur hohen Herrschaften zuteil. Er selbst war sie weder gewohnt, geschweige denn hätte er sie erwartet. Der Slawe musste sich selbst zur Ordnung rufen und fügte sich in das Geschehen. Er liess sich vom Hausdiener aus dem Mantel helfen und begab sich bedächtigen Schrittes in Richtung Salon.

"Für mich bitte nichts", antwortete er mit einiger Verzögerung dem Bediensteten, nachdem er Gewahr wurde, das ihm eine Frage gestellt worden war.

Langsam ging der Slawe in die gewiesene Richtung, wobei er sich sehr aufmerksam in dem Haus umsah, welches er zuvor noch nie betreten hatte und lies es auf all seine Sinne wirken. Er lauschte nach den Geräuschen im Haus, ebenso, wie er den Geruch der Holztäfelung in sich aufnahm. Sein Blick wanderte über die Wände des Flurs um sich letztendlich auf den Durchgang zu Salon zu fokusieren.

Je näher er dem Durchgang kam, desto deutlicher spürte Barnuta seine Aufregung. ...Ihr könntet mir  helfen, eine bedeutende Entdeckung zu machen...vielleicht sogar, die Existens Gottes zu beweisen... echote die Stimme von Frederic Marcin in seinem Kopf und vor Barnutas geistigem Auge entstieg das Bild der Papyrusrolle dem Nebel der Erinnerung. Im Takt seines Herzens hörte er sein Blut in den Ohren rauschen und ein paar Augenblicke später wurde ihm bewusst, dass er nicht nur im Eingang des Salons stehen geblieben war, sonder er auch die Luft angehalten hatte. Mit einem lauten Seuftzer atmete Barnuta ein.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 18, 2009, 18:43:01
"Willkommen."
Marcins Stimme klang aus einem der Lehnstühle. Barnuta konnte nicht umhin, näher zu treten. Da saß er, bequem zurück gelehnt mit einer Schale roten Weines in der Hand.
"Ich sehe etwas hat Euch hierher getrieben...
Setzt euch doch und kommt erst einmal an, ihr wirkt so verdutzt."
Der auf irgendeine Art zeitlos Wirkende strahlte eine fast schon beängstigende Ruhe und Zufriendenheit aus, als er auf den anderen Stuhl wies.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 24, 2009, 16:35:12
Unverständnis machte sich auf den Zügen Barnutas breit. "Ich bitte vielmals um Verzeihung, wenn ich euch mißverstanden haben sollte, aber hattet Ihr mich nicht für heute Abend hierhergeben? Wenn ich mich recht entsinne, dann hattet ihr mir angeboten einen Blick auf eure Sammlung zu werfen."

Auch wenn dieser Mann mit Joel in Kontakt stand, so nahm Barnuta nicht alles, was er äuserte einfach so hin. Und die Eröffnung Marcins "Ich sehe etwas hat Euch hierher getrieben..." stand für Barnuta schon im Widerspruch zu der in Mariusz Pietrigaas Haus ausgesprochenen Einladung, welche sehr nach einer eindringlichen Bitte geklungen hatte.

Für den Augenblick fühlte Barnuta sich wie ein Eindringling, was ihm selbst überhaupt nicht behagte.

Unentschlossen blieb der Westslawe stehen und ignorierte die Aufforderung seines Gegenübers, bereit, auf dem Absatz kehrt zu machen, sollte sich dies tatsächlich als etwas anderes, als ein informelles Treffen darstellen. Kurz und unauffällig ließ Barnuta den Blick durch den Raum streifen, um sich beim kleinsten Anzeichen einer Falle aus dem Staub zu machen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 25, 2009, 19:30:57
Er konnte nichts besonderes in dem kleinen Salon entdecken. Das Feuer im Kamin spendete angenehme Wärme, und dort wo keine Wand frei war standen Reagale voller Bücher. Wie eine kleine Schatzkammer kam es ihm vor, denn ausnahmslos erschienen sie alt und schwer, daß die Regale zu ächtzen schienen.

"Ich sehe ihr habt gerade keinen Sinn für vorsichtige Kommunikation...ich sehe einfach, daß ihr Neugier zeigt, das ist alles...setzt euch erst einmal. Ich werde euch erklären, was es mit der Sache auf sich hat," sagte Marcin beschwichtigend.

Der seltsame Diener kam mit einem Tablett, auf dem er eine Tonschale mit Wein balancierte, in den Raum. Er stellte das Gefäß wortlos auf ein kleines Tischchen und verließ den Raum wieder.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 25, 2009, 19:49:34
Langsam nahm Barnuta Platz, bereit jederzeit wieder aufzuspringen.

Vorsichtige Kommunikation? Merkwürdige Formulierung, die er da benutzt. Nur mit einem kleinen Seitenblick streifte Barnuta das Gefäß, welche soeben hereingetragen wurde. Der größte Teil seiner Aufmerksamkeit galt seinem Gastgeber. Ja, auf eure Erklärung bin ich äußerst gespannt. Vor allem würde ich gerne mal erfahren, um was für eine »Sache« es denn nun geht.

Sicher dürfte Marcin nicht entgangen sein, dass Barnuta alles andere als entspannt Platz genommen hat. Aber mit etwas gutem Willen würde er das einfach der Aufregung und gespannten Erwartung des Westslawen zuschreiben.

"Ich bin ganz Ohr, was eure Erklärung angeht", liess Barnuta sich vernehmen und überließ damit Marcin das Wort.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 26, 2009, 17:59:37
"Ich beginne am Anfang..." setzte Marcin an, während er sich scheinbar zufrieden zurücklehnte.
"Ich bin Gelehrter. Mein Spezialgebiet ist die Erforschung biblischer Schriften. Ich reise durch die bekannte Welt um Originalschriften und Zeitzeugen zu besuchen. Damit meine ich alte Tempel, verborgene Höhlen und ihre Statuen. Eines Tages stieß ich in Anatolien auf eine Steintafel. Sie war tief in einem Stollen im Berg Ararat verborgen und von Fallen und einem Wächter beschützt. Ich nahm sie an mich.
Erst später, als ich sie aus dem Enoiischen übersetzt hatte, erkannte ich, was ich da gefunden hatte: Das Fragment eines Testamentes. Das Testament eines großen Herrschers, eines geistigen Führers an sein Volk."
Marcin trank schlürfend einen Schluck und befeuchtete sich sie Lippen. Der Wein schwappte beinahe über den Rand der Schale, doch das schien ihn nicht zu stören. Er hielt sie mit beiden Händen, als wollte er sich daran wärmen, fest.
"Was hätte jeder gute Forscher nun getan?" Er beantwortete sich die Frage selbst: "Weitersuchen natürlich. Es wurde zu meinem Lebenswerk. Nun ein Teil fehlt noch...."



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 27, 2009, 11:42:25
Barnutas Aufmerksamkeit galt ausschließlich den Worten seines Gastgeber. Bei den Worten "... und Zeitzeugen zu besuchen." wanderten Die Augenbrauen des Slawen kurz nach oben und seine Stirn legte sich in Falten, was jedoch unter dem weißblonden Haaren, die ihm bis über die Brauen hingen jedoch nur zu erahnen war. Vermutlich veranlaste Barnutas Verwunderung seinen Gastgeber zu den erklärenden Worten, zu welchern dieser sofort anhub.

"... ein Teil fehlt noch....", klang es nach und Barnutas Gedanken begannen zu wandern. Sagte Marcin im ersten Gepräch am  Morgen nicht etwas ähnliches über mich? "... ihr seid ein fehlendes Stück eines komplexen Rätsels.", waren seine Worte - wenn ich mich recht entsinne. Aber er wird mich doch nicht wirklich für das fehlende letzte Teil seiner Suche halten! Und was habe ich mit diesen alten Schriften zu tun? Enoisch ist mir völlig fremd! Egal, von welcher Seite es Barnuta betrachtete, eine Erklärung, wie das alles zusammenhing würde er vorerst nur aus dem Munde Marcins erhalten. Also zügelte der Slawe seine seine Gedanken, übte sich in Schweigen und wartete geduldig darauf, dass Marcin mit seiner Erzählung fortfahren würde.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 27, 2009, 17:30:13
Marcin beugte sich vor.
"Meine Nachforschungen und Reisen führten mich auch nach Akkon, wo ich zusammen mit Joel jahrelang nach dem zu Letzt gefundenen Fragment des großen Geheimnisses suchte. Ich bat ihn mir zu folgen, doch er verblieb in Akkon. Ich zog weiter. Nun bin ich auf eine alte Legende gestoßen, die mein Interesse geweckt hat. Ich verdinge mich als Buchhalter um meine Anstrengungen zu Finanzieren. Das ist keine Anstrengung für mich, es bereitet mir sogar Freude... und welch glückliches Schiksal wiederfuhr mir, als die Pietrygas euch einstellten. Ein Jahr habe ich auf Joels Antwort warten müssen, doch dann war nach langer Korrespondenz klar, wer ihr seid. Ich freute mich, denn euch kann ich vertrauen, wenn Joel es konnte. Ich habe keine Zweifel an eurer Aufrichtigkeit, und ergriff die Initiative..."
Dabei beugte der Mann leicht den Kopf.
"Es wird ein schwieriges Unterfangen. Ich bin alt und habe nicht mehr die körperliche Stärke und Ausdauer, die ich einst besaß. Ich bin müde geworden. Doch ich werde nicht eher Ruhen, bis ich das Geheimnis um dieses Vermächtnis gelüftet habe."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 27, 2009, 17:47:44
Marcins Worte schlugen Barnuta in Bann. Ein Fragment zu suchen und finden, nach welchem schon Joel geforscht hatte. Im Geiste stiegen die Bilder von den gemeinsamen Abenden und Gesprächen auf und in die sonst traurig blickenden Augen des Slawen stahl sich ein freudiges Funkeln.

Auch Barnuta neigte sich nun seinem Gastgeber zu, als dieser sich nach vorn beugte. Die Selbstdarstellung Marcins fand Barnuta leicht übertrieben, doch war er sich nicht sicher, ob er vom Tatendrang des Forschers geblendet war. Die Schwierigkeit des geplanten Unterfangens schreckte den Slawen nicht. Vielmehr ließ ihn die Gewissheit zögern, dass er den sicheren Hafen, den er hier in Krakau gefunden hatte wieder verlassen musste.

Unschlüssig, wie er sich nun entscheiden sollte, - sofern er zu einer sofortigen Entscheidung gezwungen wäre - wartete er aufmerksam die weiteren erklärenden Worte Marcins ab.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 27, 2009, 18:51:41
Marcin fuhr fort, ohne sich in eine bequemere Position zu begeben: "Wie ich schon sagte, eine Legende lockte mich hierher. Einst, vor der Erbauung des Wawel, wurde der Fels, auf dem die Burg erbaut wurde von einem Drachen bewohnt, der sich Tief in den Kalksteinhöhlen einnistete. Ein Ritter, Krak, überlistete den Drachen und besiegte ihn... soviel zu Legende.
Ich fand herraus, unser mysteriöser Verfasser war auf dem Weg zu einem Drachen, was ich aus alten Tagebüchern und Aufzeichnungen herausgesucht habe. Er muß von einem Krieger begleitet worden sein... Und so schließt sich der Kreis. Ich vermute, das letzte Stück befindet sich irgendwo hier in der Gegend."

Selbstverständlich kannte Barnuta die Legende des Drachentöters Krak. Ihr wurde hier eine große Bedeutung unter dem einfachen Volk beigemessen, auch in dem Haus in dem er lebte.
Marcin stand auf.
"Bevor ich euch die Beweise für meine Worte vorzeige, muß ich euch bitten, mir zu schwören, Stillschweigen zu halten."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 27, 2009, 20:48:20
Barnuta nahm sich die Zeit, die Worte Marcins zu bedenken, bevor er etwas darauf erwiedern würde. Im Geiste führte er sich noch einmal die Fakten und Andeutungen vor Augen, welche der alte Forscher ihn hatte wissen lassen. Mit dem Stillschweigen hatte Barnuta kein Problem. Es gab nur einen Menschen auf dieser Welt, vor dem er keine Geheimnisse hatte und mit dem er über alles reden konnte. Nur war diese Person nicht hier und er hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Das Schwören, das war schon etwas schwieriger. Welchem Glauben auch immer Frederic Marcin angehörte, es war keinesfalls der Glaube Barnutas. Er selbst verstand sich als Suchender, andere würden ihn als Heiden bezeichnen, da er nicht zu ihrem Gott betete.

"Nun", begann Barnuta bedächtig, als er nach einiger Zeit des Schweigens das Wort an Marcin richtete, "was das Stillschweigen angeht, so kann ich euch lediglich mein Wort geben." Jeder Schwur den ich leisten würde, wäre hohl und seiner Heiligkeit beraubt.  Und mit ernster Mine fuhr er fort, "ich hoffe sehr, dass euch dieses genügt, denn das ist alles, was ich euch zu geben im Stande bin."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Februar 01, 2009, 17:12:33
"Ich...verstehe." Marcin nickte.
"Also gut, folgt mir." Er stand ein wenig mühsam auf und begab sich zu einem der überlasteten Bücherregale. Zwischen Kamin und Schrankwand Fädelte er seine schmalen Finger ein, und zog an dem hölzernen Konstrukt, daß Barnuta fürchtete, es würde über ihn stürzen.
Doch dann sprang es es auf und lies sich leicht wie eine dünne Tür aufziehen. Es öffnete sich in Barnutas Richtung, sodaß er nicht erkennen konnte wo es hinfürhte. Marcin zauberte zwei Fackeln hinter der Wand hervor und reichte sie ihm. Nachdem sie im Kamin entzündet wurden, konnte Barnuta nun endlich einen Blick hinter die Geheimtür werfen. Viel brachte ihm das nicht, er sah den Ansatz einer in Stein gehaunen Treppe und Dunkelheit.

Marcin ging vor. Die Treppe wand sich so eng, daß Barnuta beim runtesteigen aufpassen mußte, Marcin nicht mit den Schuhspitzen am Kopf zu Treffen. Sie folgten ihr solange, bis Barnuta Druck auf den Ohren bekam, und ihm dazu noch leicht schwindelig wurde. Beide schwiegen und konzentrierten sich auf den Abstieg. Alles war steinern um ihn herum.

Erst als Marcin wieder auf bekannter Augenhöhe mit ihm war, registrierte Barnuta, daß die Treppe endlich zu ende war. Sie standen in einem kleinen Raum, der gerade genug Platz für beide bot. Eine Seite wurde komplett von einer schweren beschlagenen Tür eingenommen.
Marcin zog einen überdimensionalen Schlüssel aus dem Ärmel, der so lang war wie seine Elle.
Er bracuhte ein wenig um die Tür zu öffnen, doch schließlich sprang sie mit einem lauten Klacken auf.
Was Barnuta im Schein der Fackel sah, machte Eindruck auf ihn.

Sie traten in eine Tropfsteinhöhle, wie sie für die Gegend nich ungewöhnlich war. Sie war nicht besonders groß vielleicht fünf mal vier Schritt. In der Mitte stand ein mit Notizen überhäufter wackeliger Tisch. Doch das war es nicht, was Barnutas Neugierde weckte.
Es waren die Ständer, die mit verschiedenen Dingen beladen waren.
Sein Blick machte die Runde und flog über eine Tontafel, Eine Kiloschwere Steintafel, eine lederne Schriftrolle, die er Dank seines guten Gedächtnisses wiedererkannte, ein Stück Treibholz und einen Faustgroßen Halbedelstein.
Alle Gegenstände waren mit Schriftzeichen verschiedener Art und Herkunft geziert, wußte Barnuta, auch wenn der Inhalt de Schriftrolle augenscheinlich verborgen war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Februar 01, 2009, 17:47:59
Barnuta platzierte seine Fackel in einer Halterung neben der Tür und ging zwei Schritte in den Raum hinein.

"Ihr gestattet?", fragte der Slawe den alten Forscher und wies dabei auf die ausgestellten Gegenstände. Bedächtig näherte sich Barnuta einem dieser Beweise nach dem andeeren, um sie zumindest einmal aus der Nähe gesehen zu haben. Sie zu berühren wagte er nicht. Die Schriftrolle in dem ledernen Etui kam Barnuta vertraut vor; es handelte sich um den Papyrus, welchern er am Morgen zu übersetzen versucht hat. Die Steintafel musste das Fundstück aus der Erzählung Marcins sein und die schwer zu entziffernden Schriftzeichen ähnelten denen vom Papyrus in keinster Weise. Ebenso verhielt es sich mit der Tontafel, dem Stück Treibholz und dem Edelstein, auf welchem die Gravuren im flackernden Licht der Fackeln am schwersten zu erkennen waren.

Barnuta riss sich zusammen und seinen Blick von den Schriftstücken los. Er wandte sich seinem Gastgeber zu. "Eine wirklich eindrucksvolle Sammlung, die ihr hier zusammengetragen habt. Doch muss ich zu meinem Leidwesen gestehen, dass ich wohl nicht im Stande sein werde, euch hilfreich zur Seite stehen zu können. Nicht, dass es mir an Begeisterung mangelt, doch ein kurzes Betrachten eurer Schätze macht mir deutlich, dass ich diese Sprachen und Schriftzeichen nicht kenne." Barnuta tat es in der Seele weh, den alten Mann auf diese Art enttäuschen zu müssen. Er schaute kurz zu Boden und atmete tief durch. "Ich werde euch als Übersetzer keine Hilfe sein", gestand der Westslawe mehr sich selbst, denn seinem Gegenüber ein. Sein betrübter Blick suchte die Augen des Forschers. "Was hattet ihr gehofft? Und was von mir erwartet?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Februar 14, 2009, 17:49:50
"Ich will ehrlich mit euch sein. Als übersetzter brauche ich euch nicht," sagte Marcin leise. Trotzdem hallte es in der kleinen Höhle etwas nach.
"Ich mußte sehen, ob ihr euer Herz an die Sache hängen könnt. Ich habe bereits alles übersetzt..."
Er blickte nicht auf, wohl um sich dem Ausdruck auf Barnutas Gesicht nicht stellen zu müssen.

Er fuhr fort: "Ich vermute das Schriftstück in der Stadt, genauer gesagt, in oder unter dem Wawwel. Ich brauche jemanden, dessen Gesicht man nicht kennt, der Erfahrung hat im Verbergen und Untertauchen. Irgendwie muß ich in Erfahrung bringen, was der Inhalt des letzten Teiles ist, ganz gleich ob ich es nun in Besitz nehmen kann oder nicht. Aber wartet,"  er ging hinüber zum Tisch, zog einen weiteren Schlüssel aus dem Gewand, diesmal einen kleineren, und schloß eine der Schubladen des ächtzenden Tisches auf. Nach einigem scheinbaren Wühlen förderte er ein Schriftstück zutage, ein verknittertes Pergament, daß er Barnuta mit ebenso zitternden Händen reichte.
"Lest es. Ihr werdet es zuerst nicht verstehn, doch ich erkläre es euch."

der Slawe nach das Schriftstück und las die klare Handschrift Marcins in lateinischer Sprache:


Wisset, daß ihr entsteht, um zugrunde zu gehen
Ihr seid das weiße Lamm, das sanfte Opfer
Ihr seid der größte teil von Kains spende
Und auf Euren Schultern soll seine größte Sünde lasten,
Denn ich allein unter den Kainskindern habe
Ihn Droben um Vergebung angefleht,
Und ich empfing Besuch von den schlimmsten Dämonen dessen Drunten
Jenen Schlangen die mich im Schlaf bissen
Jenem üblem Gewürm, das mein Blut aussaugte,
Von ihnen lernte ich, dem Blut die Schwärze zu nehmen der Seele das Böse.
Und obzwar ich sterben mag,  werdet ihr, meine Kinder weiterleben.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Februar 14, 2009, 18:05:10
Beihnahe erfürchtig nahm Barnuta das Schriftstück in die Hand und las es langsam. Als er am Ende angekommen war las er es noch einmal.

"Verstehe ich euch recht, wenn diese Übersetzung all diesen Texten entspricht, die hier in verschiedensten Sprachen von euch zusammengetragen wurden?" Barnuta wartete kurz auf eine bestätigende Geste Marcins, bevor er fortfuhr. "Wenn dem so ist, was vermutet ihr auf dem noch fehlenden Schriftstück? Wird es nicht den gleichen Inhalt haben?"

Barnuta wurde bewusst, wie aufgeregt er im Moment war und zwang sich innerlich zur Ruhe. Marcin hatte sich sicherlich mit Bedacht an ihn gewand und Barnuta wollte ihm zumindest die Zeit einräumen, dass der Forscher sich, seine Sache und auch den gelesenen Text erklären konnte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Februar 17, 2009, 02:45:05
Marcin schüttelte den Kopf: "Jedes dieser Dinge, " er wies auf die Austellungsstücke, "Ist ein Fragment des Textes. Nicht alle Fragmente sind hier, einige konnte ich nicht mitnehmen. Ich kopierte sie lediglich.
Seit Ewigkeiten folge ich diesem Kinde Kains und sammle seine Letzten Worte. Jedes Fragment ist aus einem anderen Land und einer anderen Epoche. Von steinzeitlicher Keilschrift bis zum modernen Arabisch reicht die Vielfalt. nun glaube ich, ich habe den Verfasser endlich eingeholt. Vielleicht liegt hier das Ende des Textes, vielleicht hat er noch mehr zu sagen. Ich weiß nur, er Prophezeiht seinen Tod, und zieht nach Osten."
Marcin holte kurz Luft.
"Ich bin alt, Barnuta, älter als ich scheine." Er begann im Kreis zu laufen und über die Fragmente zu streichen, als wären es Kinder.
"Könnt ihr Euch etwas unter dem Begriff Kainskind vorstellen?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Februar 17, 2009, 10:18:48
Barnuta dachte kurz nach, aber schüttelte dann den Kopf. "Nein, ich meine dieses Wort noch nie zuvor vernommen zu haben." Und auch wenn es über Marcins Frage hinausging, so fügte er noch hinzu, "aber den Namen Kain habe ich bisher auch nur im Bereschit der Tora gelesen. Dort steht auch, dass er im Land Nod eine Stadt namens Henoch gründete. Ebenso ist dort sein Stammbaum über sieben Generationen aufgeführt, der jedoch mit der großen Flut endete."

Dem Westslawen wurde noch während er sprach klar, dass er viel zu weit ausholte. Was ist das nur? Ich muss doch vor diesem alten Forscher nicht behaupten oder mit meinem Wissen prahlen, wies er sich in Gedanken selbst zurecht. "Aber ein solches Kind Kains werdet ihr wohl kaum gemeint haben, als ihr vom Verfasser dieser Texte gesprochen habt ..."

Barnuta lauschte dem Nachklang seiner Stimme und dachte über die Worte Marcins nach. "Seid ihr euch sicher, dass es sich beim Verfasser dieser Textfragmente nur um eine Person handelt? Sie müsste ja eine Lebenspanne haben, welche die eines Methusalem in den Schatten stellen würde. Vielleicht sind die Fragmente jüngeren Datums ja nur Abschriften?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Februar 22, 2009, 17:22:01
"Gut Kombiniert, Barnuta, ihr seid gebildeter als ich dachte, muß ich zugeben. Jedoch verfügt ihr nicht über das Wissen, daß ich gesammelt habe."
Marcin machte ein paar Schritte und fohr dann fort: "Es gibt Teile der Bibel, die nicht vielen bekannt sind... Einer dieser Teile erzählt eine andere Seite der Genesis. Kain soll einen anderen Weg gegangen sein. Laut dem, was ich erfuhr und las, hat der verfluchte und zum ewigen Leben verurteilte aus Einsamkeit Kinder gezeugt, die aber auch sein Mal trugen. Diese zeugten wieder Kinder und die wieder. Sie waren alle besonders mächtig doch jede neue Generation würde schwächer.
Eines Tages begehrten die Kinder auf und mordeten ihre Ahnen. Namen ihre Macht in sich auf. Da schickte Gott die Sintflut, um die Brut von der Welt zu Fegen. Nur Kain und dreizehn seiner Enkel überlebten. Sie gründeten eine neue Zivilisation. Doch die Enkel hatten nichts gelernt und Kain Schritt selbst ein. Er verfluchte seine Enkel und ihre Kinder, daß sie von ihrer größten Arroganz geschlagen waren."
Marcin warf einen Blick zu Barnuta, als wolle er sich vergewissern, daß dieser noch folgen konnte.
"Ich vermute, der Verfasser dieser Fragmente," er wies wiederum auf sie, "ist eines der Enkel Kains. Er wurde zur Unsterblichkeit verflucht, warum nicht auch seine Kinder? Viel, von dem was ich auf meinen Reisen erfuhr, deutet darauf hin, daß die Kindeslkinder Kains heute noch wandeln. Könnt ihr mir soweit folgen?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Februar 23, 2009, 09:59:58
"Ewiges Leben ...", wiederholte der Westslawe leise für sich. Oft hatte er mit Joel über den Schriften gesessen, von welchen die Juden, Christen und Moslems behaupteten, sie wären die Fundamente ihres Glaubens. Aber eine Schrift, die derart detailiert über Kain und seine Nachkommenschaft Auskunft gab und deren Sünden für die große Flut verantwortlich machte ...? Nein, davon hatte er nie auch nur vernommen.

"Ich verstehe wohl, was ihr sagt und kann eurer Argumentation durchaus folgen. Wenn dies die Wahrheit wäre, müsste es ewiges Leben geben, aber den Schriften nach hat ER -  der HERR, ober wie auch immer die Gläubigen ihren einen Gott nennen mögen - den Menschen das ewige Leben verwehrt." Barnuta fasste sich. Er war durchaus Willens, der Argumentation Marcins zu folgen, nur stellte sich dies gerade als äußerst schwierig heraus, da sie viel Neues und auch Unglaubliches anführte. Aber das würde ihn nicht davon abhalten sich damit auseinanderzusetzen, wie er es auch mit den anderen Schriften getan hatte.

