Margaret Weis, Don Perrin - Der Zorn des Drachen (Drachenlanze-Saga;
Raistlin-Chroniken Teil 2)
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Broschiertes Taschenbuch
Veröffentlicht im Blanvalet Verlag, München, erschienen
im Goldmann Verlag, München.
510 Seiten
Erscheinungsdatum: Mai 2000
ISBN: 3442249309
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"Der Zorn des Drachen" ist der zweite Band der Raistlin-Chroniken
und ist somit die Fortsetzung von "Die Zauberprüfung"...
Raistlin hat die Prüfung der Zauberer bestanden und überlebt, wenn
auch sogar noch sehr viel mehr geschwächt und einem noch schlimmeren Aussehen
als schon in seiner Jugend. Als Rote Robe wird er in die Reihen der Zauberer
von Krynn aufgenommen, doch wegen der schrecklichen Ereignisse während
der Prüfung möchte ihn keiner der Zauberer im Orden der Roten Roben
in die Lehre nehmen. Und so zieht der nach der Prüfung erheblich geschwächte
Raistlin in Begleitung seines Bruders Caramon der trotz allem an seiner Seite
bleibt in die Ferne, von dem Wunsch beseelt Kriegszauberer zu werden.
Seine Reise führt ihn nach einigen Zwischenfällen und einem unverhofften
Wiedersehen mit Lemuel (ebenfalls ein Zauberer, bekannt aus "Die Zauberprüfung")
in die Stadt Langbaum, in welcher der landläufig als ‚Spinnerbaron'
bekannte Ivor von Langbaum eine Söldnerarmee anheuert. Dieser nimmt die
beiden Zwillinge und ihren neugewonnen Freund, den seltsamen Halb-Kender Tauscher
in die Ausbildung.
Raistlin wird von Horkin, einem Meister der Zauberkunst und Kriegszauberer ausgebildet.
Der Wunsch des jungen Magiers scheint erfüllt, doch stellt sich heraus,
dass Horkin ein Abtrünniger ist (ein Magier, welcher nie die Prüfung
abgelegt hat oder nicht den Regeln der Erzmagier folgt und dennoch Magie praktiziert.)
Raistlin bringt ihm zunächst einiges an Verachtung entgegen und denkt,
er sei ihm weit überlegen, doch ändert sich dies ganz allmählich.
Währenddessen wird auch berichtet wie Caramon und Tauscher als Soldaten
gedrillt werden.
Ein weiterer - zunächst vollkommen anderer - Handlungsstrang beschreibt
zeitgleich, wie die Schwester der Zwillinge Kitiara in den Dienst von General
Ariakas tritt, einem Diener und General der dunklen Göttin Takhisis, welche
ganz Krynn mit einer mächtigen Waffe zu unterwerfen gedenkt. Und eben zu
diesem Zwecke, wird Kitiara mit einem gefährlichen Auftrag betraut: Sie
soll einem der mächtigsten Wesen Krynns, einem von Takhisis wiedererweckten
Drachen, gegenübertreten, ihn bändigen und unter die Herrschaft der
dunklen Königin stellen.
Ohne es zu ahnen werden auch die Zwillinge in diesen Krieg von Takhisis mithineingezogen.
Die vom Spinnerbaron angeheuerte Kriegsmacht zieht gegen die Stadt Hoffnungsende
aus, doch aus einem anderen Grund, als sie zunächst denken...
Wie schon der Vorgänger "Die Zauberprüfung" ist auch
der zweite Teil der Raistlin-Chroniken "Der Zorn des Drachen" wieder
ein spannender und packender Roman aus dem Hause Weis, diesmal in Zusammenarbeit
mit Co-Autor Don Perrin. Und trotzdem ein ganz kleines bisschen schlechter als
der Vorgänger.
Buch ist, meiner Auffassung nach, weder sonderlich anspruchsvoll, noch niveaulos
geschrieben. Die Autoren verwenden eine eindruckvolle, schön ausgeschmückte
Sprache, mit der sie den Leser fesseln, und trotzdem lässt es sich ohne
viel Anstrengung lesen. Neu im Erzählstil ist, dass drei zeitgleiche Handlungsstränge
nebeneinander erzählt werden, doch wurde dieses "Problem" souverän
gelöst und es wird fast keine Verwirrung beim Leser gestiftet.
Man sollte beachten, dass es nicht zwingend notwendig ist vorher "Die Zauberprüfung"
gelesen zu.
