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Autor Thema: König der purpurnen Stadt, Der - Rebecca Gablé  (Gelesen 4004 mal)
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« am: Januar 16, 2008, 19:45:37 »

Rebecca Gablé - Der König der purpurnen Stadt

Autor: Rebecca Gable
Seiten: 960
ISBN: 3404152182
Verlag: Bastei Lübbe
Erstveröffentlichung: 2001
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London im Jahr 1330: Der achtzehnjährige Jonah Durham hat kein leichtes Leben als Lehrjunge im Haushalt seines Cousins. Einzig seine Großmutter schenkt ihrem verwaisten Enkel ein wenig Zuneigung. Doch eine unerwartete Erbschaft sowie eine Begegnung mit König Edward und Königin Philippa lenkt Jonahs Schicksal in neue Bahnen. Er findet Aufnahme in der elitären Londoner Tuchhändlergilde, wird nach und nach zu einem der erfolgreichsten Kaufleute Englands und revolutioniert gemeinsam mit Königin Philippa die englische Tuchproduktion. Doch je größer sein Erfolg, desto heimtückischer werden die Intrigen seiner Neider…

Ein weiter Historienroman aus dem Hause Gablé der die Bestsellerlisten eroberte und meiner Ansicht nach seinen Vorgängern in nichts nachsteht. Das Buch gibt eine Chronik der Jahre 1330 bis 1349 wieder, was die politische Situation in England betraf, aber nicht nur "trockene" Geschichte sondern auch das alltägliche Leben der Menschen im London des 14. Jahrhunderts wird widergespiegelt. Die Charaktere des Buches sind ein bunt gemixter Haufen, der von adeligen Rittern über reiche, skrupellose Kaufleute bis hin zu Huren und Dieben führt, was den Roman ebenfalls sehr reizvoll macht, Vergangenheit zur Gegenwart werden lässt und auch historische Figuren wie Edward III zum Leben erweckt. Besonders gut gefiel mir die oft düstere, verbissene aber nichtsdestotrotz liebenswerte Gestalt von Jonah Durham dem Hauptcharakter, dessen Lebens- bzw. Karriereweg die Handlung des Buches ausmacht. Natürlich ist Tuchhandel bzw. Wollproduktion ein wichtiges Thema des Buches, doch auch andere Handlungsstränge verflechten sich in der Lebensgeschichte Jonahs: Intrigen, Verrat, Liebe, die Tragödie der Pest…

Ich persönlich habe das Buch regelrecht verschlungen, ganz nebenbei viel über das mittelalterliche England gelernt und kann es jedem nur weiterempfehlen, auch wenn man bei dem Thema "Tuchproduktion" vielleicht nicht gleich vom Stuhl springen sollte. Kein einziges Mal langweilt der Roman mit endlosen Fakten oder staubtrockenen Erklärungen, sondern alle Hintergrundinformationen sind geschickt in die liebevoll gestaltete Handlung eingeflochten.

Fazit: Ein tolles Buch, sicherlich unter den besten Historienromanen die ich je las. Wer sich für das mittelalterliche England, insbesondere London, interessiert (wie ich) wird in dem Buch eine wahre Goldgrube finden, sollte dies nicht der Fall sein ist es dennoch noch eine spannende, lesenswerte Lektüre.

Leseprobe:

Zum ersten Mal in seinem Leben fand Jonah sich ganz auf sich allein gestellt, und es war eine Offenbarung, zu entdecken, wie gut es ihm gefiel, wie befreit und selbstsicher er sich fühlte. Er würde gute Geschäfte machen in Norwich. Er würde Rupert und die Gilde überzeugen, dass er alles wusste und konnte, was er brauchte, um auf eigenen Füßen zu stehen. Er wäre der jüngste Kaufmann in der Geschichte der Gilde, hatte Vater Gilbert ihm zu verstehen gegeben, aber das schreckte Jonah nicht. Mit einigem Erstaunen erkannte er, dass es Zuversicht war, die er verspürte, eine ganz und gar fremde Empfindung für ihn, der doch sonst immer mit dem Schlimmsten rechnete, um nicht gar zu bitter enttäuscht zu werden.
Verblüfft lächelte er vor sich hin. Alles war möglich, erkannte er. Vielleicht konnte er sogar Annot wieder finden - er hatte jetzt schließlich ganz andere Möglichkeiten - und gutmachen, was erst Rupert und dann seine Großmutter ihr angetan hatten. Alles war möglich…
Er war so in seine Träumereien versunken, dass er den Hufschlag zunächst gar nicht wahrnahm. Als er die eiligen Reiter hinter sich schließlich hörte, lenkte er seinen zahmen Wallach an den rechten Wegrand, um Platz zu machen. Doch statt an ihm vorbeizuziehen, fielen die galoppierenden Pferde hinter ihm in Schritt und kamen dann anscheinend zum Stehen. Verwundert wandte Jonah den Kopf und fand zwei wenig Vertrauen erweckende Männer mit schäbigen, fleckigen Kitteln und zottigen Bärten. Hafengesindel, dachte er unwillkürlich, ehe ihm aufging, dass er hier auf dem Lande war und die Menschen nicht einfach nach den Londoner Kategorien beurteilen konnte, die ihm vertraut waren. Vermutlich waren diese beiden ganz harmlose, ärmliche Bauern. Ihre einfachen Pferde, ein Fuchs und ein Brauner, keuchten ausgepumpt und auch die Reiter waren außer Atem.
Jonah winkte sie vorbei. "Reitet zu, Platz genug auf der Straße."
Die bärtigen Männer tauchten einen Blick und nickten grinsend. "Wir sind am ziel", sagte der eine.
"Was in aller Welt sucht ihr hier mitten im Nirgendwo?", fragte Jonah ihn verblüfft, sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung und wandte den Kopf. Aber es war schon zu spät. Der zweite Mann hatte einen langen Knüppel gehoben und holte aus. Instinktiv riss Jonah den Kopf zur Seite, so dass die schwere Keule ihn nur auf die Schulter traf. Doch der Aufprall war so gewaltig, dass der junge Kaufmann regelrecht aus dem Sattel geschleudert wurde. Er landete mit dem Gesicht im struppigen Gras und konnte sich einen Moment nicht rühren. Der Schmerz in der Schulter war mörderisch. Weit bin ich nicht gerade gekommen, dachte er verwirrt, und dann hörte er die leisen Schritte näher kommen. Er drehte den Kopf zur Seite und sah zwei Paar ausgetretener Lederschuhe.
"Mein Geld ist in der Satteltasche. Nehmt es und verschwindet." Er hatte so deutlich gesprochen, wie er konnte, aber sie hatten ihn offenbar nicht gehört. Ein Paar Schuhe trat näher, blieb leicht gespreizt stehen und als Jonah die Keule durch die Luft pfeifen hörte, warf er sich zur Seite. Sie landete nur eine Handbreit von seiner Nase entfernt und jetzt sah er, dass sie mit Eisen beschlagen war. Ich werde sterben, erkannte er ungläubig. Ich weiß nicht wieso, aber ich werde sterben und das Letzte, was ich in meinem Leben sehe, ist ein Totschläger mitten in einem Büschel Glockenblumen.
"Halt den Bengel fest, er zappelt wie ein Fisch", knurrte der eine und eine Fußspitze landete in Jonahs Magen, drehte ihn dann auf den Rücken und stellte sich auf die getroffene Schulter. Er biss die Zähne zusammen. Helle Punkte pochten vor seinen Augen. Der Schmerz in der Schulter vernebelte ihm die Sinne, sein Blickfeld schrumpfte und schien an den Rändern zu zerfließen. Er bildete sich ein, ein Horn erschallen zu hören, wie aus weiter Ferne. Dann kniff er die Augen zu und betete stumm.