Ich vergebe mir nichts, wenn ich ihm weiter zuhöre. Ich werde dieser Erzählung meine Aufmerkamkeit schenken und mir meine Gedanken darüber machen; vielleicht diese sogar mit Marcin erörtern. Mit offenem Geist und Blick sah Barnuta seinen Gegenüber an. "Fahr doch bitte fort. Sofern ich eine Frage habe haben sollte werde ich diese auch zu stellen wissen."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am März 03, 2009, 19:52:53
"Der Herr... er schenkte den Menschen das ewige Leben... vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt..." begann Marcin. Er Schritt wie ein Lehrer durch die Höhle. Es hallte leicht. "Die Menschen verspielten es, wie ihr Anrecht auf das Leben im Paradies. Mit dem Genuss der verbotenen Frucht.
Kain jedoch kostete sie niemals. Er beging eine andere Sünde. Mit dem Mal des Mörders und den anderen Flüchen die er sich auflud, erscheint mir jedoch die Ewigkeit kein Geschenk zu sein...
Kain wandte sich weiterhin von Gott ab. Doch einige seiner KindesKinder blieben Ihm treu. Doch es gab nur einen, der um Vergebung flehte. Er suchte einen Weg, die Gnade zu erhalten. Den Kindern Kains bleibt der Weg des Büßers verweht. Für sie gibt es keinen Weg zurück ins Paradies, keine Erlösung durch Jesus Christus. Niemand weiß, was auf sie wartet.
Doch dieses eine Kind fand einen Weg.
Ihm erschien der Erzengel Michael nach langen Gebeten und wies den Weg. Er ging nach Osten, und als er zurückkehrte, hatte er den Fluch abgeworfen und lehrte von da an alle, die ihm zuhörten seine Erkenntnisse."
Marcin blieb stehen.
Ein Leuchten war in seine Augen getreten.
"Ich weiß, das alles klingt, als hätte der Wahnsinn mich erfasst. Leider ist das meiste Wissen, das ich erlangt habe, hier drin." Er tippte sich an den Kopf. "Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Es würde Wochen dauern, alles an Euch weiter zu geben."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am März 04, 2009, 15:34:32
"Nein," Widersprach der Westslawe seinem Gastgeber, "nach Wahnsinn klingt das für mich keineswegs. Unglaublich trifft es wohl besser. Aber wie viele andere Überlieferungen klingen ebenso ungalublich in den Ohren jener, die den Ereignissen nicht beigewohnt haben? Und wie oft wird man dann eines Besseren belehrt, wenn man einen Beweis für das Gesagte findet."

Kurz schweiften Barnutas Gedanken ab. Er dachte an seine Suche für die e niemals einen Beweis geben konnte. Plötzlich wurde er gewahr, was Marcin als letztes gesagt hatte.

"Verzeiht die Frage Marcin, aber ..." Barnuta wog kurz ab, ob er dem Forscher mit seiner Frage zu nahe treten würde, doch fuhr dann fort, "Drängt euch die Zeit? Wegen meiner können wir dieses Gespräch gerne bis zum Ende führen, auch wenn es Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen sollte."

Mit festem Blick schaute Barnuta dem Alten in die Augen um das soeben Gesagte noch zu untermauern.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am März 15, 2009, 20:52:51
Marcin lächelte: "Die Zeit...ich weiß nicht genau, ob sie drängt. Aber gewiß nicht so sehr...."
Er deutete auf den Ausgang. "Wir sollten wieder nach oben gehen.. Ich friere leicht." Zum Beweis fröstelte er kurz.
"Dann seit mein Gast, wenn es eure Pflichten erlauben. Ich bin Euch sehr dankbar Barnuta, wirklich."
Der immer mysteriöser wirkende Mann trat auf Barnuta zu und ergriff seine Hände, sie in dankbarkeit zu schütteln. Dabei trafen sich die Blicke. Barnuta sah förmlich, wie ein großer Stein von dessen Herzen fiel.
Er wurde hinausgeleitet, die Tür wurde verammelt und sie stiegen die Treppe empor. Marcin wirkte leichtfüßig, die Treppe schien ihn nicht außer Atem zu bringen. Recht behende nahm er die Stufen, daß Barnuta fast Probleme hatte, zu folgen.

In der Bibliothek angekommen, gab Marcin dem Reagl einen Schubs, und es schwang zu. Mit einem leisen Klicken war der Geheimgang verschwunden. Barbuta bekam einen Platz angeboten.
"Also, wann werden wir unser Gespräch fortführen? Es ist spät geworden," wandte sich der Gastgeber wieder an ihn.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am März 16, 2009, 15:13:23
Vieles von dem, was Barnuta heute gehört hatte, bedurfte eines Augenblicks der Ruhe um es erst einmal zu begreifen. Das Angebot seietns Marcins, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen kam ihm da nur zu gelegen.

"Im Moment bin ich nahezu aller Verpflichtungen ledig und das wird so bleiben, bis Mariusz Pietrigaa samt Frau und Kindern von der Beerdigung zurückkehren werden. Wenn es euch recht ist, dann können wir schon am morgigen Tag unser anregendes Gespräch fortführen?" Barnuta hoffte inständig, dass er nicht zu ungeduldig klang, doch was er gehört und gesehen hatte entfesselte seine Neugierde in einem Maße, wie er es selbst schon nicht mehr für möglich gehalten hätte seit er Akkon verlassen musste.

"Ich stehe euch in den nächsten Tagen uneingeschränkt zu Verfügung, sofern wir die Unterhaltung im Haus von Mariusz fortsetzen könnten", ergänzte der Westslawe, als ihm wieder bewusst wurde, dass er ja auch noch den Auftrag hatte, das Heim des Kaufmanns in dessen Abwesenheit zu hüten.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am April 16, 2009, 15:37:30
"Ich werde Euch aufsuchen," nickte Marcin.
Sie verabschiedeten sich herzlich, denn Barnuta schien dem älteren Herrn mit den Zeitlosen Augen durch die Offenbahrung sehr ans Herz gewachsen zu sein. Erst, als Barnuta den Weg nach Hause antrat und mitten in der Nacht durch die leeren Straßen wandelte, spürte er, wie gut es ihm getan hatte, Marcins gegenwart zu genießen. Der Optimismus, den er ausstrahlte hatte Barnutas Herz erwärmt, auch, wenn er sich das Gefühl nicht erklären konnte.


--- etwa zwei Wochen später ---


Barnuta erwachte in seinem Bett. Sein Schädel brummte. Marcin war dem Wein sehr zugetan, und Barnuta hatte die ganze letzte Woche mehr getrunken, als gut für ihn war. Sie hatten Schlicht und einfach vergessen, den Wein mit Wasser zu verdünnen. Viel hatten sie gesprochen, philosophiert und ihres gemeinsamen Freundes Joel gedacht. Sich gegenseitig von ihren Reisen erzählt. Barnuta hatte viel neues gelernt über sie seltsame Geschichte der Kainskinder.
Ob er Marcin wirklich glauben konnte, Stand noch in den Sternen. Zu viel Wundersames hatte er erfahren, und doch war noch so viel ungeklärt. Die wichtigsten Fakten hatte er jedoch verinnerlichen können:
Die Geschichte des Biblischen Kain, die in der Bibel ungeklärt bleibt, hatte ein Außmaß, daß, wenn es wahr wäre, ein imenses Außmaß hätte. Untote würden zwischen den Menschen wandeln, seine Kinder und Kindeskinder. Doch sie wären keineswegs Kreaturen der Hölle. Vielmehr hätten sie, den Menschen gleich, die Wahl, Gott zu folgen, oder sich von ihm abzuwenden.

Marcin folgte den Spuren eines bestimmten Untoten. Inzischen hatte er sogar seinen Namen verraten: Saulot, der Sanfte. Er soll an Gott festgehalten und seine Brüder dazu bewegt haben, sich seiner Sache anzuschließen. ER soll den Sanften erhört haben. Nun ziehe er durch die Welt, seine abtrünnigen Brüder auf den Rechten Weg zurück zu bringen. Er hatte spuren hinterlassen, Fragmente eines Vermächtnisses.
Der wahre Grund, warum Marcin nach ihnen suchte, sein ganzes Leben ihrer Vervollständigung gewidmet hatte, blieb weiter Schleierhaft. Er schien von einem ehrenhaften und vor allem ehrlichen Schlag zu sein. Er war durch und durch Christ, doch mit "offenen Augen", wie er es nannte. Er war fasziniert von der Möglichkeit, all sein Wissen könnte der Wahrheit entsprechen.
Barnuta gewann den Eindruck, seiner Bekanntschaft liefe die Zeit davon; nein eher als strebe er einer Entgültigkeit entgegen.

Die Abenteuerlust rief nach ihm. Inzwischen waren die Hausherren zurückgekehrt, und er hatte drei Tage frei bekommen, denn "Die Kinder waren noch nicht soweit." Morgen wollte er mit Marcin endlich aufbrechen, das letzte Fragment zu holen. Sie hatten gestern alles geplant. Die Ausrüstung übernahm Marcin, er hatte damit mehr Erfahrung.
Beim ersten Tageslicht gedachten sie sich außer Sicht des Burgtores auf der Straße nach Osten zu treffen.
Das Ziel war eine verborgene Tropfsteinhöhle, einen halben Tagesmarsch entfernt. Marcin hatte sie durch einen Kundschafter aufgespürt, der in sie hineingefallen war und sich mit einem gebrochenen Bein in die Stadt geschleppt hatte.
Dadurch erst hatte Barnuta erfahren, daß sich sein seltsamer Auftraggeber auch auf die Heilkunst verstand. Er hatte den Mann innerhalb eines Tages wieder Reisefähig gemacht.
Das Brummen seines Schädels riß Barnuta aus den Gedanken.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Juli 28, 2009, 21:28:09
Es kostete Barnuta einiges an Willensstärke und Zeit, bis das Dröhnen im Kopf abgeklungen war. Dem Slaven wurde bewusst, wie sehr er in dieser letzten Woche mit seiner Vorsicht gebrochen hatte - zumindest was Marcin anging. Selbst bei Joel hatte es seine Zeit gebraucht Vertauen zu fassen und vom Gefühl her stand er diesem immer noch näher, als seinem neuen Lehrer. Ja, er hatte viel erfahren in dieser einen Woche und vieles davon war so unglaublich, dass er es nicht als Fakt akzeptieren wollte; zumindest die Möglichkeit, dass es wahr sein konnte, zog er jedoch in Betracht.

Das Dröhnen im Schädel nahm wieder zu und Barnuta schalt sich selbst einen unvorsichtigen Narren. Noch vor dem Besuch Marcins in dessen Keller hätte er selbst verdünnten Wein abgelehnt. In seinen Jahren der Flucht war alles darauf ausgerichtet gewesen, nicht aufzufallen und sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Und niemals hätte er sich die Blöße gegeben die Kontrolle über seine Zunge zu verlieren. Barnuta schüttelte über diese - seine! - Entwicklung den Kopf und wurde gleich darauf mit heftigen Kopfschmerzen belohnt.

Er legte sich wieder auf sein Bett. Nachdem der Schmerz verebbt war, stahl sich ein Grinsen in seine Mundwinkel. Wohin ihn diese Entwicklung gebracht hatte, mochte er immer noch nicht fassen: Wissen, das seine kühnsten Träume überstieg und ein Abenteuer, das ihn reizte aus seinem Versteck zu kommen. Barnuta war sich sicher, dass er bei all diesem Neuen das Alte nicht ausser Acht lassen würde. Nur seine Vorsicht hatte ihn in all diesen Jahren am Leben erhalten und so würde es auch weiterhin sein. Dem Wein entsagte jedoch an diesem Morgen für immer, damit sich daran nichts ändern würde ...

Als der Kopfschmerz seine Macht über Barnuta zu verlieren ankündigte, erhob dieser sich und begab sich in die Küche des Hauses. Die Kinder liefen ihm über den Weg und er bgrüßte sie genauso freudig, wie sie ihn. Wie sehr er sie in den letzten drei Jahren doch ins Herz geschlossen hatte und dennoch würde er ihnen nie aus seinem Leben berichten; selbst Mariusz Pietrigaa wusste bei weitem nicht alles über ihn. Bei diesem Gedanken wurde dem Westslave bewusst, dass er sich für den kommenden Tag bei Mariusz zumindest abmelden sollte. Doch zuvor wollte er sich stärken.

In der Küche des Hauses traf er neben der Köchin auch Oleg an. Er grüßte freundlich in die Runde und schnitt sich wie selbstverständlich eine breite Scheibe vom frisch gebackenen Brot. Während er diese mit Butter bestrich, fragte er Anna, ob sie ihm zwei Eier braten könne, denn nie würde er es Wagen in ihrer Gegenwart selbst an die Töpfe und Pfannen zu gehen. Die Kaltmamsell der Kaufmannsfamilie Pietrigaa lächelte den Hauslehrer an und schlug zwei Eier für ihn auf, um diese knusprig und von beiden Seiten zu braten - ganz so, wie er es immer mochte. Barnuta liess sich neben Oleg nieder und dankte Anna für die Ausnahme, die sie für ihn gemacht hatte. Sie mochte Barnuta offensichtlich, doch war es in den Jahren seiner Anwesenheit im Hause nie über freundliche Worte und Gesten hinausgegangen.

Nachdem er sein Frühstück verzehrt hatte, suchte Barnuta Mariusz auf, um ihn von seiner Abwesenheit am nächsten Tag zu unterrichten.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Juli 30, 2009, 17:38:28
Mariusz war normalerwiese zu dieser Tageszeit entweder unterwegs, oder brütete an seinem Schreibtisch in der Bibliothek.
Als Barnuta sich deren Tür näherte, bemerkte er, daß sich eine männliche Person mit dunkler, zackiger Stimme mit dem Hausherren unterhielt. Das Gespräch mußte gerade sein Ende gefunden haben, denn schwere Schritte kamen näher und die Türklinke senkte sich.
Die Tür schwang auf, und der Mann, dem die fremde Stimme gehörte, sagte noch: "Wenn ihr entwas ungewöhnliches bemerkt, schickt einen Boten. Ich finde selbst hinaus. Guten Tag mein Herr."
Der Mann war seltsam gekleidet. Er trug eine schwere Rüstung, wie ein Kreuzritter, die Barnuta so oft versorgt hatte. Sie war jedoch golden. Der Waffenrock, den er trug war purpurfarbend, und das Kreuz, daß ihn als Ritter des Herrn auswies, war aus Goldfäden gestickt. Barnuta erkannte an seiner Haltung sofort, daß es sich hier keinensfalls um einen Glücksritter handelte, sondern um einen disziplinierten Soldaten. Er war glatt rasiert, das Haar geschoren.
Seine kalten Augen erfassten Barnuta, unterzogen ihn einem prüfenden Blick.
Dann tippte sich der Mann an die Stirn: "Mein Herr...," und ging an ihm vorbei Richtung Haustür.
Mariusz Stimme klang an sein Ohr: "Oh, Barnuta, habt ihr ein anliegen?"
Neugierig und scheinbar ein wenig erleichtert reckte sein Arbeitgeber den Hals nach ihm.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Juli 30, 2009, 20:03:27
Barnuta setzte eine besorgte Mine auf und fragte leise im entsprechenden Tonfall: "Ich habe doch nicht etwa gestört?" Mit seiner Rechten wies er in die Richtung, in welcher der Gerüstete entschwunden war. In der Frage schwang Neugier mit, doch würde er Mariusz niemals direkt fragen, wer das gerade war und was sein Begehren. In der Erinnerung des Westslaven stieg das Bild der Kutsche hoch, der er in dieser Nacht der Offenbarung in letzter Sekunde ausweichen konnte. Die Farben und Symbole glichen denen des soeben gegangenen Besuchers.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Juli 30, 2009, 20:30:05
"Neinein, tretet doch ein."
Mariusz war ein durchweg freundlicher Mann. Allein wenn es ums Geschäft ging, war er ein harter Verhandlungspartner. Er vermochte seine Mine wie eine undurchdringliche Maske zu tragen.
Doch seine nächsten Worte begleitete ein Anflug von Ironie: "Der Herr Ritter informiert alle Bürger über die Anwesenheit einer Relique in der Stadt. Ein Franzose soll sie gebracht haben. Außerdem sollen wir ausschau nach Dämonen und Hexen halten.. könnt ihr euch das vorstellen? Hexen in unserer Stadt. Ha!
Der Anwesende Klerus, der den Hexen den Garaus machen soll, treibt wenigstens das Geschäft an. Sie speisen zumindest wie die Könige..."
Er rieb sich die Hände, wechselte aber schnell das Thema: "Weswegen wolltet ihr mich sprechen, Barnuta?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Juli 30, 2009, 21:07:59
"Ich wollte euch lediglich davon in Kenntnis setzen, dass ich den morgigen Tag einen Ausflug zu unternehmen gedenke. Herr Marcin bat mich, ihn zu begleiten." Barnuta hatte zwar nicht vor, Mariusz in alles einzuweihen, was er in der vergangenen Woche erfahren und erlebt hatte, doch die Erwähnung dieses Namens geschah durchaus mit Bedacht; wusste Barnuta doch um die freundschaftliche Verbindung dieser beiden Männer. Mariusz würde vermutlich nicht weiter nachfragen, wenn Barnuta - ganz gegen sein bisheriges Verhalten - den Schutz dieses Hauses verließ, so er dabei in Begleitung einer vertrauten Person war. "Der Unterricht der Kinder soll ja auch erst Übermorgen fortgesetzt werden und ich gedenke bis dahin wohlbehalten zurück zu sein", ergänzte er, um weiteren Fragen zuvor zu kommen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 02, 2009, 19:34:43
"Der gute Marcin..." sagte Mariusz seufzend, "ich bin erstaunt, daß er euch aus dem Hause bekommt."
Er zwinkerte Barnuta zu: "Vielleicht bekommt ihr dann ein bischen Farbe. Gebt auf euch und besonders auf Marcin Acht. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe noch sehr viel zu tun... beunruhigt euch noch etwas?"

Er wußte, daß Mariusz nur ungern ein Schwätzchen verschähte. Wenn er wirklich soviel zu tun hatte, mußten die Geschäfte außerordentlich gut oder schlecht laufen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 11, 2009, 20:49:04
Barnuta nahm seinen Abschied von Mariusz und widmete sich den Rest des Vormittags seinen Studien. Am Nachmittag war ihm dies nicht mehr möglich, da seine Gedanken nur noch um den bevorstehenden Ausflug kreisten. Er überlegte kurz, was mitzunehmen zweckmässig wäre und begann seine Sachen zu packen. Barnuta entschied sich für ein dunkles Reisegewand und eine Tagesration. Auf seine Klinge verzichtete er bewusst. Es stand nicht zu erwarten, dass es gefährlich werden würde, aber dergleichen kündigte sich in den seltensten Fällen schon lange im Vorfeld an.

Die Vorbereitungen waren schnell erledigt und somit hätte der Westslawe Zeit gehabt, sich wieder seinen Schriftrollen zu widmen - er konnte es jedoch nicht. Er legte sich auf sein Bett und versuchte zur Ruhe zu kommen. Immer wieder wanderten die Gedanken zu dem, was er er in den letzten Tagen erfahren hatte. Obwohl es in seiner Natur lag, Probleme eher mit Worten zu lösen, wurde ihm bewusst, dass er diesen Kainskindern - so sie denn tatsächlich existierten - nicht nur mit Worten gegenübertreten konnte. Zwar war die Chance ihnen zu begegnen ebenso gering, wie die gegen sie im Kampf zu bestehen, aber eine Waffe, die man zu führen wusste, konnte allein schon dadurch hilfreich sein, dass sie in Griffweite war.

Schnell erhob sich Barnuta von seinem Lager und holte seine Waffe aus ihrem Versteck. Nicht, dass es ihm vom Hausherrn untersagt worden wäre, überhaupt eine zu besitzen - Barnuta versteckte sie einzig zum Schutz der Kinder, die ihn auch schon des öfteren in seiner Kammer besucht hatten.

Als Barnuta die Damaszener Klinge mit ihrer einzigartigen Maserung in die Hand nahm und von allen Seiten inspizierte, stiegen vor seinem gesitigen Auge wieder die Erinnerungen an die Zeit mit Joel auf. Von ihm hatte er diese Klinge als Abschiedsgeschenk erhalten. Ein unbezahlbarer Schatz, den Barnuta hütete wie seinen Augapfel. Mit Joels Geschenk fühlte er sich für den kommenden Tag gewappnet.

Es dauerte, bis Barnuta in den Schlaf fand und dieser war nicht nur leicht, wie es seine Angewohnheit war, sondern auch sehr unruhig. Als es dem Westslawen an der Zeit schien, erhob er sich und machte sichbereit und auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Noch weit vor Tagesanbruch erreichte er die von Marcin beschriebene Stelle, östlich der Stadt außerhalb der Sichtweite des Tores. Barnuta lagerte sich abseits der Straße und wartete gespannt auf das Eintreffen Marcins.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 13, 2009, 01:17:00
Ein Wind wehte Barnuta um die Nase. In der ferne schien sich ein Sturm zu entladen, doch frischte der Wind nicht weiter auf.
Als sich das erste rosa am Himmel bemerkbar machte, erschien Marcin. Er hörte zuerst das Hufgetrappel des Esels, den der Alte mit sich führte. Er ging leichten Schrittes, und der Wind spielte mit seiner Haube, die er beständig trug.
Er winkte Barnuta freudig zu.
Als er ihn erreicht hatte, begrüßte er ihn nochmals: "Ist es nicht eine herrliche Nacht gewesen? Wir werden sehen, was uns der Tag bringen mag."

Er wartete bis Barnuta sich vollends aufgerichtet hatte, und sie zogen los, erst einmal die Straße entlang. Rosa verwandelte sich langsam in Orange. Der Esel folgte ihnen brav, er war mit Taschen bepackt.
"Und, Barnuta, habt ihr schon einmal eine Tropfsteinhöhle besucht?" wandte sich Marcin an ihn.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 13, 2009, 01:45:24
Der Westslave war immer noch mit den Gedanken woanders, so dass er die Frage seines Begleiters beinahe überhört hätte. Er versuchte sich zu erinnern, doch fiel ihm nicht ein, ob er je solch eine Höhle betreten hatte. "Nicht das ich wüsste", gestand er nach ein paar Sekunden des Schweigens.

Wenn er es sogar genau bedachte, so wusste er nicht einmal, was er sich unter diesem Begriff vorzustellen hatte und so fragte er seinen Begleiter frei heraus: "Was ist denn eine Tropfsteinhöhle?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 13, 2009, 16:20:27
"Ihr wißt doch sicher, daß Kalkstein tief unter unseren Füßen ist," antwortete Marcin geduldig, "und daß man Kalk in Wasser auflösen kann. Wenn dies in natürlicher Umgebung passiert, wie in einer feuchten Höhle, bilden sich tropfende Steine, ähnlich wie ein zerfließende Kerze. Sie scheinen von der Decke und vom Boden zu wachsen, es ist eine erstaunliche Schöpfung, ihr werdet fasziniert sein..."
Marcin schien sich sehr für das Verständnis über Gottes Schöpfungen zu interessieren, er blühte immer mehr auf, beschrieb die Wunder, die Licht auf diesen Steinen hervorrufen konnte. Mittlerweile hatten sie den Waldrand überschritten, und die Sonne war höher gestiegen.
So vertieft blieb Marcin unverhofft stehen und sah sich um. Dann schloß er für einen Moment die Augen und sah sich dann wieder um.
"Hier entlang mein Freund," bedeutete er. Barnuta stieg durch einige Büsche, hinter denen sich ein kleiner Pfad, der weniger als ein Trampelpfad war, offenbarte. Der Esel folgte ihnen brav.
Sie stiefelten durch den Mischwald. Viel gab es anscheinend nicht zu sagen von Marcins Seite, er schien es einfach zu genießen, dem Mief der Stadt zu entkommen, und tatsächlich roch die Luft würzig und rein, daß man frei atmen konnte.
Gegen Mittag erreichten sie eine Lichtung. Die Sonne, die zuvor nur in einzelnen Strahlen durch Blätterdach gebrochen war, erleuchtete die mit Gras und Wildblumen bewachsene kleine Fläche.
"Laßt uns einem Moment rasten," bat Marcin, obwohl er selbst kein bischen müde schien, er war weder außer Atem, noch schwitzte er. Sie entluden den Esel und ließen ihn grasen. Marcin setzte sich nieder, zwischen die Blumen und entpackte ein Bündel und einen Wasserschlauch.
Ein bekannter Geruch stieg ihm in die Nase von getrockneten Feigen.
"Hier." Marcin hielt ihm das geöffnete Bündel hin und reichte ihm ein dünnes Fladenbrot dazu. "Hier in der Nähe sollten wir uns gleich umschauen. Hier irgendwo muß der Eingang sein, also seit vorsichtig, daß ihr nicht hineinfallt."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 14, 2009, 01:10:06
Die Begeisterung, mit der Marcin Barnuta dieses Naturphänomen erklärte, war ansteckend und der Westslave war gespannt, diese alsbald zu Gesicht zu bekommen. Barnuta genoss diese Vorfreude ebenso wie das Schweigen während der Wanderung. Seine Gedanken schweiften in die Zeit seiner Jugend, als er in den Wäldern der Mark Brandenburg zu Hause war und dies durchstreifte. Wehmütig dachte er an seine Familie und an sein Vorhaben, irgendwann einmal auf die Insel seiner Vorfahren zurückzukehren.