Fazit: Wieder wird die Fantasie des Lesers beflügelt und erneut wird er
in die abenteuerliche Welt von Krynn entführt. Auf jeden Fall lesenswert!
Leseprobe:
Am Ende des Ganges kamen sie zu einer steinernen Wendeltreppe, die nach unten
führte. Der Soldat stieg die Stufen hinunter, und Raistlin folgte ihm.
Am Ende der Treppe befand sich eine Holztür. Nachdem er stehen geblieben
war, klopfte der Soldat donnernd dagegen. Drin klirrte es, als würde Glas
zerbrechen.
"Du Hurensohn!", brüllte eine verärgerte Stimme. "Jetzt
habe ich meinen Trank fallen lassen! Was zum Abgrund willst du?"
Der Soldat grinste und zwinkerte Raistlin zu. "Ich bringe den neuen Zauberer,
Sir. Ihr sagtet, ich sollte ihn hier her bringen."
"Ja, wer zum Teufel rechnet denn damit, dass du so schnell wieder da bist!",
knurrte die Stimme.
"Ich kann ihn wieder mitnehmen, Sir", schlug der Soldat respektvoll
vor.
"Ja, mach das. Nein, lieber nicht. Er kann hier sauber machen, weil ja
schließlich der Anlass war."
Man hörte Schritte, dann hob sich klirrend ein Riegel. Die Tür schwang
auf.
"Das Meister Horkin", stellte der Soldat vor.
Raistlin, der einen Kriegszauberer erwartete, hatte mit Größe, Macht
und Intelligenz gerechnet. Er erwartete, dass er von Erfurcht erfasst oder wenigstens
inspiriert werden würde. Lemuels Vater war ein Kriegszauberer gewesen.
Lemuel hatte seinen Vater oft beschrieben, und Raistlin hatte ein Porträt
von ihm im Turm der Erzmagier hängen sehen - ein großer Mann mit
weißen Strähnen im schwarzen Haar, Hakennase und Falkenaugen und
den langen Fingern und feingliedrigen Händen eines Künstlers. So sah
der Kriegszauberer seiner Träume aus.
Beim Anblick des Magiers, der in der Tür stand und ihn finster betrachtete,
zerplatze Raistlins Traum und schwamm auf der Woge seiner Enttäuschung
davon.
Der Magier war so klein, dass er Raistlin nur bis zur Schulter reichte. Was
ihm an Größe mangelte, machte er durch seinen Umfang wett. Er war
erst Ende vierzig, hatte aber kein Haar mehr auf dem Kopf - er hatte nirgendwo
Haare, nicht einmal Augenbrauen oder Wimpern. Sein Hals war feist, seine Schultern
breit, und die Hände wahre Pranken - kein Wunder, dass er die zarte Trankflasche
hatte fallen lassen. Er hatte ein rotes, cholerisches Gesicht mit stechenden
blauen Augen, deren Bläue durch die Röte seines Gesichtes noch betont
wurde.
Aber es war nicht sein ungewöhnliches Äußeres, dass Raistlin
irritierte und bewirkte, dass seine Lippen sich kräuselten. Der Magier
- und ihn so zu bezeichnen wäre ein Kompliment gewesen, dass er wahrscheinlich
nicht verdient hatte - trug braune Roben. Braune Roben - das Merkmal derer,
die nie die Prüfung im Turm der Erzmagier abgelegt hatten, das Merkmal
eines Zauberers, der entweder nicht geschickt genug war oder nicht genug Ergeiz
hatte, um zu bestehen oder vielleicht Angst hatte. Was auch der Grund war, dieser
Zauberer hatte sich nicht mit Leib und Seele der Magie verschrieben. Einen solchen
Mann konnte Raistlin nicht respektieren.
Daher war er überrascht und pikiert, als er erkannte, dass ihm ebensoviel
Verachtung entgegenschlug. Der braune gewandete Magier betrachtete Raistlin
wenig wohlwollend.
"Oh, um Lunis Willen, sie haben mir einen verwunschenen Turmzauberer geschickt",
knurrte Horkin.
Zu seinem tiefen Bedauern wurde Raistlin von einem Hustenanfall überfallen.
Zum Glück war es nur ein kurzer, doch er trug nicht dazu bei, Horkin zu
beeindrucken.
"Und obendrein noch kränklich", sagte Horkin angewidert. "Wozu
zur Hölle sollst du gut sein, Roter?"
Raistlin machte den Mund auf um stolz zu verkünden, was schon beherrschte.