Nicht die Keule traf ihn, sondern etwas weitaus Größeres und Schwereres landete quer über seiner Körpermitte und presste die Luft aus seinen Lungen. Im selben Moment verschwand der Fuß von seiner Schulter. Jonah riss die Augen wieder auf und fand sein ganzes Blickfeld von der Fratze des Keulenschwingers ausgefüllt. Aus nächster Nähe erkannte er eine hauchfeine gezackte Narbe, die sich im rötlichen Bart verlor, sah durch das schüttere Haar die Läuse, die sich auf der Kopfhaut tummelten und die dunklen Augen waren starr und glasig.
Angewidert drehte er den Kopf weg und versuchte, den schweren Körper zu stemmen. Aber sein linker Arm war vollkommen taub von dem Schlag auf die Schulter; er schaffte es nicht. Plötzlich kam ihm jemand zur Hilfe, zwei Hände packten seinen Angreifer und zerrten ihn zur Seite. Jonah wich zurück, hob den Kopf und sah einen schwarz gefiederten Pfeil aus der Brust des Mordbuben ragen. Es konnte keinen Zweifel geben. Der Mann war tot.
Für einen Augenblick war Jonah wie gelähmt vor Erleichterung und Schrecken. Dann spürte er eine freundliche hand auf der unverletzten Schulter und eine ruhige Stimme fragte: "Seid ihr verletzt? Könnt ihr aufstehen?"
Jonah blickte auf. Sein Retter war kaum älter als er selbst, ein junger, braun gelockter Edelmann mit einem ebenfalls braun gelockten Kinnbart. Er trug ein Surkot aus blauem, feinsten italienischen Samt, wie Jonah unbewusst registrierte, über einem dunkelgrünen Leinenwams, ein beängstigendes Schwert an der Seite, einen Köcher auf dem Rücken und einen Bogen in der hand. Er hatte braune, goldgefleckte Augen, die Jonah besorgt und durchdringend zugleich anschauten. "ich habe gesehen, wie sie Euch angriffen", fuhr der junge Ritter fort. "Die Schulter ist gewiss gebrochen."
Jonah stützte sich an einen nahen Baumstamm und kam ein wenig unsicher auf die Füße. Mit der rechten Hand hielt er den linken Unterarm, um die Schulter zu entlasten. "Habt vielen Dank, Sir." Er streifte den toten Banditen mit einem unbehaglichen Blick. "Er… er wollte sich mit meiner Börse wohl nicht zufrieden geben."
Der Ritter schüttelte den Kopf. "Nein. Er und sein Kumpan haben Euch Euren Beutel gelassen und Eure Satteltaschen nicht angerührt. Seht Ihr, da vorn steht Euer Pferd. Der zweite Strolch ist auf seinem eigenen geflohen. Das waren keine gewöhnlichen Diebe. Sie wollten Euch töten."
Jonah nickte stumm.
"Warum?", fragte der junge Mann interessiert.
"Ich… weiß es nicht." Er hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung. Aber jetzt war es vorbei und er wollte nicht weiter darüber nachdenken. Stattdessen sammelte er seinen Verstand und verneigte sich höflich vor dem Fremden. "Ich bin Euch wirklich sehr zu dank verpflichtet, Sir."
Der Ritter winkte bescheiden ab. "Es war nicht der Rede wert. Eine glückliche Fügung, dass ich gerade vorbeikam. Ich war auf der Jagd, wisst Ihr, aber ich hatte nicht damit gerechnet, Jagd auf Banditen zu machen. Es ist wahrlich eine Schande, wenn ein ehrlicher Mann am helllichten Tage nicht mehr gefahrlos durch Epping Forest reiten kann. Der König sollte sich dringend einmal darum kümmern und seine Straßen sicherer machen."
"ich bin überzeugt, der König tut, was er kann", entgegnete Jonah.
"Glaubt Ihr wirklich?"
"Ja."
"Nun, ich wünschte, ich könnte mir dessen so sicher sein wie Ihr."
Jonah wollte zu einer flammenden Rede zur Verteidigung seines Königs ansetzen, als das ironische kleine Lächeln seines Gegenübers ihn plötzlich mit Argwohn erfüllte.
"Es wäre wohl kaum höflich, dem Mann zu widersprechen, der mir soeben das Leben gerettet hat. Würdet Ihr mir Euren Namen verraten, Sir?"
Der Ritter grinste plötzlich wie ein Lausebengel. "Edward Plantagenet."
Jonah sank benommen auf ein Knie nieder. "Mein König", war alles, was er herausbrachte und er dachte: Großmutter hatte Recht, du bist wirklich ein ausgekochtes Schlitzohr.



Rezension erstellt von Ninchen
Gespeichert

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