Der plötzliche Halt riss Barnuta in die Wirklichkeit zurück. Er liess sich neben Marcin nieder und war überrascht, als er das getrocknete Obst vor sich sah. Irgendwie schien ihn heute alles an seine Vergangenheit zu erinnern. Er überlegte, wie lange es her sein mochte, dass er so mit Joel zusammen gesessen hatte. Merkwürdig war das schon, dass es genau die Speisen waren, die Joel und er auch auf ihren Reisen verzehrt haben. Dennoch griff Barnuta dankbar zu und bot hingegen seinem Begleiter den mitgebrachten Schinken und die Dauerwurst an.

Barnuta stärkte sich und nahm einen großen Schluck Wasser, bevor er sich in das Moos des Waldbodens fallen lies um das Spiel des Sonnenlichts in den Baumwipfeln zu beobachten. Als er bemerkte, dass Marcin die Reste zusammenpackte, erhob er sich wieder - bereit für die Suche nach dem Eingang zu dieser Tropfsteinhöhle.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 14, 2009, 20:42:22

Nach einer Halben Runde um das Lager entdeckte Barnuta den Höhleneingang.
Er konnte verstehen, daß der Kundschafter hineingefallen war, den beinahe wäre das gleiche ihm geschehen. Überwachsen von Farn offenbarte sich unverhofft ein schräg, fast senkrecht abfallender Schacht, den man anscheinend nur mit großer Kraft von unten emporklettern konnte. Wie der Kundschafter es mit einem gebrochenen Bein geschafft hatte, war ihm ein Rätsel.
Zwei Schritt von dem Schlund entfernt stand ein mächtiger Baum, eine Buche um genau zu sein. Barnuta schätzte, daß er den Abstieg unverletzt überstehen konnte, wenn er darauf vorbereitet war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 14, 2009, 22:03:52
Geschickt machte Barnuta einen Satz über die verdeckte Öffnung im Boden und lies sich auf der anderen Seite vorsichtig auf die Knie nieder, um über den Rand in den Abgrund zu spähen.

Viel konnte er nicht erkennen und so schaute er sich um, wie man den Abstieg in diese Tropfsteinhöhle sichern könnte. "Die kräftige Buche könnte von Nutzen sein, wenn wir denn Seile dabei hätten", rief er zu Marcin hinüber, der sich auf der anderen Seite ihres Lagerplatzes auf die Suche begeben hatte und winkte ihn heran. "Ich habe den Eingang gefunden", ergänzte er.

Barnuta begab sich zum Esel und begann in den mitgeführten Sachen nach etwas Hilfreichem zu suchen. Ein oder zwei Seile und ein paar Fackeln würden seiner Meinung nach ausreichen, um nicht das gleiche - oder gar ein schlimmeres - Schicksal wie der Kundschafter zu erleiden.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 16, 2009, 01:35:22
Marcin reagierte sogleich, und schritt ebenfalls zum Gepäck, das neben dem friedlich grasenden Esel am Boden lag.
Gemeinsam entfernten sie das Tuch, daß alles zusammen hielt und förderten einige Dinge zu tage, die eine Expedition in fremde Länder gerechtfertigt hätten:
Ein etwa zwanzig Ellen langes Hanfseil, einen Haken, der augenscheinlich eine ganze Kuh halten konnte, eine Blendlaterne, Mehrere Kerzenstummel, Lampenöl, Fackeln, Proviant, eine Zeltplane, eine Zunderbüchse, Wolle...
und etwas besonderes, das Marcin Barnuta stolz zeigte: Es war ein zweites Seil, doch war es ungleich dünner und schneeweiß.
"Dies hat eine Freundin vom mir gewebt. Es ist nahezu unzerstörbar. Hängt es euch um," sagte Marcin, als er das Seil weiter reichte.
Sie teilten die Dinge unter sich auf, wie es Barnuta am sinnvollsten erschien.

Schnell hatten sie das Hanfseil um die Buche geschlungen, und er war bereit für den Abstieg. Er sollte zu erst nach unten steigen doch Marcin würde es sich nicht nehmen lassen, selbst mit hinunter zu gehen. Unten war es dunkel, wo das Licht der Sonne nicht einen kleinen Kreis warf.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 16, 2009, 13:44:37
Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta überprüfte noch einmal den Knoten des Hanfseiles und kontrollierte, ob alles, was er für den Abstieg in einen Beutel gepackt hatte, auch sicher verstaut war. Das merkwürdige weiße Seil hängte er sich quer über den Oberkörper auf die Schulter, nachdem er dessen Beschaffenheit geprüft hatte. Marcin hatte Recht - etwas Derartiges hatte Barnuta noch nie gesehen.

Vorsichtig, das Hanfseil fest in den Händen haltend, begann Barnuta mit dem Abstieg. Die Blendlaterne, die er an seinem Gürtel befestigt hatte, erleuchtete zumindest seine nähere Umgebung, so dass es ihm möglich war, für seine Füße jeweils einen sicheren Stand zu finden. Langsam und Stück für Stück bewegte sich Barnuta in den Spalt hinein.




Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 16, 2009, 17:26:36
Barnuta fiel das abseilen leichter, als es von oben hatte vermuten lassen.
Es bestand bald nicht mehr die Gefahr, sich den Kopf zu stoßen, denn trotz der Dunkelheit bemerkte er, daß sich die Höhle weit öffnete. Und er hörte Tropfen, die ein Echo verursachten, daß die Höhle eine eigene Melodie spielte.
Als er ebenen Boden unter den Füßen hatte, waren noch gut zehn Ellen des Seiles übrig.
Von unten konnte er Marcins Silhuette erkennen, die sich neugierig über den Schacht beugte.
"Alles in Ordnung?!" rief er herunter. "Wie sieht es aus?!" fügte er beinahe ungeduldig hinzu, als Barnuta endlich dazu gekommen war, die Blendlaterne zu entzünden und einen Lichtstrahl in die Dunkelheit zu senden.

Eigentümlich wirkten die Tropfsteine, die ihm zuvor so eindrucksvoll beschrieben worden waren. Tatsächlich wirkten sie wie das, was sie waren: In Äonen langsam geschmolzender Stein.
Manche waren weiß, andere schillerten, als der Strahl der Laterne, die sie streifte.
Im wesentlichen gab es - durch das Wirrwarr von Tropfsteinen - von seiner Position aus nur einen Weg zu erkennen: Dortentlang, wo das Licht noch keine Wand getroffen hatte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 16, 2009, 19:33:16
"Ich bin unten angekommen. Lasst euch Zeit mit dem Abstieg und sucht nach den Stellen, wo ihr sicher stehen könnt. Ich werde versuchen euch von hier unten so gut ich kann zu leuchten und zu dirigieren. Aber im Grunde scheint der Weg sicher."

Barnuta nahm sich nicht die Zeit, sich in dem Anblick der Stalaktiten und Stalagmiten zu verlieren. Doch der kurze Blick, den er schon mal in die Runde werfen konnte, offenbarte Wunderbares. Marcin hatte nicht zu viel versprochen.

Wichtiger war für Barnuta im Moment jedoch der sichere Abstieg seines Begleiters und widmete er sich mit größter Konzentration dieser Aufgabe.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 17, 2009, 20:39:41
Marcin war behender, als er schien. Leichtfüßg, mit sicherem Stand, hielt er sich am Seil auf Kurs und rutschte auf den Sohlen seiner Sandalen wie ein jugendlicher die Schräge hinunter. Zwei Schritt bevor er in Barnuta hineinzurasen drohte, veringerte er dir Geschwindigkeit und kam vor ihm zum Stehen. Ein verschmitztes lächeln ziehrte sein Gesicht.
Sie spannten sicherhaltsahlber den Rest des Seils um einen mächtigen Tropfstein.
Marcin entzündete eine Fackel, und sah sich auch erst einmal um.
"Dort hinten wird wohl unser Ziel sein...," sagte er, und deutete auf das Dunkel, daß ihr Licht nicht zu durchdringen vermochte. "Seht euch vor, hier könnten Fallen versteckt sein," fügte er hinzu. Zur bestätigung leuchtete er auf den Boden.
Ein feiner Draht reflektierte das Licht der Fackel diffus. Leicht hätte man ihn übersehen können.
"Achtet auch auf Druckplatten oder seltsame Gerüche."
Marcin hob seine Robe hoch, um über den Draht zu steigen.
Vorsichtig näherten sie sich dem dunkel. Die elyptische Höhle verjüngte sich genau gegenüber von ihrem Eistieg in einen Gang, und einer von ihnen mußte nun vorgehen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 17, 2009, 23:34:36
Der Abstieg Marcins zauberte den Ausdruck von Verwunderung auf Barnutas Gesicht. Für einen Augenblick fragte er sich, ob hier nicht irgendetwas verkehrt war. Marcin sah deutlich älter aus, als er selbst und doch war es Barnuta, der mit einer Vorsicht zu Werke gegangen war die eher einem alten Mann zu Gesicht stehen würde.

Was ihn jedoch für einen Augenblick sprachlos machte, war der Hinweis auf Fallen, der zugleich auch noch mit einem Beispiel untermauert wurde. In dieser beeindruckenden Höhle hatte Barnuta völlig außer Acht gelassen, das sie nicht nur hier waren, um die Wunder der Natur zu bestaunen. Sie waren auf einer Suche. Und wenn hier jemand etwas versteckt - oder auch nur hinterlegt - hatte, so würde dieser Jemand auch sicherlich dafür Sorge getragen haben, dass diese Kostbarkeit nicht so leicht von Unbefugten gefunden und mitgenommen werden konnte.

Barnuta rief sich innerlich zur Aufmerksamkeit und achtete nun um so mehr auf jeden seiner Schritte.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am August 22, 2009, 19:52:49
Konzentriert folgten sie der Verjüngung der Höhle, die zu einem Gang wurde. Tatsächlich bemerkte Barnuta einen weiteren feinen Draht, der quer gespannt war. Dann passierten sie einen niedrigen Durchgang. Über ihm befand sich eine aushöhlung, in der ein großer Stein ruhte, den unvorsichtige mit einen hängenbleiben am Draht sicher herunterollen würde. Erst da fiel ihnen auf, daß einige Kalksteine in seiner Bahn abgebrochen worden waren.
Hinter dem niedrigen Durchgang tat sich eine weitere große Höhle auf, die von ihrem Standpunt aus unübersichtlich war.
Zumindest schien es zunächst so.
Nach wenigen Schritten klaffte ein Abgrund vor ihnen auf. Es gab keinen Weg darum herum. Kalt weht eine Luftzug von unten herauf. Er trug den Geruch von Verwesung mit sich.
Marcin beugte sich über den Rand. "Ich hatte so etwas befürchtet...," murmelte er.
Er kramte einen Kiemspan hervor und entzündete ihn an der Fackel, hielt ihn einem Moment über den Abgrund, und ließ dann los.
Der brennende Span flog an einer Felsigen senkrechten Wand hinab. Barnuta schätzte die Strecke auf zehn bis fünfzehn Ellen.
"Hmmm...,"machte Marcin nur, und sah sich um.
"Laßt uns einem Moment überlegen," sagte er einfach, und steckte die Fackel in einen kleinen Geröllhaufen. Er setzte sich, ließ nachdenklich die Beine über den Rand baumeln. In der nun nicht mehr ganz so bedrohlichen Tiefe erlosch die kleine Flamme des Kiemspans.
"Barnuta...," begann er, "Jetzt, wo wir kurz vor dem Ziel sind, fühle ich mich verpflichtet, mich euch zu offenbaren. Spürt ihr es nicht auch? Das Verrinnen der Zeit? Die Veränderung, die unaufhaltsam näher rückt?"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am August 24, 2009, 22:59:28
Am Abgrund stehend versuchte Barnuta zu sehen, ob ein Weg auf der anderen Seite weiterführen würde, doch konnte er selbst mit der Blendlaterne keinen gangbaren Pfad entdecken. Wenn es also weiter ging, dann führte der Weg tatsächlich in den Abyss. Marcins pragmatischer Test mit dem Kienspan bestätigte seine Vermutung. So machte sich der Westslave dran, eine Möglichkeit zu finden, das Seil zu befestigen, um damit den weiteren Abstieg abzusichern. Der Geruch, der aus dem Abgrund aufstieg weckte Ekel in ihm und kurz überlegte er, ob dieser Geruch von gescheiterten Abenteurern herrührte oder ob es eine weitere Abschreckungsmaßnahme gegen Eindringlinge war um letztendlich zu dem Schluss zu kommen, dass vielleicht sogar beides hier zutraf.

Die Pause, die Marcin jedoch so plötzlich einlegte, um mit ihm ein paar Worte zu Wechseln überraschten Barnuta noch mehr, als die Tatsache, dass es in dieser Höhle tödliche Fallen  gab. Langsam wandte er sich zu Marcin um. "Ihr wollt euch mir offenbaren? Was meint ihr damit?" Die Verwunderung musste ihm selbst in dieser spärlichen Bedeutung anzusehen gewesen sein. Ich dachte, wir sind auf einer Suche? Kalter Schweiß trat Barnuta auf Stirn und Rücken. War das eine Falle? Und wenn ja, was sollte dann dieses tagelange Versteckspiel, dass Marcin dann mit ihm getrieben hatte?

Unsicher, wie er auf die letzten Fragen seines Begleiters antworten sollte, zögerte er etwas, bevor er sich selbst eingestand, ehrlich darauf antworten zu wollen. "Nein, ich spüre keine nahende Veränderung. Wovon redet ihr?"

Egal was nun kommen würde, Barnuta zwang sich selbst dazu ruhig zu bleiben und nahm neben seinem Begleiter Platz. Äußerlich gelassen war er zwar Willens, seine Aufmerksamkeit Marcin zu schenken, doch war diese geteilt. Innerlich war Barnuta bereit, auf jedes Anzeichen einer drohenden Gefahr zu reagieren.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am September 17, 2009, 18:59:33
Marcin seufzte. "Es ist gegen meine Natur, unaufrichtig zu sein... ich pflege nicht zu lügen, und das habe ich bis jetzt auch nicht," begann er, "jedoch habe ich euch auch nicht alles gesagt..."
Es schien ihm schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden, denn genau wie Barnuta schien er vor irgendetwas Angst zu haben. Er holte tief Luft.
"Ich ziehe schon länger durch die Lande, als ich bisher zugab. Meine Reise dauert schon mein ganzes Leben an, und ich spüre, hier ist das Ziel. Damit ist es für mich Zeit, einen Erben zu bestimmen, ihm all mein Wissen zu übergeben, damit ich endlich in Frieden ruhen kann."
Seine Stimme wurde leiser und sanfter. Er hob den Blick und sah ihn an. Barnuta erkannte zwei Dinge in den Seinen: unerklärliches Leid und... Frieden.
"Ich bin selbst ein Nachfahre dessen, dem ich folge. Ich bin ein Nachfahre Saulots, des Sanften. Mit anderen Worten: Ein Kainskind.
Doch im Gegensatz zu vielen anderen, bin ich meinem Gründer auch philosphisch gefolgt. Ich habe die Erleuchtung erlangt, und habe den Fluch abgeworfen. Ich bin bereit zu gehen."
In einer kindlichen Geste ergriff er Barnutas Hand. "Ich kann und darf mein Wissen nicht mit ins Grab nehmen. Deshalb habe ich euch ausgewählt."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am September 30, 2009, 22:36:21
"... damit ich endlich in Frieden ruhen kann", echote es in Barnutas Kopf und es dauerte einige Sekunden bevor er realisierte, was Frederic Marcin im soeben gesagt hatte. Entsetzen und Erschütterung durchfuhren seine Glieder, als ihm bewusst wurde, dass sein Begleiter der festen Überzeugung war, dass sein Leben bald enden würde und ihm diese Tatsache auch unabänderlich erschien. Offenbar schien er sich sogar darauf zu freuen, oder das Ende zumindest herbeizusehnen. Niemals hätte Barnuta das von Marcin erwartet!

Doch die nächste Offenbarung Marcins traf den Westslawen noch härter. Wie ein Vorschlaghammer trafen ihn die Worte, die er ohnehin schon wie durch Watte wahrgenommen hatte. Marcin war ein Kainskind! Hätte er nicht schon gesessen, hätte er spätestens jetzt jeglichen Halt verloren. War all das, was er von Marcin über die Nachfahren Kains erfahren hatte tatsächlich wahr? Seine Knie waren weich und sein Fluchtreflex sandte Befehle an seine Beine, die darauf jedoch nicht reagieren konnten. Barnuta wollte aufspringen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Er spürte seine Ohnmacht, und seine Wut, ihr ausgeliefert zu sein. Und noch nicht einmal seiner Wut konnte er Ausdruck verleihen. Seine Stimme versagte ihm ebenfalls den Dienst und er brachte nur ein Krächzen zustande. Niemals hatte er mit einer solchen Nachricht rechnen können und nicht auf der Welt hätte ihn schonend darauf vorbereiten können.

Dann spürte er die Hand Marcins, die seine eigene ergriff. Und so merkwürdig es war, und so weit wie er jetzt von diesem Menschen - Menschen? - entfernt sein wollte, gab ihm diese Berührung Halt. Und mit der Berührung verschwand auch der Drang, diesen Ort und Marcin sofort zu verlassen. Dafür sickerten nun langsam die Wortfetzen in Barnutas Bewusstsein, die in der Aufregung völlig verloren gegangen waren. Den Fluch abgeworfen. Erleuchtung erlangt. Ausgewählt.

Immer noch war Barnuta von den Worten Marcins geschockt, doch zumindest hatte er wieder die Kontrolle über seine Stimme. "Erklärt euch", herrschte er seinen Begleiter an, "auf der Stelle!"


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 01, 2009, 23:39:08
Etwas verzweifeltes mischte sich in des Alten Blick: "Verdammt mich nicht, Barnuta. Um euer Vertrauen zu Gewinnen, werde ich euch meinen Wahren Namen verraten. Ich habe ihn seit gut eintausenfünfhundert jahren nicht mehr ausgesprochen," fügte er betont hinzu.
Marcin stand auf und streckte beide Arme aus.
"Ich bin Rachamiel! Ich zähle zum Clan Salubri!" rief er.
Seine Stimme pflanzte sich in einem Echo durch die Höhle fort. Das Alter fiel von ihm ab, als würde es einfach weggewischt. Die Haut zog sich glatt, das grau aus dem Haar verschwand und wich einer hellbraunen Mähne. Er strich sein Stirnhaar beiseite. Das, was Barnuta die ganze Zeit für eine tiefe Falte gehalten haben mußte, entpuppte sich als waagrechtes Drittes wimpernloses Auge, daß sich langsam öffnete. Die Iris hatte die gleiche Farbe wie die anderen beiden Augen: Rehbraun.
"Ich bin einer der dreizehn Wächter des Wissens! Ich hüte die Geheimnisse unseres Clansgründers!" , übertönte seine nun kraftvolle und reine Stimme jedes Tropfen, sogar das Rauschen des Blutes in Barnutas Ohren.
Seine Kleidung veränderte sich, und wich einer strahlend weißen Robe, ohne Schmuck.
Je weiter sich dieses Auge öffnete, desto... wärmer wurde Barnuta. Es war nicht sein Körper, der sich erhitzte, vielmehr sein Herz, das ihm aufging, wie von einer fremden Macht bestimmt.
Tränen rannen von selbst über seine Wangen.
Die Güte, die Herrlichkeit, die Liebe, die von dieser engelsgleichen Gestalt ausging, die zuvor noch ein einfacher alter Mann gewesen war, überwältigte ihn einfach, daß er sich kaum fassen konnte.
Sein Innerstes hätte sich am liebsten diesem Wesen zu Füßen geworfen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 05, 2009, 21:51:08
Die letzten Zweifel an den Worten dieses wunderbaren Geschöpfes verschwanden mit der Verwandlung des selbigen. Fast schon körperlich spürte Barnuta die Trauer, die ihn erfasste, als Marcin - nein, Rachamiel seine Hand losließ. Frederik Marcin hatte in dem Augenblick zu existieren aufgehört, als Rachamiel sich dazu entschlossen hatte, Barnuta sein wahres Wesen zu enthüllen.

Alles ist wahr! Für mehrere Augenblicke beherrschte nur dieser eine Gedanke Barnutas Welt, als er in das dritte Auge seines Begleiters sah und ihn ein wohliges Gefühl von Frieden erfüllte. Es ist unglaublich! Die Kainskinder - der Clan Salubri - Saulot, der Sanfte - der Fluch Kains. All das existiert! Vielleicht in einer eigenen Welt, unbemerkt von den Menschen - aber diese düstere Welt existiert und Rachamiel ist der sichtbare Beweis dafür.

Rachamiel verdammen? Dieser Gedanke wäre Barnuta nie im Leben gekommen. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er einen Frieden, welcher ihm eine Idee von Heimat vermittelte. Um nichts auf der Welt hätte Barnuta von der Seite dieses wundervollen Wesens weichen wollen. Doch als ihm dies bewusst wurde, realisierte der Westslave, was Rachamiel von seinem Ende gesprochen hatte und plötzlich setzte die Erinnerung an das zuvor Gesagte wieder ein. Ein Kainskind. Das erklärt so einiges ... Die gute Kondition, das große Geschick, die Schnelligkeit mit der er nach dem Überbringen der Einladung verschwunden ist. Doch wie kann es sein, dass ihm die Sonne nichts anhaben kann? Hatte er nicht selbst erklärt, das Licht der lebensspendenden Sonne wäre für Kainskinder tödlich? Konnte es tatsächlich den Kainskindern gelingen, den Fluch abzuwerfen?

Für Barnuta ergab nun einiges Sinn, doch verstand er bei Weitem noch nicht alles. Für mehrere Augenblicke kämpfte Barnuta mit sich selbst, befürchtete er doch, diesen Moment des Friedens und der Glückseligkeit allein dadurch zu zerstören, dass er Rachamiel nur ansprach. Doch die Fragen brannten ihm auf der Seele und so sprach er sie aus. "Welche Erleuchtung habt ihr gefunden, die es euch erlaubt, einen Fluch zu brechen und euren Frieden im Tod zu suchen? Und was meint ihr damit, mich ausgewählt zu haben? Was ist ein Wächter des Wissens? Und wie wollt ihr es fertigbringen, mir all das Wissen zu vermitteln, welches ihr in" - Barnuta schauderte, als er das Wort aussprach, da es für ihn immer noch unwirklich klang - "Jahrtausenden erlangt habt."

Noch immer verwirrte den Westslaven, dass die Aussicht auf sein Ende Rachamiel in den Zwiespalt der Gefühle zwischen Frieden und Leid stürzte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Oktober 10, 2009, 12:15:18
Macin - Rachamiel - ließ die Arme sinken. Er schloss alle Augen.
Die Welle, die von ihm ausgegeangen war, verebbte. Er sank auf die Knie. Sein Aussehen änderte sich jedoch nicht zurück. Er blieb der junge Mann, der soviel jünger als Barnuta wirkte, vielleicht sehzehn, vielleicht achtzehn Jahre alt, doch als er das menschliche Augenpaar wieder öffnete - das Dritte Auge blieb geschlossen - war die tiefe Liebe und das Verständnis nicht gewichen. Es ähnelte dem, das Barnuta vor vielen Wochen wahrgenommen hatte, als er Marcin das erste mal allein in seinem Haus besucht hatte, doch war es diesmal offen und aufrichtig, ohne den Beigeschmack des Verbergens.
Er setzte sich nieder, wie es eigentlich die Moslems im Osten taten, wenn sie beteten, die Ober- und Unterschenel parallel.
"Ihr stellt eure Fragen zu Recht, Barnuta..." sagte er leise.
"Ich war einst ein Suchender, wie ihr. Getrennt von meinen Lieben, wanderte ich umher. Als ich noch ein Junge war, hatte ich einen fürchterlichen Fehler gemacht... Ich zog nach Ägypten mit dem großen Alexander. Ich war der Gehilfe seines Leibartztes.
Dann wurde ich in die Nacht geholt. Eigentlich wäre ich auf dem Schlachtfeld gestorben, weißt, du, Barnuta?"
Er machte eine Pause. In der Vertrautheit, die nun zwischen ihnen herrschte, beachtete niemand mehr die Etikette.
Eine rote Träne rann ihm über die Wange und hinterließ einen kreisrunden Fleck auf der weißen Robe, als sie auf dem Oberschenkel auftraf.
Ohne zu schluchtzen sprach er weiter: "Mein Erzeuger war und ist Remiel. Er lehrte mich, gut zu sein, er lehrte mich Kräfte, die Menschen und auch die Kainiten zu heilen, ihnen den Frieden zu bringen... Und er lehrte mich den Weg, auch mich selbst zu retten. Ich sah es als eine Prüfung, als ein zweite Chance, aus meinem Leben etwas Gutes zu machen.
Daß Saulot schon damals verschwunden war, erfuhr ich erst später, als ich begriff, welchem Dasein Remiel sich gewidmet hatte: Er suchte nach Saulot. Er war einer der jüngsten unter dreizehn von Saulots Nachfahren, die beschlossen hatten ihn zu finden. Die Sucher des Wissens. Seine Suche hatte ihn auf seine Spuren geführt und er hatte auch das erreicht, was Saulot einzigartig unter den Kainiten machte:
Golconda, die Vergebung Gottes. Er hatte erkannt, daß sein Weg das Ziel gewesen war, und hatte seinen Frieden mit Gott gemacht.
Er übertrug mir, weiter zu suchen, denn obleich er Saulot nicht gefunden hatte, hatte er zumindest einen Hinweis: "Die überlieferten Worte Saulots an seine Kinder", die du fast vollständig gelesen hast."
Rachamiel ließ Barnuta einen Moment, sich die Worte, die er gelesen hatte, weswegen sie überhaupt hier waren, in Erinnerung zu rufen:

Wisset, daß ihr entsteht, um zugrunde zu gehen
Ihr seid das weiße Lamm, das sanfte Opfer
Ihr seid der größte teil von Kains spende
Und auf Euren Schultern soll seine größte Sünde lasten,
Denn ich allein unter den Kainskindern habe
Ihn Droben um Vergebung angefleht,
Und ich empfing Besuch von den schlimmsten Dämonen dessen Drunten
Jenen Schlangen die mich im Schlaf bissen
Jenem üblem Gewürm, das mein Blut aussaugte,
Von ihnen lernte ich, dem Blut die Schwärze zu nehmen der Seele das Böse.
Und obzwar ich sterben mag,  werdet ihr, meine Kinder weiterleben.