"Ich wette, du kannst einen Schlafzauber", beantwortete Horkin seine
eigene Frage. "Das wird uns jedenfalls eine Menge helfen. Der Feind kann
auf Schlachtfeld ein kleines Nickerchen halten, wacht erfrischt wieder auf und
schlitzt uns den Bauch auf. Was zum Teufel gaffst du da?" Das galt dem
Soldaten. "Du hast doch wohl zu tun."
"Ja, Sir, Meister Horkin." Der Soldat salutierte, drehte sich um und
verschwand.
Horkin nahm Raistlin am Arm und zog ihn mit einem Ruck ins Laboratorium, der
ihn fast umgerissen hätte. Dann schlug er die Tür hinter ihnen zu.
Raistlin sah sich geringschätzig um, denn seine schlimmsten Befürchtungen
bewahrheiteten sich. Das sogenannte Laboratorium war ein dunkler, schlecht beleuchteter,
gemauerter Keller. Auf einem Regal standen ein paar zerlesene Zauberbücher.
An der Wand hingen Waffen - Keulen, Streitkolben, ein schartiges Schwert und
ein paar andere, gefährlich aussehende Werkzeuge, die Raistlin nicht kannte.
Ein fleckiger, wackliger Schrank, enthielt Flaschen mit Gewürzen und Kräutern.
Horkin lies den jungen Magier los und sah ihn forschend an, als wäre er
ein frisch geschlachtetes Tier beim Metzger. Offenbar hatte er keine große
Meinung von dem, was er sah.
Raistlin erstarrte unter der beleidigenden Begutachtung.
Horkin stemmte seine fleischigen Hände in die Hüften (oder jedenfalls
in deren ungefähre Gegend). Er hatte eine zapfenförmige Figur bei
der Brust und Schultern den kräftigsten Teil ausmachten.
"Ich bin Horkin, für dich Meister Horkin, Roter."
"Mein Name ist -", setzte Raistlin förmlich an.
Horkin hielt warnend die Hand hoch. "Dein Name kümmert mich nicht,
Roter. Ich will ihn nicht wissen. Wenn du deine ersten drei Schlachten überlebt
hast, werde ich ihn mir vielleicht merken, vorher nicht. Früher habe ich
mir die Namen gemerkt, aber das war eine verdammte Zeitverschwendung. Kaum kannte
ich so ein Milchgesicht, kippte es mir auch schon in die Arme und starb. Inzwischen
ist mir das egal. Füllen mir nur den Kopf mit nutzlosen Information."
Seine blauen Augen schweiften von Raistlin ab.
[…]
Er drehte sich um, ging zu einem steinernen Tisch und senkte seinen schweren
Körper auf einen Hocker, der sein Gewicht, wie es schien, kaum zu tragen
vermochte. Mit einem seiner feisten Finger zeigte er auf eine Seite des ledergebundenen
Buches, das offen auf dem Tisch lag.
"Hilft wohl alles nichts. Ich muss noch mal von vorn anfangen."
Horkin deutete auf einen zerbrochenen Tiegel, dessen Inhalt über den Boden
verteilt war. "Wisch das auf, Roter. In der Ecke stehen ein Schrubber und
ein Eimer."
Raistlin schäumte bereits vor Wut, doch jetzt verlor er die Beherrschung.
"Das werde ich nicht tun!", rief er und stieß den Stab bekräftigend
auf den Steinboden. "Ich werde nicht für euch putzen. Ich werde mich
nicht einem Mann unterordnen, der unter mir steht. Ich habe im Turm der Ermagier
die Prüfung abgelegt! Ich habe für die Magie mein Leben aufs Spiel
gesetzt! Ich hatte keine Angst -"
"Angst?", unterbrach Horkin seinen Wortschwall. Mit grimmiger Belustigung
sah er von dem Buch auf, das er beschmierte. "Wir werden ja sehen, wer
Angst hat, bei Luni!"
"Wenn Ihr in meiner Gegenwart seid", erklärte Raistlin kalt und
kein bisschen eingeschüchtert, "werdet ihr der Göttin Lunitari
den Respekt zollen, den sie verdient hat -"
Für einen so schweren Mann konnte Horkin sich schnell bewegen. Eben saß
er noch auf dem Hocker, im nächsten Augenblick schien er sich direkt vor
Raistlin zu materialisieren wie ein Teufelchen, das aus dem Abgrund hervorbrach.