"Zwei Zeilen fehlen noch," sagte Rachamiel. "Sie werden mein Lebenswerk beenden, denn das meines Erzeugers kann ich nicht fortführen..."
Er schluchtzte.
Ein Strom von Tränen brach aus ihm heraus. "Saulot ist vernichtet," presste er hervor.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Oktober 29, 2009, 00:19:38
Die Traurigkeit Rachamiels ergriff Barnuta ebenfalls und dieser spürte sie auch körperlich. Er wechselte in die gleiche Sitzposition, wie sein Gegenüber sie eingenommen hatte; Barnuta hatte es sich schon vor langer Zeit angewöhnt so zu sitzen und es erinnerte ihn - wieder einmal - an seine Zeit mit Joel. Barnuta verharrte in Schweigen. Es gab vermutlich nicht vieles, was ein so altes und mächtiges Wesen zum Weinen brachte und er wollte der Trauer ihren Raum geben. Zumal er auch nichts Passendes darauf zu erwidern wusste. Alles in diesem Augenblick Geäußerte hätte in den Ohren Rachamiels vermutlich hohl und banal geklungen.

Vieles von dem, was Rachamiel gesagt hatte warf mehr Fragen auf, als dass es die seinen beantwortet hätte. So entschloss er sich, den weiteren Worten seines Begleiters zu lauschen und zu versuchen möglichst viel aus dem zu ziehen, was ihm hier an neuem Wissen offenbart wurde. Die für den Moment eingetretene Stille nutzte er vorerst, um seine Gedanken und das soeben gehörte noch einmal zu ordnen:
Rachamiel war ein Kainskind und gehörte dem Clan Salubri an. Dessen Gründer Saulot, genannt 'Der Sanfte', war verschwunden und musste inzwischen den endgültigen Tod gefunden haben. Zumindest die Trauer Rachamiels machte deutlich, das es sich bei der letzten Information um mehr, als nur ein Gerücht handelte. Doch woher hatte er diese Information? Wer konnte vom Tod des Clansgründers wissen und davon berichten? War er nicht verschwunden? Wurde er nicht von seinen Kindern gesucht? Hatte ihn einer der anderen zwölf Sucher des Wissens gefunden?

Barnuta rief sich die Worte Saulots in Erinnerung, doch ergaben sie für ihn keinen Sinn. Es klang wie eine Geschichte aus den Anfängen der Zeit und schien doch von dem geprägt, was er bisher nur bei den Juden, den Christen und den Moslems kennengelernt hatte. Den einen Gott, "Ihn Droben", wie es in Saulots Worten anklang. Auch die erwähnten "Dämonen" waren in diesen Religionen bekannt. Doch was es bedeutete, dem Blut die Schwärze zu nehmen und der Seele das Böse, das entzog sich dem Verständnis Barnutas. Er erinnerte noch einmal die Worte Rachamiels und blieb an einem Wort hängen: Golconda, die Vergebung Gottes, wie der Salubri es genannt hatte. Gab es tatsächlich einen Gott, der all dies war? Der Gott, der Kain strafte und dessen Nachkommen vergab? Die Gedanken Barnutas zerfaserten an dieser Stelle, da er keine Antwort darauf fand.

Doch etwas anderes machte in den Überlegungen Barnutas keinen Sinn. Wenn Rachamiel auf der Suche nach den letzten zwei Zeilen der Worte war, die Saulot an seine Kinder gerichtet hatte, wieso sprach er dann von seinem eigenen Ende? Wie konnte er sicher sein, dass er diese Worte hier finden würde? Seine Aufgabe wäre doch nur dann vollendet, wenn es ihm tatsächlich gelänge, Die Worte Saulots vollständig zusammen zu tragen. Doch das war bisher nicht geschehen ...

Barnuta hob sein Haupt um sein Gegenüber anzuschauen, doch Rachamiel hielt seinen Kopf in Trauer gesenkt. Sanft und vorsichtig ergriff er die Hände des Salubri und hielt sie. Fest, aber nicht zu fest, um ihm seine Anteilahme am Verlust auszudrücken und Trost zu spenden, aber hauptsächlich um Rachamiel zu verstehen zu geben, dass er für ihn da war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 06, 2009, 18:59:12
Rachamiel schien ob der Zuwendung nicht weniger traurig zu werden, im Gegenteil. Ungehalten weinte er:
"Die Ursupatoren, sie...," schluchzte er, "... sie nahmen seine Seele... und nun ist sie gefangen... für immer, vielleicht sogar ganz zerstört."
Die roten Tränen waren kalt, das stellte er fest, als sie über seine und Rachamiels Hände liefen.
"Und nun ist meine Suche sinnlos geworden... doch das was ich gefunden habe, muß hier auf Erden verweilen, wenn ich gehe," sagte er, sich beruhigend.
"Es gibt keinen anderen Weg. Die Ursupatoren jagen mich. Sie erkennen mich überall. Bald werden sie mich gefunden haben. Ich kann nicht dulden, das sie unser Wissen stehlen. Meine Brüder und ich haben geschworen, es niemals zuzulassen."
Er blickte Baruta an. Die Tränen waren versiegt und trockteten langsam ein.
"Werde mein Schüler, Barnuta. Nimm mein Wissen, bevor es verloren geht. Hilf meinen Brüdern und meinem Clan weiter zu existieren, damit die Hoffnung nicht stirbt, bis Gehenna, das jüngste Gericht da ist."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 11, 2009, 17:36:26
Das Ersuchen Rachamiels erfreute Barnuta, lag es doch in seiner Natur, denjenigen zu helfen, die Hilfe bedurften. Alles würde er tun, wenn das den Schmerz und die Trauer des Salubri lindern würde. Aber auch Zorn stieg in dem Westslaven auf. Wer waren diese Ursupatoren, wie Rachamiel sie genannt hatte? Wer waren seine Jäger und die Mörder seines Clansgründers? Barnuta wurde klar, das er zu wenig wusste, um sich bedenkenlos in diesen Kampf zu stürzen - auch wenn alles in seinem Inneren Partei für den Salubri ergriff. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, über die Worte und das damit formulierte Angebot Rachamiels nachzudenken.

"Ich will sehr gern euer Schüler werden", gestand er diesem zu, "doch wie wollt ihr mich unterrichten, wenn ihr gejagt werdet? Mir all das Wissen, dass ihr in eurem langen Leben angesammelt habt, zugänglich zu machen wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern." Weder die mögliche Dauer, noch die Aussicht, erneut flüchten zu müssen, schreckten Barnuta. Es waren rein pragmatische Gründe, die ihn nach Lösungsmöglichkeiten für die möglichen Probleme suchen ließen. "Doch zuerst möchte ich mehr über die Ursupatoren erfahren", bestimmte Barnuta. "Sie scheinen eine große Gefahr zu sein und ich kann sie in keinster Weise einschätzen, zumal ich noch nie von ihnen gehört habe."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 22, 2009, 15:14:16
"Du bist ein Mensch, wenn du von ihnen gehört hättest, hätten sie dich geholt," sagte Rachamiel, nicht belehrend, sondern als stelle er eine Tatsache fest, die jedem bekannt war.
"Ich weiß, du hast viele Fragen," führ er sanft fort, "ich werde mein Möglichstes tun, alle zu beantworten, denn ich möchte nicht, daß du mir greulst.
Wissen erlangt man nur mit Zeit, Erfahrung und Blut. Das wußten auch die Ursupatoren. Sie waren einst mächtige Sterbliche. Sie überwältigten einige Kainiten und machten sich selbst dazu.
Doch ohne Clansgründer waren sie nicht mehr als Diebe. Es geschah nicht weit von hier, und es ist auch nicht sehr lange her..."

Allmählich wurde für Barnuta offensichtlich, daß die Begriffe "bald" , "nicht sehr weit von hier" und "für immer", etwas ganz anderes für Rachamiel bedeuteten als für ihn.

"...sie fingen Saulot. Und dann taten sie etwas, das seither für uns verboten ist:
Einer trank sein Herzblut und stahl so seine Macht und seine Seele."
Rachamiel schwieg. Offensichtlich versuchte er, nicht wieder in Tränen auszubrechen, was ihm auch nach einem Moment gelang.
Gefasst sprch er weiter: "Seitdem jagen sie uns. Unser einst geachteter Clan wird nun verpönt. Die Alten wissen noch von uns, doch die Jungen beginnen die Lügen zu glauben, die über uns in die Welt gesetzt werden.
Jeder kann uns verraten.
Ein Leben auf der Flucht erwartet dich, Barnuta, wenn du an meine Seite trittst.
Du würdest Etwas verlieren, aber auch Etwas gewinnen," redete Rachamiel um den heißen Brei herum.

Eine Pause entstand.

Dann, endlich, sprach er etwas aus, was schon die ganze Zeit in der Luft gelegen hatte, was er versucht hatte zu umgehen. Er holte tief Luft und schien sich innerlich beinahe einen Tritt zu geben als er es endlich sagte:
"Barnuta, du...., du..., müsstest die Grenze des Todes überschreiten, um ein Kainit zu werden. Nur dann kann ich dich lehren, was ich weiß, und nur dann kannst du mein Nachfolger sein."
Bei den Worten verzog sich Rachamiels Gesicht zu einer Maske des Leides.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 25, 2009, 20:22:40
Barnuta rang um Fassung. Auf der Flucht war er Zeit seines Lebens gewesen. Genau genommen schon seit dem Tag seiner Geburt. Vieles hatte erlebt. Und es waren nicht wenige Situationen in seiner Vergangenheit, in der er auch um sein Überleben gekämpft hatte. Doch war alles, was er bis zum heutigen Tag getan hatte immer eine Entscheidung für das Leben gewesen. Sein Leben. Das Ersuchen Rachamiels löste auf Anhieb das Gefühl von Ablehnung in ihm aus. Aber auch Verwunderung. Es gab Zeiten in der Vergangenheit Barnutas, da wäre er beinahe aus dem Leben Geschieden, weil er nichts mehr zu essen hatte. Es gab Augenblicke in seiner Vergangenheit, da trachtete man ihm nach seinen Leben. Und doch lebte er. Aber noch nie hatte ihn jemand darum gebeten, aus dem Leben zu scheiden!

Barnuta fehlten die Worte. Einzig ein energisches Kopfschütteln war die erste deutliche erkennbare Reaktion auf die Bitte Rachamiels. Es war jedoch nicht ersichtlich, ob dies die Antwort auf die Frage war, oder allein der Fassungslosigkeit geschuldet war.

Dann endete selbst diese Bewegung und Barnuta erstarrte. Es dauerte länger, bis er sich wieder regte und zögerlich eine Frage an Rachamiel stellte. "Gibt es keine andere Möglichkeit? Ich will sehr gerne euer Schüler sein, doch das, worum ihr mich bittet, ist ein Schritt, den ich nicht nachvollziehen kann. Lasst mich euch doch einfach begleiten."

Rachamiel hatte ihm offenbart, was er verlieren würde, doch in seiner geheimnisvollen Vorrede erwähnte er auch etwas von einem Gewinn. Barnuta konnte diesen jedoch bisher noch nicht in den Worten Rachamiels entdecken und hoffte darauf, dass dieser deutlichere Worte finden würde, um seine Bitte zu untermauern.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am November 28, 2009, 11:24:27
Rachamiel nickte.
"Hättest du einfach so eingeschlagen, wüßte ich, du wärest nicht der Richtige.
Ich selbst habe mich von solchen Dingen wie Stolz und überhaupt etwas zu meinem eigenen Vorteil zu besitzen entfernt. Ich weiß," er machte eine beschwichtigende Geste, "du bist noch nicht so weit, und vielleicht bist es in eintausend Jahren noch nicht. Aber das ist kein Grund, sich zu schämen...
Jeder Clan der Kainiten hat besondere Kräfte, die teils durch Blut, teils durch Willen, teils durch einen einfachen Gedanken gespeist werden. Manche liegen im Blute, andere jedoch nicht. Einige Kräfte sind uns allen gemein. Wir altern nicht. Wir heilen unsere Wunden selbst, in einem Augenschlag.

Ich vermag jede Wunde zu heilen, auch die von anderen, sei sie körperlich oder seelisch.
Damit geht das Dritte Auge einher."
Die dünne "Narbe" auf seiner Stirn war immernoch eindeutig zu sehen. Es schien ihm keine Mühe zu bereiten, es unabhängig von den anderen verschlossen zu halten.

Von ihnen lernte ich, dem Blut die Schwärze zu nehmen und der Seele das Böse.

Er schien Dinge zu sagen, über die er sich lange keine Gedanken gemacht hatte. Das spürte man deutlich, als er fortfuhr:
"Ich kann Dinge sehen, die anderen Verborgen bleiben. Meine Innere Stärke ist groß genug um körperlichem Schaden zu widerstehen. Ich vermag die Menschen und Kainiten zu täuschen, ihnen mein Ich zu entziehen."
Er schien nachzudenken, ob er etwas vergessen hatte, doch schwieg er still.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am November 30, 2009, 23:51:56
Stück für Stück fügten sich im Geiste Barnutas die Worte Rachamiels zu einem großen Ganzen. Doch auch, wenn er dieses in seiner Gänze immer noch nicht erkannte, so verstand er doch zumindest den Teil, der sich ihm aus dem Gesagten Rachamiels und den überlieferten Worten Saulots erschloss.

Der Anflug eines Lächelns erschien auf dem Gesicht Barnutas, als ihm der Aberwitz bewusst wurde. Der Salubri wollte ihn zu einem Kainiten machen. Und das sichtbare Zeichen eines Salubri war offensichtlich das dritte Auge auf der Stirn, welches, wenn es geschlossen war, einer Narbe glich. Rein äusserlich glich Barnuta somit schon seit langem einem Salubri, auch wenn ihn das erst in diesem Moment bewusst wurde. Dem Reflex, die Narbe an seiner Stirn zu berühren, die ihm der Fürst von Arneburg 20 Jahre zuvor beigebracht hatte, widerstand er jedoch.

Barnuta war nicht entgangen, dass Rachamiel auf seine letzte Frage nicht eingegangen war. Er konnte jedoch nicht einschätzen, was das zu bedeuten hatte. Entweder würde Rachamiel noch im Zusammenhang seiner Erklärung noch darauf eingehen, oder aber für ihn stellte dieser Vorschlag keine Option dar. 'Nur dann kann ich dich lehren, was ich weiß', tönten die Worte des Salubri in Barnuta nach.

Der Tod - oder besser gesagt, die Erwägung seines eigenen Todes - schreckte ihn nicht, zumal das Leben des Slaven nicht in Gefahr zu sein schien. Wer würde ihn schon darum bitten, wenn es auch ohne Weiteres möglich war sein Leben zu beenden - erst recht einem so mächtigen Wesen wie es der Kainit war?

Ja, mächtig war er, wenn man seinen Worten glauben durfte. Den Körper und die Seele heilen zu können, das war eine Macht, die in diesen bewegten Zeiten unschätzbar wertvoll war. Welch ein verlockendes Angebot wurde ihm hier unterbreitet. Und doch zögerte Barnuta. So gewaltig diese Macht auch war, es gab offenbar genug andere Kreaturen, die auf ein derart mächtiges Wesen Jagd machten. Selbst der Clangründer Saulot war vor diesen Nachstellungen nicht sicher gewesen und ihnen letztendlich zum Opfer gefallen.

An sich war es ein einfaches Geschäft: Barnuta bekam die Möglichkeit, seinem Leben ein Ziel zu geben, welches er schon immer verfolgt hat, ohne sich dessen so deutlich bewusst zu sein. Ihm wurde eine Macht angeboten, die es ihm erlaubte all denen zu helfen, die da Hilfe benötigten. Der Preis dafür war nur sein eigenes Leben.

Viele Fragen bestürmten Barnuta und doch zwang er sich zur Ruhe. Geduldig lauschte er den Worten Rachamiels, um genug zu wissen und daraufhin eine Entscheidung treffen zu können.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 04, 2009, 22:17:56
Rachamiel seufzte.
"Ich kann dich nicht zwingen..." sagte er leise.
"Wärest du damit einverstanden, könnte ich dir ein kleines Stück meiner Welt zeigen."

Er legte seinen rechten Arm frei, zog den ärmel der Robe nach oben. Sie waren weiß und makelos.

"Du kannst mich begleiten, ohne dein Leben zu geben... vorerst.
Tränkest du genug von meinem Blut, würdest du ein Stück meiner Kräfte teilen. Du könntest erfahren, wie es ist, zumindest ein wenig.
Noch bist du ein Mensch. Du darfst die Geheimnisse der Kainiten nicht wissen. So ist unser Gesetz. Damit würde ich den letzten Schutz verlieren, den ich habe. Jeder Kainit, den wir träfen, hätte das Recht uns beide auszulöschen, denn jeder Mitwisser ist eine Gefahr," sagte er ernst.
Doch ich kann dich in etwas verwandeln, daß wir Guhl nennen. Ein Mensch, der unser Diener ist. Das Blut bindet dich an mich, und du wirst es regelmäßig brauchen um in diesem Zustand zu bleiben.
Aber es ist möglich, daß du meine Kräfte erbst. Und solange du genug Blut hast, wirst du nicht mehr altern. Weshalb ich zögere, dies anzubieten ist...," Rachamiel holte tief Luft, um weitere Worte zu sprechen , "du würdest mein Sklave werden. Blut macht abhängig und nimmt dir den Willen."

Er ließ Barnuta einen Moment Zeit darüber nachzudenken, doch schon nach wenigen Augeblicken sprach er weiter:

"Deshalb möchte ich, daß du ein Kainit wirst... mein Kind, mein Bruder. Wir währen uns ebenbürtig. Ich hätte mehr Zeit, dich zu lehren was du wissen musst, um zu überleben, wichtiger, um deine Seele zu retten.
Der Weg mag steinig sein, doch es gibt eine Lösung. Ich nenne es die Vergebung Gottes, du magst es das Gleichgewicht deiner Seele nennen. Es spielt keine Rolle wie man es heißt, ich weiß, man kann den Fluch besiegen, so wie Saulot es tat, so wie ich es tat.
Wir würden nicht Hunger leiden, nicht krank werden, nicht sterben, wenn uns niemand tötet. Es wäre keine Barriere mehr zwischen uns.

Ich war einmal wie du. Ohne Sinn, ohne Ziel. Erst nach dem Tode fand ich meinen Platz im Leben.
Und auch wenn mein Ende gekommen sein wird, werde ich weiter da sein, denn meine Seele wird nicht sterben.

Noch einmal machte er eine Pause. Er sah Barnuta ernst an.

"Die Zeit zu wählen ist für dich gekommen."


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 04, 2009, 22:52:42
Barnuta erstarrte für einen Moment. Nein, vielmehr war es so, als würde die Zeit und die Welt um ihn herum still stehen. Mit aller Deutlichkeit wurde ihm bewusst, dass dies ein - wenn nicht sogar der - Moment in seinem Leben war, der seine ganze Zukunft bestimmen würde.

Ein Teil in Barnuta war Rachamiel dankbar für die klaren Worte, die er gefunden hatte. Ein anderer Teil in Barnuta sträubte sich gegen die Aufforderung eine Wahl treffen zu müssen. Wild kämpfte es in dem Westslaven und Stück für Stück gewann er Klarheit über das, was er wirklich wollte. Auch wenn sein Leben bisher von Flucht bestimmt war, so war er jedoch immer frei und würde es auch immer bleiben wollen. Wer seine Freiheit aufgab, um Sicherheit zu gewinnen, würde am Ende beides verlieren. Ein Guhl zu werden kam für ihn nicht in Frage.

Und auch wenn er damit schon die geforderte Wahl getroffen hatte, so wollte er Rachamiel seine Entscheidung noch nicht mitteilen. Rachamiel machte zwar einen ehrlichen Eindruck auf ihn, aber Barnuta hatte das Gefühl, das er noch lange nicht alles wusste, was er wissen sollte. Ein Kainit zu werden bedeutete nicht nur Macht, sondern auch dem Verlangen nach Blut nachzugeben und den Durst zu stillen. Es bedeutete, die Sonne nicht mehr sehen zu können. Seit Barnuta von Rachamiel über die Kainiten unterrichtet worden war, hatte er sich immer wieder gefragt, ob es erstrebenswert war, so zu leben. Mit dem jüngsten Wissen, dass Rachamiel selbst ein Kainit war, wurde einiges von dem, was Barnuta erfahren hatte in Frage gestellt. Wie konnte er als Marcin am Tag wandeln? Was hatte es mit Golconda auf sich? Und wenn Rachamiel als Kainit tatsächlich über so enorme Heilungskräfte verfügte und so unglaublich mächtig war, warum spürte Barnuta dann bei ihm diese Angst vor den Ursupatoren und die Eile, mit der er letztendlich hier auch zu einer Entscheidung gedrängt wurde?

"Was verschweigt ihr mir?", entgegnete Barnuta dem Salubri, ohne sich anmerken zu lassen, dass er schon eine Entscheidung getroffen hatte, den Blick fest auf die Augen Rachamiels gerichtet.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 05, 2009, 17:43:15
Rachamiels Augen weiteten sich als hätte ein Pfeil sein Herz durchbohrt. Er schluckte.
"Du hast ein Recht darauf, es zu wissen," sagte er leise.
"Ein Vampir fürchtet sich nur vor einem: Dem Tier.
Es wohnt jedem inne.
Untot zu sein ist... ein Kampf. Manche verfallen ihm, und werden zu Monstern. Andere nutzen es aus und werden zu gefährlichen Monstern. Und andere, wie ich, kämpfen dagegen an, und bewahren sich ihre Menschlichkeit.  Dir würde es vorbestimmt sein, nicht nachzugeben, und immer dem Weg der Menschlichkeit zu folgen.
Das Tier, kämpft auf verschiedene Weisen, und du wirst lernen müssen, ihm etwas entgegen zu setzen.
Das ist der wahre Fluch, Barnuta."
Er konnte förmlich sehen, daß der Schrecken, den Das Tier verbreitete, wie eine Erinnerung flüchtig einen Schatten auf Rachamiels Gesicht hinterlies.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 06, 2009, 20:04:53
Barnuta hörte aufmerksam zu und lächelte Rachamiel freundlich an, als dieser mit seiner Erklärung geendet hatte. Insgeheim tat es ihm leid, dass er den Salubri derart gedrängt hatte, alles zu offenbaren, doch es ging schließlich um sein weiteres Leben und eine Entscheidung treffen zu müssen ohne über alle Informationen zu verfügen hatte sich bisher immer als ein großes Risiko entpuppt.

Sicher konnte Barnuta sich immer noch nicht sein, dass er nun alles wusste, doch was er erfahren hatte klang tatsächlich nach etwas, was man nicht sofort jedem erzählen wollte. Barnuta konnte den Salubri gut verstehen und war ihm für seine Offenheit dankbar. Das was er jedoch erfahren hatte, überstieg seine Vorstellungsvermögen. Vampire wurden also innerlich von etwas Bestialischem angefeindet, dem sie sich entweder ergaben oder das sie zu beherrschen versuchten. Rachamiel schien es geschafft zu haben, dieses Tier zu beherrschen. Seiner Reaktion nach war ihm das entweder nicht immer oder nur unter großen Opfern gelungen.

"Nun", begann Barnuta zögerlich, "ich will euch gerne begleiten und von euch lernen, was es über Saulot, die Salubri und die Welt der Kainskinder zu lernen gibt. Ich will von euch lernen die Mächte der Salubri weise zu nutzen und den Gefahren des kainitischen Daseins zu widerstehen." Barnuta atmete tief durch. Er hatte schwer mit sich gerungen, doch letztendlich hatte er sich dazu durchgerungen, da er nun auch um die Gefahren wusste. Und wenn man die Klippen kannte, dann konnte man sie auch umschiffen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 10, 2009, 19:26:33
Rachamiel wirkte erleichtert.
Sanft griff er mit seinen Händen nach Barnutas Wangen und gab ihm den Bruderkuß.
Dieser unschuldige Kuß zeigte seine tiefe Ehrerbietung, er war rein, wie der Kuß eines Kindes - oder eines Engels.
Rachamiel küsste nicht Barnutas Lippen, sondern eher etwas tief in ihm, daß er schon lange nicht mehr hatte zeigen oder berühren lassen können.
Als sie sich nach ein paar Augenschlägen gelöst hatten, staffte sich sein zukünftiger Lehrmeister. Wie eine Schale oder eine Rüstung festigte sich seine Mimik, und er schien wieder unantastbar und stark, wie in dem Moment als er sich offenbahrt hatte. Das Blut auf seiner Robe war inzwischen zu rostfarbenen Flecken eingetrocknet.

"Ich möchte nicht, daß du dein Leben in einer Höhle verlierst, Barnuta, drum lass uns es erst zu Ende bringen, und dann sehen wir weiter, sagte er leise."
Er wechselte das Thema: "Wie gedenken wir, hinunter zu gelangen, oder wichtiger wieder hinauf? Ich könnte klettern, doch kann ich nicht einschätzen, ob du es schaffen würdest..."
Er stellte die Frage, wie Barnuta sie selbst schon oft gegenüber den Kindern der Pietrygas formuliert hatte, schon eine Lösung zurechtgelegt habend.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 11, 2009, 15:13:51
Barnuta war schon ein wenig überrascht, wie schnell sich mit der Erklärung seines Einverständnisses die Angelegenheit für Rachamiel erledigt hatte. Wenn er genauer darüber nachdachte, irritierte es ihn sogar ein wenig, dass allein seine Worte ausgereicht hatten, um die Unruhe und Panik von Rachamiel zu nehmen. In gewisser Weise fühlte er sich sogar geschmeichelt, dass seine Worte - und damit auch seine Person - Rachamiel derart viel zu bedeuten schienen.

Der unterschwelligen Herausforderung, die in der Frage des Salubi mitschwang, begegnete er souverän. Schließlich war sich Barnuta seiner Kraft und vor allem seiner Geschicklichkeit durchaus bewusst. Dass er zuvor mit so großer Vorsicht an den Abstieg gegangen war, war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass er einen sicheren Weg für Frederic Marcin gesucht hatte, nicht wissend, dass es sich nur um eine Maske Rachamiels handelte. "Wenn ich nicht schon gesehen hätte, wie behände ihr die Kletterei angeht, wäre ich versucht, euch zu einem Wettstreit herauszufordern", entgegnete er breit lächelnd.

Barnuta griff in seinen Beutel und nahm ein Paar lederne Handschuhe heraus, die er sich sogleich anzog. Dann nahm er das dünne, weiße Seil von seiner Schulter, suchte einen festen Anker für das Vertäuen und  band das Seil, welches ihm als nahezu unzerstörbar beschrieben worden war, mit schnellen und sicheren Handgriffen an dem großen Felsen fest. Den aufgerollten Rest lies er mit Schwung in die Tiefe fallen. Anschließend stellte er sich breitbeinig mit dem Rücken zum Abgrund über das Seil, ergriff es mit beiden Händen und straffte es. "Ich wäre soweit", gab er im gleichen Tonfall Rachamiel zu verstehen und stieß sich mit Schwung ab.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 11, 2009, 23:31:13
Das Seil in seinen Händen hielt ihn gut. Es war nicht rutschig, wie es aussah, sondern eher Klebrig. Der Flachs, oder aus was auch immer dieses Material bestehen mochte, war nicht so eng gewickelt, wie er es von Hanfseilen her kannst, es waren eher loose Stränge.

Er fand nicht leicht halt an der glitschigen Wand, an der langsam, über Jahre hinweg, Wasser hinunterlief. Durch die bahre Kraft seiner Arme konnte er sich hinterrutschen lassen, die Beine gegen die Wand stemmend.
je weiter er nach untem kam, desto kälter wurde es. Meter für Meter sackte die Temperatur ab.
Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus.

Dutzende Stalakmiten und Stalaktiten bereiteten sich unter ihm aus, wie ein Labyrith aus Nadeln, oder vielmehr Fingern, die aus dem Boden ragten. Ein Tropfen war allgegenwärtig. Mißklang wehte hindurch.
Als wäre die Ebene einst abgesenkt worden, wie die Treppenstufe eines Titanen, entschwand die Decke aus seinem Blickfeld. Lediglich die Längsten Tropfteine konnte er in der Dunkelheit erkennen.
Als er den Boden berührte, zog die Kälte sofort durch seine Schuhe.

Rachamiel kletterte nach ihm hinunter. Er schien viel Vertrauen in das Seil zu setzten, denn er wickelte einfach eine Schlaufe um seine rechte Hand, und lies sich, immer mehr Seil gebend, an einem Arm hinuntergleiten.
Barnuta durchzuckte ein solidarischer Phantomschmerz, als er sich vorstellte, welche Schmerzen es verursachen müsste, ein klebriges Seil so schnell durch die Handfläche Rutschen zu lassen.
Mit einem Lächeln landete der jung aussehende Mann neben Barnuta.
Seine Hand war unversehrt, und zeigte nicht das nackte Fleisch, das Barnuta erwartet haben mochte.

"Lass uns versuchen, schnell einen Weg durch dieses Labyrinth zu finden," sagte Rachamiel flüsternd, "Ich glaube nicht, daß dieser Ort unbewacht ist. Ich habe ein Stückchen Kohle."
Er reichte es Barnuta, nachdem er es aus der Tasche gezogen hatte.
Er hob die Fackel auf, die sie zuvor hinuntergeworfen hatten. Sie war glimmte noch.
"Nimm du die Laterne," sagte er und reichte hielt sie ihm hin ales er die Fackel mit dem Atem wieder entfachte.
"Was immer diesen Ort bewacht, es weiß schon, daß wir hier sind. Wenn wir etwas begegenen, verhalte dich ruhig. Vermeide es deine Gedanken anzuspannen... vielleicht kann es sie lesen...," riet ihm Rachamiel knapp


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 12, 2009, 01:08:11
Immer wenn Barnuta dachte er könne Rachamiel vielleicht einschätzen, wurde er eines Besseren belehrt. Trotzdem war er auch auf sich und seine Kletterkünste stolz. Und im Gegensätz zu Rachamiel verfügte er nicht über übermenschliche Fähigkeiten, die für ihn den Abstieg zu einem Kinderspiel machten.

Doch derartige Gedanken waren bedeutungslos. Sie hatten es beide hier herunter geschafft und Barnuta vertraute sich und sein Leben voll und ganz dem Salubri an. Entsprechend aufmerksam vernahm er die warnenden Worte Rachamiels und schaute sich orientierend um.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 12, 2009, 15:24:04
Die Tropfsteine hatten in dieser tieferen Ebene eine enorme Größe erreicht. Sie überragten Barnuta großteils.
Durch sein außergewöhnliches Gedächtnis und seine gute Wahrnehmung, trotz der kurzen Sichtweite, die durch die eng stehende Formation der Steine den Strahl der Laterne blockiert wurde, war er sich sicher, daß sie für dieses Labyrinth nicht lange brauchen würden.
In der Stille dieses Moments drang ein leises Geräusch an sein Ohr: Ein klagendes Stöhnen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 12, 2009, 16:36:23
Barnuta warf einen vergewissernden Blick zu Rachamiel, ob dieser den Laut ebenfalls vernommen hatte. Orientierend schaute er sich um, doch bei der Vielzahl der steinernen Säulen war die Richtung, aus welcher das Geräusch gekommen war, nur schwer auszumachen.

Barnuta versuchte sich lautlos mit Rachamiel über die weitere Vorgehensweise zu verständigen und bedeutete ihm, er möge vorangehen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 26, 2009, 15:58:11
Rachamiel nickte: Er hatte das Stöhnen auch wahrgenommen.
Barnuta schätzte, daß die Strecke, die sie zu gehen hatten, etwa 1000 Schritt messen würde - Luftline. Wie lange sie durch die Bögen, die das Labyrith schlug, brauchen würden, konnte er nicht sagen.

Rachamiel schien sehr gute Augen zu haben, denn er nutze die Fackel mehr, um Barnuta einige Stellen auszuleuchten, die Stolperdrähte oder Schlingen verbargen. Was sie auslösen mochten, lag in einem gespenstischen Nebel verborgen, der, je näher sie ihrem Ziel kamen, dichter wurde. Die Lampe leuchtete so oder so nicht weit, denn ständig wurde der Lichtstrahl von den fingerähnlichen Tropfsteinen unterbrochen.
Sie mussten verschnörkelte Linien ziehen, um voran zu kommen. Manchmal konnte Barnuta eine Abkürzung finden, indem sie sich dort wo die Steine Dünner gesäht waren, zwischen ihnen hindurchquteschten. Eine ganze Weile gingen sie, bis sie sich im Zentum des Labyrinths befanden

Sie bogen in einem schnurgeraden Gang ein. Aus ihrer Perspektive schätzte Barnuta, daß er von ihrem Ausgangspunkt aus diagonal verlief, also leicht abfallend. Rachamiel ging langsamer voran und sah sich währendessen ruckartig um. "Hier stimmt ewas nicht... Ich höre etwas," raunte er Barnuta zu.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 26, 2009, 17:50:28
Barnuta verharrte in der Haltung, die er gerade hatte und warf dem Salubri einen kurzen fragenden Blick zu. Dann schloß er die Augen und lauschte in die Stille.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 27, 2009, 15:17:18
Barnuta hatte sich nicht getäuscht.
Er nahm ein mahlendes Geräusch war: Stein auf Stein.
Ein Knacken begleitete es.
Zunächst dachte er an ein Mühlrad, doch es kam näher.
Schnell.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 27, 2009, 22:03:20
In dem Augenblick, als er das Geräusch vernahm, wurde Barnuta bewusst, was es zu bedeuten hatte. Seine Augen waren schreckgeweitet, als er zum oberen Ende des abschüssigen Weges zurückblickte; darauf gefasst einen riesigen Felsen auf sich zurollen zu sehen. Aber diesen Anblick wartete er gar nicht erst ab. Mit stimmloser Stimme flüsterte er dem Salubri so laut wie es ihm nur möglich war ein Wort zu: "Lauft!"

Im selben Moment schnellte er den abwärts führenden Pfad hinab, während er so gut es ging dabei die Seiten des Pfades nach Nischen absuchte, in denen er und sein Begleiter sich in Sicherheit bringen konnten. Ob Rachamiel seine Warnung verstanden hatte und ihm nun folgte wusste er nicht, doch wagte er es auch nicht, den Kopf zu wenden und sich zu vergewissern.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 28, 2009, 10:18:30
Barnuta lief im Blindflug den Pfad entlang, denn der dichte Nebel bedeckte den Boden. Welche Fallen dort noch lauern mochten, wagte er nicht zu erahnen, er konnte nur auf sein Glück hoffen.
Er hörte, wie Rachamiel ebenfalla anfing zu laufen, doch hinter ihm blieb, obwohl Barnuta sicher war, daß er ihn mit Leichtigkeit hätte überholen können.

Schnell - ob es schneller war als er lief, konnte er nicht sagen - kam das Geräusch des Ungetüms hinter ihm näher. Wie ein unerbittliches Monster wurde es lauter, sodaß das Knacken bald zu einer tosenden Welle wurde, die sein Gehör betäubte. Der Nebel wurde hinter ihm aufgewirbelt und nahm ihm noch mehr die Sicht nach vorn.
Die Tropfsteine standen Spalier. Es war unmöglich, sich weit genug zwischen sie zu drängen, um dem drohenden tosenden Unheil zu entgehen, ohne sich in der Geschwindigkeit, die er bergablaufend erreicht hatte auf den Nadelspitzen Steinen aufzuspießen. Ihm blieb nur weiter zu laufen, in der Hoffnung, daß Rachamiel etwas tat.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 28, 2009, 20:50:08
Wie immer, wenn Barnuta in Gefahr war, begann auch diesmal sein Geist sich der Panik zu wiedersetzen. Während sein Körper den Weg hinab rannte begann Barnuta in Gedanken kühl kalkulierend seine Möglichkeiten zu betrachten und die damit verbundenen Chancen abzuwägen. Sein Blick glitt über die Stalagmiten und Stalagtiten, deren Oberflächen nicht den Eindruck erweckten, als würden sie Halt bieten, wenn man versuchte an ihnen hinaufzuklettern. Auch über sich erblickte er keine Möglichkeit, einen Halt zu finden und sich hochzuziehen. Ganz abgesehen davon, dass er nicht wusste, wie groß das rollende Etwas hinter ihm war und es bestimmt auch sehr viel - zu viel - Zeit gekostet hätte, die Flucht nach oben anzutreten. Die instinktiv nach vorne angetretene Flucht war das einzig richtige, was er hatte tun können. Noch einmal versuchte er sein Tempo zu forcieren und suchte fiberhaft nach einem sicheren Fluchtweg. Eine Wegbiegung oder ein ausreichender Spalt zwischen den sehr dicht stehenden Tropfsteinsäulen wären denkbare Optionen für ein Ausweichen gewesen, doch im Moment war weder das eine noch das andere zu entdecken.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Dezember 29, 2009, 17:52:13
Hätte es einen Ausweg gegeben, wäre es wohl keine Falle gewesen. Auch wenn diese Erkenntnis ihn nur am Rande streifte: Der Erbauer hatte es auf seinen Tod abgesehen.
Das spürte er deutlich, denn plötzlich war unter seiner Fußspitze, die eigentlich festen Stand suchte, um sich weiter nach vorn zu katapultieren, Leere.
Instinktiv krallten sich seine Zehen um die Kante.

Er stieß sich ab...

... übersprang einen gähnenden Abrund, an dessen Rand sich der seltsame Nebel kreisrund in die Tiefe ergoss.

... um sicher und wieder festen Boden unter sich spürend zu landen, nachsem er mehr als eine Körperlänge weit gesprungen war.
Er konnte den Abstand, den er schon zu seinem Verfolger gewonnen hatte, noch vergrößern.
Das einzige, daß seinem Blick etwas anderes bot als sich endlos aneinander reihende Steinnadeln, war die Felswand, die in der Geschwindigkeit auf ihn zukam. Die mit eisernem Griff gehaltene Laterne brannte noch. Sie offenbahrte mit ihrem wild in alle Richtungen stechenden Strahl direkt in Rollrichtung ein großes, beinahe keisrundes Loch. Doch so sehr es als Rettung erschien, die Lampe enthüllte, das die Aussparung kaum zwei Schritte tief war. Wie zwischen Hammer und Amboss würde er sich fühlen, wenn er nicht schnell einen Ausweg fand.
Noch wenige Augenschläge, bis er geradewegs hineinlaufen würde.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Dezember 29, 2009, 19:30:33
Barnuta stoppte seinen Lauf. Es wurde ihm schlagartig klar, dass das, was da hinter ihm und dem Salubri zu hören war sie bisher nur vorangetrieben hatte. Genau auf diese kreisrunde Öffnung zu. Was dahinter auf sie beide warten würde vermochte er nicht zu erahnen. Noch einmal schaute sich Barnuta aufmerksam um.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 05, 2010, 18:18:34
Sein Blick glitt über den Boden, doch er konnte wegen des Nebels nichts erkennen.
Er folgte den Reihen der Stalagmiten, die wie Groteske disharmonische Orgelpfeifen seinen Weg flankierten.
Erneut prüften seine Augen das Ende des Weges.
Rachamiel holte nach zwei Herzschlägen auf.
Zuerst hatte er nur die Nische, die für nichts anderes Gedacht war, als das, was hinter ihnen herrollte, abzubremsen, betrachtet.
Doch links davon waren die letzten Tropfsteine abgebrochen, wobei er sich unweigerlich Fragen musste, wie oft das Etwas diesen Berg schon heruntergerollt war, denn die Steine waren weit unten abgebrochen, und dort, wo die oberschenkelstarken Zapfen zum Liegen gekommen waren, bildete sich bereits ein Mineaturwald aus weiteren Tropfsteinen.
Wieder war kaum ein Herzschlag vergangen.
Rachamiel lief an ihm vorbei, er hatte wohl nicht damit gerechnet, daß Barnuta stehen blieb. Er sah nicht den Ansatz des Anhaltens Rachamiels, sondern blieb immernoch an den fehlenden Steinen hängen - dem scheinbar einzigen Ausweg aus der tödlichen Falle.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 05, 2010, 19:17:00
Die Zeit drängte. Nachdem Barnuta sich kurz umgeschaut hatte, realisierte er, dass die Öffnung in der Wand am Ende des Ganges viel größer war, als die Lücke, welche vor Jahren in die Reihe der Tropfsteine geschlagen wurde. Was auch immer hinter ihnen her rollte, würde es schwerer haben die Richtung zu wechseln und durch diese kleine Lücke zu folgen, als den geradlinigen Weg durch die große Öffnung zu nehmen.

Diese Überlegungen schossen Barnuta im Bruchteil eines Augenblicks durch den Kopf und entsprechend schnell war eine Entscheidung gefällt. Barnuta startete wieder durch und eilte auf die Lücke zu wobei er den vorbeieilenden Rachamiel noch versuchte an der Schulter zu ergreifen und mit sich zu reißen. "Hier entlang", rief er ihm zu.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 07, 2010, 15:47:59
Als Barnuta weiterlief und an Rachamiel zog, damit er seinen Lauf nicht weiter verlangsamte, kam ihnen der Fels bedrohlich nahe.
Aus dem Augenwinkel nahm Barnuta die riesige graue Kugel war. Sie überragte ihn um ein paar Spann.
Die Größe hielt beide nur dazu an, die wenigen Schritte, die noch zwischen ihnen und der rettenden Lücke lagen, zu beschleunigen.
Noch zwei Herzschläge Zeit...



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 07, 2010, 17:23:00
Die große Gefahr noch aus dem Augenwinkel realisierend mobilisierte Barnuta noch einmal alle Reserven und hechtete auf die rettende Lücke zu.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 07, 2010, 19:11:07
Barnuta spürte, wie ihm die Felskugel auf den Fersen war. In dem Moment realisierte er, daß er es nicht schaffen würde.
Er würde enden wie ein Schnitzel - weichgeklopft.
Er hatte den verlangsamenden Rachamiel überholt, und dies rettete vermutlich sein Leben.
Barnuta wurde in den Rücken gestoßen. Unsanft flog er nahezu durch die Lücke und landete hart.
Zuerst konnte er erleichtert sein, denn er spürte Rachamiels Hand noch auf seiner Rückseite, als der Fels gegen die Wand krachte.
Doch das Aufstöhnen, das mit dem Krachen einherging, verriet ihm nichts gutes.
Als er sich umdrehte, stellte er fest, daß an der scharfen Kante, die sich vom öfteren Aufprallen des Felsens gebildet hatte, Rachamiels Arm glatt abgetrennt worden war.
In der Vertiefung, dem Loch in das er beinahe mit offen Augen hineingerannt war, steckte zur Hälfte aus seinem sichtfelt die riesige Kugel - und Rachamiel war dahinter eingeklemmt. Das bewies eindeutig die Blutspur.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 08, 2010, 14:11:49
Barnuta rappelte sich auf und stand da wie gelähmt. Die Situation hatte er schnell erfasst und das Gefühl von Schuld bereitete sich in ihm aus. Rachamiel hatte sein eigenes Leben gegeben, um das seine zu retten. Wie eine stumme Anklage lag der abgetrennte Arm Rachamiels auf dem felsigen Boden. Die Blutspur ließ keinen Zweifel daran, welches Schicksal den Salubri ereilt hatte. Die Hand, welche den Westslaven in Sicherheit gebracht hatte, dürfte das einzige Körperteil Rachamiels sein, welches nicht von dem gewaltigen Fels zerschmettert worden war.

Barnuta wusste für den Moment keinen Rat. Weder war ihm klar, was genau sein Begleiter hier unten gesucht hatte, noch, ob es irgendeinen Sinn hatte die Suche jetzt allein fortzusetzen. Selbst wenn er es schaffen würde, den riesigen Felsbrocken zur Seite zu bewegen, so würde er dem Salubri keine Hilfe leisten können. Alles, was Barnuta noch möglich schien, war es, zumindest zu versuchen den Leichnam zu bergen. Langsam und respektvoll näherte er sich dem Felsbrocken und nahm ihn genau in Augenschein.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 10, 2010, 03:37:14
Als Barnuta an den Felsen herantrat, vernahm er etwas merkwürdigens: Ein leichtes Schaben.
Bei näherer Betrachteung konnte er auch den Ursprung ausmachen. Der graue Stein war kein massives Gebilde und bestand aus asymetrischen Platten, die sich in einem langsamen Rythmus aneinander rieben.
Von Rachamiel war kein Laut zu hören.

Die Kugel kan in Bewegung
Eine der Länglichen Platten platzte förmlich ab, blieb jedoch an der oberen kurzen Seite mit der Kugel verbunden.
Gestank breitete sich aus.
Unter und hinter ihr floß dückflüssiges Blut hervor, das von Rachamiel stammen musste.

Unter der Platte war gräuliches Fleisch zu erkennen. Wie ein gepanzerter Arm löste sich eine Extremität. Eine Art Hand, die zu einer Faust verwachsen und so groß wie Barnutas Torso war betastete seine Umgebung. Am rauen Steinboden blieben kleine weiße Hautfetzen hängen.
Die Hand ertastete die Stelle, an der Rachamiels Arm abgerissen wurde, und stoppte kurz, als würde sie das Blut beschnüffeln. Dann packte sie entschlossen zu, die Finger rissen mit einem Geräusch das Barnuta fast den Magen umdrehte, auseinander, krallte sich in die Kante.
Ein zweites solches Körperteil löste sich nun doch symetrisch auf der anderen seite der Kungel und wiederholte die Prozedur, was das Geräusch des Reißens nicht erträglicher machte.

Wie ein kopfloser dicker Mann begann es, seine Masse aus der Öffnung zu hieven.
Scharrend schob es sich nach vorne.
Als sich das Wesen zum Großteil aus der Öffung gepresst hatte, spangen ringförmig und senkrecht zu Barnuta an seinem fast perfekt runden Körper entlang weitere seiner Steinpanzerplatten ab.
Noch mehr fauliger Gestank erfüllte die Luft.
Hervor traten kleine Hände, die es fortbewegten, in dem sie wie ein Rad, das sich selbst antieb, eine nach der anderen den Boden erreichte, wie die Speichen eines Mühlrades, um den Massigen Körper nach vorne zu drücken. All dies geschah unendlich langsam, doch unweigerlich würde es die Richtung einschlagen, aus der es gekommen war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 10, 2010, 03:59:18
Das abstruse Schauspiel trieb Barnutas Verstand an seine Grenzen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Instinktiv nahm er von diesem »Etwas« Abstand und seine Hand legte sich um den Griff seiner Damaszener-Klinge. Langsam zog sich Barnuta in die Öffnung zurück, welcher er sein Leben verdankte, und beobachtete mit einigem Abscheu das unheimliche Schauspiel. Allein der Gestank machte es ihm schwer, die Fassung zu bewahren, doch war es auch dieser eruch, der ihm deutlich klar machte, dass seine Phantasie ihm keinen Streich spielte. Es war alles fürchterlich real.

Barnuta nahm sich vor, sich den Überresten Rachamiels zu nähern und diese zu bergen, sobald dies gefahrlos möglich war. Seine ganze Aufmerksamkeit galt jedoch für den Augenblick dieser lebendigen Felskugel.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 10, 2010, 18:50:29
Die armartigen Extremitäten drehten sich bei seiner rollenden Fortbewegung nicht mit, sonder zeigten immer nach unten, von den Steinplatten bedeckt. So hielt es sein Gleichgewicht, indem es sich abwechselnd rechts und links absteiß. Krachend machte sich das Wesen auf den Weg zurück, ohne Barnuta auch nur zu beachten. Ob es überhaupt über irgendwelche Sinne verfügte konnte er nicht erkennen, jedenfalls folgte es zeilstrebig seinem Weg. Was ihm gesagt hatte, die Jagd auf sie aufzunehmen, blieb ebenfalls ein Geheimnis. An seiner Rückseite sickerte Blut herab und hinterlies eine Spur, der man folgen konnte, wie Brotkrumen.

Was dieses Wesen angerichet hatte, blieb jedoch kein Geheimnis für ihn. Als er vor die Öffnung trat, die es aufgefangen hatte, offenbarte sich ein grausames Bild.
An der Rückwand war ein Brett  aus mittlerweile versteinertem Holz angebracht. Es war mit spitzen Pfählen gespickt, die in der Mitte meist abgebrochen waren.
Unglücklicherweise war Rachamiel Seitlich hineingeraten, wo er an den längeren Spitzen aufgespießt worden war. Hilflos stand er beinahe aufrecht, seinen Brustkorb, Beine und Arme durchstochen. Seine Rippen waren eingedrückt, als wäre er zwischen Hammer und Amboss geraten. Sie hatten sich durch die Haut gebort und gaben ihm unter der Robe eine verzerrte Gestalt. Eine große Menge Blut klebte an der Wand und war auf dem Boden verteilt. Sein Gewand hatte sich ebenfalls rot gefärbt.
Rachamiels Augen waren aufgerissen, sogar das normalerweise geschlossene Dritte Augen auf seiner Stirn. Überraschung war darin eingraviert, und kein Leben war in ihnen zu sehen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 10, 2010, 20:49:47
Misstrauisch folgte Barnutas Blick der lebenden Felskugel. Als sie aus seinem Blickfeld verschwand, löste sich seine Hand vom Heft seiner Waffe. Dann wandte er sich den Überresten Rachamiels zu, welche er schon kurz aus dem Augenwinkel gesehen hatte, als der Brockendie Sicht frei gab.

Mit hängenden Schultern ging Barnuta auf das tödliche Finale dieser Falle zu. Er war immer noch geschockt. Ein kleiner Teil in seinen Gedanken zollte dem Baumeister dieser Falle Respekt. Sie war ebenso einfach, wie effizient. Doch die Trauer überwog. Bewusst wurde es dem Westslaven, als der Schock wich und seine Sicht verschwamm. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ihm klar wurde, dass er über den Tod seines Begleiters Tränen vergoss. Sein Körper verlor jegliche Spannung und sackte in sich zusammen. Vor dem Körper des Salubri kniend, vergrub er sein Gesicht in seinen Händen und weinte hemmungslos. Es wunderte ihn selbst ein wenig, wie sehr er Rachamiel in der kurzen Zeit ins Herz geschlossen hatte. Vermutlich hatte er einen Stellenwert im Leben Barnutas eingenommen, der dem Joels sehr nahe kam.