"Hör mir zu, Roter", sagte Horkin, der Raistlin den Finger auf
die dünne Brust setzte. "Erstens gibst du mir keine Befehle. Ich gebe
dir Befehle, und ich erwarte, dass du meine Befehle befolgst. Zweitens sprichst
du mich mit Meister Horkin oder Sir oder Meister an. Drittens kann ich die Göttin
bezeichnen, wie es mir verdammt noch mal passt. Wenn ich Luni zu ihr sage, dann
deshalb, weil ich das Recht dazu habe. Wir haben nächtelang unter den Sternen
miteinander getrunken und uns die Flasche hin und her gereicht. Ich trage ihr
Symbol auf dem Herzen."
Er nahm seinen Finger von Raistlins Brust weg zu seiner eigenen, um auf ein
gesticktes Abzeichen mit dem Symbol von Lunitari zu deuten, das er über
der linken Brust trug, ein Abzeichen, dass Raistlin nicht bemerkt hatte. "Und
ich trage ihr Emblem um den Hals."
Horkin zog einen Silberanhänger unter seinen Roben hervor und hielt ihn
Raistlin so dicht vor die Augen, dass der zurückzuckte, damit er ihm nicht
gegen die Nase stieß.
"Das hat mir die süße Luni mit ihren eigenen, schönen Händen
geschenkt. Ich habe sie gesehen, ich habe mit ihr gesprochen." Horkin trat
einen unmöglichen Schritt näher, so dass er praktisch auf Raistlins
Zehen stand. Der ältere Zauberer starrte zu Raistlin hoch, in ihn hinein,
durch ihn hindurch.
"Ich trage vielleicht nicht ihr Symbol", erwiderte Raistlin, der standhielt
und nicht weiter zurückwich, "aber ich trage ihre Farbe, Rot, wie
Ihr so scharfsinnig bemerkt habt. Und sie hat auch mit mir gesprochen."
Die Stille zwischen ihnen war aufgeladen wie nach einem Blitzschlag. Raistlin
warf einen genaueren Blick auf das Symbol von Lunitari. Es bestand aus massivem
Silber, war alt, sehr alt, und fein gearbeitet und schimmerte vor in ihm schlummernder
Macht. Fast hätte er geglaubt, dass es wirklich von Lunitari stammte.
Horkin schaute sich Raistlin näher an, und vielleicht hefte der alte Zauberer
ganz ähnliche Gedanken wie der Jüngere.
"Lunitari selbst hat mir dir gesprochen?", fragte Horkin und hob den
Finger, den er in Raistlin gebohrt hatte, hielt ihn hoch und zeigte zum Himmel.
"Schwörst du das?"
"Ja", bestätigte Raistlin ruhig. "Beim roten Mond, ich schwöre."
Horkin grunzte. Er schob sein Gesicht noch einen unmöglichen Zoll näher
an Raistlin heran. "Jan, was, Soldat?"
Raistlin zögerte. Er mochte diesen Mann nicht, der ungehobelt und ungebildet
war und wahrscheinlich nicht ein Zehntel der Magie besaß, über die
Raistlin verfügte, und der ihn dennoch dazu zwingen würde, ihn als
Vorgesetzten zu behandeln. Dieser Mann hatte Raistlin gedemütigt und beleidigt.
Um ein Kenderkupferstück hätte Raistlin sich umgedreht und wäre
aus dem Laboratorium gelaufen. Doch in dieser letzen Frage entdeckte Raistlin
eine Änderung des Tonfalls, eine Andeutung von - nicht Respekt, aber Akzeptanz.
Er wurde als Bruder akzeptiert, auch wenn sein Leben hart und gefährlich
sein würde. Doch diese Bruderschaft würde ihn, wenn er einmal aufgenommen
war, auch umarmen und mit unerschütterlicher Loyalität zu ihm halten.
Die Bruderschaft von Magus und Huma.
"Ja... Meister Horkin", sagte Raistlin. "Sir."
"Gut." Horkin grunzte wieder. "Vielleicht kann ich doch noch
etwas aus dir machen. Keiner von den anderen hat auch nur begriffen, wovon die
Rede war, wenn ich Luni, die liebe Luni, erwähnte."
Er zog die Stelle hoch, wo seine Augenbrauen hätten sein sollen, wenn er
welche gehabt hätte. "Und nun, Roter", Horkin zeigte auf den
zerbrochenen Tiegel, "räum das auf."
Rezension erstellt von Phoenix