Es war ihm nicht bewusst, wie lange er in dieser Pose verharrt hatte, doch irgendwann hatte Barnuta keine Tränen mehr. Er schluckte schwer, wischte sich die Augen trocken und erhob sich mit grimmigem Blick. Barnuta war entschlossen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er ging auf Rachamiel zu und umfasste den Körper kurzentschlossen. Unter dem Einsatz aller seiner Kräfte versuchte er den geschändeten Körper des Salubri vom Holzpfahl zu ziehen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 12, 2010, 23:01:08
Barnuta musste aus leibeskräften an Rachamiels zerschmetterten Körper ziehen und ihn gleizeitig heben, um ihn von den Spießen zu ziehen. Sie waren beinahe armdick. Noch mehr Blut floß aus deinem Körper heraus, mehr als er es jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Sein Körper knackte in Barnuras Armen. Er konnte spüren wie sich die Rippen durch die Haut gebohrt hatten.
Die aufgerissesnen erstarrten Augen waren gebrochen und starrten ihn an. Außerdem fühlte sich der Körper ungewöhnlich steif an, als wäre er schon länger tot.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 12, 2010, 23:16:09
Barnuta legte den zerschundenen Körper des Salubri in der Nische ab, in welcher er Zuflucht vor dem Felsbrocken gefunden hatte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch immer schmerzte ihn der Anblick und er brauchte einige Zeit, sich zu sammeln und wieder zu Kräften zu kommen. Nachdem er sich wieder etwas regeneriert hatte stand er auf, sammelte den abgetrennten Arm Rachamiels ein und legte ihn neben den Leichnam.

Dann trat er aus dem Durchbruch heraus und ging ein paar Schritte auf dem Weg, welchen er zuvor hinab gerannt war. Zum einen hatte Barnuta vor, sich das Loch genauer anzusehen, über welches er zuvor noch gesprungen war. Zum anderen wollte er versuchen den Weg wieder hinaufzugehen und den Mechanismus, der diese merkwürdige Falle ausgelöst hatte, zu finden und außer Kraft zu setzen. Schließlich wollte er nicht Gefahr laufen von dieser lebendigen Felskugel überrollt zu werden, wenn er gerade damit beschäftigt war den Körper Rachamiels aus dieser Höhle zu bergen.

Einen letzten Blick über die Schulter auf den Körper des Salubri werfend begann Barnuta sein Vorhaben in die Tat umzusetzen und ging auf die Fallgrube zu. Noch auf dem Weg dahin begann Barnuta zu grübeln. Irgendetwas war nicht so, wie es hätte sein sollen. Er versuchte sich in Erinnerung zu rufen, was er alles in der vergangenen Woche im Gespräch mit Frederic Marcin über Vampire erfahren hatte, denn als dieser hatte sich Rachamiel ihm gegenüber ja ausgegeben.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 14, 2010, 21:52:35
Als die Fallgrube wieder in Sicht kam, dort wo der Nebel in den Abgrund floß wie Mehlsuppe, fiele es ihm plötzlich wieder ein...

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"Der Körper eines Kainiten wird so erhalten, wie er war, als er als Mensch starb. Welche Veränderungen man auch immer danach vornehmen mag, sie verschwinden, sobald der Tag vorbei ist. Es gibt wenige, die fähig sind, diese Gesetze außer Acht zu lassen. Zum Beispiel der Clan Tzimisce. In ihrem Blut liegt es, das Fleisch zu Formen wie Ton. Auch bei den Untoten," erklärte Marcin. Er schüttelte sich, als bereitete ihm der Gedanke an diese Fähigkeit unbehagen.
Schnell wechselte er das Thema.
"Doch wenn ein Kainit ganz vernichtet wird, nimmt sein Körper die Form an, die er eigentlich zu diesem Zeitpunkt haben sollte, wäre er eines natürlichen Todes gestorben..."


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...hallte es in Barnutas Kopf nach. Gerade, als er begriff, daß wenn Rachamiel die Wahrheit gesagt hätte, er zu Staub zerfallen hätte müssen, schreckte er wie von selbst auf. Etwas war hinter ihm.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 14, 2010, 22:51:13
Die sich aufstellenden Nackenhärchen waren ein deutliches Signal. Barnuta wandte den Kopf so weit, dass er aus dem Augenwinkel erkennen konnte, was da in seinem Rücken aufgetaucht war.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 15, 2010, 17:05:00
Barnuta sah Rachamiel...
zusammengekrümmt bewegte er sich auf ihn zu, seinen rechten Arm in der linken Hand haltend, hilflos umher rundernd.
All seine drei Augen waren weit aufgerissen, doch nicht die engelsgleiche Liebe durchströmte sie, sondern nichts, was einem menschlichen Geist glich.
Den Mund hatte er geöffnet, die Zähne gebleckt. Lange Fänge geiferten Blut, das ihm unablässig in einem dünnen Faden über die Lippen lief.
Das Monster Rachamiel schwankte vorwärts. Seine gebrochenen Rippen machten ihn von vorne noch dünner, als er schon gewesen war, und bewegten sich bei jeden schleppenden Schritt.
Er war ihm schon sehr nahe, vielleicht noch eine Armlänge entfernt. Wie er sich so leise hatte an ihn heranschleichen können,war Barnuta ein Rätsel. Allein das Herabtropfen den Blutes hatte ihn aufmerksam gemacht.
Mordlust blitzte auf.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 16, 2010, 21:46:49
Der Schreck fuhr Barnuta in die Glieder, als er Rachamiel mordlüstern hinter sich gewahr wurde. Doch sein Instinkt hatte ihn gewarnt und so erstarrte er nicht.

Es erwies sich als ein glücklicher Umstand, dass Barnuta nur den Kopf dem Geräusch zugewandt hatte. Seine Füße und der ganze Körper waren für einen Fluchtreflex in der richtigen Richtung. Und so schnellte Barnuta von dem nahenden Salubri weg, um sich mit einem Satz über die Fallgrube in Sicherheit zu bringen. Er hatte keine Ahnung, wie sehr Rachamiel in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt war, nachdem er von der lebendigen Kugel erwischt und von dem Holzpflock aufgespießt worden war. Er hoffte, dass die Fallgrube der nötige Sicherheitsabstand zu Rachamiel sein würde und dieser selbige nicht überwinden konnte. Die akute Gefahr für Leib und Leben war ihm durchaus bewusst. Das, was sich gerade in den Zügen Rachamiels zeigte musste das Tier sein, von welchem er gerade noch vor kurzem gesprochen hatte.

Und noch ein Gedanke ging Barnuta durch den Kopf, als er gerade zum Sprung ansetzte. Ich bin es, dem Rachamiel seinen Zustand zu verdanken hat. Wäre ich im Stande gewesen, dem Felsen rechtzeitig von alleine auszuweichen, wäre Rachamiel nicht in der Not gewesen mich zu retten und sich selbst dafür zu opfern. Es wäre nur gerecht, wenn ich jetzt sterben würde.

Barnutas rechter Fuß setzte an der Kante der Fallgrube auf und er stieß sich mit aller Kraft ab.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Wuschel am Januar 17, 2010, 22:06:30
Als Barnuta sich im Sprung befand, fror die Zeit nahezu ein. Der Streß in seinen Adern hatte ihn so aufgeputscht, daß er sich plötzlich ganz langsam bewegte.
Er hörte einen sich ausbreitenden Knall.
Unheimlich schnell, in keinem Vergleich zu seinem langsamen Flug, eilte der Rachamiel an ihm vorbei.
Sein rot getränktes Gewand ließ ihn wie einen Racheengel erscheinen.
Der Engel des Todes machte einen kleinen Bogen, und kam am Ende des kleinen Abgrunds, den Barnuta übersprang, ihm zugewandt zum stehen.
Jetzt erst ließ er seinen abgerissen Arm fallen.
Er breitete den anderen Arm aus, um Barnuta aufzufangen.
Immernoch unendlich verlangsamt flog er auf Rachamiel zu. In seinen drei weit geöffneten Augen spiegelte sich nun aber nicht mehr Rasende Wut, sondern ein unendlicher Schmerz, der Barnuta jede Kraft raubte, etwas anderes zu tun, als sich selbst zuzusehen.
Er prallte hart auf. Rachamiels Rippen knirschten, doch blieb er stehen wie ein Fels.
Mit übermenschlicher Kraft schloss sich der Arm um ihn, daß nun seinerseits die Knochen knackten. Rachamiel neigte den Kopf, und grub seine Zähne in Barnutas Fleisch, nahe des Schlüsselbeines. Der erwartete Schmerz blieb aus, totz der Wut, die Rachamiel noch zuvor augestrahlt hatte. Er fühlte sich ganz leicht. Der Ort, an dem er sich befand verlor jede Bedeutung.

Barnuta schwebte.
Weißes Licht umgab ihn.


Seine Glieder wurden schwer.
Er spürte, wie das Leben aus seinem Körper gesogen wurde.
Er spürte, wie sich Rachamiels Körper erholte, sich die zerbrochenen Rippen sich wieder zusammenfügten.
Er spürte, daß er sein Leben nun aushauchen würde.
Blutrote Tränen rannen aus Rachamiels nun geschlossenen Augen. Wie ein warmer Regen weichten sie sein Hemd auf und rannen seine Brust hinab.

Eine warme Bahmherzigkeit umfing Barnuta. Alle Ängste fielen von ihm ab, als würde er sicher nach Hause kommen. Die Vertrautheit, die er in dem Armen des Übermächtigen spürte, wahr noch näher als die zu Joel, ja sogar seiner Mutter, oder irgendeiner anderen Person, der er jemals begegnet war.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Barnuta
Beitrag von: Vomo am Januar 31, 2010, 00:28:23
Barnuta sprang. Und noch im Sprung wurde im klar, wie nutzlos und vergeblich seine Flucht gewesen war. Du Narr! Nach all den Jahren hast du es nun doch fertig gebracht dich selbst in Gefahr zu begeben, um darin umzukommen, schalt er sich selbst. Wie bereitwillig du doch deinem Tod gefolgt bist!

Der Aufprall auf das entmenschlichte Wesen, das nur noch entfernt an Rachamiel erinnerte, trieb ihm die Luft aus den Lungen. Der ihn fest umschlingende Arm ließ ihn ächzen. Die sich in ihn grabenden Zähne waren das letzte, was er körperlich spürte.

Das sich ausbreitende Gefühl der Verzückung löschte alles Irdische aus. Doch die Gedanken wirbelten wild durcheinander, während – gleich seinem Blut – das Leben Barnutas Körper stoßweise verlies. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Er öffnete seine Augen. Es dauerte einige Augenblicke, bis er sich zurechtfand. Im Nebenraum wurde gestritten - zwar mit gedämpften Stimmen, aber dennoch vehement. Er schüttelte seinen Kopf. Er war doch tatsächlich wieder eingenickt. Noch nie hatte er die nächtlichen Besucher seines Herrn bewirten müssen. Dennoch hatte er sich stets bemüht die in einer ihm unbekannten Sprache geführten Gespräche zu verfolgen und zu verstehen. Und auch dieses Mal hatte ihn der Schlaf besiegt. Doch im Unterschied zu den vorausgegangenen Malen war er diesmal aufgewacht, bevor sich die nächtlichen Besucher wieder auf den Weg gemacht hatten. Das sie einander uneins waren, war äußerst ungewöhnlich. Doch bleierne Müdigkeit ergriff wieder Besitz von seinen Lidern und sanfte Schwärze umfing seinen Blick.

   … Eine nie zuvor gespürte Ruhe ergriff Barnuta. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Jemand schrie in Todesqual, während andere geschäftig hin und her eilten. Er wandte den Kopf. Der Sterbende war kein schöner Anblick. Eigentlich war es ein Wunder, dass der Mann noch am Leben war. Mehrere Schwerthiebe hatten tiefe Wunden hinterlassen und der Strom des Blutes ließ sich nicht stoppen. Er griff in seine Umhängetasche und holte zwei Leinentücher hervor und wollte den Schwerverletzten versorgen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und stoppte sein Vorhaben. "Es ist zu spät. Du kannst ihm nicht mehr helfen. Aber die anderen hier brauchen deine Hilfe." Der Mann, welcher in gerade angesprochen hatte, wies auf die Männer, die neben dem Sterbenden auf dem Boden des Lazarettzeltes lagen.

      … Sein heftig schlagendes Herz …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden. Der Mann, der soeben noch versucht hatte ihm das Leben zu nehmen, floh mit bestürztem Blick. Er sank neben dem Sterbenden auf die Knie und versuchte dessen Leben zu retten. Seine Hände pressten auf den Brustkorb des Mannes, der ihn kurz zuvor noch verfolgt hatte. Doch dessen Leben strömte unaufhaltsam durch seine Finger. "Was tut ihr da?" erschallte in diesem Augenblick eine Stimme hinter ihm. Ein gutgekleideter Reiter mit entsetztem Gesicht war auf dem Markt erschienen und sah ihn über dem Körper des Sterbenden knien. "Was habt ihr nur getan? Geht sofort von ihm weg! Gernot!!" Der Reiter gab dem Pferd die Sporen, um ihn niederzureiten. Er selbst zögerte nicht einen Augenblick; er sprang auf und rannte, schlug Haken, drückte sich in Seitengassen und lief so schnell ihn seine Beine trugen. Mehrmals hörte er die Stimme des Reiters und das Klappern der Pferdehufe, doch er drehte sich nicht um.

         … trieb den Lebensstrom seines Körpers …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. "Ja! Das war richtig!" Begeisterung strahlte ihm aus dem rundlichen, mit Sommersprossen übersäten Gesicht des großen Jungen entgegen. "Es ist unglaublich, wie gut du Sprachen lernen kannst. Aber das reicht für heute." Er mochte den Jungen. Obwohl dieser etwas größer und auch älter war als er selbst, waren sie gute Freunde. Sie sprangen beide von den unteren Ästen der Eiche, auf welchen sie bis eben noch nebeneinander gesessen hatten und rannten über die Wiese. Die Weidenruten in ihren Händen waren Schwerter, mit denen sie die wehrhaften Armeen der Feinde bezwangen und niedermähten – spielend über die Tatsache hinwegsehend, dass es sich bei diesen Armeen um Disteln handelte.

            … in den Rachen Rachamiels. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Trotz des Flüsterns konnte er die Anspannung in der Stimme seines Begleiters wahrnehmen. "Langsam! Ganz langsam! Lass dir Zeit und ziele genau", wurde er instruiert. Er hielt den linken Arm gestreckt und die Sehne gespannt. Er schloss das linke Auge und zielte über den Schaft des Pfeils. Es kostete ihn große Mühe die Zuglast des Jagdbogens zu halten und gleichzeitig die Bewegung seines Ziels vorauszuahnen. Doch dann gelang es ihm, den heraufziehenden Schmerz im seinen viel zu kleinen Armen auszublenden. Irgendwie schien die Zeit plötzlich langsamer zu vergehen und er konnte beinahe sehen, wie der Pfeil gleich sein Ziel finden würde. Seine Finger lösten sich von der Sehne und der Pfeil schnellte davon. Er schloss die Augen und ließ den Bogen sinken. Das nächste, was er spürte, waren die kräftigen Arme seine Vaters, die ihn liebevoll umschlossen. Während der ihn an sich drückte, öffnete er wieder seine Augen und sah über dessen Schulter. Sein Pfeil hatte tatsächlich die Mitte der aus Schilf geflochtenen Scheibe gefunden, obwohl sie an einem schwingenden Ast befestigt war.

               … Eine wohlige Wärme …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Der Basar, wie die orientalischen Märkte genannt wurden, leerte sich nur langsam, obwohl die Dämmerung sehr schnell hereinbrach. Er war müde und gerade dabei, sich zwischen einigen Säcken am Hafen für diese Nacht ein Lager einzurichten, als eine weiche Stimme ihn in der ihm vertrauten deutschen Sprache darauf aufmerksam machte, dass der Hafen kein sicherer Platz zum Übernachten sei. Erschrocken, mehr darüber, dass der Fremde ihn in seiner Sprache anredete, als über den Inhalt der Warnung, sprang er auf, um den Sprecher zu sehen, der sich bislang in den Schatten gehalten hatte. Dass er diese Sprache verstand, konnte der Fremde nur dadurch in Erfahrung gebracht haben, dass er ihn schon längere Zeit beobachtet hatte. Sein Misstrauen war groß. Der Fremde, der orientalisch aussah und in dessen Gesicht sich die Erfahrung mehrerer Jahrzehnte widerspiegelte, sah ihn freundlich an. In den Augen des Alten konnte er keine Falschheit entdecken. Der Orientale reichte ihm eine Hand und bot ihm ein sicheres Nachtlager und ein Essen dafür an, dass er am kommenden Tag einige Dinge für ihn erledigte. Er zögerte nur kurz, bevor er einwilligte.

                  … breitete sich …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Es bereitete ihm Mühe, seinen Kopf zu heben um die schaulustige Menge zu sehen. Zu sehr schränkte ihn der Balken, der Hände und Kopf an Ort und Stelle hielt, in seiner Bewegungsfreiheit ein. Was die Leute ihm zuriefen, konnte er nicht verstehen. Er verstand ihre Sprache nicht. Doch die Stimmung konnte er sehr wohl erfassen. Unverhohlen schlug ihm Feindseligkeit entgegen. Und das schon seit drei Tagen, die er hier ohne Nahrung verbringen musste. Aber das war es ihm wert. Es mochte von den Magyaren als gerechtfertigt angesehen werden, dass ein Dieb bestraft werden musste. Doch wenn dieser Dieb ein kleiner hungriger Junge war, der vom Marktbüttel dabei erwischt worden war, wie er einen Apfel stahl, dann konnte er nicht anders handeln, als er es getan hatte. Er war dem Büttel in den Arm gefallen, bevor dessen Knüppel auf den Jungen niedersausen konnte. Dass er den Apfel für den Hungernden bezahlen wollte, konnte er nicht mehr klarstellen. Schnell war er selbst von zwei weiteren Marktbütteln überwältigt worden und an den Pranger gestellt worden.

                     … in seinem Körper aus. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. "Du schmutziger Slawe!", schrie ihn der Mann mit zornesrotem Gesicht an, "stirb, wenn du dich unbedingt opfern willst!" Sowohl der Wütende, als auch sein Begleiter zogen ihre Schwerter und sprangen auf ihn zu. Die Marktbesucher stoben schreiend auseinander. Er sprang hinter seinen Karren und griff sich einen kleinen Honigtopf sowie das Schwert, welches sein Vater ihm mitgegeben hatte. Er suchte nicht den Kampf, sondern versuchte ihn immer noch zu vermeiden. Dementsprechend wich er den beiden Männern über andere Karren und Marktstände springend aus. Irgendwann gelang es ihm, den Begleiter des Schreihalses mit dem Honigtopf außer Gefecht zu setzen, indem er das schwere Tongefäß an dessen Kopf zerschmetterte. Der Wortführer nutzte diesen Moment für einen gezielten Streich auf ihn, stolperte jedoch und geriet dadurch ins Straucheln. So schrammte dessen Schwertspitze nur an seiner Stirn entlang, anstatt ihm den Schädel zu spalten. Blut rann und floss ihm ins rechte Auge. Erneut setzte der Hasserfüllte ihm zu und er selbst musste aufgrund seiner eingeschränkten Sicht zurückweichen. Den anderen Mann, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte, nahm er gar nicht mehr wahr. Was er jedoch sah, war dessen Schwert, wie es in die Brust des ihm nachsetzenden zornigen Mannes drang.

                        … Die Enttäuschung …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Viele Pilger waren auf dem Weg ins Heilige Land und begleiteten ihn auf seinem Weg durch die Tore der orientalischen Stadt. Die Sprache der Einheimischen verstand er nicht. Der Hunger, den er verspürte, trieb ihn jedoch dazu an Arbeit zu finden. Er versuchte sich als Arbeiter zu verdingen, indem er mit Hilfe von Gebärden und Fingern, in Tavernen und auf Märkten, bei Händlern und im Hafen seine Hilfe anbot. Selten wurde er angemessen entlohnt, falls er doch einmal eine Arbeit gefunden hatte.

                           … über sein eigenes Scheitern …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Schreie. Schreie von einer Frau, die sich offenbar in Gefahr befand. Er rannte los, um gleich darauf die Quelle der Schreie zu entdecken. In einer Seitengasse, welche vom Hafen wegführte, versuchte ein Seemann, offenbar ein Grieche, sich zwischen Kisten und Fässern auf einem Haufen Fischernetze an einer jungen Frau zu vergehen. Ohne lange zu überlegen, oder sich gar umzusehen, ging er dazwischen. Er riss ein loses Brett von einer der Kisten und schrie den Griechen an. Dieser reagierte jedoch nicht darauf, was ihn dazu veranlasste, das Brett auf dessen Rücken zu zertrümmern. Der Schmerz war eine Sprache, die der Grieche wohl verstand, denn er ließ augenblicklich von der jungen Frau ab, die sich wegwälzte und aufrappelte. Er wollte ihr zur Hilfe eilen, doch die Hände mehrerer Männer rissen ihn zurück und schlugen auf ihn ein. Noch während er unter Schlägen und Tritten, begleitet von griechischen Beschimpfungen, zu Boden ging, konnte er, an den Beinen der Seeleute vorbeischauend, die junge Frau entkommen sehen und ein zufriedener Ausdruck stahl sich in seinen Blick.

                              …wurde zur Nebensächlichkeit …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Panik wallte in ihm hoch. Hatte man ihn verfolgt? Wie konnte dieser Mann ihn hier finden? Hatte er ihn erkannt? Schnell senkte er den Kopf "Verzeiht mir, edle Herren, ich spreche eure Sprache nur, weil man sie mich hier gelehrt hat. Es sind oft Patienten aus den deutschen Landen hier." Der Kreuzfahrer trat näher an ihn heran, die Stirn runzelnd. Im Halbdunkel des Korridors waren seine Gesichtszüge glücklicherweise nicht zu klar zu erkennen, aber der Ritter begann sich offenbar an ihn zu erinnern. Ihm wurde die Kapuze herunter geschoben und sein weißblondes Haar kam zum Vorschein. "Aus welchem Land kommst du?" fragte der Ritter misstrauisch noch einmal, während er angestrengt überlegte, mit welchem Ereignis er dieses Gesicht in Verbindung bringen sollte. "Aus ... Dänemark, mein Herr", stieß er mit nur kurzer Pause hervor. "Eine scheußliche Narbe habt ihr da", bemerkte der Ritter mit Blick auf seine Stirn. "Ein Pferd trat mich, als ich noch ein Kind war. Aber bitte, Ihr müsst mich nun entschuldigen, ich sollte mich wieder schnellstmöglich den Kranken widmen, sie warten bereits darauf." Widerwillig ließ der Ritter von ihm ab, behielt ihn aber genau im Blick. Er hob leicht den Kopf, bevor er sich umdrehte und für einen Augenblick begegneten sich die Blicke der beiden. Dann setzte er hastig seinen Weg fort und fast wäre das Wasser aus der Schüssel geschwappt.

                                 … und erlosch. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Vor ihm lag die Weite des Ionischen Meeres und darüber spannte sich ein wolkenloser Himmel. Seine Füße fanden auf der schmalen Reling nicht genügend Platz für einen sicheren Stand. Die Stimmen in seinem Rücken waren hasserfüllt. Die zurückliegenden zwei Wochen war er in den Reihen der griechischen Seeleute zwar geduldet worden, doch freundlich waren sie ihm nie begegnet. Schließlich musste er nur das Mitglied der Mannschaft ersetzen, für dessen Ausfall er in ihren Augen verantwortlich war.  Er wandte den Kopf und sah den inzwischen genesenen Griechen hervortreten. In dessen Augen loderte es. "Kannst du schwimmen?", fragte ihn dieser und stieß ihn, ohne eine Antwort abzuwarten. Er stürzte in die azurblauen Fluten und das Wasser schlug über seinem Kopf zusammen.

                                    … Friede ergriff Besitz von ihm …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Er verhandelte gerade wieder über den Preis eines größeren Honigtopfes, als er unweit seines Karrens deutlich das Klirren von zerbrechendem Ton und die jammernde Stimme eines Mannes vernehmen konnte, der um Mitleid bat. Er sah auf und erblickte einen Mann, vielleicht zehn Jahre älter als er selbst, der mit einem spöttischen Lachen die zum Kauf feilgebotenen Tongefäße eines alten Händlers auf den Boden warf. Dieser kniete jammernd zwischen den Scherben und flehte um Mitleid, was aber dem Jüngeren und seinem Begleiter nur ein weiteres spöttisches Lachen entlockte. Er ging hinüber und sprach ihn an: "Nicht dass es mich kümmern würde, was du mit den Krügen machst, aber bezahlen wirst du sie ihm doch, oder?" "Recht hast du, es hat dich nicht zu kümmern!", kam die amüsierte Antwort des Mannes, obgleich dieser sich nun mit einem Funkeln in den Augen zu ihm umdrehte. "Ich kann dir aber auch gern zeigen, was mit denen passiert, die nicht wissen, wann es klüger ist, den Mund zu halten." Er sah sofort, dass der andere und sein Begleiter die Hände an die Knäufe ihrer Schwerter gelegt hatten. "Offensichtlich, Junge, weißt du nicht, wen du hier vor dir hast." "Jemanden, der ungern seine Rechnung zahlt, möchte ich meinen", gab er zur Antwort. "Jemand, der sich an unbewaffneten alten Händlern vergeht. Jemand, der denkt, dass er über dem Gesetz steht, nur weil er ein Schwert trägt. Bezahlt doch einfach den Schaden des Händlers und geht eurer Wege." "Hüte deine Zunge, wenn du sie nicht verlieren willst, Bursche!“ zischte der Fremde nun verärgert. „Ich bin der Junker Gernot vom Wiedebruch und ein persönlicher Freund des zukünftigen Grafen dieser Stadt! Ich tue, was mir gefällt!" Er wusste, was das zu bedeuten hatte, doch wich er nicht zurück. "Ihr seid ein Narr, der glaubt, mit Gewalt alles erreichen zu können, und ein Feigling, der sich nur schwächere Gegner erwählt. Ich schlug lediglich vor, dass ihr den Schaden bezahlt, den dieser Mann durch euer Zutun erlitt, denn sicher muss er eine Familie ernähren. Wenn ihr aber unbedingt kämpfen müsst, dann sucht euch jemanden, der sich zu verteidigen weiß, und keinen hilflosen Greis."

                                       … und verlieh ihm das Gefühl …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Eines Abends sprach ihn der Mann an, der ihm dereinst im Hafen Arbeit angeboten hatte und für den er in der Zwischenzeit schon regelmäßig Botengänge übernahm. "Ich habe dich nie in eine der Moscheen gehen sehen, aber in die Tempel gehst du ebenfalls nicht, und auch nicht in die Kirchen der Christen. Warum meidest du die Gotteshäuser?" Er zögerte lange, bevor er mit gesenktem Haupt gestand, dass er keiner der drei großen Weltreligionen angehörte. "Es gibt für mich keinen Zweifel an der schöpferischen Kraft, die diese Welt geschaffen hat, doch hege ich Misstrauen gegen alle, die diese Kraft als ihren Gott für ihre Religion in Anspruch nehmen. Der Idee ist nichts abzusprechen, doch ihre Umsetzung steht oft in einem unüberwindlichen Widerspruch zu deren Idealen. Zu oft habe ich erlebt, wie im Namen des Gottes einer Religion anderen Menschen Unrecht zugefügt wurde." Er hielt kurz inne und überlegte, ob er vielleicht zu weit gegangen war oder zu viel von sich preisgegeben hatte. "Versteht mich bitte nicht falsch. Ich will gerne mehr über die Ziele der verschiedenen Religionen erfahren, sie besser verstehen lernen. Doch bisher habe ich mich in keiner von ihnen wiedergefunden." Und nachdem er kurz diesem Gedanken nachhing, ergänzte er halblaut, "nicht einmal in der meiner Väter."

                                          … von Leichtigkeit. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Er schlug die Augen auf. Er lag auf einer Strohmatte. Links und rechts von ihm lagen ebenfalls Männer, die sich gerade auskurieren und wieder zu Kräften kommen mussten. Links neben seinem Lager saß der Alte, dessen Gesicht ihm inzwischen vertraut war. Der Christ hatte ihn in den letzten Tagen immer wieder besucht. Auf seine Fragen hin, warum er dies täte, antwortete ihm der Iberer, sein 'Herr' hätte es ihm befohlen. In diesen Momenten bedauerte er, nur einen sehr begrenzten Wortschatz an lateinischen Vokabeln zu haben, denn es war die einzige Sprache, in der er sich mit dem Pilger verständigen konnte. Und ein jedes Mal begann der Pilger eine Geschichte zu erzählen, die er jedoch nur in Bruchstücken verstand. Es ging um einen Mann und andere böse Männer, einen weiteren Mann mit einem Esel und eine Herberge. Wie jedes Mal zuvor bemühte er sich auch diesmal den Sinn zu erfassen und lauschte gespannt. Doch die Anspannung ermüdete ihn wie immer und er sank auf sein Lager zurück in einen erholsamen Schlaf.

                                             … Es war, …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Er trug gerade eine Schüssel voller Wasser einen Gang des Hospitals entlang, als er zwei Kreuzfahrer passierte, welche sich lautstark über ein wichtiges bevorstehendes Ereignis unterhielten. Wie gewöhnlich nahm er einige der Satzfetzen auf und wiederholte sie murmelnd, während er seinen Weg fortsetzte. Doch plötzlich stoppten die Schritte der Kreuzfahrer. "He, du, wer bist du? Verstehst du uns etwa? Sprichst du unsere Sprache?" Er blieb stehen und drehte sich um, innerlich darauf vorbereitet, wieder eine Unterhaltung in Deutsch zu führen. "Woher kommst du?" fragte nun der andere, als beide Kreuzfahrer sich näherten und mit einem Mal wurden ihm die Knie weich. Einer der Männer war der Reiter, der Askanier, der ihn damals fast niedergeritten hätte. Er war älter geworden und er hatte Falten um die Augen und die Nase, aber er war es, ohne jeglichen Zweifel!

                                                … als würde er endlich …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Keuchen. Schweiß floss ihm durch die Brauen in die Augen. Langsam umkreiste er den Mann, der im Moment nur sein Gegner war. Und der umkreiste ihn. Wartend. Beobachtend. Lauernd. Er ließ sich nicht beirren und beobachtete den Mann ebenfalls aufmerksam. Auf den plötzlichen Ausfall reagierte er keinen Augenblick zu spät. All das, was sein Vater ihm beigebracht hatte, war ihm durch die vielen Übungen in Fleisch und Blut übergegangen. Für den Angreifer mochte es so aussehen, als würde er den Angriff parieren wollen, doch tatsächlich täuschte er diese Bewegung nur an. Blitzschnell machte er einen Schritt zur Seite, drehte sich dabei um seine eigene Achse und ließ den Angreifer so ins Leere laufen. Dieser versuchte noch reflexartig mit seinem linken Arm nach ihm zu greifen, doch damit hatte er gerechnet. Mit beiden Händen ergriff er den Unterarm des Mannes mit seinen kindlichen Händen und nutzte den Schwung des Mannes, um dessen Arm auf seinen Rücken zu drehen und ihn dadurch zu Fall zu bringen, dass er ihm zeitgleich auch noch ein Bein stellte. Der Mann brach in den Staub des Platzes nieder und gab jede Gegenwehr auf. Er ließ den Arm los und erhob sich. Vom Rand des Platzes erschollen begeisterte Rufe. Seine Mutter und sein großer Freund hatten den Kampf beobachtet. Auch sein Vater lachte ihn voller Begeisterung und mit tiefem Respekt in seinen Augen an. Es war das erste Mal, dass er seinen Vater im waffenlosen Kampf besiegt hatte und er spürte den Stolz aller Anwesenden in jeder Faser seines Körpers.

                                                   … nach Hause kommen. …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. "Der Mann?" "Vir", kam sofort die Antwort, "oder auch homo." Der große Junge nickte anerkennend und fragte gleich das nächste Wort ab. "Der Wald?" "Silva." "Der Baum?", sagte der große Junge und klopfte mit der flachen Hand auf den dicken Eichenast, auf welchen sie beide saßen. "Arbor." "Gut?" "Bonus. Und pulcher." "Schlecht?" "Malus. Und phaulius." "Die Kuh?" "Vacca." "Der Esel?" "Asinus." "Das Schaf?" "Ovis." "Der Hirte?" "Pastor." "Das Haus?" "Domus." "Die Herberge?" Zum ersten Mal zögerte er mit der Antwort. "Stabulum?" "Das bedeutet eher Stall", grinste der große Junge ihn freundlich an. "Deversorium oder auch hospitium bedeuten Herberge. Stadt?" "Oppidum." "Land?" "Terra." "Frieden?" "Pax." "Krieg?" "Bellum."

                                                      … Er ergab sich …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Schreie. Beschimpfungen, die er nicht verstand und dennoch als solche erkannte. Den Ursprung des Lärms suchend entdeckte er alsbald eine Gruppe von Männern, die auf einen anderen, der wie ein Pilger gewandet war, mit Knüppeln und Peitschen einschlugen. Er hatte keine Ahnung, was die Gründe für diese Bestrafung waren, doch konnte es keinesfalls gerecht sein, jemanden, der schon wehrlos am Boden lag, derart zu traktieren. Laut rufend rannte er auf die Gruppe der Männer zu, doch diese reagierten nicht auf ihn. Fast schien es, als würden sie ihre Bemühungen den Pilger zu Tode zu prügeln noch verstärken. In Ermangelung einer eigenen Waffe und mit der Erkenntnis, dass Worte an dieser Stelle nicht helfen würden, fiel er einem der Peiniger in den Arm und entwand ihm die Peitsche. Sofort richtete sich der Zorn der Gruppe auf ihn und er ging unter ihren Schlägen zu Boden.

                                                            … alldem …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Ein weiterer Abend voller Lektionen über die Sprachen des Orients und die Religionen, die diesen Teil der Welt bestimmten, neigte sich seinem Ende entgegen. Er hatte viel gelernt und war wie immer begierig auf Neues. Sein Herr, der ihm inzwischen ein väterlicher Freund geworden war, beendete den Unterricht mit den Worten, die inzwischen schon zu einer Art ritueller Formel geworden waren: "Und morgen gehst du hinaus und wendest an, was du heute erfahren hast." Warmherzige und freundliche Augen blickten ihn aufmunternd an. "Geh und lerne, Barnuta."

                                                               … und Barnuta …

Stimmen. Aufgeregte Stimmen.

                                                                  … hörte auf …

Stimmen.

                                                                     … zu sein.


Titel: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am Februar 09, 2010, 01:08:32
...Er war fort.
Er streifte den Vorhang beiseite und trat hindurch.

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Barnuta starb in den tiefen einer Tropfsteinhöhle.
In der Nacht zum 18. Mai 1204 saugte ein rasendes Monster, daß ihm zuvor noch das Leben gerettet hatte, sein Blut bis auf den letzten Tropfen aus.

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Rachamiel wartete auf ihn.

Wisset, daß ihr entsteht, um zugrunde zu gehen

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Mein Herr, Ich bin Frederic Marcin, meines Zeichens Forscher und Sammler von Artefakten."
Er ergriff Barnutas Hand und Schüttelte sie wie beim ersten Mal.
"Mein Instinkt sagt mir, ihr seid ein fehlendes Stück eines komplexen Rätsels. Mit Euren Fähigkeiten und meinem Wissen, können wir ein großes Geheimnis aufdecken...aber,"
Er setzte sich unsicher.
"Ich wollte nicht unhöflich sein, Euch in meine Angelegenheiten hineinzuziehen..."


...Rachamiel war nackt, sein langes offenes Haar fiel über seinen hellen gestählten Körper. Die wabernde Schwärze, in der sie sich befanden, wurde von dem Knaben verdrängt. Ein goldener Schein ging von ihm aus. Er hielt ihm die Hand hin, den Rücken zum Boden gekehrt.
"Kommt mit mir," sagte er.  
Als seine Finger Rachamiels umschlossen, strömte das goldene Licht in ihn.
"Ich werde dir zeigen, was deine Bestimmung ist."

Ihr seid das weiße Lamm, das sanfte Opfer

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ihr versteht noch nicht...." er sah nach unten..."Ihr könntet mir  helfen, eine bedeutende Entdeckung zu machen...vielleicht sogar, die Existenz Gottes zu beweisen..."
Noch enttäuschter dreinblickend, setzte er sich wieder.
Wieder stand er auf, und ergriff Barnutas Hand.
"Besucht mich doch heute Abend. Ich zeige Euch meine Sammlung. Dann werdet ihr einsehen, warum Ihr so wichtig für mich seid."
Marcin wartete auf eine Antwort, ehe er sich zu gehen wandte, fügte aber zuvor noch mit ernstem Blick hinzu:
"Joel hat sich noch niemals geirrt."


... Er fühlte sich gezogen. Undeutlich sah er seinen Körper daliegen, in enger Umarmung mit dem blutroten Todesengel. Wie glitzernde Geister stiegen sie auf. Das undeutliche graue Felsenlabyrinth flog an ihm vorbei. Unendlich erschien es, und doch verging keine Zeit, kein Augenschlag,
Rachamiel bedeutete ihm mit einem Lächeln, dass sie schon am Ende angelangt waren, und sank sanft mit ihm nieder. Er musste nicht stehen, er schwebte weiter. Sie sahen nichts, als eine Felswand.
"Das Ende," begann Rachmiel, "ist vorherbestimmt. Doch wo es liegen mag, vermögen nur die Vermessenen zu sagen."
Er senkte den Kopf und öffnete Das Auge. Ein Lichtstrahl ging davon aus, der das wahre Antlitz der Felswand offenbarte: Ein weißes Tor, so hoch dass er den Kopf nah oben richten musste, um deine Höhe sehen zu können.

Ihr seid der größte Teil von Kains spende

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ich bin Gelehrter. Mein Spezialgebiet ist die Erforschung biblischer Schriften. Ich reise durch die bekannte Welt um Originalschriften und Zeitzeugen zu besuchen. Damit meine ich alte Tempel, verborgene Höhlen und ihre Statuen. Eines Tages stieß ich in Anatolien auf eine Steintafel. Sie war tief in einem Stollen im Berg Ararat verborgen und von Fallen und einem Wächter beschützt. Ich nahm sie an mich.

   
...Vor dem Tor stand ein Mann. Er war klein und gebeugt, der Körper nur noch Haut und Knochen. Seine Kleidung war längst verrottet, die Haut dunkelbraun. Er klammerte sich an einem verrosteten Zweihandschwert fest, mit dessen Hilfe er mühsam das Gleichgewicht hielt. Als er sie bemerkte, richte er sich leicht auf. Ein paar Schritte kam er auf sie zu, das Schwert hinter sich her schleifend. Mühsam steckte er es in den Boden und stützte sich wieder darauf. Er sah Rachamiel direkt in die Augen.
"Deine Aufgabe ist erfüllt. Gehe in Frieden," schmirgelte seine Stimme wie Sand.
"Deine Aufgabe ist erfüllt. Gehe in Frieden," antwortete Rachamiel sanft.
Eine einzelne Träne rann über die Wange des Mannes. Seufzend ging er in die Knie, und hauchte sein Leben aus. Wie ein Liebender hielt er das Schwert umklammert, als könne er es mitnehmen.

Und auf Euren Schultern soll seine größte Sünde lasten,

Stimme... eine vergangene Stimme...
Sein Blick machte die Runde und flog über eine Tontafel, Eine kiloschwere Steintafel, eine lederne Schriftrolle, die er Dank seines guten Gedächtnisses wieder erkannte, ein Stück Treibholz und einen Faustgroßen Halbedelstein.
Alle Gegenstände waren mit Schriftzeichen verschiedener Art und Herkunft geziert, wußte Barnuta, auch wenn der Inhalt de Schriftrolle augenscheinlich verborgen war.


...Das Tor öffnete sich. Es schwang nicht auf, es glitt seitlich in die Wand, gerade so weit, daß sie hindurchschlüpfen konnten. In einer riesigen Halle, die von Salzsteinsäulen gesäumt war, thronte in der Mitte ein kleiner Altar. In einem Augenschlag waren sie dorthin geschwebt. Dort lag sie. Die Erfüllung van Rachamiels Schicksal. Eine bronzene Scheibe lag darauf. Ein lateinischer Text war darin eingraviert.
Er las…
… und verstand.

Denn ich allein unter den Kainskindern habe

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ich bin alt, Barnuta, älter als ich scheine." Er begann im Kreis zu laufen und über die Fragmente zu streichen, als wären es Kinder.
"Könnt ihr Euch etwas unter dem Begriff Kainskind vorstellen?"


...Er hatte sich die Worte gut eingeprägt, auf das er sie niemals vergessen würde.
"Hier..," begann Rachamiel bedeutungsvoll, "... am Ende meiner Zeit und am Anfang deiner Zeit, sollst du den Namen, der dir von deinem Volk gegeben worden ist, ablegen, und deinen wahren Namen enthüllen. Er war schon immer in deiner Seele, doch erst jetzt wirst du ihn ausprechen können. Schweige und dann sprich."
Barnuta schwieg und wartete. In seinem Geist bildete sich ein Wort: "Rujanel."

Ihn Droben um Vergebung angefleht,

Stimme... eine vergangene Stimme...
Marcin folgte den Spuren eines bestimmten Untoten. Inzischen hatte er sogar seinen Namen verraten: Saulot, der Sanfte. Er soll an Gott festgehalten und seine Brüder dazu bewegt haben, sich seiner Sache anzuschließen. ER soll den Sanften erhört haben. Nun ziehe er durch die Welt, seine abtrünnigen Brüder auf den Rechten Weg zurück zu bringen. Er hatte spuren hinterlassen, Fragmente eines Vermächtnisses.
Der wahre Grund, warum Marcin nach ihnen suchte, sein ganzes Leben ihrer Vervollständigung gewidmet hatte, blieb weiter Schleierhaft. Er schien von einem ehrenhaften und vor allem ehrlichen Schlag zu sein. Er war durch und durch Christ, doch mit "offenen Augen", wie er es nannte. Er war fasziniert von der Möglichkeit, all sein Wissen könnte der Wahrheit entsprechen.
Barnuta gewann den Eindruck, seiner Bekanntschaft liefe die Zeit davon; nein eher als strebe er einer Entgültigkeit entgegen.


... "Rujanel…" wiederholte Rachamiel zustimmend. Einen Moment lang blieben sie noch, in dieser Leeren Halle, in der es absolut still war, jeder für sich allein.
"Wir müssen gehen, wir haben nicht mehr viel Zeit," drängte Rachamiel. Er ergriff wieder Rujanels Hand und zog ihn mit sich.
Innerhalb kürzester Zeit hatten sie ihre Körper, an denen schleichend Schwärze empor kroch, erreicht. Rujanel sah, wie sein altes Ich seinen Tod fest umklammert hielt. "Es tut mir Leid, daß es so enden muß," sagte Rachmiel, "Das Tier hat Besitz von mir ergriffen, und ich ließ es gewähren. Ich… ich hätte dir dein Leben nicht nehmen können. Ich hätte dich nicht in die Nacht ziehen können. Das ist mein Preis den ich nun bezahlen muß: Ich gehe mit einer Sünde. Ich habe dich ermordet."

Und ich empfing Besuch von den schlimmsten Dämonen dessen Drunten

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ich ziehe schon länger durch die Lande, als ich bisher zugab. Meine Reise dauert schon mein ganzes Leben an, und ich spüre, hier ist das Ziel. Damit ist es für mich Zeit, einen Erben zu bestimmen, ihm all mein Wissen zu übergeben, damit ich endlich in Frieden ruhen kann."
Seine Stimme wurde leiser und sanfter. Er hob den Blick und sah ihn an. Barnuta erkannte zwei Dinge in den Seinen: unerklärliches Leid und... Frieden.
"Ich bin selbst ein Nachfahre dessen, dem ich folge. Ich bin ein Nachfahre Saulots, des Sanften. Mit anderen Worten: Ein Kainskind.
Doch im Gegensatz zu vielen anderen, bin ich meinem Gründer auch philosphisch gefolgt. Ich habe die Erleuchtung erlangt, und habe den Fluch abgeworfen. Ich bin bereit zu gehen."


... "Ich kann nicht vor den Herrn treten. Deshalb werde ich dir nicht nur ein Leben wieder geben, sondern du sollst meines auch bekommen. Ich schenke dir meine Seele.“ Mit diesen Worten strich er sanft über Barnuas Haar. Er setzte sich dazu nieder, so das seine Knie neben seinem liegenden Körper ruhten.
„Wenn du einmal nicht weißt was du tun sollst, horche in dich hinein. Ich werde in dir sein. Ich lasse dich nicht allein, auf deinem Weg. Er wird hart und weit sein…"

Jenen Schlangen die mich im Schlaf bissen

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ich bin Rachamiel! Ich zähle zum Clan Salubri!" rief er.
Seine Stimme pflanzte sich in einem Echo durch die Höhle fort. Das Alter fiel von ihm ab, als würde es einfach weggewischt. Die Haut zog sich glatt, das grau aus dem Haar verschwand und wich einer hellbraunen Mähne. Er strich sein Stirnhaar beiseite. Das, was Barnuta die ganze Zeit für eine tiefe Falte gehalten haben mußte, entpuppte sich als waagrechtes Drittes wimpernloses Auge, daß sich langsam öffnete. Die Iris hatte die gleiche Farbe wie die anderen beiden Augen: Rehbraun.
"Ich bin einer der dreizehn Wächter des Wissens! Ich hüte die Geheimnisse unseres Clansgründers!" , übertönte seine nun kraftvolle und reine Stimme jedes Tropfen, sogar das Rauschen des Blutes in Barnutas Ohren.
Seine Kleidung veränderte sich, und wich einer strahlend weißen Robe, ohne Schmuck.


... "Es ist deine Aufgabe, die letzten Worte Saulots zu bewahren.
Es ist deine Aufgabe, ihren Sinn zu begreifen.
Es ist deine Aufgabe, die Wahrheit zu erkennen
Es ist deine Aufgabe nach der Erleuchtung zu streben."

Jenem üblem Gewürm, das mein Blut aussaugte,

Stimme... eine vergangene Stimme...
"Ein Vampir fürchtet sich nur vor einem: Dem Tier.
Es wohnt jedem inne.
Untot zu sein ist... ein Kampf. Manche verfallen ihm, und werden zu Monstern. Andere nutzen es aus und werden zu gefährlichen Monstern. Und andere, wie ich, kämpfen dagegen an, und bewahren sich ihre Menschlichkeit.  Dir würde es vorbestimmt sein, nicht nachzugeben, und immer dem Weg der Menschlichkeit zu folgen.
Das Tier, kämpft auf verschiedene Weisen, und du wirst lernen müssen, ihm etwas entgegen zu setzen.
Das ist der wahre Fluch, Barnuta."


... "Gefahren lauern auf dich. Gib dich nicht zu erkennen, verbirg dich. Sprich nicht über deinen Clan, nicht über dein Alter. Daß du dir meine Seele nicht genommen hast, sondern ich sie dir geschenkt habe, wird dir niemand glauben. Dennoch werden sie es spüren, dass du den Amaranth begangen hast, auch wenn sie nichts darüber wissen. Sprich nicht darüber. Es sei denn, es rettet dein Leben. Verschweige meinen Namen. Hüte dich vor den Hexern, den Tremere, den Ursupatoren. Ich habe gesehen, daß sie uns jagen. Sie töteten Saulot, sie taten das mit ihm, was du mit mir tust, sie nahmen seine Seele. Einer von ihnen, Tremere selbst, tat es. Er sperrte Saulot in seinem Körper ein. Erst wenn er fällt, wird Saulot erlöst sein.
Sie werden nicht eher ruhen, bis wir fort sind."
Er machte ein Pause.
"Furcht soll dich aber nicht leiten. Dir werden nicht nur Feinde begegnen. Freundschaften sind gefährlich, aber scheue dich nicht, dieses Risiko einzugehen. Halte dich nicht zu weit von den Menschen fern, jedenfalls noch nicht. Du wirst viel über das Leben lernen müssen. Nutze die Gabe des Sehens um die Wahrheit zu erkennen. Stärke deine Seele um keine Schwäche zu zeigen. Heile jene, die Schwächer sind als du. Dann wirst du die finden, die dir wohlgesonnen sind. Nichts anderes hast du getan, seit du mich kennst."

Von ihnen lernte ich, dem Blut die Schwärze zu nehmen der Seele das Böse.

Stimme... eine vergangene Stimme...
Sanft griff er mit seinen Händen nach Barnutas Wangen und gab ihm den Bruderkuß.
Dieser unschuldige Kuß zeigte seine tiefe Ehrerbietung, er war rein, wie der Kuß eines Kindes - oder eines Engels.
Rachamiel küsste nicht Barnutas Lippen, sondern eher etwas tief in ihm, daß er schon lange nicht mehr hatte zeigen oder berühren lassen können.


... Der Todesengel regte sich. Barnuta war inzwischen erschlafft und hatte seine Umarmung gelöst. Rachamiels Wunden heilten nicht, aber er stützte sich auf Rujanel liegend auf den verbleibenden Arm und zog sich nach oben, bis er mühsam wieder zum liegen kam. Nun tropfte langsam sein Blut in Barnutas Mund.
Er schluckte, versuchte sich wegzudrehen.
„Das ist das Elixier deines Lebens, die Vitae,“ erklärte Rachamiel. „Du wirst dich darum kümmern müssen, dass du immer genug zur Verfügung hast, sonst fällst du in Starre, und kannst dich nicht so einfach regeneriere, wie ich es tat. Es ist ein geliehenes Leben, denn nichts anderes wird dich nähren.“
Barnuta sah sich zupacken, und gierig trinken.
„Schäme dich dessen nicht. Du musst nicht töten. Es schmerzt die Menschen und Tiere nicht. Nimm nur wenig, dann wirst du ihnen keinen Schaden zufügen. Nicht einmal eine Wunde wird zurückbleiben. Du wirst ohnehin niemanden mehr verletzen können, ohne selbst den Schmerz zu erleiden. Das ist der Fluch der auf unserer Kaste lastet, der Kaste der Wächter.
Doch… es ist Zeit für dich zurückzukehren. Gleich wirst du nicht mehr auf dieser Seite sein. Ich werde mit dir gehen...“ Sanft Griff Rachamiel in die Luft, und zog das Leichentuch beiseite. Ohne zurückzublicken, Schritten sie hindurch.

Und obzwar ich sterben mag, werdet ihr, meine Kinder weiterleben.

Stimme... eine vergangene Stimme...
An der Rückwand war ein Brett  aus mittlerweile versteinertem Holz angebracht. Es war mit spitzen Pfählen gespickt, die in der Mitte meist abgebrochen waren.
Unglücklicherweise war Rachamiel Seitlich hineingeraten, wo er an den längeren Spitzen aufgespießt worden war. Hilflos stand er beinahe aufrecht, seinen Brustkorb, Beine und Arme durchstochen. Seine Rippen waren eingedrückt, als wäre er zwischen Hammer und Amboss geraten. Sie hatten sich durch die Haut gebort und gaben ihm unter der Robe eine verzerrte Gestalt. Eine große Menge Blut klebte an der Wand und war auf dem Boden verteilt. Sein Gewand hatte sich ebenfalls rot gefärbt.
Rachamiels Augen waren aufgerissen, sogar das normalerweise geschlossene Dritte Augen auf seiner Stirn. Überraschung war darin eingraviert, und kein Leben war in ihnen zu sehen.


...Rujanel kehrte in Barnutas Körper zurück. Er brannte. Dort wo sein Blut gewesen war, brannte Feuer.
Als der Schmerz langsam verebbte, blieb keine Leere, wie sie nach einem Brand bleib. Etwas blieb zurück. Es war ein Teil von ihm, und doch war es Fremd. Das Biest. jetzt wo er ihm begegnete, verstand Rujanel. Es würde davon abhängen, zu was für einem Wesen er würde, welchen Weg er wählte. Er musste sich mit ihm vertragen, wenn er er selbst bleiben wollte. Das dort, diese reißende Bestie, war er selbst, doch zugleich war es auch eine düstere Prophezeihung, etwas das wahr werden konnte.
"Trink..." stöhnte Rachamiel.
Das Tier stimmte ihm zu. Rujanel glaubte ihm und wusste selbst, daß es gut für ihn war.
Er war nicht genug vorbereitet worden auf diesen Moment. Zu Schwach und zu überfordert war er, zu widerstehen, oder auch nur den Körperreflexen entgegen zu wirken. Er tat es. Jetzt, wo er mehr bekam, spürte er den Hunger.
Das Leben fehlte ihm, und Rachamiel bot es dar. Mit jedem Schluck fühlte er sich lebendiger. Er trank nicht nur, er nahm etwas auf. Er spürte, wie mächtig Rachamiel war, wieviel er wusste, wieviel er gesehen hatte.

Öffnet euer Auge und seht die Welt, wie sie wirklich ist,

Stimme... eine Stimme...
Rachamiel war nackt, sein langes offenes Haar fiel über seinen hellen gestählten Körper. In der Schwärze, in der sie sich befanden, wurde von dem Knaben verdrängt. Ein goldener Schein ging von ihm aus. Er hielt ihm die Hand hin, den Rücken zum Boden gekehrt.
"Kommt mit mir," sagte er.  
Als seine Finger Rachamiels umschlossen, strömte Licht in ihn.
"Ich werde dir zeigen, was deine Bestimmung ist."


...Rachamiel schrie. Er klammerte sich an Rujanel fest. Fingernägel bohrten sich in seine Schultern. "Hör nicht auf!" brüllte er mühsam. "Nimm mein Herz!"
Das Tier stachelte ihn an. Er näherte sich dem Apfel der Erkenntnis.
Nimm!
Trink!
Töte!

Ein einziger Schluck, so süß, daß er sein Leben dafür hergegeben hatte. Ihre Herzen wurden Eins. Ganz plötzlich wusste er alles über Rachamiel. Sein Leben, seine geheimsten Gedanken. Alles gehörte plötzlich ihm. Er war noch zu jung um es zu begreifen, eins jedoch spürte er ganz genau: Daß Alles, sein Tod und auch das, was kurz davor und danach geschah, hätte ganz anders passieren sollen. Rachamiel litt unendlich, unter seinen Taten.

Die Welt um ihn herum wurde weiß.
Sie waren unversehrt. Sie hielten sich fest, aufrecht stehend. Rachamiel ließ seine Arme an den seinen heruntergleiten und ging einen halben Schritt zurück, um Rujanel anzusehen. "Ich mochte dir danken," sagte er und legte den Zeigefinger auf Rujanels Lippen.
"Ich weiß du wirst einen guten Weg finden. Du wirst die Welt ein Stück besser machen. Wenn man ein Leben rettet, rettet man die ganze Welt. Vergiß das niemals." Rachmiel ging auf die Knie.
"Ich weiß, daß du mich erlösen wirst, eines Tages. Doch zu erst, erlöse dich selbst. Lerne, das Dritte Auge zu öffnen. Es wird dir die Wahrheit offenbaren."
Er legte sich nieder, bettete den Kopf auf dem Arm.
"Ich bin müde. Macht es dir etwas aus, wenn ich mich ausruhe? Wecke mich, wenn du mich brauchst, auch wenn du dich nur allein fühlst. Ich habe lange nicht geruht."
Er schloss die Augen.
Rujanel öffnete die Augen.

Und wisset, daß das, was ihr jetzt tut, eine weitere Generation heilen wird.

Stimme...
Rachamiel ließ seine Arme an den seinen heruntergleiten und ging einen halben Schritt zurück, um Rujanel anzusehen. "Ich mochte dir danken," sagte er und legte den Zeigefinger auf Rujanels Lippen.
"Ich weiß du wirst einen guten Weg finden. Du wirst die Welt ein Stück besser machen. Wenn man ein Leben rettet, rettet man die ganze Welt. Vergiß das niemals." Rachmiel ging auf die Knie.
"Ich weiß, daß du mich erlösen wirst, eines Tages. Doch zu erst, erlöse dich selbst."
Er legte sich nieder, bettete den Kopf auf dem Arm.
"Ich bin müde. Macht es dir etwas aus, wenn ich mich ausruhe? Wecke mich, wenn du mich brauchst, auch wenn du dich nur allein fühlst. Ich habe lange nicht geruht."
Er schloss die Augen.


...Rujanel erwachte. Zunächst glaubte er, er könne sich nicht aufrichten, weil sein Körper zu zerschunden war, und Rachamiels Gewicht auf ihn drückte. Als er gewohnheitsmäßig einatmete, bekam er Staub in die Nase.
Er musste jedoch nicht niesen. Er endeckte, daß er nicht atmen musste. Der drang dazu war verschwunden, wie ausgeschaltet. Sein Herz schlug nicht ein einziges Mal.
Wo war Rachamiel?
Etwas rieselte von seiner Brust und seinem Gesicht.
Seine Finger tasteten danach...
... seine Nase trügte ihn nicht...

...Asche.



Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Vomo am Februar 10, 2010, 23:41:51
Charakterbogen Rujanel (18. Mai 1204)




Ein Wechselbad der Gefühle brandete in ihm hoch. Vieles davon war ihm neu. Vieles davon war ihm vertraut. Und selbst einige Gefühle, die er nur selten in seinem Leben empfunden hatte überwältigten ihn mit aller Macht in diesem Zustand nach dem Leben.
Er spürte Hass. Hass auf die Bestie, die ihn so plötzlich aus dem Leben gerissen hatte.
Er spürte Mitleid. Mitleid mit dem Mann, der dieser Bestie nicht Herr werden konnte.
Er spürte Wut. Wut auf den Mann, der ihn zu dem gemacht hat, was er nun war.
Er spürte Liebe. Liebe zu allem was Lebendig war.
Er spürte Angst. Angst vor der Ungewissheit der Zukunft.
Er spürte Freude. Freude darüber, noch nicht endgültig vergangen zu sein.
Er spürte Ekel. Ekel vor dem, was in ihm war.
Er spürte Furcht. Furcht, die Kontrolle zu verlieren.
Er spürte Verachtung. Verachtung gegenüber der schändlichen Art der Bestie.
Er spürte Traurigkeit. Traurigkeit über den Verlust.
Er spürte Überraschung. Überraschung darüber, dass der Tod nicht das Ende war.
Er spürte Verzweiflung. Verzweiflung, dem ihm zugedachten Schicksal nie mehr entkommen zu können.
Er spürte Enttäuschung. Enttäuschung darüber, in dieser Situation allein gelassen worden zu sein.
Er spürte Neid. Neid auf all jene, die unwissend waren.
Er spürte Stolz. Stolz auf sein gelebtes Leben.
Er spürte Interesse. Interesse, das mehr über seinen Zustand erfahren wollte.
Er spürte Leid. Leid, dessen Ursprung in seiner tief verletzten Seele lag.
Er spürte Widerwillen. Widerwillen gegen das Leben, welches ihm aufgezwungen worden war.
Er spürte Zorn. Zorn, keine Chance gehabt zu haben.
Er spürte Scham. Scham, dass sich ein anderer für ihn geopfert hatte.
Er spürte Schuld. Schuld, nicht seiner eigenen Bestimmung gefolgt zu sein.
Die Trauer jedoch war allesbestimmend. Er konnte nicht einmal sagen ob es der Verlust des eigenen Lebens, der Verlust Rachamiels oder beides zusammen die Ursache dafür war.

Nur langsam und sehr vorsichtig setzte er sich auf. Er lauschte in sich hinein. Kein Herzschlag war zu hören. Kein Atem strömte in seine Lungen. All das hatte etwas Unwirkliches an sich und doch war es so real wie der felsige Boden, den er unter sich spürte. Er war sich der Geschehnisse, die zu diesem Moment geführt hatten vollkommen bewusst. Er war sich klar darüber, dass die Bestie, die ihn gerissen hatte nun ein Teil von ihm war. Sie schlummerte in ihm und er war ihr ausgeliefert.

Nichts war so, wie er es sich vorgestellt hatte. Nichts war so gekommen, wie er es sich gewünscht hatte. Er hatte sich bereiterklärt, Rachamiel zu begleiten, doch das es auf diese Art und Weise sein würde hätte er sich nie träumen lassen. Ein menschlicher Körper, dem zwei Seelen innewohnten. Beide füreinander verantwortlich und dennoch nicht im Einklang. Die Situation war so ungeheuerlich neu, dass er erst einmal sitzen blieb, um seine Gedanken zu ordnen und sich über sein weiteres Vorgehen klar zu werden.

Nichts trieb ihn an. Es gab kein Ziel, kein Weg, keine Aufgabe.

Mit langsamen Bewegungen zog er einen ledernen Beutel hervor und begann mit engelsgleicher Geduld jeden Krümel der Asche, den er entdecken konnte, einzusammeln, während seine Gedanken über all das, was ihn hierhergeführt hatte, kreisten.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am Februar 21, 2010, 00:17:16
Sein Beutel war beinahe schon voll, doch die Masse der Asche wollte kein Ende nehmen. Dazwischen, nur inzischen ergraut fand er das blutdurchtränkte Leinen, daß Rachamiel getragen hatte. Noch immer saß er inmitten des grauen Staubes, der auch sein Gesicht und seinen Restlichen Körper bedeckte.
Die ganze Masse seines Erzeugers - er wußte nicht, woher er das Wort hatte - lag um ihn verstreut.
In der Tat hatte er nichts bei sich getragen, außer dem, was Rujanel ihm zuvor zugeteilt hatte.
Das Tropfen um ihn herum kam einem regenhaften Weinen gleich.
Er wußte, das es keinen Sinn hatte, zu dem Ort zu gehen, den er mit Rachamiel in diesem seltsamem Zustand besucht hatte. Er wäre unfähig etwas dort zu finden. wußte er doch nicht so recht, was dort eigentlich geschehen war. Vorerst war das Geheimnis sicher, wie in sein inneres Auge gemeißelt.
Er konnte nur hoffen, das er im Haus Marcins etwas finden würde, das ihm weiterhalf.
Die unlebendigkeit seines Körpers war ihm noch immer fremd, genauso wie die unbekannten Kräfte, die er in sich spürte. Das Tier rumorte ungeduldig in ihm. Ein nie gekannter Hunger störte am Rande seine Gedanken.
Der Beutel hatte sich bis zum Rande gefüllt...


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Vomo am März 09, 2010, 13:25:25
Beinahe wie in Trance registrierte er, dass der Beutel nichts mehr fassen konnte. Mit Bewegungen, die nicht seine eigenen zu sein schienen, verschloss er den Beutel, legte ihn auf das Tuch, das einst die Kleidung Rachamiels gewesen war und zog einen weiteren Beutel hervor. Mit fast automatischen Handgriffen fing er an, auch diesen zu befüllen.

Langsam griffen eigene Gedanken Raum und drängten in sein Bewusstsein. Kurz hielt er in der sammelnden Bewegung inne und realisierte mit einigem Befremden im Blick, was er da tat um sogleich darauf mit den Schultern zu zucken und fortzufahren.

Es ist zu befürchten, dass diese felsige Kugel erneut auf mich zurollen wird, wenn ich diese Höhle auf dem selben Weg verlasen will, auf dem ich sie betreten habe. Ein weiteres Vordringen in die Höhle scheint jedoch ebenso wenig ratsam wie erfolgversprechend. Er verstärkte seine Anstrengung, seine derzeitige Tätigkeit zum Abschluss zu bringen um dann seine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Verlassen dieses Ortes zu widmen.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am März 14, 2010, 17:52:49
Endlos schien die Zeit zu sein, in der er sammelte. Beutel um Beutel füllte er mit seinen wie von selbst arbeitenden Händen. Es war nicht ganz nur Asche und Staub.
Als er den vierten Beutel füllte, und Rachamiel zwischen seinen Fingern hindurchrieselte, blieb etwas auf seiner Handfläche liegen: Ein kleiner, zugeknoteter Beutel, der an einer Lederschnur befestigt war. Als er ihn öffnete, fand er darin eine kleine, filigrane Schnitzarbeit.
Er ertastete eine Kugel, die mit einem Geflecht bedeckt war, das in einem Baum gipfelte. In diesem spärlichem Licht konnte er es nicht ganz genau erkennen, doch er meinte farbige Früchte an den Ästen zu erkennen.
Als er später automatisch nach einem weitern Beutel giff, tasste er ins Leere.
Fünf hatte er in mühsamer Kleinarbeit gefüllt, und hatte auch beinahe alles aufgeklaubt.
Einen kleinen Rest würde er noch retten können, denn der Rest hatte sich mit dem Staub auf dem Boden vermischt.
Während seine Gedanken klarer wurden, bekam er langsam ein Gespür dafür, in welcher Gefahr er sich eigentlich befand.
Zudem regte sich etwas in ihm. Er wurde immer mehr geneigt diesen Ort zu verlassen, an dem er jederzeit zermahlt werdon könnte, und einen sicheren Ort aufzusuchen, an dem ihn kein Sonnenlicht treffen konnte und ihn niemand überraschen konnte.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Vomo am März 14, 2010, 20:49:39
Nachdem er alle Beutel gut verschlossen und sicher bei sich verstaut hatte wandte  er sich noch einmal der Nische zu, die ihm vor seinem Tod Schutz geboten hatte. Der Weg hier herunter mochte beinahe nahtlos von diesen Tropfsteinsäulen gesäumt sein, doch war es äußerst unwahrscheinlich, dass diese Steinsäulen auch dahinter so dicht standen, dass es keinen anderen Weg von hier fort gab. Trotz der Trostlosigkeit seiner Situation war er guten Mutes, einen sicheren Weg aus diesem Höhlensystem hinaus zu finden.

Noch einmal überprüfte er all seine Habseligkeiten und deren sichere Verwahrung an seinem Körper, dann ergriff er die Lampe und stieg durch die Bresche in der Reihe der Säulen. Vorsichtig und geduldig nahm er die Nische in Augenschein und leuchtete jeden Winkel aus.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am März 19, 2010, 21:31:04
Rujanel fiel es wieder ein. Er erinnerte sich undeutlich daran, wohin der Weg weiter ins Innere der Höhle führte. Zu dem geheimnisvollen Tor, hinter dem die letzten Worte Saulots verborgen lagen.
Das drängende in seinem Hinterkopf wurde stärker, Seine Konzentration blieb aus sein Ziel gerichtet. In der Nische, die seine Leben zunächst gerettet hatte, fand er als er sich an ein paar kleineren Steinsäulen vorbeigedrückt hatte, des Labyrithweg wieder - zumindest einen davon.
Hier konnte er seine schwere Last in einer Ausbuchtung ablegen, in die er sich direkt, aber mühsahm den Weg gebahnt hatte.
Die Müdigkeit, die ihn befiel, ließ sich nicht wegwischen. Zunächst fühlte er sich an diesem Ort so sicher wie es eben ging, keine Falle oder auch nur das leiseste Anzeichen von etwas ungewöhnlichem enteckte sein Auge. In dieser höchst Ungewissen Situation meinte er zu spüren, wie sich seine Sinne schärften. Ein weit entferntes Rutschen und Rieseln drang an sein Ohr. Zu weit entfernt, als daß er es hätte normalerweise hören können. Die Geräusche wurden ständig vom trommelnden Tropfen der Steine unterbrochen, dennoch waren sie real.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Vomo am März 20, 2010, 13:24:59
Mit der Erinnerung an das ursprüngliche Ziel kam auch die Erinnerung an die Umstände zurück. Es war Rachamiels Ziel gewesen, die Worte Saulots zu finden. Es war nicht das seine. Das war es nicht gewesen und es auch nicht im Moment. Es mochte sein, das es zukünftig auch zu seinem Ziel werden würde, aber das war für ihn im Moment nicht absehbar. Auch wenn er in sich gerade den leisen Drang verspürte die Suche Rachamiels zum Abschluss zu bringen, so schien ihm dieser Drang kein eigener zu sein.

Er versuchte sich zu konzentrieren und den fremden Wunsch zu verdrängen. Viel zu sehr musste er erst einmal diesen gefahrenvollen Ort verlassen und seine neue Natur ergründen und verstehen. Einiges hatte er schon aus den Gesprächen mit Rachamiel erfahren, aber er war sich sicher, dass dies nur ein kleiner Teil von dem war, was es an Wissen über die Kainskinder zu lernen gab.

Die Nische war sicher und er überlegte kurz, ob sie auch sicher genug für einen Lagerplatz war. Hier, in diesem Labyrinth aus tropfenden Säulen, wollte er auf keinen Fall mehr länger als nötig bleiben. So entschloss er sich, den Weg zum Ausgang zu suchen und diese unwirtliche Umgebung schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Nur für den Fall, dass er keinen Weg finden würde, wäre diese Nische sein Lagerplatz, an welchem er dem sich langsam bemerkbar machenden Gefühl der Müdigkeit nachgeben würde.

Entschlossen und voller Tatendrang nahm er seine Sachen auf und orientierte sich in die Richtung, in der er den Ausgang vermutete.

Während er voranschritt erregten Geräusche seine Aufmerksamkeit. Auch wenn sie ihren Ursprung nicht in der näheren Umgebung hatte, war es ihm möglich sie wahrzunehmen. Es war so, als ob seine Ohren besser Hören konnten, als jemals zuvor. Und auch das Geräusch kam ihm vertraut vor. Es klang, als würde jemand sich langsam abseilen und dabei mit den Füßen auf dem feuchten, leicht sandigen Untergrund Halt suchen. Ist außer mir noch jemand in dieser Höhle? Schlagartig wurde ihm klar, dass seine Anwesenheit für andere kein Geheimnis sein würde. Das dünne, weiße Seil Rachamiels war immer noch am Abhang befestigt und harrte dort seiner Rückkehr! Es gab nur zwei Möglichkeiten für ihn, wollte er möglichen Besuchern verborgen bleiben. Entweder versteckte er sich hier, so gut es ging und versuchte dabei demjenigen auszuweichen, der da kam, oder er musste so schnell wie möglich den Abgrund erreichen und die Spur seiner Anwesenheit schnellstmöglich beseitigen.

Die voranschreitende Müdigkeit legte ihm ersteres nahe, doch die plötzliche Erkenntnis einer möglichen Gefahr mobilisierte ihn noch einmal bis in alle Fasern seines Körpers. Kurzentschlossen bewegte er sich, so schnell und so lautlos es ihm möglich war, in Richtung Abgrund.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am März 28, 2010, 17:48:52
Er musste sich wieder zurückpressen, an den Steinnadeln, die er zuvor passiert hatte, vorbei, in Richtung des einzigen Ausganges, den er kannte, zurück der Falle entgegen, die sein Schiksal und das Rachamiels besiegelt hatte.
Es gab ohne hin nicht mehr hier für ihn zu tun, denn sie Bronzescheibe mitzunehmen, die er noch immer deutlich vor seinem geitigen Auge sah, die er während seines Sterbens mit Rachamiel entdeckt hatte, würde er ohnehin nicht erreichen können, wenn er nicht annähernd so machtvoll geworden war wie sein Erzeuger.
Die Asche, die er mit sich trug, wog schwer und verlangsamte ihn stark.
Als er den Punkt erreichte, an dem er beinahe zermahlt worden war, stieg ihm der geruch geronnen Blutes in die Nase. Er roch sofort, daß es tot war, braun und leblos, daß keine Nahrung darin zu finden war.
Der Anblick der Nische, in die das seltsame Steinwesen geprallt war, erinnerte ihn daran, was ein Fehler auf diesem Weg bedeuten könnte. Um was ihn Rachamiel alles herumgeführt hatte, konnte er nicht erahnen, sich nur teilweise daran erinnern. Ohne den Himmel über sich war sein Zeigefühl verloren, er wusste nicht genau, wie weit es zu dem weißen Seil war, wie lange sie durch das Labyrith geirrt waren, auch, wenn er den Weg noch einigermaßen kannte.
Die Müdigkeit und das Bedürfnis, dem Vergessen nachzugeben, stiegen sprungartig weiter an. Weiter riet ihm sein Innerstes, einen sichereren Ort aufzusuchen, wie einem Tier sich vor den Räuber n der Wildnis zu schützen.
Bald würde es ihm übermannen, wie eine nahende Ohmacht spürte er es.


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Vomo am April 01, 2010, 16:57:59
Das was einst den Menschen Barnuta ausgemacht hatte, sein Wesen, seine Anschauungen, sein ganzes Sein, bäumte sich noch einmal auf. Ein Leben auf der Flucht war ein Leben, das mit vielen Einschränkungen und Sachzwängen einherging. Ein solches Leben hatte er jahrzehntelang gelebt. Und dennoch hatte er in all diesen Jahren sich immer das Gefühl bewahrt, sein eigener Herr zu sein, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, in einem gewissen Rahmen sogar sein Leben selbst zu bestimmen.

Jetzt fühlte er sich fremd in seinem eigenen Körper. Sein Wille herrschte nicht länger allein - nein, er musste sich sogar einem fremden Verlangen unterordnen. Das, was die Kainiten "das Tier" nannten, setzte ihm immer mehr zu. Und obwohl sich sein Geist seiner Unterlegenheit bewusst war kämpfte er dagegen an. Es war, so sagte es ihm zumindest sein Verstand, überlebenswichtig - selbst für das Tier in ihm -, dass er sich nicht nur einen sicheren Ort in diesem tödlichen Labyrinth suchte, sondern auch seine Spuren verwischte.

Mit dem letzten bisschen an eigenem Willen zwang er seinen Körper den schmalen Weg hinauf. Wenn es ihm schon nicht möglich sein sollte das Seil zu erreichen und zu entfernen, so wollte zumindest dem Indiz seiner Anwesenheit so nahe wie möglich kommen. Falls er nach dem übertagen erwachen sollte, wären seine Chancen gut, das Seil noch vor dem nahenden Eindringling zu erreichen. So dachte er zumindest ...


Titel: Re: Intime: [Dreizehn] Präludium: Rujanel
Beitrag von: Wuschel am April 02, 2010, 23:36:09
Er taumelte vorwärts, seine Last bachte ihn immer öfter zum stolpern, doch er ging weiter. Vorbei an dem Ort seines Beinahe-Todes, vorbei an den Stellen, in denen er Verzweiflung gespürt hatte, noch vor nicht allzulanger Zeit. Wer wusste nicht, ob das seltsame Wesen, das dort oben irgendwo hauste, nocheinmal einen Angriff gegen ihn ausführen würde, und ob er die Kraft hatte dem zu enkommen.
Der Geruch des Toten Blutes verblasste, und mischte sich langsam mit dem von Jahrunderte altem Staub, der noch immer in der Luft hing. Im wurde schwarz vor Augen, doch taumelte er weiter.
Als ihm das Intesive gefühl von Staub und Tod das den Hals hinunterkriecht, beinahe einen menschlichen Refex des Hustens ausgelöst hatte, verlor er das Bewusstsein. Nicht, wie er einschlief als Mensch döse er dahin, sondern wie ein Schlag auf den Kopf war die Welt ausgelöscht.
Ihm war als wäre er gefallen, tief hinab.
Aber auch, als wäre er aufgefangen worden, als hätte ein sanfter aufstieg wie auf Händen getragen ihn fortgebracht aus der endlosen Schwärze der Höhle.

--- unbestimmte Zeit später ---

So plötzlich, wie das Vergessen - denn es war kein Schlaf gewesen - ihn ins Nichts geschickt hatte, so plötzlich kerte das Leben in ihn zurück.
Verschwommen nahm er wahr, daß er auf dem Rücken lag. Er spürte die Last des Staubes und der Asche nicht mehr, dennoch spürte er die Beutel an seinen Beinen. Er lag nicht auf Stein oder Erde, eher fühlte er sich getragen. Er merkte, daß er vorwärts getragen wurde, als würde eine Menschenmenge ihn über ihre Hände weiterreichen.
Das ganze ging sehr langsam vonstatten, doch nicht länger, als er brauchte, es zu begreifen.
Dann fiel er. Zuerst hingen seine Beine in der Luft, bis er über die Hüfte hinaus in die Leere gehalten wurde, bis er über seinen Eigenen schwerpunkt hinaus vornüber kippte.
Er fiel nicht tief, drehte sich jedoch halb in der Luft und landete auf dem Bauch. Knapp hatte er eine Pfütze verfehlt, in der völligen Dunkelheit hörte er sie nur neben sich, es tropfte beständig Wasser hinein.
Er wußte nicht, wo er sich befand. Den Sturz hatte er gut überstanden, es hatte ihm nicht einmal die Luft aus den Lungen getrieben. Und auch als die Lampe, die ihm den ganzen Weg lang treu gedient hatte, auf seinem Rücken landete und in die Pfütze sprang, daß das schwer riechende Wasser sein Gesicht benetzte, verspürte er eher einen Druck als einen Schmerz.
Zum Glück hatte sie nicht gebrannt.
Nun war er allein und orientierungslos.
Das einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, daß der Eingang in Richtung bergauf lag.
Leise hörte er, zwischen dem allgegenwärtigen Tropfen hindurch,
Stimmen...

Barnutas
Rujanels Geschichte geht weiter In der Höhle des Opferlamms (http://www.pen-paper.at/community/index/topic,1378.msg47016.html#msg47016).